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1. Recht
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Rechtliche Grundlagen

(Recht)

1. Recht
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1.1. ABGB
1.1. ABGB

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie
StF: JGS Nr. 946/1811 idF BGBl. I Nr. 148/2020 (ABGB)

Inhaltsverzeichnis

Stichwortverzeichnis

1.1. ABGB |
| 1.1. ABGB

Einleitung.

Von den bürgerlichen Gesetzen überhaupt.

Begriff des bürgerlichen Rechtes.

§ 1. Der Inbegriff der Gesetze, wodurch die Privat-Rechte und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt werden, macht das bürgerliche Recht in demselben aus.

§ 2. Sobald ein Gesetz gehörig kund gemacht worden ist, kann sich niemand damit entschuldigen, daß ihm dasselbe nicht bekannt geworden sey.

Anfang der Wirksamkeit der Gesetze.

§ 3. Die Wirksamkeit eines Gesetzes und die daraus entspringenden rechtlichen Folgen nehmen gleich nach der Kundmachung ihren Anfang; es wäre denn, daß in dem kund gemachten Gesetze selbst der Zeitpunct seiner Wirksamkeit weiter hinaus bestimmt würde.

§ 5. Gesetze wirken nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß.

Auslegung.

§ 6. Einem Gesetze darf in der Anwendung kein anderer Verstand beygelegt werden, als welcher aus der eigenthümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet.

§ 7. Läßt sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem natürlichen Sinne eines Gesetzes entscheiden, so muß auf ähnliche, in den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle, und auf die Gründe anderer damit verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden. Bleibt der Rechtsfall noch zweifelhaft; so muß solcher mit Hinsicht auf die sorgfältig gesammelten und reiflich erwogenen Umstände nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen entschieden werden.

§ 8. Nur dem Gesetzgeber steht die Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären. Eine solche Erklärung muß auf alle noch zu entscheidende Rechtsfälle angewendet werden, dafern der Gesetzgeber nicht hinzufügt, daß seine Erklärung bey Entscheidung solcher Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum Gegenstande haben, nicht bezogen werden solle.

Dauer des Gesetzes.

§ 9. Gesetze behalten so lange ihre Kraft, bis sie von dem Gesetzgeber abgeändert oder ausdrücklich aufgehoben werden.

Andere Arten der Vorschriften, als:

a) Gewohnheiten.

§ 10. Auf Gewohnheiten kann nur in den Fällen, in welchen sich ein Gesetz darauf beruft, Rücksicht genommen werden.

b) Provinzial-Statuten.

§ 11. Nur jene Statuten einzelner Provinzen und Landesbezirke haben Gesetzeskraft, welche nach der Kundmachung dieses Gesetzbuches von dem Landesfürsten ausdrücklich bestätigt werden.

c) Richterliche Aussprüche.

§ 12. Die in einzelnen Fällen ergangenen Verfügungen und die von Richterstühlen in besonderen Rechtsstreitigkeiten gefällten Urtheile haben nie die Kraft eines Gesetzes, sie können auf andere Fälle oder auf andere Personen nicht ausgedehnet werden.

d) Privilegien.

§ 13. Die einzelnen Personen oder auch ganzen Körpern verliehenen Privilegien und Befreyungen sind, in so fern hierüber die politischen Verordnungen keine besondere Bestimmung enthalten, gleich den übrigen Rechten zu beurtheilen.

Haupteintheilung des bürgerlichen Rechtes.

§ 14. Die in dem bürgerlichen Gesetzbuche enthaltenen Vorschriften haben das Personen-Recht, das Sachenrecht und die denselben gemeinschaftlich zukommenden Bestimmungen zum Gegenstande.

Erster Theil.

Von dem Personen-Rechte.

Erstes Hauptstück.

Von den Rechten, welche sich auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse beziehen.

Personen-Rechte.

§ 15. Die Personen-Rechte beziehen sich theils auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse; theils gründen sie sich in dem Familien-Verhältnisse.

I. Aus dem Charakter der Persönlichkeit.

Angeborne Rechte.

§ 16. Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet.

Rechtliche Vermuthung derselben.

§ 17. Was den angebornen natürlichen Rechten angemessen ist, dieses wird so lange als bestehend angenommen, als die gesetzmäßige Beschränkung dieser Rechte nicht bewiesen wird.

Wahrnehmung der Persönlichkeitsrechte

§ 17a. (1) Persönlichkeitsrechte sind im Kern nicht übertragbar.

(2) In den Eingriff in ein Persönlichkeitsrecht kann nur eingewilligt werden, soweit dies nicht gegen die guten Sitten verstößt. Die Einwilligung in den Eingriff in den Kernbereich eines Persönlichkeitsrechts kann nur vom entscheidungsfähigen Träger des Persönlichkeitsrechts selbst erteilt werden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

(3) Die Persönlichkeitsrechte einer Person wirken nach dem Tod in ihrem Andenken fort. Verletzungen des Andenkens können die mit dem Verstorbenen im ersten Grad Verwandten und der überlebende Ehegatte, eingetragene Partner oder Lebensgefährte Zeit ihres Lebens geltend machen, andere Verwandte in auf- oder absteigender Linie nur für zehn Jahre nach dem Ablauf des Todesjahres. Jedenfalls zulässig sind im öffentlichen Interesse liegende Eingriffe zu Archivzwecken, zu wissenschaftlichen und zu künstlerischen Zwecken.

Erwerbliche Rechte.

§ 18. Jedermann ist unter den von den Gesetzen vorgeschriebenen Bedingungen fähig, Rechte zu erwerben.

Verfolgung der Rechte.

§ 19. Jedem, der sich in seinem Rechte gekränkt zu seyn erachtet, steht es frey, seine Beschwerde vor der durch die Gesetze bestimmten Behörde anzubringen. Wer sich aber mit Hintansetzung derselben der eigenmächtigen Hülfe bedienet, oder, wer die Gränzen der Nothwehre überschreitet, ist dafür verantwortlich.

Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch

§ 20. (1) Wer in einem Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist oder eine solche Verletzung zu besorgen hat, kann auf Unterlassung und auf Beseitigung des widerrechtlichen Zustandes klagen. Der Anspruch auf Unterlassung umfasst auch den Anspruch auf Beseitigung eines der Unterlassungsverpflichtung widerstreitenden Zustandes. Unter den Voraussetzungen des § 17a Abs. 3 können auch die dort genannten Personen klagen.

(2) Wird in einem Medium im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Arbeit- oder Dienstnehmers dieser in seinem Ansehen oder seiner Privatsphäre verletzt und ist dieses Verhalten geeignet, die Möglichkeiten des Arbeit- oder Dienstgebers, den Arbeit- oder Dienstnehmer einzusetzen, nicht unerheblich zu beeinträchtigen oder das Ansehen des Arbeit- oder Dienstgebers erheblich zu schädigen, so hat dieser unabhängig vom Anspruch des Arbeit- oder Dienstnehmers einen eigenen Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung. Entsprechendes gilt für ehrenamtlich Tätige und Organe einer Körperschaft. Die Geltendmachung des Anspruchs des Arbeit- oder Dienstgebers ist nicht von der Zustimmung des Arbeit- oder Dienstnehmers abhängig. Eine Pflicht zur gerichtlichen Geltendmachung für den Arbeit- oder Dienstgeber bezüglich die den Arbeit- oder Dienstnehmer betreffende Persönlichkeitsrechtsverletzung insbesondere aufgrund der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht besteht nicht.

(3) Bedient sich derjenige, der eine Verletzung eines Persönlichkeitsrechts begangen hat oder von dem eine solche Verletzung droht, hiezu der Dienste eines Vermittlers, so kann auch dieser auf Unterlassung und Beseitigung geklagt werden. Liegen beim Vermittler die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Verantwortlichkeit nach dem E-Commerce-Gesetz vor, kann er jedoch erst nach Abmahnung geklagt werden. Diensteanbieter nach § 13 E-Commerce-Gesetz gelten nicht als Vermittler im Sinne dieser Bestimmung.

II. Personenrechte der Minderjährigen und sonstiger schutzberechtigter Personen

§ 21. (1) Minderjährige und Personen, die aus einem anderen Grund als dem ihrer Minderjährigkeit alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen nicht vermögen, stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze. Sie heißen schutzberechtigte Personen.

(2) Minderjährige sind Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben; haben sie das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, so sind sie unmündig.

§ 22. Selbst ungeborne Kinder haben von dem Zeitpuncte ihrer Empfängniß an, einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. In so weit es um ihre und nicht um die Rechte eines Dritten zu thun ist, werden sie als Geborne angesehen; ein todtgebornes Kind aber wird in Rücksicht auf die ihm für den Lebensfall vorbehaltenen Rechte so betrachtet, als wäre es nie empfangen worden.

§ 23. In zweifelhaftem Falle, ob ein Kind lebendig oder todt geboren worden sey, wird das Erstere vermuthet. Wer das Gegentheil behauptet, muß es beweisen.

III. Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit

§ 24. (1) Handlungsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Person, sich im jeweiligen rechtlichen Zusammenhang durch eigenes Handeln zu berechtigen und zu verpflichten. Soweit nichts anderes bestimmt ist, setzt sie Entscheidungsfähigkeit voraus; im jeweiligen Zusammenhang können noch weitere Erfordernisse vorgesehen sein.

(2) Entscheidungsfähig ist, wer die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang verstehen, seinen Willen danach bestimmen und sich entsprechend verhalten kann. Dies wird im Zweifel bei Volljährigen vermutet.

IV. Aus dem Verhältnisse einer moralischen Person.

§ 26. Die Rechte der Mitglieder einer erlaubten Gesellschaft unter sich werden durch den Vertrag oder Zweck und die besondern für dieselben bestehenden Vorschriften bestimmt. Im Verhältnisse gegen Andere genießen erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit den einzelnen Personen. Unerlaubte Gesellschaften haben als solche keine Rechte, weder gegen die Mitglieder, noch gegen Andere, und sie sind unfähig, Rechte zu erwerben. Unerlaubte Gesellschaften sind aber diejenigen, welche durch die politischen Gesetze ins besondere verbothen werden, oder offenbar der Sicherheit, öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten widerstreiten.

§ 27. In wie fern Gemeinden in Rücksicht ihrer Rechte unter einer besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehen, ist in den politischen Gesetzen enthalten.

V. Aus dem Verhältnisse eines Staatsbürgers.

§ 28. Den vollen Genuß der bürgerlichen Rechte erwirbt man durch die Staatsbürgerschaft. Die Staatsbürgerschaft in diesen Erbstaaten ist Kindern eines Oesterreichischen Staatsbürgers durch die Geburt eigen.

Rechte der Fremden

§ 33. Den Fremden kommen überhaupt gleiche bürgerliche Rechte und Verbindlichkeiten mit den Eingebornen zu, wenn nicht zu dem Genusse dieser Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines Staatsbürgers erfordert wird. Auch müssen die Fremden, um gleiches Recht mit den Eingebornen zu genießen, in zweifelhaften Fällen beweisen, daß der Staat, dem sie angehören, die hierländigen Staatsbürger in Rücksicht des Rechtes, wovon die Frage ist, ebenfalls wie die seinigen behandle.

§ 38. Die Gesandten, die öffentlichen Geschäftsträger und die in ihren Diensten stehenden Personen genießen die in dem Völkerrechte und in den öffentlichen Verträgen gegründeten Befreyungen.

VI. Personen-Rechte aus dem Religionsverhältnisse.

§ 39. Die Verschiedenheit der Religion hat auf die Privat-Rechte keinen Einfluß, außer in so fern dieses bey einigen Gegenständen durch die Gesetze ins besondere angeordnet wird.

VII. Aus dem Familien-Verhältnisse Familie, Verwandtschaft und Schwägerschaft.

§ 40. Unter Familie werden die Stammältern mit allen ihren Nachkommen verstanden. Die Verbindung zwischen diesen Personen wird Verwandtschaft; die Verbindung aber, welche zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des andern Ehegatten entsteht, Schwägerschaft genannt.

§ 41. Die Grade der Verwandtschaft zwischen zwey Personen sind nach der Zahl der Zeugungen, mittelst welcher in der geraden Linie eine derselben von der andern, und in der Seitenlinie beyde von ihrem nächsten gemeinschaftlichen Stamme abhängen, zu bestimmen. In welcher Linie und in welchem Grade jemand mit dem einen Ehegatten verwandt ist, in eben der Linie und in eben dem Grade ist er mit dem andern Ehegatten verschwägert.

§ 42. Unter den Nahmen Aeltern werden in der Regel ohne Unterschied des Grades alle Verwandte in der aufsteigenden; und unter dem Nahmen Kinder, alle Verwandte in der absteigenden Linie begriffen.

VIII. Schutz des Namens

§ 43. Wird jemandem das Recht zur Führung seines Namens bestritten oder wird er durch unbefugten Gebrauch seines Namens (Decknamens) beeinträchtigt, so kann er auf Unterlassung und bei Verschulden auf Schadenersatz klagen.

Zweytes Hauptstück.

Von dem Eherechte.

Begriff der Ehe,

§ 44. Die Familien-Verhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwey Personen gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitigen Beystand zu leisten.

und des Eheverlöbnisses.

§ 45. Ein Eheverlöbniß oder ein vorläufiges Versprechen, sich zu ehelichen, unter was für Umständen oder Bedingungen es gegeben oder erhalten worden, zieht keine rechtliche Verbindlichkeit nach sich, weder zur Schließung der Ehe selbst, noch zur Leistung desjenigen, was auf den Fall des Rücktrittes bedungen worden ist.

Rechtliche Wirkung des Rücktrittes vom Eheverlöbnisse.

§ 46. Nur bleibt dem Theile, von dessen Seite keine gegründete Ursache zu dem Rücktritte entstanden ist, der Anspruch auf den Ersatz des wirklichen Schadens vorbehalten, welchen er aus diesem Rücktritte zu leiden beweisen kann.

Persönliche Rechtswirkungen der Ehe

§ 89. Die persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten im Verhältnis zueinander sind, soweit in diesem Hauptstück nicht anderes bestimmt ist, gleich.

§ 90. (1) Die Ehegatten sind einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet.

(2) Im Erwerb des anderen hat ein Ehegatte mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar, es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich und nicht anderes vereinbart ist.

(3) Jeder Ehegatte hat dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen. Soweit es die Umstände erfordern, vertritt er ihn auch in den Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens.

§ 91. (1) Die Ehegatten sollen ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung, die Erwerbstätigkeit, die Leistung des Beistandes und die Obsorge, unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder mit dem Ziel voller Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten.

(2) Von einer einvernehmlichen Gestaltung kann ein Ehegatte abgehen, wenn dem nicht ein wichtiges Anliegen des anderen oder der Kinder entgegensteht oder, auch wenn ein solches Anliegen vorliegt, persönliche Gründe des Ehegatten, besonders sein Wunsch nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, als gewichtiger anzusehen sind. In diesen Fällen haben sich die Ehegatten um ein Einvernehmen über die Neugestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu bemühen.

§ 92. (1) Verlangt ein Ehegatte aus gerechtfertigten Gründen die Verlegung der gemeinsamen Wohnung, so hat der andere diesem Verlangen zu entsprechen, es sei denn, er habe gerechtfertigte Gründe von zumindest gleichem Gewicht, nicht mitzuziehen.

(2) Ungeachtet des Abs. 1, kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann jeder der Ehegatten vor oder auch nach der Verlegung der Wohnung oder der gesonderten Wohnungnahme die Entscheidung des Gerichtes beantragen. Das Gericht hat im Verfahren außer Streitsachen festzustellen, ob das Verlangen auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung oder die Weigerung mitzuziehen oder die gesonderte Wohnungnahme durch einen Ehegatten rechtmäßig war oder ist. Es hat bei der Entscheidung auf die gesamten Umstände der Familie, besonders auf das Wohl der Kinder, Bedacht zu nehmen.

Name

§ 93. (1) Die Ehegatten führen den von ihnen bestimmten gemeinsamen Familiennamen. Mangels einer solchen Bestimmung behalten sie ihre bisherigen Familiennamen bei.

(2) Zum gemeinsamen Familiennamen können die Verlobten oder Ehegatten einen ihrer Namen bestimmen. Wird hiefür ein aus mehreren voneinander getrennten oder durch einen Bindestrich verbundenen Teilen bestehender Name herangezogen, so können der gesamte Name oder dessen Teile verwendet werden. Sie können auch einen aus den Familiennamen beider gebildeten Doppelnamen zum gemeinsamen Familiennamen bestimmen; dabei dürfen sie insgesamt zwei Teile dieser Namen verwenden.

(3) Derjenige Ehegatte, dessen Familienname nicht gemeinsamer Familienname ist, kann auch schon vor Eheschließung bestimmen, dass er einen aus dem gemeinsamen Familiennamen und seinem Familiennamen gebildeten Doppelnamen führt, sofern nicht der gemeinsame Familienname bereits aus mehreren Teilen besteht; auch darf der Ehegatte, dessen Familienname aus mehreren Teilen besteht, nur einen dieser Teile verwenden.

(4) Ein Doppelname ist durch einen Bindestrich zwischen dessen einzelnen Teilen zu trennen.

§ 93a. (1) Ändert sich der Familienname eines Ehegatten, so kann eine erneute Bestimmung vorgenommen werden.

(2) Wird die Ehe aufgelöst, so können die Ehegatten jeden früher rechtmäßig geführten Familiennamen wieder annehmen.

(3) Eine Person kann bestimmen, dass ihr Familienname dem Geschlecht angepasst wird, soweit dies der Herkunft der Person oder der Tradition der Sprache entspricht, aus der der Name stammt. Sie kann auch bestimmen, dass eine auf das Geschlecht hinweisende Endung des Namens entfällt.

§ 93b. Die Bestimmung oder Wiederannahme eines Familiennamens nach den §§ 93 und 93a ist nur einmalig zulässig.

§ 93c. Namensrechtliche Erklärungen sind dem Standesbeamten gegenüber in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde abzugeben. Ihre Wirkungen treten ein, sobald sie dem Standesbeamten zukommen.

Sonstige Wirkungen der Ehe

§ 94. (1) Die Ehegatten haben nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen.

(2) Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, leistet dadurch seinen Beitrag im Sinn des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten auch zu, soweit er seinen Beitrag nach Abs. 1 nicht zu leisten vermag.

(3) Auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre. Auf den Unterhaltsanspruch an sich kann im vorhinein nicht verzichtet werden.

§ 95. Die Ehegatten haben an der Führung des gemeinsamen Haushalts nach ihren persönlichen Verhältnissen, besonders unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Belastung, mitzuwirken. Ist jedoch ein Ehegatte nicht erwerbstätig, so obliegt diesem die Haushaltsführung; der andere ist nach Maßgabe des § 91 zur Mithilfe verpflichtet.

§ 96. Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und keine Einkünfte hat, vertritt den anderen bei den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, die er für den gemeinsamen Haushalt schließt und die ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechendes Maß nicht übersteigen. Dies gilt nicht, wenn der andere Ehegatte dem Dritten zu erkennen gegeben hat, daß er von seinem Ehegatten nicht vertreten sein wolle. Kann der Dritte aus den Umständen nicht erkennen, daß der handelnde Ehegatte als Vertreter auftritt, dann haften beide Ehegatten zur ungeteilten Hand.

§ 97. Ist ein Ehegatte über die Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient, verfügungsberechtigt, so hat dieser einen Anspruch darauf, daß der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Dies gilt nicht, wenn das Handeln oder Unterlassen des verfügungsberechtigten Ehegatten durch die Umstände erzwungen wird.

§ 98. Wirkt ein Ehegatte im Erwerb des anderen mit, so hat er Anspruch auf angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach der Art und Dauer der Leistungen; die gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten, besonders auch die gewährten Unterhaltsleistungen, sind angemessen zu berücksichtigen.

§ 99. Ansprüche auf Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98) sind vererblich, unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar und verpfändbar, soweit sie durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sind.

§ 100. Der § 98 berührt nicht vertragliche Ansprüche eines Ehegatten an den anderen aus einem Mit- oder Zusammenwirken im Erwerb. Solche Ansprüche schließen einen Anspruch nach § 98 aus; bei einem Dienstverhältnis bleibt dem Ehegatten jedoch der Anspruch nach § 98 gewahrt, soweit er seine Ansprüche aus dem Dienstverhältnis übersteigt.

Drittes Hauptstück

Rechte zwischen Eltern und Kindern

Erster Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Allgemeine Grundsätze

§ 137. (1) Eltern und Kinder haben einander beizustehen und mit Achtung zu begegnen. Die Rechte und Pflichten des Vaters und der Mutter sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, gleich.

(2) Eltern haben das Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu fördern, ihnen Fürsorge, Geborgenheit und eine sorgfältige Erziehung zu gewähren. Die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig. Soweit tunlich und möglich sollen die Eltern die Obsorge einvernehmlich wahrnehmen.

Kindeswohl

§ 138. In allen das minderjährige Kind betreffenden Angelegenheiten, insbesondere der Obsorge und der persönlichen Kontakte, ist das Wohl des Kindes (Kindeswohl) als leitender Gesichtspunkt zu berücksichtigen und bestmöglich zu gewährleisten. Wichtige Kriterien bei der Beurteilung des Kindeswohls sind insbesondere

1.

eine angemessene Versorgung, insbesondere mit Nahrung, medizinischer und sanitärer Betreuung und Wohnraum, sowie eine sorgfältige Erziehung des Kindes;

2.

die Fürsorge, Geborgenheit und der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität des Kindes;              

3.

die Wertschätzung und Akzeptanz des Kindes durch die Eltern;

4.

die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes;

5.

die Berücksichtigung der Meinung des Kindes in Abhängigkeit von dessen Verständnis und der Fähigkeit zur Meinungsbildung;

6.

die Vermeidung der Beeinträchtigung, die das Kind durch die Um- und Durchsetzung einer Maßnahme gegen seinen Willen erleiden könnte;

7.

die Vermeidung der Gefahr für das Kind, Übergriffe oder Gewalt selbst zu erleiden oder an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben;

8.

die Vermeidung der Gefahr für das Kind, rechtswidrig verbracht oder zurückgehalten zu werden oder sonst zu Schaden zu kommen;

9.

verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen und wichtigen Bezugspersonen sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen;

10.

die Vermeidung von Loyalitätskonflikten und Schuldgefühlen des Kindes;

11.

die Wahrung der Rechte, Ansprüche und Interessen des Kindes sowie

12.

die Lebensverhältnisse des Kindes, seiner Eltern und seiner sonstigen Umgebung.

§ 139. (1) Dritte dürfen in die elterlichen Rechte nur insoweit eingreifen, als ihnen dies durch die Eltern selbst, unmittelbar auf Grund des Gesetzes oder durch eine behördliche Verfügung gestattet ist.

(2) Eine mit einem Elternteil und dessen minderjährigem Kind nicht nur vorübergehend im gemeinsamen Haushalt lebende volljährige Person, die in einem familiären Verhältnis zum Elternteil steht, hat alles den Umständen nach Zumutbare zu tun, um das Kindeswohl zu schützen. Soweit es die Umstände erfordern, vertritt sie den Elternteil auch in Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens.

Zweiter Abschnitt

Abstammung des Kindes

a) Allgemeines

§ 140. Die nach diesem Gesetzbuch begründete Abstammung und deren Änderung sowie die Feststellung der Nichtabstammung wirken gegenüber jedermann.

Handlungsfähigkeit in Abstammungsangelegenheiten

§ 141. (1) Eine Person kann in Angelegenheiten ihrer Abstammung und der Abstammung von ihr rechtswirksam handeln, wenn sie entscheidungsfähig ist. Im Zweifel wird das Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit bei mündigen Minderjährigen vermutet.

(2) Minderjährige bedürfen darüber hinaus der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Handelt der gesetzliche Vertreter selbst, so bedarf er der Zustimmung des Minderjährigen.

(3) Ist eine Person in Angelegenheiten der Abstammung nicht entscheidungsfähig, so kann ihr gesetzlicher Vertreter für sie handeln. Ist die vertretene Person volljährig, so gilt § 250 Abs. 2 sinngemäß. Die Vaterschaft oder Elternschaft kann eine Person jedoch nur selbst anerkennen.

(4) Der gesetzliche Vertreter hat sich vom Wohl der vertretenen Person leiten zu lassen. Seine Vertretungshandlungen in Angelegenheiten der Abstammung bedürfen nicht der Genehmigung des Gerichts.

Rechtsnachfolge in Abstammungsangelegenheiten

§ 142. Nach dem Tod der betroffenen Person kann die Feststellung der Abstammung, deren Änderung oder die Feststellung der Nichtabstammung von den Rechtsnachfolgern oder gegen diese bewirkt werden.

b) Abstammung von der Mutter

§ 143. Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat.

c) Abstammung vom Vater

Abstammung vom Vater und vom anderen Elternteil

§ 144. (1) Vater des Kindes ist der Mann,

1.

der mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist oder als Ehemann der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist oder

2.

der die Vaterschaft anerkannt hat oder

3.

dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.

(2)

Ist an der Mutter innerhalb von nicht mehr als 300 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Geburt eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden, so ist die Frau Elternteil,

1.

die mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes in eingetragener Partnerschaft verbunden ist oder als eingetragene Partnerin der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist oder

2.

die die Elternschaft anerkannt hat oder

3.

deren Elternschaft gerichtlich festgestellt ist.

(3) Auf diese Frau sind die auf den Vater und die Vaterschaft Bezug nehmenden Bestimmungen in diesem Gesetz und anderen bundesgesetzlichen Vorschriften sinngemäß anzuwenden. Gelten im Verhältnis der Eltern zu ihrem Kind und zwischen den Eltern besondere Rechte und Pflichten, so kommen diese gleichermaßen zur Anwendung.

(4) Würden nach Abs. 1 Z 1 mehrere Männer als Vater in Betracht kommen, so ist derjenige von ihnen Vater, der mit der Mutter zuletzt die Ehe geschlossen hat. Würden nach Abs. 2 Z 1 mehrere Frauen in Betracht kommen, so ist diejenige von ihnen Elternteil, die mit der Mutter zuletzt die eingetragene Partnerschaft begründet hat.

Anerkenntnis des Vaters und des anderen Elternteils

§ 145. (1) Die Vaterschaft oder Elternschaft wird durch persönliche Erklärung in inländischer öffentlicher oder öffentlich-beglaubigter Urkunde anerkannt. Dem Anerkenntnis der Elternschaft ist ein Nachweis über die an der Mutter durchgeführte medizinisch unterstützte Fortpflanzung (§ 144 Abs. 2) beizulegen. Das Anerkenntnis wirkt ab dem Zeitpunkt der Erklärung, sofern die Urkunde oder ihre öffentlich-beglaubigte Abschrift mit den nötigen Nachweisen dem Standesbeamten zukommt.

(2) Das Anerkenntnis soll eine genaue Bezeichnung des Anerkennenden, der Mutter und des Kindes, sofern es bereits geboren ist, enthalten.

(3) Für Zustimmungen zum Anerkenntnis gelten die Abs. 1 und 2 entsprechend.

§ 146. (1) Das Kind oder die Mutter, sofern sie entscheidungsfähig sowie am Leben ist, können gegen das Anerkenntnis innerhalb von zwei Jahren ab Kenntnis von dessen Rechtswirksamkeit bei Gericht Widerspruch erheben.

(2) Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die zum Widerspruch berechtigte Person minderjährig oder nicht entscheidungsfähig ist oder innerhalb des letzten Jahres der Frist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis am Widerspruch gehindert ist.

§ 147. (1) Steht zum Zeitpunkt der Anerkennung bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes fest, so wird das Anerkenntnis erst rechtswirksam, sobald mit allgemein verbindlicher Wirkung festgestellt ist, dass der andere Mann nicht der Vater des betreffenden Kindes ist.

(2) Ein zu einem Zeitpunkt, zu dem die Abstammung des Kindes von einem anderen Mann feststand, abgegebenes Vaterschaftsanerkenntnis wird jedoch rechtswirksam, wenn das Kind dem Anerkenntnis in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde zustimmt. Ist das Kind minderjährig, so wird das Anerkenntnis überdies nur rechtswirksam, wenn die entscheidungsfähige Mutter selbst den Anerkennenden in der genannten Form als Vater bezeichnet. Das Anerkenntnis wirkt ab dem Zeitpunkt seiner Erklärung, sofern die über diese Erklärung sowie über die Zustimmung zum Anerkenntnis und, falls erforderlich, über die Bezeichnung des Anerkennenden als Vater errichteten Urkunden oder ihre öffentlich-beglaubigten Abschriften dem Standesbeamten zukommen.

(3) Der Mann, der als Vater feststand, oder die Mutter, sofern sie entscheidungsfähig sowie am Leben ist und nicht nach Abs. 2 den Anerkennenden als Vater bezeichnet hat, kann gegen das Anerkenntnis bei Gericht Widerspruch erheben. § 146 gilt entsprechend.

(4) Für die Zustimmung des minderjährigen Kindes ist der Kinder- und Jugendhilfeträger gesetzlicher Vertreter des Kindes.

Gerichtliche Feststellung der Vaterschaft

§ 148. (1) Als Vater hat das Gericht den Mann festzustellen, von dem das Kind abstammt. Der Antrag kann vom Kind gegen den Mann oder von diesem gegen das Kind gestellt werden.

(2) Auf Antrag des Kindes kann der Mann als Vater festgestellt werden, welcher der Mutter innerhalb von nicht mehr als 300 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Geburt beigewohnt hat oder mit dessen Samen an der Mutter in diesem Zeitraum eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden ist, es sei denn, er weist nach, dass das Kind nicht von ihm abstammt. Eine solche Feststellung ist nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Tod des Mannes nicht mehr möglich, es sei denn, das Kind weist nach, dass ihm der Beweis nach Abs. 1 aus Gründen auf Seiten des Mannes nicht gelingt.

(3) Ist an der Mutter innerhalb der im Abs. 2 genannten Frist eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten durchgeführt worden, so ist als Vater der Mann festzustellen, der dieser medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Form eines Notariatsakts zugestimmt hat, es sei denn, er weist nach, dass das Kind nicht durch diese medizinisch unterstützte Fortpflanzung gezeugt worden ist.

(4) Ein Dritter, dessen Samen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung verwendet wird, kann nicht als Vater des mit seinem Samen gezeugten Kindes festgestellt werden. Dritter ist, wer seinen Samen einer für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen zugelassenen Krankenanstalt mit dem Willen überlässt, nicht selbst als Vater eines mit diesem Samen gezeugten Kindes festgestellt zu werden.

§ 149. (1) Der gesetzliche Vertreter hat dafür zu sorgen, dass die Vaterschaft festgestellt wird, es sei denn, dass die Feststellung der Vaterschaft für das Wohl des Kindes nachteilig ist oder die Mutter von ihrem Recht, den Namen des Vaters nicht bekanntzugeben, Gebrauch macht.

(2) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat die Mutter darauf aufmerksam zu machen, welche Folgen es hat, wenn die Vaterschaft nicht festgestellt wird.

Vaterschaftsfeststellung bei bestehender Abstammung

§ 150. Das Kind kann die Feststellung seiner Abstammung auch beantragen, wenn die Vaterschaft eines anderen Mannes bereits feststeht. In einem solchen Fall hat die Feststellung der Abstammung die vom Gericht auszusprechende Wirkung, dass das Kind nicht vom anderen Mann abstammt.

Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter

§ 151. (1) Stammt ein Kind, das während der Ehe der Mutter oder vor Ablauf von 300 Tagen nach dem Tod des Ehemanns der Mutter geboren worden ist, nicht von diesem ab, so hat das Gericht dies auf Antrag festzustellen.

(2) Der Antrag kann vom Kind gegen den Mann und von diesem gegen das Kind gestellt werden.

§ 152. Hat der Ehemann der Mutter einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten in Form eines Notariatsakts zugestimmt, so kann nicht die Feststellung begehrt werden, dass das mit dem Samen des Dritten gezeugte Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt.

§ 153. (1) Ein Antrag auf Feststellung, dass das Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt, kann binnen zwei Jahren ab Kenntnis der hiefür sprechenden Umstände gestellt werden. Diese Frist beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes, im Fall einer Änderung der Abstammung frühestens mit der Wirksamkeit der Änderung. Ein Antrag ist nicht zulässig, solange die Abstammung des Kindes von einem anderen Mann feststeht.

(2) Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die antragsberechtigte Person minderjährig oder nicht entscheidungsfähig ist oder innerhalb des letzten Jahres der Frist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Antragstellung gehindert ist.

(3) Später als 30 Jahre nach der Geburt des Kindes oder nach einer Änderung der Abstammung kann nur das Kind die Feststellung der Nichtabstammung begehren.

Rechtsunwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses

§ 154. (1) Das Gericht hat das Anerkenntnis für rechtsunwirksam zu erklären

1.

von Amts wegen, wenn

a)

das Anerkenntnis oder – im Fall des § 147 Abs. 2 – die Zustimmung des Kindes oder die Bezeichnung des Anerkennenden als Vater durch die Mutter nicht den Formvorschriften entspricht oder

b)

der Anerkennende oder – im Fall des § 147 Abs. 2 – die Mutter oder das Kind nicht entscheidungsfähig war oder der gesetzliche Vertreter des Kindes nicht zugestimmt hat, es sei denn, dass der Mangel der gesetzlichen Vertretung nachträglich behoben wurde oder dass der Anerkennende nach Erreichen der Entscheidungsfähigkeit sein Anerkenntnis gebilligt hat;

2.

aufgrund eines Widerspruchs, es sei denn, es ist erwiesen, dass das Kind vom Anerkennenden abstammt oder – wenn das Kind durch eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten gezeugt worden ist – dass der Anerkennende dem in Form eines Notariatsakts zugestimmt hat;

3.

auf Antrag des Anerkennenden, wenn er beweist,

a)

dass sein Anerkenntnis durch List, ungerechte und gegründete Furcht oder Irrtum darüber veranlasst worden ist, dass das Kind von ihm abstammt oder dass an der Mutter eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit seinem Samen oder mit seiner Zustimmung mit dem Samen eines Dritten vorgenommen wurde oder

b)

dass das Kind nicht von ihm abstammt und er erst nachträglich von Umständen Kenntnis erlangt hat, die für die Nichtabstammung des Kindes sprechen.

(2) Der Antrag nach Abs. 1 Z 3 kann längstens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Entdeckung der Täuschung, des Irrtums oder der genannten Umstände oder nach Wegfall der Zwangslage erhoben werden. Die Frist beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes.

Dritter Abschnitt

Name

§ 155. (1) Das Kind erhält den gemeinsamen Familiennamen der Eltern. Es kann aber auch der Doppelname eines Elternteils (§ 93 Abs. 3) zum Familiennamen des Kindes bestimmt werden.

(2) Führen die Eltern keinen gemeinsamen Familiennamen, so kann zum Familiennamen des Kindes der Familienname eines Elternteils bestimmt werden. Wird hiefür ein aus mehreren voneinander getrennten oder durch einen Bindestrich verbundenen Teilen bestehender Name herangezogen, so können der gesamte Name oder dessen Teile verwendet werden. Es kann auch ein aus den Familiennamen beider Elternteile gebildeter Doppelname bestimmt werden; dabei dürfen aber höchstens zwei Teile dieser Namen verwendet werden. Ein Doppelname ist durch einen Bindestrich zwischen dessen einzelnen Teilen zu trennen.

(3) Mangels einer solchen Bestimmung erhält das Kind den Familiennamen der Mutter, auch wenn dieser ein Doppelname ist.

§ 156. (1) Den Familiennamen des Kindes bestimmt die mit der Pflege und Erziehung betraute Person. Mehrere damit betraute Personen haben das Einvernehmen herzustellen; es genügt aber die Erklärung einer von ihnen, sofern sie versichert, dass die andere damit einverstanden ist oder das Einvernehmen nicht mit zumutbarem Aufwand erreicht werden kann.

(2) Entscheidungsfähige Personen bestimmen ihren Familiennamen selbst. Die Entscheidungsfähigkeit wird bei mündigen Minderjährigen vermutet.

§ 157. (1) Die Bestimmung eines Familiennamens nach § 155 ist nur einmalig zulässig.

(2) Ändert sich der Familienname der Eltern oder eines Elternteils oder heiraten die Eltern einander, so kann der Familienname des Kindes erneut bestimmt werden. Das Gleiche gilt bei Änderungen in der Person eines Elternteils, etwa bei einer Annahme an Kindesstatt oder bei einer Begründung oder Änderung der Abstammung des Kindes.

(3) Auf die Bestimmung des Familiennamens des Kindes sind die §§ 93a und 93c anzuwenden.

Vierter Abschnitt

Obsorge

Inhalt der Obsorge

§ 158. (1) Wer mit der Obsorge für ein minderjähriges Kind betraut ist, hat es zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie allen anderen Angelegenheiten zu vertreten; Pflege und Erziehung sowie die Vermögensverwaltung umfassen auch die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen.

(2) Solange ein Elternteil minderjährig ist, hat er nicht das Recht und die Pflicht, das Vermögen des Kindes zu verwalten und das Kind zu vertreten. Ein volljähriger Elternteil muss, um sein Kind vertreten und dessen Vermögen verwalten zu können, über jene Entscheidungsfähigkeit verfügen, die ein Handeln in eigenen Angelegenheiten erfordert; § 181 ist sinngemäß anzuwenden.

Wohlverhaltensgebot

§ 159. Bei Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten nach diesem Hauptstück ist zur Wahrung des Kindeswohls alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Minderjährigen zu anderen Personen, denen nach diesem Hauptstück das Kind betreffende Rechte und Pflichten zukommen, beeinträchtigt oder die Wahrnehmung von deren Aufgaben erschwert.

Pflege, Erziehung und Bestimmung des Aufenthalts des Kindes

§ 160. (1) Die Pflege des minderjährigen Kindes umfasst besonders die Wahrnehmung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf.

(2) Das Ausmaß der Pflege und Erziehung richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Eltern.

(3) Die Eltern haben in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung auch auf den Willen des Kindes Bedacht zu nehmen, soweit dem nicht dessen Wohl oder ihre Lebensverhältnisse entgegenstehen. Der Wille des Kindes ist umso maßgeblicher, je mehr es den Grund und die Bedeutung einer Maßnahme einzusehen und seinen Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen vermag.

§ 161. Das minderjährige Kind hat die Anordnungen der Eltern zu befolgen. Die Eltern haben bei ihren Anordnungen und deren Durchsetzung auf Alter, Entwicklung und Persönlichkeit des Kindes Bedacht zu nehmen.

§ 162. (1) Soweit die Pflege und Erziehung es erfordern, hat der hierzu berechtigte Elternteil auch das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Hält sich das Kind woanders auf, so haben die Behörden und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Ersuchen eines berechtigten Elternteils bei der Ermittlung des Aufenthalts, notfalls auch bei der Zurückholung des Kindes mitzuwirken.

(2) Haben die Eltern vereinbart oder das Gericht bestimmt, welcher der obsorgeberechtigten Elternteile das Kind hauptsächlich in seinem Haushalt betreuen soll, so hat dieser Elternteil das alleinige Recht, den Wohnort des Kindes zu bestimmen.

(3) Ist nicht festgelegt, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut werden soll, so darf der Wohnort des Kindes nur mit Zustimmung beider Elternteile oder Genehmigung des Gerichts in das Ausland verlegt werden. Das Gericht hat bei der Entscheidung über die Genehmigung sowohl das Kindeswohl zu beachten als auch die Rechte der Eltern auf Schutz vor Gewalt, Freizügigkeit und Berufsfreiheit zu berücksichtigen.

§ 163. Weder ein minderjähriges Kind noch die Eltern können in eine medizinische Maßnahme, die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit des minderjährigen Kindes zum Ziel hat, einwilligen.

Vermögensverwaltung

§ 164. (1) Die Eltern haben das Vermögen eines minderjährigen Kindes mit der Sorgfalt ordentlicher Eltern zu verwalten. Sofern das Wohl des Kindes nichts anderes erfordert, haben sie es in seinem Bestand zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren. Für die Anlegung von Bargeld und Geld auf Zahlungskonten des Kindes, den Wechsel der Anlageform und die Veräußerung von dessen Vermögen gelten die §§ 215 bis 223 sinngemäß.

(2) Aus dem Vermögen sind jedenfalls die Kosten der Verwaltung einschließlich der für die Erhaltung des Vermögens und den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb nötigen Aufwendungen und die fälligen Zahlungen zu berichtigen; weiter auch die Kosten des Unterhalts, soweit das Kind nach den §§ 231 und 232 zur Heranziehung seines Vermögens verpflichtet ist oder die Bedürfnisse des Kindes nicht in anderer Weise gedeckt sind.

§ 165. Die Eltern haben über das Vermögen des minderjährigen Kindes dem Gericht Rechnung zu legen, soweit dies das Gericht aus besonderen Gründen verfügt; über die Erträgnisse jedoch nur, soweit sie nicht für den Unterhalt des Kindes verwendet worden sind. Näheres wird in den Verfahrensgesetzen bestimmt.

§ 166. Wird einem minderjährigen Kind ein Vermögen zugewendet und ein Elternteil von der Verwaltung ausgeschlossen, so ist der andere Elternteil mit der Verwaltung betraut. Sind beide Elternteile oder jener Elternteil, der mit der Obsorge allein betraut ist, ausgeschlossen, so hat das Gericht andere Personen mit der Verwaltung zu betrauen.

Gesetzliche Vertretung des Kindes

§ 167. (1) Sind beide Eltern mit der Obsorge betraut, so ist jeder Elternteil für sich allein berechtigt und verpflichtet, das Kind zu vertreten; seine Vertretungshandlung ist selbst dann rechtswirksam, wenn der andere Elternteil mit ihr nicht einverstanden ist.

(2) Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils, die die Änderung des Vornamens oder des Familiennamens, den Eintritt in eine Kirche oder Religionsgesellschaft und den Austritt aus einer solchen, die Übergabe in fremde Pflege, den Erwerb einer Staatsangehörigkeit oder den Verzicht auf eine solche, die vorzeitige Lösung eines Lehr-, Ausbildungs- oder Dienstvertrags und die Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind betreffen, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten Elternteils. Dies gilt nicht für die Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellstücken.

(3) Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in Vermögensangelegenheiten bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten Elternteils und der Genehmigung des Gerichtes, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehören dazu besonders die Veräußerung oder Belastung von Liegenschaften, die Gründung, der, auch erbrechtliche, Erwerb, die Umwandlung, Veräußerung oder Auflösung sowie die Änderung des Gegenstandes eines Unternehmens, der, auch erbrechtliche, Eintritt in eine oder die Umwandlung einer Gesellschaft oder Genossenschaft, der Verzicht auf ein Erbrecht, die unbedingte Annahme oder die Ausschlagung einer Erbschaft, die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung oder die Ablehnung eines Schenkungsanbots, die Anlegung von Geld mit Ausnahme der in den §§ 216 und 217 geregelten Arten sowie die Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen. Dies gilt nicht für die Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellstücken.

§ 168. Bedarf ein Rechtsgeschäft der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, der Zustimmung des anderen Elternteils oder der Genehmigung des Pflegschaftsgerichts, so ist bei deren Fehlen das volljährig gewordene Kind nur dann daraus wirksam verpflichtet, wenn es schriftlich erklärt, diese Verpflichtungen als rechtswirksam anzuerkennen. Fordert der Gläubiger den volljährig Gewordenen auf, sich nach dem ersten Satz zu erklären, so hat er ihm dafür eine angemessene Frist zu setzen.

§ 169. (1) In zivilgerichtlichen Verfahren ist nur ein obsorgebetrauter Elternteil allein zur Vertretung des Kindes berechtigt; solange sich die Eltern nicht auf den anderen Elternteil einigen oder das Gericht nach § 181 diesen oder einen Dritten als Vertreter bestimmt, ist Vertreter derjenige Elternteil, der die erste Verfahrenshandlung setzt.

(2) Die nach § 167 erforderliche Zustimmung des anderen Elternteils und Genehmigung des Gerichtes gelten für das ganze Verfahren.

Handlungsfähigkeit des Kindes

§ 170. (1) Ein minderjähriges Kind kann ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten.

(2) Nach erreichter Mündigkeit kann es jedoch über Sachen, die ihm zur freien Verfügung überlassen worden sind, und über sein Einkommen aus eigenem Erwerb so weit verfügen und sich verpflichten, als dadurch nicht die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gefährdet wird.

(3) Schließt ein minderjähriges Kind ein Rechtsgeschäft, das von Minderjährigen seines Alters üblicherweise geschlossen wird und eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft, so wird dieses Rechtsgeschäft, auch wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, mit der Erfüllung der das Kind treffenden Pflichten rückwirkend rechtswirksam.

§ 171. Soweit nicht anderes bestimmt ist, kann sich ein mündiges minderjähriges Kind selbständig durch Vertrag zu Dienstleistungen verpflichten, ausgenommen zu Dienstleistungen auf Grund eines Lehr- oder sonstigen Ausbildungsvertrags. Der gesetzliche Vertreter des Kindes kann das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis aus wichtigen Gründen vorzeitig lösen.

§ 172. Hat das entscheidungsfähige Kind seine Meinung über seine Ausbildung den Eltern erfolglos vorgetragen, so kann es das Gericht anrufen. Dieses hat nach sorgfältiger Abwägung der von den Eltern und dem Kind angeführten Gründe die zum Wohl des Kindes angemessenen Verfügungen zu treffen.

§ 173. (1) Einwilligungen in medizinische Behandlungen kann das entscheidungsfähige Kind nur selbst erteilen; im Zweifel wird das Vorliegen dieser Entscheidungsfähigkeit bei mündigen Minderjährigen vermutet. Mangelt es an der notwendigen Entscheidungsfähigkeit, so ist die Zustimmung der Person erforderlich, die mit der gesetzlichen Vertretung bei Pflege und Erziehung betraut ist.

(2) Willigt ein entscheidungsfähiges minderjähriges Kind in eine Behandlung ein, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist, so darf die Behandlung nur vorgenommen werden, wenn auch die Person zustimmt, die mit der gesetzlichen Vertretung bei Pflege und Erziehung betraut ist.

(3) Die Einwilligung des entscheidungsfähigen Kindes sowie die Zustimmung der Person, die mit Pflege und Erziehung betraut ist, sind nicht erforderlich, wenn die Behandlung so dringend notwendig ist, dass der mit der Einholung der Einwilligung oder der Zustimmung verbundene Aufschub das Leben des Kindes gefährden würde oder mit der Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit verbunden wäre.

§ 174. Ein verheiratetes minderjähriges Kind steht hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse einem Volljährigen gleich, solange die Ehe dauert.

Deliktsfähigkeit des Kindes

§ 176. Soweit einem minderjährigen Kind nicht bereits früher ein Verschulden zugerechnet werden kann (§ 1310), wird es mit der Erreichung der Mündigkeit nach den schadensersatzrechtlichen Bestimmungen deliktsfähig.

Obsorge der Eltern

§ 177. (1) Beide Elternteile sind mit der Obsorge betraut, wenn sie zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes miteinander verheiratet sind. Gleiches gilt ab dem Zeitpunkt der Eheschließung, wenn sie einander nach der Geburt des Kindes heiraten.

(2) Sind die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so ist allein die Mutter mit der Obsorge betraut. Die Eltern können aber vor dem Standesbeamten persönlich und unter gleichzeitiger Anwesenheit nach einer Belehrung über die Rechtsfolgen einmalig bestimmen, dass sie beide mit der Obsorge betraut sind, sofern die Obsorge nicht bereits gerichtlich geregelt ist. Die Bestimmung wird wirksam, sobald beide Eltern persönlich vor dem Standesbeamten übereinstimmende Erklärungen abgegeben haben. Innerhalb von acht Wochen ab ihrer Wirksamkeit kann die Bestimmung ohne Begründung durch einseitige Erklärung eines Elternteils gegenüber dem Standesbeamten widerrufen werden. Vorher gesetzte Vertretungshandlungen bleiben davon unberührt.

(3) Die Eltern können weiters dem Gericht – auch in Abänderung einer bestehenden Regelung – eine Vereinbarung über die Betrauung mit der Obsorge vorlegen, wobei die Betrauung eines Elternteils allein oder beider Eltern vereinbart werden kann.

(4) Sind beide Elternteile mit der Obsorge betraut und leben sie nicht in häuslicher Gemeinschaft, so haben sie festzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll. Außerdem muss der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird, vorbehaltlich des § 158 Abs. 2, mit der gesamten Obsorge betraut sein. Im Fall des Abs. 3 kann die Obsorge des Elternteils, in dessen Haushalt das Kind nicht hauptsächlich betreut wird, auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt sein.

Obsorge bei Verhinderung eines Elternteils

§ 178. (1) Ist ein Elternteil, der mit der Obsorge für das Kind gemeinsam mit dem anderen Elternteil betraut war, gestorben, ist sein Aufenthalt seit mindestens sechs Monaten unbekannt, kann die Verbindung mit ihm nicht oder nur mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten hergestellt werden oder ist ihm die Obsorge ganz oder teilweise entzogen, so ist der andere Elternteil insoweit allein mit der Obsorge betraut. Ist in dieser Weise der Elternteil, der mit der Obsorge allein betraut ist, betroffen, so hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes zu entscheiden, ob der andere Elternteil oder ob und welches Großelternpaar (Großelternteil) oder Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) mit der Obsorge zu betrauen ist; Letzteres gilt auch, wenn beide Elternteile betroffen sind. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Großelternpaar (diesen Großelternteil).

(2) Auf Antrag des Elternteiles, auf den die Obsorge nach Abs. 1 erster Satz übergegangen ist, hat das Gericht diesen Übergang festzustellen.

(3) Geht die Obsorge auf den anderen Elternteil über oder überträgt das Gericht die Obsorge, so sind, sofern sich der Übergang oder die Übertragung der Obsorge darauf bezieht, das Vermögen sowie sämtliche die Person des Kindes betreffenden Urkunden und Nachweise zu übergeben.

Obsorge bei Auflösung der Ehe und der häuslichen Gemeinschaft

§ 179. (1) Wird die Ehe oder die häusliche Gemeinschaft der Eltern aufgelöst, so bleibt die Obsorge beider Eltern aufrecht. Sie können jedoch vor Gericht eine Vereinbarung schließen, wonach ein Elternteil allein mit der Obsorge betraut wird oder die Obsorge eines Elternteils auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt wird.

(2) Im Fall einer Obsorge beider Eltern nach Auflösung der Ehe oder der häuslichen Gemeinschaft haben diese vor Gericht eine Vereinbarung darüber zu schließen, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird.

Änderung der Obsorge

§ 180. (1) Sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht, hat das Gericht eine vorläufige Regelung der elterlichen Verantwortung (Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung) zu treffen, wenn

1.

nach Auflösung der Ehe oder der häuslichen Gemeinschaft der Eltern binnen angemessener Frist eine Vereinbarung nach § 179 nicht zustande kommt oder

2.

ein Elternteil die Übertragung der alleinigen Obsorge an ihn oder seine Beteiligung an der Obsorge beantragt.

Die Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung besteht darin, dass das Gericht einem mit der Obsorge betrauten Elternteil unter Aufrechterhaltung der bisherigen Obsorgeregelung für einen Zeitraum von sechs Monaten die hauptsächliche Betreuung des Kindes in seinem Haushalt aufträgt und dem anderen ein derart ausreichendes Kontaktrecht einräumt, dass er auch die Pflege und Erziehung des Kindes wahrnehmen kann. Für diesen Zeitraum sind im Einvernehmen der Eltern oder auf gerichtliche Anordnung die Details des Kontaktrechts, der Pflege und Erziehung sowie der Unterhaltsleistung festzulegen.

(2) Nach Ablauf des Zeitraums hat das Gericht auf der Grundlage der Erfahrungen in der Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung einschließlich der Leistung des gesetzlichen Unterhalts und nach Maßgabe des Kindeswohls über die Obsorge endgültig zu entscheiden. Zum Zweck der Vorbereitung der Entscheidung kann das Gericht die Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung auch verlängern. Wenn das Gericht beide Eltern mit der Obsorge betraut, hat es auch festzulegen, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird.

(3) Ist die Obsorge im Sinn des Abs. 2 endgültig geregelt, so kann jeder Elternteil, sofern sich die Verhältnisse maßgeblich geändert haben, bei Gericht eine Neuregelung der Obsorge beantragen. Für die Änderung einer geregelten Obsorge gelten die Abs. 1 und 2 entsprechend.

Entziehung oder Einschränkung der Obsorge

§ 181. (1) Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes, so hat das Gericht, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Besonders darf das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise, auch gesetzlich vorgesehene Einwilligungs- und Zustimmungsrechte, entziehen. Im Einzelfall kann das Gericht auch eine gesetzlich erforderliche Einwilligung oder Zustimmung ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.

(2) Solche Verfügungen können von einem Elternteil, etwa wenn die Eltern in einer wichtigen Angelegenheit des Kindes kein Einvernehmen erzielen, den sonstigen Verwandten in gerader aufsteigender Linie, den Pflegeeltern (einem Pflegeelternteil), dem Kinder- und Jugendhilfeträger und dem mündigen Minderjährigen, von diesem jedoch nur in Angelegenheiten seiner Pflege und Erziehung, beantragt werden. Andere Personen können solche Verfügungen anregen.

(3) Die gänzliche oder teilweise Entziehung der Pflege und Erziehung oder der Verwaltung des Vermögens des Kindes schließt die Entziehung der gesetzlichen Vertretung in dem jeweiligen Bereich mit ein; die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen kann für sich allein entzogen werden, wenn die Eltern oder der betreffende Elternteil ihre übrigen Pflichten erfüllen.

(4) Fordert das Gesetz die Einwilligung oder Zustimmung der mit Pflege und Erziehung betrauten Personen (Erziehungsberechtigten), so ist die Erklärung der mit der gesetzlichen Vertretung in diesem Bereich betrauten Person notwendig, aber auch hinreichend, sofern nicht Abweichendes bestimmt ist.

§ 182. Durch eine Verfügung nach § 181 darf das Gericht die Obsorge nur so weit beschränken, als dies zur Sicherung des Wohles des Kindes nötig ist.

Erlöschen der Obsorge

§ 183. (1) Die Obsorge für das Kind erlischt mit dem Eintritt seiner Volljährigkeit.

(2) Der gesetzliche Vertreter hat dem volljährig gewordenen Kind dessen Vermögen sowie sämtliche dessen Person betreffenden Urkunden und Nachweise zu übergeben.

Pflegeeltern

§ 184. Pflegeeltern sind Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Sie haben das Recht, in den die Person des Kindes betreffenden Verfahren Anträge zu stellen.

§ 185. (1) Das Gericht hat einem Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) auf seinen Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise zu übertragen, wenn das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Pflegeelternpaar (diesen Pflegeelternteil).

(2) Sind die Eltern oder Großeltern mit der Obsorge betraut und stimmen sie der Übertragung nicht zu, so darf diese nur verfügt werden, wenn ohne sie das Wohl des Kindes gefährdet wäre.

(3) Die Übertragung ist aufzuheben, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht. Gleichzeitig hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes auszusprechen, auf wen die Obsorge übergeht.

(4) Das Gericht hat vor seiner Entscheidung die Eltern, den gesetzlichen Vertreter, weitere Erziehungsberechtigte, den Kinder- und Jugendhilfeträger und jedenfalls das bereits zehnjährige Kind zu hören. § 196 Abs. 2 gilt sinngemäß.

Fünfter Abschnitt

Sonstige Rechte und Pflichten

Persönliche Kontakte

§ 186. Jeder Elternteil eines minderjährigen Kindes hat mit dem Kind eine persönliche Beziehung einschließlich der persönlichen Kontakte (§ 187) zu pflegen.

§ 187. (1) Das Kind und jeder Elternteil haben das Recht auf regelmäßige und den Bedürfnissen des Kindes entsprechende persönliche Kontakte. Die persönlichen Kontakte sollen das Kind und die Eltern einvernehmlich regeln. Soweit ein solches Einvernehmen nicht erzielt wird, hat das Gericht auf Antrag des Kindes oder eines Elternteils diese Kontakte in einer dem Wohl des Kindes entsprechenden Weise zu regeln und die Pflichten festzulegen. Die Regelung hat die Anbahnung und Wahrung des besonderen Naheverhältnisses zwischen Eltern und Kind sicherzustellen und soll möglichst sowohl Zeiten der Freizeit als auch die Betreuung im Alltag des Kindes umfassen. Das Alter, die Bedürfnisse und die Wünsche des Kindes sowie die Intensität der bisherigen Beziehung sind besonders zu berücksichtigen.

(2) Das Gericht hat nötigenfalls die persönlichen Kontakte einzuschränken oder zu untersagen, insbesondere soweit dies aufgrund der Anwendung von Gewalt gegen das Kind oder eine wichtige Bezugsperson geboten erscheint oder der Elternteil, der mit dem minderjährigen Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, seine Verpflichtung aus § 159 nicht erfüllt.

§ 188. (1) Zwischen Enkeln und ihren Großeltern gilt § 187 entsprechend. Die persönlichen Kontakte der Großeltern sind jedoch auch so weit einzuschränken oder zu untersagen, als sonst das Familienleben der Eltern (eines Elternteils) oder deren Beziehung zu dem Kind gestört würde.

(2) Wenn persönliche Kontakte des minderjährigen Kindes mit einem hiezu bereiten Dritten dem Wohl des Kindes dienen, hat das Gericht auf Antrag des Kindes, eines Elternteils oder des Dritten, sofern dieser zu dem Kind in einem besonderen persönlichen oder familiären Verhältnis steht oder gestanden ist, die zur Regelung der persönlichen Kontakte nötigen Verfügungen zu treffen. Solche Verfügungen hat es auf Antrag des Kinder- und Jugendhilfeträgers oder von Amts wegen zu treffen, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet wäre.

Informations-, Äußerungs- und Vertretungsrecht

§ 189. (1) Ein nicht mit der Obsorge betrauter Elternteil

1.

ist durch die mit der Obsorge betraute Person von wichtigen Angelegenheiten, insbesondere von beabsichtigten Maßnahmen nach § 167 Abs. 2 und 3, rechtzeitig zu verständigen und kann sich hiezu in angemessener Frist äußern,

2.

hat den mit der Obsorge betrauten Elternteil in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu vertreten sowie das Kind zu pflegen und zu erziehen, soweit das die Umstände erfordern und sich das Kind rechtmäßig bei ihm aufhält.

Eine Äußerung nach Z 1 ist in jedem Fall zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl des Kindes besser entspricht.

(2) Wenn der nicht mit der Obsorge betraute Elternteil bei der Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten nach Abs. 1 das Wohl des Kindes gefährdet oder diese Rechte rechtsmissbräuchlich oder in einer für den anderen Elternteil oder das Kind nicht zumutbaren Weise in Anspruch nimmt, hat das Gericht diese Rechte auf Antrag, sofern das Wohl des Kindes gefährdet wird, auch von Amts wegen, einzuschränken oder zu entziehen. Die Rechte nach Abs. 1 entfallen, wenn der mit der Obsorge nicht betraute Elternteil grundlos das Recht des Kindes auf persönliche Kontakte ablehnt.

(3) Finden trotz Bereitschaft des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils persönliche Kontakte mit dem Kind nicht regelmäßig statt, so steht ihm das Verständigungs- und Äußerungsrecht (Abs. 1 Z 1) auch in minderwichtigen Angelegenheiten zu, sofern es sich dabei nicht bloß um Angelegenheiten des täglichen Lebens handelt.

(4) Wenn der mit der Obsorge betraute Elternteil die Rechte des anderen nach Abs. 1 beharrlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag, sofern das Wohl des Kindes gefährdet wird, auch von Amts wegen, die angemessenen Verfügungen zu treffen.

(5) Diese Bestimmung gilt sinngemäß auch für einen mit der Obsorge betrauten Elternteil.

Vereinbarungen über die Obsorge, die persönlichen Kontakte und den Unterhalt

§ 190. (1) Die Eltern haben bei Vereinbarungen über die Obsorge, die persönlichen Kontakte sowie die Betreuung des Kindes das Wohl des Kindes bestmöglich zu wahren.

(2) Die Bestimmung der Obsorge (§ 177 Abs. 2) und vor Gericht geschlossene Vereinbarungen nach Abs. 1 bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung. Das Gericht hat die Bestimmung der Obsorge und Vereinbarungen der Eltern aber für unwirksam zu erklären und zugleich eine davon abweichende Anordnung zu treffen, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet wäre.

(3) Vor Gericht geschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen bedürfen zur ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung und sind für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich.

Sechster Abschnitt

Annahme an Kindesstatt

§ 191. (1) Eine Person kann ein Kind an Kindesstatt annehmen, wenn sie entscheidungsfähig ist. Sie kann dabei nicht vertreten werden. Durch die Annahme an Kindesstatt wird die Wahlkindschaft begründet.

(2) Ehegatten dürfen in der Regel nur gemeinsam annehmen. Ausnahmen sind zulässig, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Entscheidungsfähigkeit oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn ähnliche und besonders gewichtige Gründe die Annahme durch nur einen der Ehegatten rechtfertigen.

(3) Personen, denen die Sorge für das Vermögen des anzunehmenden Wahlkindes durch gerichtliche Verfügung anvertraut ist, können dieses so lange nicht annehmen, als sie nicht von dieser Pflicht entbunden sind. Sie müssen vorher Rechnung gelegt und die Bewahrung des anvertrauten Vermögens nachgewiesen haben.

Form; Eintritt der Wirksamkeit

§ 192. (1) Die Annahme an Kindesstatt kommt durch schriftlichen Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind und durch gerichtliche Bewilligung auf Antrag eines Vertragsteiles zustande. Sie wird im Fall ihrer Bewilligung mit dem Zeitpunkt der vertraglichen Willenseinigung wirksam. Stirbt der Annehmende nach diesem Zeitpunkt, so hindert dies die Bewilligung nicht.

(2) Ein entscheidungsfähiges Wahlkind schließt den Vertrag selbst ab. Im Zweifel wird das Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit bei mündigen Minderjährigen auch in Angelegenheiten der Annahme an Kindesstatt vermutet.

(3) Ist eine Person nicht entscheidungsfähig, so kann ihr gesetzlicher Vertreter für sie den Vertrag abschließen. Verweigert der gesetzliche Vertreter die Einwilligung, so hat das Gericht sie auf Antrag des Annehmenden oder des Wahlkindes zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.

(4) Der Vertreter hat sich vom Wohl der vertretenen Person leiten zu lassen. Seine Vertretungshandlungen in Angelegenheiten der Annahme an Kindesstatt bedürfen nicht der Genehmigung des Gerichts.

Alter

§ 193. (1) Die Wahleltern müssen das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben.

(2) Wahlvater und Wahlmutter müssen älter als das Wahlkind sein.

Bewilligung

§ 194. (1) Die Annahme eines minderjährigen Kindes ist zu bewilligen, wenn sie dessen Wohl dient und eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Ist das Wahlkind volljährig, so ist die Annahme nur zu bewilligen, wenn die Antragsteller nachweisen, dass bereits ein enges, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechendes Verhältnis vorliegt, insbesondere wenn Wahlkind und Annehmender während fünf Jahren entweder in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben.

(2) Die Bewilligung ist, außer bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs. 1, zu versagen, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung gefährdet wäre; im übrigen sind wirtschaftliche Belange nicht zu beachten, außer der Annehmende handelt in der ausschließlichen oder überwiegenden Absicht, ein leibliches Kind zu schädigen.

§ 195. (1) Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn folgende Personen der Annahme zustimmen:

1.

die Eltern des minderjährigen Wahlkindes;

2.

der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Annehmenden;

3.

der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Wahlkindes;

4.

das nicht entscheidungsfähige volljährige Wahlkind;

5.

der gesetzliche Vertreter des minderjährigen Wahlkindes.

(2) Das Zustimmungsrecht nach Abs. 1 entfällt, wenn die zustimmungsberechtigte Person als gesetzlicher Vertreter des Wahlkindes den Annahmevertrag geschlossen hat, wenn eine der in Abs. 1 Z 1 bis 4 genannten Personen zu einer Äußerung nicht nur vorübergehend unfähig ist oder wenn der Aufenthalt einer der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Personen seit mindestens sechs Monaten unbekannt ist.

(3) Das Gericht hat die verweigerte Zustimmung einer der in Abs. 1 Z 1 bis 3 und 5 genannten Personen auf Antrag eines Vertragsteiles zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.

§ 196. (1) Ein Recht auf Anhörung haben:

1.

das nicht entscheidungsfähige minderjährige Wahlkind;

2.

die Eltern des volljährigen Wahlkindes;

3.

die Pflegeeltern oder der Leiter des Heimes, in dem sich das Wahlkind befindet;

4.

der Kinder- und Jugendhilfeträger.

(2) Das Anhörungsrecht des in Abs. 1 genannten Wahlkindes entfällt, wenn es zu einer Äußerung nicht nur vorübergehend unfähig ist oder durch die Anhörung dessen Wohl gefährdet wäre. Das Anhörungsrecht eines sonstigen im Abs. 1 genannten Berechtigten entfällt, wenn er als gesetzlicher Vertreter des Wahlkindes den Annahmevertrag geschlossen hat; ferner, wenn er nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten gehört werden könnte.

Wirkungen

§ 197. (1) Zwischen dem Annehmenden und dessen Nachkommen einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits entstehen mit diesem Zeitpunkt die gleichen Rechte, wie sie durch die Abstammung begründet werden.

(2) Wird das Wahlkind durch Ehegatten als Wahleltern angenommen, so erlöschen mit den in § 198 bestimmten Ausnahmen die nicht bloß in der Verwandtschaft an sich (§ 40) bestehenden familienrechtlichen Beziehungen zwischen den leiblichen Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits mit diesem Zeitpunkt.

(3) Wird das Wahlkind nur durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter) angenommen, so erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des Abs. 2 zum leiblichen Vater (zur leiblichen Mutter) und zu dessen (deren) Verwandten. Dem nicht verdrängten leiblichen Elternteil gegenüber hat das Gericht das Erlöschen auszusprechen, wenn dieser dem zustimmt. Das Erlöschen wirkt vom Zeitpunkt der Abgabe der Zustimmungserklärung an, frühestens jedoch vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme an.

(4) Nimmt ein Ehegatte, ein eingetragener Partner oder ein Lebensgefährte das Kind seines Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten an, so erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des Abs. 2 lediglich zum anderen Elternteil und zu dessen Verwandten.

§ 198. (1) Die im Familienrecht begründeten Pflichten der leiblichen Eltern und deren Verwandten zur Leistung des Unterhaltes und der Ausstattung gegenüber dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen bleiben aufrecht.

(2) Das gleiche gilt für die Unterhaltspflicht des Wahlkindes gegenüber den leiblichen Eltern, sofern diese ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem noch nicht vierzehn Jahre alten Kinde vor dessen Annahme an Kindesstatt nicht gröblich vernachlässigt haben.

(3) Die nach den Abs. 1 und 2 aufrecht bleibenden Pflichten stehen jedoch den durch die Annahme begründeten gleichen Pflichten im Range nach.

§ 199. (1) Die im Erbrecht begründeten Rechte zwischen den leiblichen Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits bleiben aufrecht.

(2) Bei der gesetzlichen Erbfolge in das Vermögen des Wahlkindes in der zweiten Linie gehen die Wahleltern und deren Nachkommen einerseits den leiblichen Eltern und deren Nachkommen andererseits vor.

(3) Ist das Wahlkind nur durch eine Person angenommen worden und sind sowohl diese Person oder deren Nachkommen als auch der nicht verdrängte leibliche Elternteil oder dessen Nachkommen vorhanden, so fällt die Verlassenschaft – ungeachtet eines allfälligen Erlöschens der familienrechtlichen Beziehungen nach § 197 Abs. 3 zweiter Satz – je zur Hälfte auf den Stamm der annehmenden Person und des nicht verdrängten leiblichen Elternteils.

Widerruf und Aufhebung

§ 200. (1) Die gerichtliche Bewilligung ist vom Gericht mit rückwirkender Kraft zu widerrufen:

1.

von Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn beim Abschluss des Annahmevertrages der Annehmende nicht entscheidungsfähig gewesen ist, außer er hat nach der Erlangung seiner Entscheidungsfähigkeit zu erkennen gegeben, dass er die Wahlkindschaft fortsetzen wolle;

2.

von Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn ein nicht entscheidungsfähiges Wahlkind selbst den Annahmevertrag geschlossen hat, außer es hat der gesetzliche Vertreter oder nach Erlangung der Entscheidungsfähigkeit das Wahlkind nachträglich zugestimmt oder das Gericht die verweigerte nachträgliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters im Sinne des § 192 Abs. 3 ersetzt;

3.

von Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn das Wahlkind durch mehr als eine Person angenommen worden ist, außer die Annehmenden sind im Zeitpunkt der Bewilligung miteinander verheiratet gewesen;

4.

von Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn der Annahmevertrag ausschließlich oder vorwiegend in der Absicht geschlossen worden ist, dem Wahlkind die Führung des Familiennamens des Wahlvaters oder der Wahlmutter zu ermöglichen oder den äußeren Schein einer Wahlkindschaft zur Verdeckung rechtswidriger geschlechtlicher Beziehungen zu schaffen;

5.

auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn der Annahmevertrag nicht schriftlich geschlossen worden ist und seit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbeschlusses nicht mehr als fünf Jahre verstrichen sind.

(2) Hat einer der Vertragsteile den Widerrufsgrund (Abs. 1 Z 1 bis 3 und 5) bei Abschließung des Annahmevertrages nicht gekannt, so gilt in seinem Verhältnis zum anderen Vertragsteil der Widerruf insoweit als Aufhebung (§ 201), als er dies beansprucht.

(3) Einem Dritten, der im Vertrauen auf die Gültigkeit der Annahme an Kindesstatt vor dem Widerruf Rechte erworben hat, kann nicht eingewendet werden, dass die Bewilligung widerrufen worden ist. Zum Nachteil eines der Vertragsteile, der den Widerrufsgrund bei Abschließung des Annahmevertrages nicht gekannt hat, kann ein Dritter nicht die Wirkungen des Widerrufes beanspruchen.

§ 201. (1) Die Wahlkindschaft ist vom Gericht aufzuheben:

1.

wenn die Erklärung eines Vertragsteiles oder eines Zustimmungsberechtigten durch List oder ungerechte und gegründete Furcht veranlasst worden ist und der Betroffene die Aufhebung binnen Jahresfrist nach Entdeckung der Täuschung oder Wegfall der Zwangslage beantragt;

2.

von Amts wegen, wenn die Aufrechterhaltung der Wahlkindschaft das Wohl des minderjährigen oder nicht entscheidungsfähigen Wahlkindes ernstlich gefährden würde;

3.

auf Antrag des Wahlkindes, wenn die Aufhebung nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe der Wahleltern oder des leiblichen Elternteils mit dem Wahlelternteil oder nach Auflösung oder Nichtigerklärung der eingetragenen Partnerschaft des leiblichen Elternteils mit dem Wahlelternteil oder nach dem Tode des Wahlvaters (der Wahlmutter) dem Wohle des Wahlkindes dient und nicht einem gerechtfertigten Anliegen des (der) von der Aufhebung betroffenen, wenn auch bereits verstorbenen Wahlvaters (Wahlmutter) widerspricht;

4.

wenn der Wahlvater (die Wahlmutter) und das Wahlkind die Aufhebung beantragen.

(2) Besteht die Wahlkindschaft gegenüber einem Wahlvater und einer Wahlmutter, so darf die Aufhebung im Sinne des Abs. 1 nur beiden gegenüber bewilligt werden; die Aufhebung gegenüber einem von ihnen allein ist nur im Falle der Auflösung oder Nichtigerklärung ihrer Ehe zulässig.

§ 202. (1) Mit dem Eintritt der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses erlöschen die durch die Annahme zwischen dem Wahlvater (der Wahlmutter) und dessen (deren) Nachkommen einerseits und dem Wahlkind und dessen Nachkommen andererseits begründeten Rechtsbeziehungen.

(2) Mit diesem Zeitpunkt leben die familienrechtlichen Beziehungen zwischen den leiblichen Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen Nachkommen andererseits, soweit sie nach dem § 197 erloschen sind, wieder auf.

(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch Art. 1 Z 34, BGBl. I Nr. 59/2017)

§ 203. Ein Widerruf oder eine Aufhebung aus anderen als den in den §§ 200 und 201 angeführten Gründen ist unzulässig; ebenso eine vertragliche Einigung oder ein Rechtsstreit über die Anfechtung des Annahmevertrages.

Viertes Hauptstück

Von der Obsorge einer anderen Person

§ 204. Soweit nach dem dritten Hauptstück weder Eltern noch Großeltern oder Pflegeeltern mit der Obsorge betraut sind oder betraut werden können und kein Fall des § 207 vorliegt, hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes eine andere geeignete Person mit der Obsorge zu betrauen.

§ 205. (1) Bei der Auswahl einer anderen Person für die Obsorge ist besonders auf das Wohl des Kindes Bedacht zu nehmen. Wünsche des Kindes und der Eltern, im Falle des § 166 des Zuwendenden, sind zu berücksichtigen, sofern sie dem Wohl des Kindes entsprechen.

(2) Mit der Obsorge dürfen nicht betraut werden

1.

im Sinn des § 21 Abs. 1 schutzberechtigte Personen;

2.

Personen, von denen, besonders auch wegen der durch eine strafgerichtliche Verurteilung zutage getretenen Veranlagung oder Eigenschaft, eine dem Wohl des minderjährigen Kindes förderliche Ausübung der Obsorge nicht zu erwarten ist.

§ 206. (1) Derjenige, den das Gericht mit der Obsorge betrauen will, hat alle Umstände, die ihn dafür ungeeignet erscheinen lassen, dem Gericht mitzuteilen. Unterlässt er diese Mitteilung schuldhaft, so haftet er für alle dem minderjährigen Kind daraus entstehenden Nachteile.

(2) Eine besonders geeignete Person kann die Betrauung mit der Obsorge nur ablehnen, wenn ihr diese unzumutbar wäre.

Aufgaben des Kinder- und Jugendhilfeträgers

§ 207. Wird ein minderjähriges Kind im Inland gefunden und sind dessen Eltern unbekannt, so ist kraft Gesetzes der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Obsorge betraut. Dies gilt für den Bereich der Vermögensverwaltung und der Vertretung auch, wenn ein Kind im Inland geboren wird und dessen unverheiratete Mutter minderjährig ist.

§ 208. (1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat, soweit es nach den Umständen geboten scheint, den gesetzlichen Vertreter eines im Inland geborenen Kindes innerhalb angemessener Frist nach der Geburt über die elterlichen Rechte und Pflichten, besonders über den Unterhaltsanspruch des Kindes, gegebenenfalls auch über die Feststellung der Vaterschaft, in Kenntnis zu setzen und ihm für die Wahrnehmung der Rechte des Kindes seine Hilfe anzubieten.

(2) Für die Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes sowie gegebenenfalls in Abstammungsangelegenheiten ist der Kinder- und Jugendhilfeträger Vertreter des Kindes, wenn die schriftliche Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt.

(3) Für andere Angelegenheiten ist der Kinder- und Jugendhilfeträger Vertreter des Kindes, wenn er sich zur Vertretung bereit erklärt und die schriftliche Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt.

(4) Durch die Vertretungsbefugnis des Kinder- und Jugendhilfeträgers wird die Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt, jedoch gilt § 169 sinngemäß. Der Kinder- und Jugendhilfeträger und der sonstige gesetzliche Vertreter haben einander über ihre Vertretungshandlungen in Kenntnis zu setzen.

(5) Die Vertretungsbefugnis des Kinder- und Jugendhilfeträgers endet, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter seine Zustimmung schriftlich widerruft, der Kinder- und Jugendhilfeträger seine Erklärung nach Abs. 3 zurücknimmt oder das Gericht den Kinder- und Jugendhilfeträger auf dessen Antrag als Vertreter enthebt, weil er zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes nach Lage des Falles nichts mehr beizutragen vermag.

§ 209. Ist eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz oder teilweise zu betrauen und lassen sich dafür Verwandte oder andere nahe stehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden, so hat das Gericht die Obsorge dem Kinder- und Jugendhilfeträger zu übertragen. Gleiches gilt, wenn einem Minderjährigen ein Kurator zu bestellen ist.

§ 210. (1) Die § 213, 224, 228, 229 und 230 gelten für den Kinder- und Jugendhilfeträger nicht. Dieser ist vor der Anlegung des Vermögens eines Minderjährigen nur im Fall des § 220 verpflichtet, die Zustimmung des Gerichtes einzuholen.

(2) Der Kinder- und Jugendhilfeträger bedarf zum Abschluß von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung des Gerichtes. Vereinbarungen über die Leistung des Unterhalts eines Minderjährigen, die vor dem Kinder- und Jugendhilfeträger oder von ihm geschlossen und von ihm beurkundet werden, haben die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches.

(3) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat Personen, die ein Kind pflegen und erziehen oder gesetzlich vertreten, über seine Vertretungstätigkeit bezüglich dieses Kindes Auskünfte zu erteilen, soweit das Wohl des Kindes hiedurch nicht gefährdet wird.

§ 211. (1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat die zur Wahrung des Wohles eines Minderjährigen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen im Bereich der Obsorge zu beantragen. Bei Gefahr im Verzug kann er die erforderlichen Maßnahmen der Pflege und Erziehung vorläufig mit Wirksamkeit bis zur gerichtlichen Entscheidung selbst treffen; er hat diese Entscheidung unverzüglich, jedenfalls innerhalb von acht Tagen, zu beantragen. Im Umfang der getroffenen Maßnahmen ist der Kinder- und Jugendhilfeträger vorläufig mit der Obsorge betraut.

(2) Eine einstweilige Verfügung nach den §§ 382b, 382e und 382g EO sowie deren Vollzug kann der Kinder- und Jugendhilfeträger als Vertreter des Minderjährigen beantragen, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter einen erforderlichen Antrag nicht unverzüglich gestellt hat; § 208 Abs. 4 gilt hiefür entsprechend.

§ 212. Sofern nicht anderes angeordnet ist, fallen die Aufgaben dem Bundesland als Kinder- und Jugendhilfeträger zu, in dem das minderjährige Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines solchen im Inland seinen Aufenthalt hat. Fehlt ein Aufenthalt im Inland, so ist, sofern das minderjährige Kind österreichischer Staatsbürger ist, für im Inland zu besorgende Aufgaben das Bundesland als Kinder- und Jugendhilfeträger zuständig, in dem der Minderjährige seinen letzten Aufenthalt gehabt hat, dann dasjenige, in dem ein Elternteil seinen Aufenthalt hat oder zuletzt gehabt hat. Wechselt das minderjährige Kind seinen Aufenthalt in ein anderes Bundesland, so kann der Kinder- und Jugendhilfeträger seine Aufgaben dem anderen mit dessen Zustimmung übertragen. Hievon ist das Gericht zu verständigen, wenn es mit den Angelegenheiten des minderjährigen Kindes bereits befasst war.

Besondere Pflichten und Rechte anderer mit der Obsorge betrauter Personen

a) in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung

§ 213. (1) Ist eine andere Person mit der Obsorge betraut, so hat sie, soweit nicht anderes bestimmt ist, in wichtigen, die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten, insbesondere in den Angelegenheiten des § 167 Abs. 2, die Genehmigung des Gerichtes einzuholen. Ohne Genehmigung getroffene Maßnahmen oder Vertretungshandlungen sind unzulässig und unwirksam, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt.

(2) Einer medizinischen Behandlung, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist, kann die mit der Obsorge betraute Person nur zustimmen, wenn ein vom behandelnden Arzt unabhängiger Arzt in einem ärztlichen Zeugnis bestätigt, dass das Kind nicht über die erforderliche Entscheidungsfähigkeit verfügt und die Vornahme der Behandlung zur Wahrung seines Wohles erforderlich ist. Wenn ein solches Zeugnis nicht vorliegt oder das Kind zu erkennen gibt, dass es die Behandlung ablehnt, bedarf die Zustimmung der Genehmigung des Gerichts. Erteilt die mit der Obsorge betraute Person die Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung nicht und wird dadurch das Wohl des Kindes gefährdet, so kann das Gericht die Zustimmung ersetzen oder die Obsorge an eine andere Person übertragen.

b) in Angelegenheiten der Vermögensverwaltung

Überwachung der Vermögensverwaltung

§ 214. (1) Die mit der gesetzlichen Vertretung in Angelegenheiten der Vermögensverwaltung betraute Person hat bei Antritt der Obsorge nach gründlicher Erforschung des Vermögensstandes dem Gericht gegenüber das Vermögen im Einzelnen anzugeben und – ausgenommen ein Kinder- und Jugendhilfeträger – in weiterer Folge Rechnung zu legen. Das Gericht hat die Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters zur Vermeidung einer Gefährdung des Wohls des Kindes zu überwachen und die dazu notwendigen Aufträge zu erteilen. Näheres wird in den Verfahrensgesetzen bestimmt.

(2) Auf Vertretungshandlungen und Einwilligungen in Vermögensangelegenheiten ist § 167 Abs. 3 und § 168 sinngemäß anzuwenden.

Anlegung von Mündelgeld

Allgemeine Grundsätze

§ 215. (1) Soweit Bargeld und Geld auf Zahlungskonten eines Kindes (Mündelgeld) nicht, dem Gesetz entsprechend, für besondere Zwecke zu verwenden ist, ist es unverzüglich sicher und möglichst fruchtbringend durch Spareinlagen, den Erwerb von Wertpapieren (Forderungen), die Gewährung von Krediten, den Erwerb von Liegenschaften oder in anderer Weise nach den folgenden Bestimmungen anzulegen.

(2) Ist es wirtschaftlich zweckmäßig, so ist Mündelgeld auf mehrere dieser Arten anzulegen.

Mündelsichere Spareinlagen

§ 216. Spareinlagen bei einem Kreditinstitut, das zur Entgegennahme von Spareinlagen berechtigt ist, sind zur Anlegung von Mündelgeld geeignet, wenn

1.

die Spareinlagen auf den Namen des Kindes lauten und ausdrücklich die Bezeichnung „Mündelgeld“ tragen, und

2.

für die Verzinsung und Rückzahlung der Mündelspareinlagen ein vom Kreditinstitut gebildeter, jederzeit mit der jeweiligen Höhe solcher Einlagen übereinstimmender unbelasteter Deckungsstock haftet, und

3.

der Deckungsstock ausschließlich in mündelsicheren Wertpapieren (§ 217), in Hypothekarforderungen mit gesetzmäßiger Sicherheit (§ 218), in Forderungen, für die der Bund oder ein Land haftet, oder in Bargeld besteht.

Mündelsichere Wertpapiere und Forderungen

§ 217. Der Erwerb folgender Wertpapiere und Forderungen ist zur Anlegung von Mündelgeld geeignet:

1.

Teilschuldverschreibungen von Anleihen, für deren Verzinsung und Rückzahlung der Bund oder eines der Länder haftet;

2.

Forderungen, die in das Hauptbuch der Staatsschuld eingetragen sind;

3.

Pfandbriefe und Kommunalschuldverschreibungen der nach den gesetzlichen Vorschriften zur Ausgabe solcher Wertpapiere zugelassenem inländischen Kreditinstitut;

4.

von einem inländischen Kreditinstitut ausgegebene Teilschuldverschreibungen, sofern das Kreditinstitut verpflichtet ist, die Ansprüche aus diesen Teilschuldverschreibungen vorzugsweise zu befriedigen und als Sicherheit für diese Befriedigung Forderungen des Kreditinstitutes, für die der Bund haftet, Wertpapiere oder Forderungen gemäß den Z 1 bis 3 und 5 oder Bargeld zu bestellen, und dies auf den Teilschuldverschreibungen ausdrücklich ersichtlich gemacht ist;

5.

sonstige Wertpapiere, sofern sie durch besondere gesetzliche Vorschriften zur Anlegung von Mündelgeld geeignet erklärt worden sind.

Mündelsichere Kredite

§ 218. (1) Kredite sind zur Anlegung von Mündelgeld geeignet, wenn zu ihrer Sicherstellung an einer inländischen Liegenschaft eine Hypothek bestellt wird und die Liegenschaft samt ihrem Zubehör während der Laufzeit des Kredites ausreichend feuerversichert ist. Liegenschaften, deren Wert sich wegen eines darauf befindlichen Abbaubetriebs ständig und beträchtlich vermindert, sind nicht geeignet.

(2) Es darf jedoch eine Liegenschaft nicht über die Hälfte des Verkehrswertes belastet werden. Bei Weingärten, Wäldern und anderen Liegenschaften, deren Ertrag auf ähnlichen dauernden Anpflanzungen beruht, ist die Belastungsgrenze ohne Berücksichtigung des Wertes der Kulturgattung vom Grundwert zu errechnen. Ebenso ist bei industriell oder gewerblich genutzten Liegenschaften vom bloßen Grundwert auszugehen, doch sind von diesem die Kosten der Freimachung der Liegenschaft von industriell oder gewerblich genutzten Baulichkeiten abzuziehen.

Mündelsichere Liegenschaften

§ 219. (1) Der Erwerb inländischer Liegenschaften ist zur Anlegung von Mündelgeld geeignet, wenn sich ihr Wert nicht wegen eines darauf befindlichen Abbaubetriebs ständig und beträchtlich vermindert oder sie nicht ausschließlich oder überwiegend industriellen oder gewerblichen Zwecken dienen.

(2) Der Kaufpreis soll in der Regel den Verkehrswert nicht übersteigen.

Andere Anlageformen

§ 220. (1) Eine andere Anlegung von Mündelgeld ist zulässig, wenn sie nach den Verhältnissen des Einzelfalls den Grundsätzen einer sicheren und wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspricht. Dem Eintreten eines größeren Schadens durch Verwirklichung von Risiken ist tunlichst durch deren Streuung entgegenzuwirken.

(2) Bei Wertpapieren und Forderungen, die in den §§ 216 bis 218 nicht genannt sind, muss dafür vorgesorgt sein, dass sie laufend sachkundig auf ihre Sicherheit und Wirtschaftlichkeit hin verwaltet werden und ein Verkauf, falls er durch die Marktentwicklung geboten sein sollte, unverzüglich vorgenommen wird; die Haftung des Verwalters dem Kind gegenüber muss gesichert sein. Bei Einlagen, die eine regelmäßige Einzahlung voraussetzen, muss sichergestellt sein, dass diese aus dem Vermögen des Kindes geleistet werden können.

(3) Bei Liegenschaften, die im § 219 nicht genannt sind, muss ihr Erwerb dem Kind mit Beziehung auf die gegenwärtige oder künftige Berufsausübung oder sonst zum offenbaren Vorteil gereichen; der Kaufpreis darf den Verkehrswert nicht übersteigen.

§ 221. Der gesetzliche Vertreter hat jedenfalls dann eine andere Anlegung von im Sinn des § 220 angelegtem Vermögen zu veranlassen, wenn ansonsten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass ein für das Kind unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse nicht unbeträchtliches Vermögen dauerhaft geschmälert werden wird und die Umschichtung dem Wohl des Kindes entspricht.

Veräußerung von beweglichem Vermögen

§ 222. Bewegliches Vermögen, außer Mündelgeld oder im Sinn der §§ 216 bis 220 veranlagtes Vermögen, darf nur soweit verwertet werden, als dies zur Befriedigung der gegenwärtigen oder zukünftigen Bedürfnisse des Kindes nötig ist oder sonst dem Wohl des Kindes entspricht.

Veräußerung von unbeweglichem Gut

§ 223. Ein unbewegliches Gut oder ein Anteil an einem solchen darf nur im Notfall oder zum offenbaren Vorteil des Kindes veräußert werden.

Entgegennahme von Zahlungen

§ 224. Der gesetzliche Vertreter kann 10 000 Euro übersteigende Zahlungen an das Kind nur entgegennehmen und darüber quittieren, wenn er dazu vom Gericht im Einzelfall oder allgemein ermächtigt wurde oder eine gerichtliche Genehmigung des Wechsels der Anlageform vorliegt. Fehlt eine solche Ermächtigung oder Genehmigung, so wird der Schuldner durch Zahlung an den Vertreter von seiner Schuld nur befreit, wenn das Gezahlte noch im Vermögen des Kindes vorhanden ist oder für dessen Zwecke verwendet wurde.

Änderungen in der Obsorge

§ 225. Die Obsorge des Kinder- und Jugendhilfeträgers (§ 207) endet, sofern der Umstand, der die Eltern von der Ausübung der Obsorge ausgeschlossen hat, weggefallen ist; im ersten Fall des § 207 bedarf es hiezu jedoch der Übertragung der Obsorge an die Eltern durch das Gericht.

§ 226. Das Gericht hat die Obsorge an eine andere Person zu übertragen, wenn das Wohl des minderjährigen Kindes dies erfordert, insbesondere wenn die mit der Obsorge betraute Person ihre Verpflichtungen aus § 159 nicht erfüllt, einer der Umstände des § 205 Abs. 2 eintritt oder bekannt wird oder die Person, die bisher mit der Obsorge betraut war, stirbt.

Haftung

§ 227. (1) Die nach § 204 mit der Obsorge betrauten Personen haften dem Kind gegenüber für jeden durch ihr Verschulden verursachten Schaden.

(2) Soweit sich die mit der Obsorge betraute Person zu ihrer Ausübung rechtmäßig anderer Personen bedient, haftet sie nur insoweit, als sie schuldhaft eine untüchtige oder gefährliche Person ausgewählt, deren Tätigkeit nur unzureichend überwacht oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des minderjährigen Kindes gegen diese Personen schuldhaft unterlassen hat.

§ 228. Der Richter kann die Ersatzpflicht nach § 227 insoweit mäßigen oder ganz erlassen, als sie die mit der Obsorge betraute Person unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Grades des Verschuldens oder eines besonderen Naheverhältnisses zwischen dem Kind und der mit der Obsorge betrauten Person, unbillig hart träfe.

Entschädigung

§ 229. (1) Der nach § 204 mit der Obsorge betrauten Person gebührt unter Bedachtnahme auf Art und Umfang ihrer Tätigkeit und des damit gewöhnlich verbundenen Aufwands an Zeit und Mühe eine jährliche Entschädigung, soweit dadurch die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Kindes nicht gefährdet wird.

(2) Sofern das Gericht nicht aus besonderen Gründen eine geringere Entschädigung für angemessen findet, beträgt sie fünf vom Hundert sämtlicher Einkünfte nach Abzug der hievon zu entrichtenden gesetzlichen Steuern und Abgaben. Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, sind nicht als Einkünfte zu berücksichtigen. Übersteigt der Wert des Vermögens des Kindes 15 000 Euro, so kann das Gericht überdies pro Jahr bis zu zwei vom Hundert des Mehrbetrags als Entschädigung gewähren, soweit sich die mit der Obsorge betraute Person um die Erhaltung des Vermögens oder dessen Verwendung zur Deckung von Bedürfnissen des Kindes besonders verdient gemacht hat. Betrifft die Obsorge nur einen Teilbereich der Obsorge oder dauert die Tätigkeit der mit der Obsorge betrauten Person nicht ein volles Jahr, so vermindert sich der Anspruch auf Entschädigung entsprechend.

(3) Bei besonders umfangreichen und erfolgreichen Bemühungen der mit der Obsorge betrauten Person kann das Gericht die Entschädigung auch höher als nach Abs. 2 erster Satz bemessen, jedoch nicht höher als zehn vom Hundert der Einkünfte.

Entgelt und Aufwandsersatz

§ 230. (1) Nützt die mit der Obsorge betraute Person für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten übertragen werden müsste, ihre besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so hat sie hiefür einen Anspruch auf angemessenes Entgelt. Dieser Anspruch besteht für die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung jedoch nicht, soweit beim Kind die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind oder diese Kosten nach gesetzlichen Vorschriften vom Gegner ersetzt werden.

(2) Zur zweckentsprechenden Ausübung der Obsorge notwendige Barauslagen, tatsächliche Aufwendungen und die Kosten der Versicherung der Haftpflicht nach § 227 sind der mit der Obsorge betrauten Person vom Kind jedenfalls zu erstatten, soweit sie nach gesetzlichen Vorschriften nicht unmittelbar von Dritten getragen werden.

(3) Ansprüche nach den Abs. 1 und 2 bestehen insoweit nicht, als durch sie die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Kindes gefährdet wäre.

Fünftes Hauptstück

Kindesunterhalt

§ 231. (1) Die Eltern haben zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen.

(2) Der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leistet dadurch seinen Beitrag. Darüber hinaus hat er zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müsste, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre.

(3) Der Anspruch auf Unterhalt mindert sich insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist.

(4) Vereinbarungen, wonach sich ein Elternteil dem anderen gegenüber verpflichtet, für den Unterhalt des Kindes allein oder überwiegend aufzukommen und den anderen für den Fall der Inanspruchnahme mit der Unterhaltspflicht schad- und klaglos zu halten, sind unwirksam, sofern sie nicht im Rahmen einer umfassenden Regelung der Folgen einer Scheidung vor Gericht geschlossen werden.

§ 232. Soweit die Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Unterhalts nicht imstande sind, schulden ihn die Großeltern nach den den Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen Bedürfnissen des Kindes. Im Übrigen gilt der § 231 sinngemäß; der Unterhaltsanspruch eines Enkels mindert sich jedoch auch insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Großelternteil nur insoweit Unterhalt zu leisten, als er dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet.

§ 233. Die Schuld eines Elternteils, dem Kind den Unterhalt zu leisten, geht bis zum Wert der Verlassenschaft auf seine Erben über. Auf den Anspruch des Kindes ist alles anzurechnen, was das Kind nach dem Verstorbenen durch eine vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlichen Erbteil, als Pflichtteil oder durch eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistung erhält. Reicht der Wert der Verlassenschaft nicht aus, um dem Kind den geschuldeten Unterhalt bis zum voraussichtlichen Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit zu sichern, so mindert sich der Anspruch des Kindes entsprechend.

§ 234. (1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

(2) Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten.

(3) Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet.

Ansprüche im Zusammenhang mit der Geburt

§ 235. (1) Der Vater ist verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung sowie die Kosten ihres Unterhaltes für die ersten acht Wochen nach der Entbindung und, falls infolge der Entbindung weitere Auslagen notwendig werden, auch diese zu ersetzen.

(2) Die Forderung ist mit Ablauf von drei Jahren nach der Entbindung verjährt.

Sechstes Hauptstück

Von der Vorsorgevollmacht und der Erwachsenenvertretung

Erster Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

I. Teilnahme am Rechtsverkehr

Selbstbestimmung

§ 239. (1) Im rechtlichen Verkehr ist dafür Sorge zu tragen, dass volljährige Personen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sind, möglichst selbständig, erforderlichenfalls mit entsprechender Unterstützung, ihre Angelegenheiten selbst besorgen können.

(2) Unterstützung kann insbesondere durch die Familie, andere nahe stehende Personen, Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen der Behindertenhilfe und soziale und psychosoziale Dienste, Gruppen von Gleichgestellten, Beratungsstellen oder im Rahmen eines betreuten Kontos oder eines Vorsorgedialogs geleistet werden.

Nachrang der Stellvertretung

§ 240. (1) Die in § 239 Abs. 1 genannten Personen nehmen nur dann durch einen Vertreter am Rechtsverkehr teil, wenn sie dies selbst vorsehen oder eine Vertretung zur Wahrung ihrer Rechte und Interessen unvermeidlich ist. Sie können durch eine von ihnen bevollmächtigte Person (Vorsorgevollmacht) oder durch einen gewählten oder gesetzlichen oder gerichtlichen Erwachsenenvertreter vertreten werden.

(2) Soweit eine volljährige Person bei Besorgung ihrer Angelegenheiten entsprechend unterstützt wird oder selbst, besonders durch eine Vorsorgevollmacht, für deren Besorgung im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt hat, darf für sie kein Erwachsenenvertreter tätig werden.

Selbstbestimmung trotz Stellvertretung

§ 241. (1) Ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter hat danach zu trachten, dass die vertretene Person im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ihre Lebensverhältnisse nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann, und sie, soweit wie möglich, in die Lage zu versetzen, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen.

(2) Ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter hat die vertretene Person von beabsichtigten, ihre Person oder ihr Vermögen betreffenden Entscheidungen rechtzeitig zu verständigen und ihr die Möglichkeit zu geben, sich dazu in angemessener Frist zu äußern. Die Äußerung der vertretenen Person ist zu berücksichtigen, es sei denn, ihr Wohl wäre hierdurch erheblich gefährdet.

Handlungsfähigkeit

§ 242. (1) Die Handlungsfähigkeit einer vertretenen Person wird durch eine Vorsorgevollmacht oder eine Erwachsenenvertretung nicht eingeschränkt.

(2) Soweit dies zur Abwendung einer ernstlichen und erheblichen Gefahr für die vertretene Person erforderlich ist, hat das Gericht im Wirkungsbereich der gerichtlichen Erwachsenenvertretung anzuordnen, dass die Wirksamkeit bestimmter rechtsgeschäftlicher Handlungen der vertretenen Person oder bestimmter Verfahrenshandlungen bei Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten wie nach § 865 Abs. 3 und Abs. 5 die Genehmigung des Erwachsenenvertreters und in den Fällen des § 258 Abs. 4 auch jene des Gerichts voraussetzt. Der Genehmigungsvorbehalt bleibt ungeachtet der Übertragung einer Erwachsenenvertretung im Sinn des § 246 Abs. 3 Z 2 bestehen; er ist vom Gericht aufzuheben, wenn er nicht mehr erforderlich ist.

(3) Schließt eine volljährige Person, die nicht entscheidungsfähig ist, ein Rechtsgeschäft des täglichen Lebens, das ihre Lebensverhältnisse nicht übersteigt, so wird dieses – sofern in diesem Bereich kein Genehmigungsvorbehalt nach Abs. 2 angeordnet wurde – mit der Erfüllung der sie treffenden Pflichten rückwirkend rechtswirksam.

II. Auswahl und Dauer der Vertretung

Eignung

§ 243. (1) Als Vorsorgebevollmächtigter und Erwachsenenvertreter darf nicht eingesetzt werden, wer

1.

schutzberechtigt im Sinn des § 21 Abs. 1 ist,

2.

eine dem Wohl der volljährigen Person förderliche Ausübung der Vertretung nicht erwarten lässt, etwa wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung, oder

3.

in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer vergleichbar engen Beziehung zu einer Einrichtung steht, in der sich die volljährige Person aufhält oder von der diese betreut wird.

(2) Eine Person darf nur so viele Vorsorgevollmachten und Erwachsenenvertretungen übernehmen, wie sie unter Bedachtnahme auf die damit verbundenen Pflichten, insbesondere jene zur persönlichen Kontaktaufnahme, ordnungsgemäß besorgen kann. Insgesamt darf eine Person – ausgenommen ein Erwachsenenschutzverein (§ 1 ErwSchVG) – nicht mehr als 15 Vorsorgevollmachten und Erwachsenenvertretungen übernehmen. Ein Notar (Notariatskandidat) oder Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) kann diese Anzahl überschreiten, wenn er aufrecht in der Liste von zur Übernahme von Vorsorgevollmachten und gerichtlichen Erwachsenenvertretungen besonders geeigneten Rechtsanwälten oder Notaren eingetragen ist.

(3) Mehrere Erwachsenenvertreter können für eine Person nur mit jeweils unterschiedlichem Wirkungsbereich eingesetzt und im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen werden.

Erwachsenenvertreter-Verfügung

§ 244. (1) Eine Person kann in einer Erwachsenenvertreter-Verfügung jemanden bezeichnen, der für sie als Erwachsenenvertreter tätig oder nicht tätig werden soll. Die verfügende Person muss hierfür fähig sein, die Bedeutung und Folgen einer Erwachsenenvertretung sowie der Verfügung in Grundzügen zu verstehen, ihren Willen danach zu bestimmen und sich entsprechend zu verhalten.

(2) Die Erwachsenenvertreter-Verfügung muss schriftlich vor einem Notar, Rechtsanwalt oder Mitarbeiter eines Erwachsenenschutzvereins errichtet und im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen werden. Hegt die eintragende Person Bedenken gegen das Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit der verfügenden Person, so hat sie die Eintragung abzulehnen und bei begründeten Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Wohles der volljährigen Person unverzüglich das Pflegschaftsgericht zu verständigen.

(3) Die verfügende Person kann die Erwachsenenvertreter-Verfügung jederzeit widerrufen. Der Widerruf muss von einem Notar, Rechtsanwalt oder Mitarbeiter eines Erwachsenenschutzvereins im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen werden. Die Eintragung hat auf Verlangen der vertretenen Person zu erfolgen. Für den Widerruf genügt es, dass die verfügende Person zu erkennen gibt, dass die Verfügung nicht mehr gelten soll. Auf diese Möglichkeiten kann sie nicht verzichten.

Beginn und Fortbestand

§ 245. (1) Eine Vorsorgevollmacht ist wirksam, wenn und soweit der Eintritt des Vorsorgefalls im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen ist.

(2) Eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung entsteht mit ihrer Eintragung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis.

(3) Eine gerichtliche Erwachsenenvertretung entsteht mit der Bestellung durch das Gericht.

(4) Solange die Vertretungsbefugnis eines Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreters im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen ist, besteht sie fort, auch wenn die vertretene Person im Wirkungsbereich ihres Vertreters handlungsfähig ist oder ihre Handlungsfähigkeit erlangt.

Änderung, Übertragung und Beendigung

§ 246. (1) Die Vertretungsbefugnis des Vorsorgebevollmächtigten oder des Erwachsenenvertreters endet

1.

mit dem Tod der vertretenen Person oder ihres Vertreters,

2.

durch gerichtliche Entscheidung,

3.

durch die Eintragung des Widerrufs oder der Kündigung einer Vorsorgevollmacht oder des Wegfalls des Vorsorgefalls im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis,

4.

durch die Eintragung des Widerrufs oder der Kündigung einer gewählten Erwachsenenvertretung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis,

5.

bei einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung durch die Eintragung des Widerspruchs der vertretenen Person oder ihres Vertreters im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis oder mit dem Ablauf von drei Jahren, sofern sie nicht zuvor erneut eingetragen wird, oder

6.

bei einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung spätestens mit dem Ablauf von drei Jahren nach Beschlussfassung erster Instanz über die Bestellung, sofern sie nicht erneuert wird; die Änderung oder Übertragung der Erwachsenenvertretung verlängert diese Frist nicht.

Für den Widerruf oder den Widerspruch der vertretenen Person genügt es, wenn sie zu erkennen gibt, dass sie nicht mehr vertreten sein will. Auf diese Möglichkeiten kann sie nicht verzichten. Die Eintragung des Widerrufs oder des Widerspruchs hat auf Verlangen der vertretenen Person oder ihres Vertreters zu erfolgen.

(2) Für die Änderung der Vertretungsbefugnis des Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreters gilt § 245 sinngemäß.

(3) Das Gericht hat

1.

die Beendigung der Vorsorgevollmacht oder der gewählten oder gesetzlichen Erwachsenenvertretung anzuordnen und erforderlichenfalls einen gerichtlichen Erwachsenenvertreter zu bestellen, wenn der Vertreter nicht oder pflichtwidrig tätig wird oder es sonst das Wohl der vertretenen Person erfordert;

2.

die gerichtliche Erwachsenenvertretung einer anderen Person zu übertragen, wenn der Vertreter verstorben ist, nicht die erforderliche Eignung aufweist oder durch die Vertretung unzumutbar belastet wird oder es sonst das Wohl der vertretenen Person erfordert;

3.

die gerichtliche Erwachsenenvertretung zu beenden, wenn die übertragene Angelegenheit erledigt ist oder die Voraussetzungen für die Bestellung nach § 271 weggefallen sind; betrifft dies nur einen Teil der Angelegenheiten, so ist der Wirkungsbereich insoweit einzuschränken. Erforderlichenfalls ist die gerichtliche Erwachsenenvertretung zu erweitern.

(4) § 178 Abs. 3, § 183 Abs. 2 und § 1025 gelten sinngemäß.

III. Besondere Rechte und Pflichten des Vertreters

Kontakte

§ 247. Ein Erwachsenenvertreter hat mit der vertretenen Person in dem nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Ausmaß persönlichen Kontakt zu halten. Sofern ihm nicht ausschließlich Angelegenheiten übertragen worden sind, deren Besorgung vorwiegend Kenntnisse des Rechts oder der Vermögensverwaltung voraussetzen, soll der Kontakt mindestens einmal im Monat stattfinden.

Verschwiegenheitspflicht

§ 248. (1) Ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter ist, außer gegenüber dem Pflegschaftsgericht, zur Verschwiegenheit über alle ihm in Ausübung seiner Funktion anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet.

(2) Ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter hat aber auf entsprechende Anfrage hin dem Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten sowie den Eltern und Kindern der vertretenen Person über deren geistiges und körperliches Befinden und deren Wohnort sowie über seinen Wirkungsbereich Auskunft zu erteilen. Dies gilt nicht, soweit die vertretene Person etwas anderes verfügt hat, oder zu erkennen gibt, dass sie eine solche Auskunftserteilung nicht will, oder diese ihrem Wohl widerspricht.

(3) Ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter ist weiters nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit

1.

ihn davon die insoweit entscheidungsfähige vertretene Person entbunden hat,

2.

die vertretene Person zur Offenlegung verpflichtet ist oder

3.

die Offenlegung zur Wahrung ihres Wohles erforderlich ist.

Haftung und Aufwandersatz

§ 249. (1) Ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter haftet der vertretenen Person für jeden durch sein Verschulden verursachten Schaden. Das Gericht kann die Ersatzpflicht insoweit mäßigen oder ganz erlassen, als sie den Vertreter unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Grades des Verschuldens oder seines besonderen Naheverhältnisses zur vertretenen Person, unbillig hart träfe.

(2) Die zur zweckentsprechenden Ausübung der Vertretung notwendigen Barauslagen, die tatsächlichen Aufwendungen und die angemessenen Kosten einer zur Deckung der Haftung nach Abs. 1 abgeschlossenen Haftpflichtversicherung sind dem gewählten und gesetzlichen Erwachsenenvertreter von der vertretenen Person zu erstatten, soweit sie nach gesetzlichen Vorschriften nicht unmittelbar von Dritten getragen werden; ist der einzelne Nachweis dem Erwachsenenvertreter nicht zumutbar, so ist ein angemessener Pauschalbetrag zu erstatten. Für den gerichtlichen Erwachsenenvertreter gilt § 276 Abs. 4.

IV. Personensorge

Vertretung in personenrechtlichen Angelegenheiten

§ 250. (1) Ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter darf in Angelegenheiten, die in der Persönlichkeit der vertretenen Person oder deren familiären Verhältnissen gründen, nur dann tätig werden, wenn

1.

diese von seinem Wirkungsbereich umfasst sind,

2.

die vertretene Person nicht entscheidungsfähig ist,

3.

nach dem Gesetz eine Stellvertretung nicht jedenfalls ausgeschlossen ist und

4.

eine Vertretungshandlung zur Wahrung des Wohles der vertretenen Person erforderlich ist.

(2) Gibt die vertretene Person zu erkennen, dass sie die geplante Vertretungshandlung ablehnt, so hat diese bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit zu unterbleiben, es sei denn, das Wohl der vertretenen Person wäre sonst erheblich gefährdet.

(3) In wichtigen Angelegenheiten der Personensorge hat ein Erwachsenenvertreter die Genehmigung des Gerichts einzuholen, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt.

(4) Das Recht der vertretenen Person auf persönliche Kontakte zu anderen Personen sowie ihr Schriftverkehr dürfen vom Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreter nur eingeschränkt werden, wenn sonst ihr Wohl erheblich gefährdet wäre.

Bemühung um Betreuung

§ 251. Ein Erwachsenenvertreter ist nicht zur Betreuung der vertretenen Person verpflichtet. Ist sie aber nicht umfassend betreut, so hat er sich, unabhängig von seinem Wirkungsbereich, darum zu bemühen, dass ihr die gebotene medizinische und soziale Betreuung gewährt wird.

Medizinische Behandlung

a) entscheidungsfähiger Personen

§ 252. (1) In eine medizinische Behandlung kann eine volljährige Person, soweit sie entscheidungsfähig ist, nur selbst einwilligen. Eine medizinische Behandlung ist eine von einem Arzt oder auf seine Anordnung hin vorgenommene diagnostische, therapeutische, rehabilitative, krankheitsvorbeugende oder geburtshilfliche Maßnahme an der volljährigen Person. Auf diagnostische, therapeutische, rehabilitative, krankheitsvorbeugende, pflegerische oder geburtshilfliche Maßnahmen von Angehörigen anderer gesetzlich geregelter Gesundheitsberufe sind die §§ 252 bis 254 sinngemäß anzuwenden.

(2) Hält der Arzt eine volljährige Person für nicht entscheidungsfähig, so hat er sich nachweislich um die Beiziehung von Angehörigen, anderen nahe stehenden Personen, Vertrauenspersonen und im Umgang mit Menschen in solchen schwierigen Lebenslagen besonders geübten Fachleuten zu bemühen, die die volljährige Person dabei unterstützen können, ihre Entscheidungsfähigkeit zu erlangen. Soweit sie aber zu erkennen gibt, dass sie mit der beabsichtigten Beiziehung anderer und der Weitergabe von medizinischen Informationen nicht einverstanden ist, hat der Arzt dies zu unterlassen.

(3) Kann durch Unterstützung im Sinn des Abs. 2 die Entscheidungsfähigkeit der volljährigen Person hergestellt werden, so ist ihre Einwilligung in die medizinische Behandlung ausreichend, andernfalls ist nach § 253 vorzugehen.

(4) Von einer Aufklärung der von der Behandlung betroffenen Person oder ihrer Unterstützung im Sinn des Abs. 2 ist abzusehen, wenn mit der damit einhergehenden Verzögerung eine Gefährdung des Lebens, die Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit oder starke Schmerzen verbunden wären.

b) nicht entscheidungsfähiger Personen

§ 253. (1) Eine medizinische Behandlung an einer volljährigen Person, die nicht entscheidungsfähig ist, bedarf der Zustimmung ihres Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreters, dessen Wirkungsbereich diese Angelegenheit umfasst. Er hat sich dabei vom Willen der vertretenen Person leiten zu lassen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass diese eine medizinisch indizierte Behandlung wünscht.

(2) Der Grund und die Bedeutung der medizinischen Behandlung sind auch einer im Behandlungszeitpunkt nicht entscheidungsfähigen Person zu erläutern, soweit dies möglich und ihrem Wohl nicht abträglich ist.

(3) Die Zustimmung des Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreters ist nicht erforderlich, wenn mit der damit einhergehenden Verzögerung eine Gefährdung des Lebens, die Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit oder starke Schmerzen verbunden wären. Dauert die medizinische Behandlung voraussichtlich auch nach Abwendung dieser Gefahrenmomente noch an, so ist sie zu beginnen und unverzüglich die Zustimmung des Vertreters zur weiteren Behandlung einzuholen bzw. das Gericht zur Bestellung eines Vertreters oder zur Erweiterung seines Wirkungsbereichs anzurufen.

(4) Hat die im Behandlungszeitpunkt nicht entscheidungsfähige Person die medizinische Behandlung in einer verbindlichen Patientenverfügung abgelehnt und gibt es keine Hinweise auf die Unwirksamkeit der Patientenverfügung, so muss die Behandlung ohne Befassung eines Vertreters unterbleiben.

§ 254. (1) Gibt eine nicht entscheidungsfähige Person ihrem Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreter oder dem Arzt gegenüber zu erkennen, dass sie die medizinische Behandlung oder deren Fortsetzung ablehnt, so bedarf die Zustimmung des Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreters zur Behandlung der Genehmigung des Gerichts.

(2) Wenn der Vorsorgebevollmächtigte oder Erwachsenenvertreter der Behandlung einer nicht entscheidungsfähigen Person oder ihrer Fortsetzung nicht zustimmt und dadurch dem Willen der vertretenen Person nicht entspricht, so kann das Gericht die Zustimmung des Vertreters ersetzen oder einen anderen Vertreter bestellen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die vertretene Person eine medizinisch indizierte Behandlung wünscht.

(3) Die Genehmigung oder Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht oder die Bestellung eines anderen Vertreters ist nicht erforderlich, wenn mit der mit solchen Gerichtsverfahren einhergehenden Verzögerung eine Gefährdung des Lebens, die Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit oder starke Schmerzen verbunden wären. Dauert die medizinische Behandlung voraussichtlich auch nach Abwendung dieser Gefahrenmomente noch an, so ist sie zu beginnen und unverzüglich das Gericht anzurufen.

Sterilisation

§ 255. (1) Ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter darf einer medizinischen Maßnahme, die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit der vertretenen nicht entscheidungsfähigen Person zum Ziel hat, nicht zustimmen, es sei denn, dass sonst wegen eines dauerhaften körperlichen Leidens eine Gefährdung des Lebens oder die Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit oder starker Schmerzen besteht.

(2) Die Zustimmung des Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreters bedarf der gerichtlichen Genehmigung.

Forschung

§ 256. (1) Ebenso darf ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter einer medizinischen Forschung, die mit einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit der vertretenen nicht entscheidungsfähigen Person verbunden ist, nicht zustimmen, es sei denn, dass diese für deren Gesundheit oder Wohlbefinden von unmittelbarem Nutzen sein kann. Die Zustimmung bedarf der gerichtlichen Genehmigung, außer es liegt eine befürwortende Stellungnahme einer für die jeweilige Krankenanstalt eingerichteten Ethikkommission vor.

(2) Gibt eine nicht entscheidungsfähige Person ihrem Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreter oder dem Arzt gegenüber zu erkennen, dass sie die Forschung oder deren Fortsetzung ablehnt, so hat diese zu unterbleiben, es sei denn, das Wohl der vertretenen Person wäre sonst erheblich gefährdet. Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf diesfalls auch bei Vorliegen einer befürwortenden Stellungnahme einer Ethikkommission der gerichtlichen Genehmigung.

Änderung des Wohnortes

§ 257. (1) Über eine Änderung des Wohnortes kann eine volljährige Person, soweit sie entscheidungsfähig ist, nur selbst entscheiden.

(2) Ist sie nicht entscheidungsfähig, so hat der Vorsorgebevollmächtigte oder Erwachsenenvertreter, dessen Wirkungsbereich diese Angelegenheit umfasst, die Entscheidung zu treffen, sofern dies zur Wahrung des Wohles der vertretenen Person erforderlich ist.

(3) Soll der Wohnort der vertretenen Person dauerhaft geändert werden, so bedarf es zuvor der gerichtlichen Genehmigung. Bis zum Vorliegen der gerichtlichen Entscheidung kann der Wohnort der vertretenen Person geändert werden, sofern eine Rückkehr möglich ist.

(4) Abs. 3 gilt für den Vorsorgebevollmächtigten sinngemäß, sofern der Wohnort der vertretenen Person dauerhaft ins Ausland verlegt werden soll.

V. Vermögenssorge

§ 258. (1) Ist ein Erwachsenenvertreter mit der Verwaltung des Vermögens oder des Einkommens der vertretenen Person betraut, so hat er mit dem Einkommen und dem Vermögen ihre den persönlichen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse zu befriedigen.

(2) Bei der Erfüllung der Verpflichtung nach Abs. 1 hat der Erwachsenenvertreter auch dafür zu sorgen, dass der vertretenen Person die notwendigen finanziellen Mittel für Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens zur Verfügung stehen, soweit ihr Wohl dadurch nicht gefährdet ist. Dafür hat der Erwachsenenvertreter der vertretenen Person etwa das notwendige Bargeld zu überlassen oder den notwendigen Zugriff auf Zahlungskonten zu gewähren.

(3) Für die Anlegung von Bargeld und von Geld auf Zahlungskonten der vertretenen Person, die Veräußerung von beweglichem Vermögen und unbeweglichem Gut sowie die Entgegennahme von Zahlungen gelten die §§ 215 bis 224 sinngemäß.

(4) Vertretungshandlungen eines Erwachsenenvertreters in Vermögensangelegenheiten bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung des Gerichtes, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. § 167 Abs. 3 gilt sinngemäß.

(5) Ist ein Vorsorgebevollmächtigter mit der Verwaltung des Vermögens oder des Einkommens der vertretenen Person betraut, so gelten die §§ 215 bis 221, soweit dies in der Vorsorgevollmacht verfügt wurde.

VI. Gerichtliche Kontrolle

§ 259. (1) Ein Erwachsenenvertreter hat dem Gericht jährlich über die Gestaltung und Häufigkeit seiner persönlichen Kontakte mit der vertretenen Person, ihren Wohnort, ihr geistiges und körperliches Befinden und die für sie im vergangenen Jahr besorgten und im kommenden Jahr zu besorgenden Angelegenheiten zu berichten. Näheres wird in den Verfahrensgesetzen bestimmt.

(2) Ein Erwachsenenvertreter, der mit der Verwaltung des Vermögens oder des Einkommens der vertretenen Person betraut ist, hat dem Gericht bei Antritt der Vermögenssorge nach gründlicher Erforschung des Vermögensstandes das Vermögen im Einzelnen anzugeben und in weiterer Folge Rechnung zu legen. Das Gericht hat seine Tätigkeit zur Vermeidung einer Gefährdung des Wohles der vertretenen Person zu überwachen und die dazu notwendigen Aufträge zu erteilen. Näheres wird in den Verfahrensgesetzen bestimmt.

(3) Ein Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter ist verpflichtet, die Vollmachtsurkunde sowie die nach § 140h NO erforderlichen ärztlichen Zeugnisse bis zur Beendigung seiner Vertretung aufzubewahren und auf Verlangen des Gerichts diesem zu übermitteln.

(4) Ist das Wohl einer vertretenen Person gefährdet, so hat das Gericht jederzeit von Amts wegen die zur Sicherung des Wohles nötigen Verfügungen zu treffen.

Zweiter Abschnitt

Vorsorgevollmacht

Vollmacht für den Vorsorgefall

§ 260. Eine Vorsorgevollmacht ist eine Vollmacht, die nach ihrem Inhalt dann wirksam werden soll, wenn der Vollmachtgeber die zur Besorgung der anvertrauten Angelegenheiten erforderliche Entscheidungsfähigkeit verliert. Der Vollmachtgeber kann auch die Umwandlung einer bestehenden Vollmacht in eine Vorsorgevollmacht bei Eintritt des Vorsorgefalls anordnen.

Wirkungsbereich

§ 261. Die Vorsorgevollmacht kann für einzelne Angelegenheiten oder für Arten von Angelegenheiten erteilt werden.

Form

§ 262. (1) Die Vorsorgevollmacht ist vor einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein (§ 1 ErwSchVG) höchstpersönlich und schriftlich zu errichten.

(2) Der Vollmachtgeber ist über

1.

die Rechtsfolgen einer Vorsorgevollmacht,

2.

die Möglichkeit, allgemein oder in bestimmten Angelegenheiten die Weitergabe der Vorsorgevollmacht zu untersagen oder eine gemeinsame Vertretung durch zwei oder mehrere Bevollmächtigte vorzusehen, sowie

3.

die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs

persönlich zu belehren. Der Notar, der Rechtsanwalt oder der Mitarbeiter des Erwachsenenschutzvereins hat die Vornahme dieser Belehrung in der Vollmachtsurkunde zu dokumentieren.

Registrierung

§ 263. (1) Die Vorsorgevollmacht und der Eintritt des Vorsorgefalls sind von einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein (§ 1 ErwSchVG) im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis einzutragen. Der Eintritt des Vorsorgefalls darf nur insoweit eingetragen werden, als der Vollmachtgeber die zur Besorgung der anvertrauten Angelegenheiten erforderliche Entscheidungsfähigkeit verloren hat.

(2) Hegt der Notar, der Rechtsanwalt oder der Mitarbeiter des Erwachsenenschutzvereins begründete Zweifel am Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit des Vollmachtgebers im Zeitpunkt der Errichtung der Vorsorgevollmacht, am Eintritt des Vorsorgefalls oder an der Eignung des Bevollmächtigten, so hat er die Errichtung der Vorsorgevollmacht bzw. die Eintragung des Vorsorgefalls abzulehnen und bei begründeten Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Wohles der volljährigen Person unverzüglich das Pflegschaftsgericht zu verständigen.

(3) Erlangt die volljährige Person ihre Entscheidungsfähigkeit wieder, so ist dies auf ihr Verlangen oder jenes ihres Vertreters im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis als Wegfall des Vorsorgefalls einzutragen. Die Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß.

Dritter Abschnitt

Gewählter Erwachsenenvertreter

Voraussetzungen

§ 264. Soweit eine volljährige Person ihre Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht für sich selbst besorgen kann, dafür keinen Vertreter hat und eine Vorsorgevollmacht nicht mehr errichten kann, aber noch fähig ist, die Bedeutung und Folgen einer Bevollmächtigung in Grundzügen zu verstehen, ihren Willen danach zu bestimmen und sich entsprechend zu verhalten, kann sie eine oder mehrere ihr nahe stehende Personen als Erwachsenenvertreter zur Besorgung dieser Angelegenheiten auswählen.

Wirkungsbereich

§ 265. (1) Die volljährige Person und ihr gewählter Erwachsenenvertreter haben eine Vereinbarung (§ 1002) zu schließen und dabei die Vertretungsbefugnisse des Erwachsenenvertreters festzulegen.

(2) Die Vereinbarung über die gewählte Erwachsenenvertretung kann – ausgenommen die Vertretung vor Gericht – vorsehen, dass der Erwachsenenvertreter nur im Einvernehmen mit der vertretenen Person rechtswirksam Vertretungshandlungen vornehmen kann. Ebenso kann die Vereinbarung – ausgenommen die Vertretung vor Gericht – vorsehen, dass die vertretene Person selbst nur mit Genehmigung des Erwachsenenvertreters rechtswirksam Erklärungen abgeben kann.

(3) Die Vertretungsbefugnisse können einzelne Angelegenheiten oder Arten von Angelegenheiten betreffen.

(4) Die Übertragung der Angelegenheiten umfasst, soweit nichts anderes vereinbart ist, immer auch die Vertretung vor Gericht. In allen Fällen kann die Vertretungsbefugnis aber auch auf die Ausübung von Einsichts- und Auskunftsrechten beschränkt werden.

Form

§ 266. (1) Die Vereinbarung einer gewählten Erwachsenenvertretung muss höchstpersönlich und schriftlich vor einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein (§ 1 ErwSchVG) errichtet werden.

(2) Vor dem Abschluss der Vereinbarung sind die volljährige Person und der Erwachsenenvertreter über das Wesen und die Folgen der Erwachsenenvertretung, die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs sowie die Rechte und Pflichten des gewählten Erwachsenenvertreters persönlich zu belehren. Der Notar, der Rechtsanwalt oder der Mitarbeiter des Erwachsenenschutzvereins hat die Vornahme dieser Belehrung in der Vereinbarung zu dokumentieren.

Registrierung

§ 267. (1) Die Vereinbarung über die gewählte Erwachsenenvertretung ist von einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein (§ 1 ErwSchVG) im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis einzutragen.

(2) Hegt der Notar, der Rechtsanwalt oder der Mitarbeiter des Erwachsenenschutzvereins am Vorliegen der Voraussetzungen der gewählten Erwachsenenvertretung oder an der Eignung der Person, die als Erwachsenenvertreter eingetragen werden soll, begründete Zweifel, so hat er die Eintragung abzulehnen und bei begründeten Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Wohles der volljährigen Person unverzüglich das Pflegschaftsgericht zu verständigen.

Vierter Abschnitt

Gesetzlicher Erwachsenenvertreter

Voraussetzungen

§ 268. (1) Eine volljährige Person kann in den in § 269 angeführten Angelegenheiten von einem oder mehreren nächsten Angehörigen vertreten werden, soweit sie

1.

diese Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann,

2.

dafür keinen Vertreter hat,

3.

einen solchen nicht mehr wählen kann oder will und

4.

der gesetzlichen Erwachsenenvertretung nicht vorab widersprochen hat und dies im Österreichischen Zentralen Vertretungsregister registriert wurde.

(2) Nächste Angehörige sind die Eltern und Großeltern, volljährige Kinder und Enkelkinder, Geschwister, Nichten und Neffen der volljährigen Person, ihr Ehegatte oder eingetragener Partner und ihr Lebensgefährte, wenn dieser mit ihr seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt lebt, sowie die von der volljährigen Person in einer Erwachsenenvertreter-Verfügung bezeichnete Person.

Wirkungsbereich

§ 269. (1) Die Vertretungsbefugnisse können folgende Bereiche betreffen:

1.

Vertretung in Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren,

2.

Vertretung in gerichtlichen Verfahren,

3.

Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten,

4.

Abschluss von Rechtsgeschäften zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfs,

5.

Entscheidung über medizinische Behandlungen und Abschluss von damit im Zusammenhang stehenden Verträgen,

6.

Änderung des Wohnortes und Abschluss von Heimverträgen,

7.

Vertretung in nicht in Z 5 und 6 genannten personenrechtlichen Angelegenheiten sowie

8.

Abschluss von nicht in Z 4 bis 6 genannten Rechtsgeschäften.

(2) Vom Wirkungsbereich der in Abs. 1 Z 3 bis 8 geregelten Angelegenheiten ist immer auch die Vertretung vor Gericht und die Befugnis mitumfasst, über laufende Einkünfte und das Vermögen der vertretenen Person insoweit zu verfügen, als diese zur Besorgung der Rechtsgeschäfte erforderlich ist.

Registrierung

§ 270. (1) Die gesetzliche Erwachsenenvertretung ist von einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein (§ 1 ErwSchVG) im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis einzutragen.

(2) Hegt der Notar, der Rechtsanwalt oder der Mitarbeiter des Erwachsenenschutzvereins am Vorliegen der Voraussetzungen der gesetzlichen Erwachsenenvertretung oder an der Eignung der Person, die als Erwachsenenvertreter eingetragen werden soll, begründete Zweifel, so hat er die Eintragung abzulehnen und bei begründeten Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Wohles der volljährigen Person unverzüglich das Pflegschaftsgericht zu verständigen.

(3) Vor der Eintragung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung sind der Erwachsenenvertreter und die volljährige Person über das Wesen und die Folgen der Erwachsenenvertretung, über die Möglichkeit des jederzeitigen Widerspruchs sowie über die Rechte und Pflichten des gesetzlichen Erwachsenenvertreters persönlich zu belehren. Der Notar, der Rechtsanwalt oder der Mitarbeiter des Erwachsenenschutzvereins hat die Vornahme dieser Belehrung zu dokumentieren.

Fünfter Abschnitt

Gerichtlicher Erwachsenenvertreter

Voraussetzungen

§ 271. Einer volljährigen Person ist vom Gericht auf ihren Antrag oder von Amts wegen insoweit ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter zu bestellen, als

1.

sie bestimmte Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann,

2.

sie dafür keinen Vertreter hat,

3.

sie einen solchen nicht wählen kann oder will und

4.

eine gesetzliche Erwachsenenvertretung nicht in Betracht kommt.

Wirkungsbereich

§ 272. (1) Ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter darf nur für einzelne oder Arten von gegenwärtig zu besorgenden und bestimmt zu bezeichnenden Angelegenheiten bestellt werden.

(2) Nach Erledigung der übertragenen Angelegenheit ist die gerichtliche Erwachsenenvertretung einzuschränken oder zu beenden. Darauf hat der Erwachsenenvertreter unverzüglich bei Gericht hinzuwirken.

Auswahl und Bestellung

§ 273. (1) Bei der Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters ist auf die Bedürfnisse der volljährigen Person und deren Wünsche, die Eignung des Erwachsenenvertreters und auf die zu besorgenden Angelegenheiten Bedacht zu nehmen.

(2) Eine Person, die das Gericht zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter bestellen will, hat alle Umstände, die sie dafür ungeeignet erscheinen lassen, dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Treten solche Umstände nach der Bestellung ein, so hat sie diese ebenso unverzüglich offen zu legen. Unterlässt sie diese Mitteilung schuldhaft, so haftet sie für alle der volljährigen Person daraus entstehenden Nachteile.

§ 274. (1) Zum Erwachsenenvertreter ist vorrangig mit deren Zustimmung die Person zu bestellen, die aus einer Vorsorgevollmacht, einer Vereinbarung einer gewählten Erwachsenenvertretung oder einer Erwachsenenvertreter-Verfügung hervorgeht.

(2) Ist eine solche Person nicht verfügbar oder geeignet, so ist mit deren Zustimmung eine der volljährigen Person nahestehende und für die Aufgabe geeignete Person zu bestellen.

(3) Kommt eine solche Person nicht in Betracht, so ist mit dessen Zustimmung ein Erwachsenenschutzverein (§ 1 ErwSchVG) zu bestellen.

(4) Ist auch die Bestellung eines Erwachsenenschutzvereins nicht möglich, so ist – nach Maßgabe des § 275 – ein Notar (Notariatskandidat) oder Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder mit deren Zustimmung eine andere geeignete Person zu bestellen.

(5) Ein Notar (Notariatskandidat) oder Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) ist vor allem dann zu bestellen, wenn die Besorgung der Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert, ein Erwachsenenschutzverein (§ 1 ErwSchVG) vor allem dann, wenn sonst besondere Anforderungen mit der Erwachsenenvertretung verbunden sind.

§ 275. Ein Notar (Notariatskandidat) oder Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter), der nicht aufrecht in der Liste von zur Übernahme von Vorsorgevollmachten und gerichtlichen Erwachsenenvertretungen besonders geeigneten Rechtsanwälten oder Notaren eingetragen ist, kann die Übernahme einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung nur ablehnen, wenn

1.

die Besorgung der Angelegenheiten nicht vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert,

2.

er nachweist, dass ein Notar (Notariatskandidat) oder Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter), der in der Liste von zur Übernahme von Vorsorgevollmachten und gerichtlichen Erwachsenenvertretungen besonders geeigneten Rechtsanwälten oder Notaren aufrecht eingetragen ist, mit der Übernahme der Erwachsenenvertretung einverstanden wäre oder

3.

ihm diese unter Berücksichtigung seiner persönlichen, familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnisse nicht zugemutet werden kann. Dies wird bei mehr als fünf gerichtlichen Erwachsenenvertretungen vermutet.

Entschädigung, Entgelt und Aufwandersatz

§ 276. (1) Dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter gebührt eine jährliche Entschädigung zuzüglich der allenfalls zu entrichtenden Umsatzsteuer. Die Entschädigung beträgt fünf Prozent sämtlicher Einkünfte der vertretenen Person nach Abzug der davon zu entrichtenden Steuern und Abgaben, wobei Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, nicht als Einkünfte zu berücksichtigen sind. Übersteigt der Wert des Vermögens der vertretenen Person 15 000 Euro, so sind darüber hinaus pro Jahr zwei Prozent des Mehrbetrags an Entschädigung zu gewähren. Ist der gerichtliche Erwachsenenvertreter kürzer als ein volles Jahr tätig, so vermindert sich der Anspruch auf Entschädigung entsprechend.

(2) Das Gericht hat die so berechnete Entschädigung zu mindern, wenn es dies aus besonderen Gründen, insbesondere wenn die Tätigkeit nach Art oder Umfang mit einem bloß geringen Aufwand an Zeit und Mühe verbunden ist oder die vertretene Person ein besonders hohes Vermögen hat, für angemessen hält. Bei besonders umfangreichen und erfolgreichen Bemühungen des gerichtlichen Erwachsenenvertreters, insbesondere im ersten Jahr seiner Tätigkeit oder im Bereich der Personensorge, kann das Gericht die Entschädigung auch mit bis zu zehn Prozent der Einkünfte und bis zu fünf Prozent des Mehrbetrags vom Vermögen bemessen. Dies gilt auch, wenn der gerichtliche Erwachsenenvertreter ausschließlich aufgrund der Art der ihm übertragenen Angelegenheit für eine besonders kurze Zeit tätig war und deshalb die nach Abs. 1 berechnete Entschädigung unangemessen niedrig ist. Bei der Ermittlung des Wertes des Vermögens nach Abs. 1 sind Verbindlichkeiten ausnahmsweise außer Acht zu lassen, wenn die Tätigkeit des gerichtlichen Erwachsenenvertreters wegen der bestehenden Verbindlichkeiten mit einem besonderen Aufwand verbunden war.

(3) Nützt der gerichtliche Erwachsenenvertreter für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten entgeltlich übertragen werden müsste, seine besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so hat er hiefür einen Anspruch auf angemessenes Entgelt. Dieser Anspruch besteht für die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung jedoch nicht, soweit bei der vertretenen Person die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind oder diese Kosten nach gesetzlichen Vorschriften vom Gegner ersetzt werden.

(4) Die zur zweckentsprechenden Ausübung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung notwendigen Barauslagen, die tatsächlichen Aufwendungen und die angemessenen Kosten einer zur Deckung der Haftung nach § 249 Abs. 1 abgeschlossenen Haftpflichtversicherung sind dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter zu erstatten, soweit sie nach gesetzlichen Vorschriften nicht unmittelbar von Dritten getragen werden. Ist der einzelne Nachweis dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter nicht zumutbar, so ist ein angemessener Pauschalbetrag zu erstatten.

Siebentes Hauptstück

Von der Kuratel

Voraussetzungen

§ 277. (1) Kann eine Person ihre Angelegenheiten selbst nicht besorgen, weil sie

1.

noch nicht gezeugt,

2.

ungeboren,

3.

abwesend oder

4.

unbekannt ist,

können diese Angelegenheiten nicht durch einen anderen Vertreter wahrgenommen werden und sind hierdurch die Interessen dieser Person gefährdet, so ist für sie ein Kurator zu bestellen.

(2) Ein Kurator ist auch dann zu bestellen, wenn die Interessen einer minderjährigen oder sonst im Sinn des § 21 Abs. 1 schutzberechtigten Person dadurch gefährdet sind, dass in einer bestimmten Angelegenheit ihre Interessen jenen ihres gesetzlichen Vertreters oder jenen einer ebenfalls von diesem vertretenen anderen minderjährigen oder sonst schutzberechtigten Person widerstreiten (Kollision). Im zweiten Fall darf der gesetzliche Vertreter keine der genannten Personen vertreten und hat das Gericht für jede von ihnen einen Kurator zu bestellen.

(3) Im berechtigten Interesse einer dritten Person ist ein Kurator zu bestellen, wenn der Dritte ansonsten an der Durchsetzung seiner Rechte aus seinem Rechtsverhältnis mit einer abwesenden oder unbekannten Person dieser gegenüber gehindert wäre.

Wirkungsbereich

§ 278. Das Gericht hat den Kurator mit bestimmt zu bezeichnenden Angelegenheiten zu betrauen.

Auswahl und Bestellung

§ 279. (1) Bei der Auswahl des Kurators ist auf die Interessen der vertretenen Person, die Eignung des Kurators und die zu besorgenden Angelegenheiten Bedacht zu nehmen.

(2) Ein Notar (Notariatskandidat) oder Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) ist vor allem dann zu bestellen, wenn die Besorgung der Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert.

(3) Mit der Kuratel dürfen solche Personen nicht betraut werden, die

1.

schutzberechtigt im Sinn des § 21 Abs. 1 sind oder

2.

eine förderliche Ausübung der Kuratel nicht erwarten lassen, etwa wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung.

(4) Zum Kurator kann auch eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft bestellt werden. Sie hat dem Gericht bekanntzugeben, wer sie bei Ausübung der Kuratel vertritt.

§ 280. (1) Eine Person, die das Gericht zum Kurator bestellen will, hat alle Umstände, die sie dafür ungeeignet erscheinen lassen, dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Treten solche Umstände nach der Bestellung ein, so hat sie diese ebenso unverzüglich offen zu legen. Unterlässt sie diese Mitteilung schuldhaft, so haftet sie für alle der vertretenen Person daraus entstehenden Nachteile.

(2) Eine Person darf nur so viele Kuratelen übernehmen, wie sie unter Bedachtnahme auf die damit verbundenen Pflichten ordnungsgemäß besorgen kann.

(3) Die vom Gericht in Aussicht genommene Person kann die Übernahme der Kuratel ablehnen, soweit sie nicht durch besondere gesetzliche Bestimmungen zur Übernahme verpflichtet ist. Ein Notar oder Rechtsanwalt kann die Übernahme nur ablehnen, wenn ihm diese unter Berücksichtigung seiner persönlichen, familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnisse nicht zugemutet werden kann. Dies wird bei mehr als fünf Kuratelen vermutet.

Besondere Rechte und Pflichten des Kurators

§ 281. (1) Der Kurator hat das Recht und die Pflicht, alle Tätigkeiten vorzunehmen, die zur Besorgung der übertragenen Angelegenheiten erforderlich sind. Der Kurator hat dabei die Interessen der vertretenen Person bestmöglich zu wahren.

(2) Der Kurator kann sich bei der Besorgung der übertragenen Angelegenheiten vertreten lassen.

(3) In Vermögensangelegenheiten gelten § 258 Abs. 3 und 4 sowie § 259 Abs. 2 und 4 sinngemäß.

Verschwiegenheitspflicht und Haftung

§ 282. (1) Der Kurator ist, außer gegenüber dem Gericht, zur Verschwiegenheit über alle ihm in Ausübung seiner Funktion anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. § 248 Abs. 2 und 3 gelten sinngemäß.

(2) Der Kurator haftet der vertretenen Person für jeden durch sein Verschulden verursachten Schaden. Das Gericht kann die Ersatzpflicht insoweit mäßigen oder ganz erlassen, als sie den Kurator unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Grades des Verschuldens oder seines besonderen Naheverhältnisses zur vertretenen Person, unbillig hart träfe.

Entschädigung, Entgelt und Aufwandersatz

§ 283. (1) Dem Kurator gebührt eine angemessene jährliche Entschädigung zuzüglich der allenfalls zu entrichtenden Umsatzsteuer. Die Entschädigung beträgt fünf Prozent des von der Kuratel erfassten Vermögens. Bei der Ermittlung des Wertes des Vermögens sind Verbindlichkeiten nicht zu berücksichtigen. Ist der Kurator kürzer als ein volles Jahr tätig, so vermindert sich der Anspruch auf Entschädigung entsprechend.

(2) Das Gericht hat die so berechnete Entschädigung zu mindern, wenn es dies aus besonderen Gründen, insbesondere wenn die Tätigkeit nach Art oder Umfang mit einem bloß geringen Aufwand an Zeit und Mühe verbunden ist oder die vertretene Person ein besonders hohes Vermögen hat, für angemessen hält. Das Gericht kann die Entschädigung auch mit bis zu zehn Prozent des von der Kuratel erfassten Vermögens bemessen, wenn sich der Kurator um die Erhaltung oder Vermehrung des Vermögens besonders verdient gemacht oder er ausschließlich aufgrund der Art der ihm übertragenen Angelegenheit nur für eine besonders kurze Zeit tätig war und deshalb die nach Abs. 1 berechnete Entschädigung unangemessen niedrig ist.

(3) Nützt der Kurator für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten entgeltlich übertragen werden müsste, seine besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so hat er hiefür einen Anspruch auf angemessenes Entgelt. Dieser Anspruch besteht für die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung jedoch nicht, soweit bei der Person, für die der Kurator bestellt wurde, die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind oder diese Kosten nach gesetzlichen Vorschriften vom Gegner ersetzt werden.

(4) Die zur zweckentsprechenden Ausübung der Kuratel notwendigen Barauslagen, die tatsächlichen Aufwendungen und die angemessenen Kosten einer zur Deckung der Haftung nach § 282 Abs. 2 abgeschlossenen Haftpflichtversicherung sind dem Kurator zu erstatten, soweit sie nach gesetzlichen Vorschriften nicht unmittelbar von Dritten getragen werden. Ist dem Kurator der einzelne Nachweis nicht zumutbar, so ist ein angemessener Pauschalbetrag zu erstatten.

Änderung und Beendigung der Kuratel

§ 284. (1) Das Gericht hat die Kuratel auf Antrag des Kurators oder von Amts wegen einer anderen Person zu übertragen, wenn der Kurator stirbt, nicht die erforderliche Eignung aufweist oder durch die Kuratel unzumutbar belastet wird oder es sonst das Interesse der vertretenen Person aus anderen Gründen erfordert. § 178 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Das Gericht hat den Kurator auf Antrag oder von Amts wegen zu entheben, wenn die Voraussetzungen für seine Bestellung wegfallen; fallen diese Voraussetzungen nur für einen Teil der übertragenen Angelegenheiten weg, so ist der Wirkungskreis einzuschränken. Der Wirkungskreis ist erforderlichenfalls zu erweitern. Mit dem Tod der vertretenen Person erlischt die Kuratel. § 183 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.

(3) Das Gericht hat in angemessenen Zeitabständen zu prüfen, ob die Kuratel zu ändern oder zu beenden ist.

Zweyter Theil

des

bürgerlichen Gesetzbuches.

Von dem Sachenrechte.

Von Sachen und ihrer rechtlichen Eintheilung.

Begriff von Sachen im rechtlichen Sinne.

§ 285. Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt.

§ 285a. Tiere sind keine Sachen; sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf Tiere nur insoweit anzuwenden, als keine abweichenden Regelungen bestehen.

Eintheilung der Sachen nach Verschiedenheit des Subjectes, dem sie gehören.

§ 286. Die Sachen in dem Staatsgebiethe sind entweder ein Staats- oder ein Privat-Gut. Das Letztere gehört einzelnen oder moralischen Personen, kleinern Gesellschaften, oder ganzen Gemeinden.

Freystehende Sachen; öffentliches Gut und Staatsvermögen.

§ 287. Sachen, welche allen Mitgliedern des Staates zur Zueignung überlassen sind, heißen freystehende Sachen. Jenen, die ihnen nur zum Gebrauche verstattet werden, als: Landstraßen, Ströme, Flüsse, Seehäfen und Meeresufer, heißen ein allgemeines oder öffentliches Gut. Was zur Bedeckung der Staatsbedürfnisse bestimmt ist, als: das Münz- oder Post- und andere Regalien, Kammergüter-, Berg- und Salzwerke, Steuern und Zölle, wird das Staatsvermögen genannt.

Gemeindegut, Gemeindevermögen.

§ 288. Auf gleiche Weise machen die Sachen, welche nach der Landesverfassung zum Gebrauche eines jeden Mitgliedes einer Gemeinde dienen, das Gemeindegut; diejenigen aber, deren Einkünfte zur Bestreitung der Gemeindeauslagen bestimmt sind, das Gemeindevermögen aus.

Privat-Gut des Landesfürsten.

§ 289. Auch dasjenige Vermögen des Landesfürsten, welches er nicht als Oberhaupt des Staates besitzt, wird als ein Privat-Gut betrachtet.

Allgemeine Vorschrift in Rücksicht dieser verschiedenen Arten der Güter.

§ 290. Die in diesem Privat-Rechte enthaltenen Vorschriften über die Art, wie Sachen rechtmäßig erworben, erhalten und auf Andere übertragen werden können, sind in der Regel auch von den Verwaltern der Staats- und Gemeindegüter, oder des Staats- und Gemeindevermögens zu beobachten. Die in Hinsicht auf die Verwaltung und den Gebrauch dieser Güter sich beziehenden Abweichungen und besondern Vorschriften sind in dem Staatsrechte und in den politischen Verordnungen enthalten.

Eintheilung der Sachen nach dem Unterschiede ihrer Beschaffenheit.

§ 291. Die Sachen werden nach dem Unterschiede ihrer Beschaffenheit eingetheilt: in körperliche und unkörperliche; in bewegliche und unbewegliche; in verbrauchbare und unverbrauchbare; in schätzbare und unschätzbare.

Körperliche und unkörperliche Sachen;

§ 292. Körperliche Sachen sind diejenigen, welche in die Sinne fallen; sonst heißen sie unkörperliche; z. B. das Recht zu jagen, zu fischen und alle andere Rechte.

bewegliche und unbewegliche.

§ 293. Sachen, welche ohne Verletzung ihrer Substanz von einer Stelle zur andern versetzt werden können, sind beweglich; im entgegengesetzten Falle sind sie unbeweglich. Sachen, die an sich beweglich sind, werden im rechtlichen Sinne für unbeweglich gehalten, wenn sie vermöge des Gesetzes oder der Bestimmung des Eigenthümers das Zugehör einer unbeweglichen Sache ausmachen.

Zugehör überhaupt.

§ 294. Unter Zugehör versteht man dasjenige, was mit einer Sache in fortdauernde Verbindung gesetzt wird. Dahin gehören nicht nur der Zuwachs einer Sache, so lange er von derselben nicht abgesondert ist, sondern auch die Nebensachen, ohne welche die Hauptsache nicht gebraucht werden kann, oder die das Gesetz oder der Eigenthümer zum fortdauernden Gebrauche der Hauptsache bestimmt hat.

insbesondere bey Grundstücken und Teichen;

§ 295. Gras, Bäume, Früchte und alle brauchbare Dinge, welche die Erde auf ihrer Oberfläche hervorbringt, bleiben so lange ein unbewegliches Vermögen, als sie nicht von Grund und Boden abgesondert worden sind. Selbst die Fische in einem Teiche, und das Wild in einem Walde werden erst dann ein bewegliches Gut, wenn der Teich gefischet, und das Wild gefangen oder erlegt worden ist.

§ 296. Auch das Getreide, das Holz, das Viehfutter und alle übrige, obgleich schon eingebrachte Erzeugnisse, so wie alles Vieh und alle zu einem liegenden Gute gehörige Werkzeuge und Geräthschaften werden in so fern für unbewegliche Sachen gehalten, als sie zur Fortsetzung des ordentlichen Wirthschaftsbetriebes erforderlich sind.

und bey Gebäuden.

§ 297. Eben so gehören zu den unbeweglichen Sachen diejenigen, welche auf Grund und Boden in der Absicht aufgeführt werden, daß sie stets darauf bleiben sollen, als: Häuser und andere Gebäude mit dem in senkrechter Linie darüber befindlichen Luftraume; ferner: nicht nur Alles, was erd- mauer- niet- und nagelfest ist, als: Braupfannen, Branntweinkessel und eingezimmerte Schränke, sondern auch diejenigen Dinge, die zum anhaltenden Gebrauche eines Ganzen bestimmt sind: z. B. Brunneneimer, Seile, Ketten, Löschgeräthe und dergleichen.

Maschinen.

§ 297a. Werden mit einer unbeweglichen Sache Maschinen in Verbindung gebracht, so gelten sie nicht als Zugehör, wenn mit Zustimmung des Eigentümers der Liegenschaft im öffentlichen Buch angemerkt wird, daß die Maschinen Eigentum eines anderen sind. Werden sie als Ersatz an Stelle solcher Maschinen angebracht, die als Zugehör anzusehen waren, so ist zu dieser Anmerkung auch die Zustimmung der früher eingetragenen bücherlich Berechtigten erforderlich. Die Anmerkung verliert mit Ablauf von fünf Jahren nach der Eintragung ihre Wirkung; durch das Insolvenz- oder Zwangsversteigerungsverfahren wird der Ablauf der Frist gehemmt.

Rechte sind insgemein als bewegliche Sachen anzusehen;

§ 298. Rechte werden den beweglichen Sachen beygezählt, wenn sie nicht mit dem Besitze einer unbeweglichen Sache verbunden, oder durch die Landesverfassung für eine unbewegliche Sache erkläret sind.

auch die vorgemerkten Forderungen.

§ 299. Schuldforderungen werden durch die Sicherstellung auf ein unbewegliches Gut nicht in ein unbewegliches Vermögen verwandelt.

Kellereigentum

§ 300. An Räumen und Bauwerken, die sich unter der Erdoberfläche der Liegenschaft eines anderen befinden und nicht der Fundierung von über der Erdoberfläche errichteten Bauwerken dienen, wie Kellern, Tiefgaragen und industriellen oder wirtschaftlichen Zwecken gewidmeten Stollen, kann mit Einwilligung des Liegenschaftseigentümers gesondert Eigentum begründet werden.

Verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen.

§ 301. Sachen, welche ohne ihre Zerstörung oder Verzehrung den gewöhnlichen Nutzen nicht gewähren, heißen verbrauchbare; die von entgegengesetzter Beschaffenheit aber, unverbrauchbare Sachen.

Gesamtsache (universitas rerum).

§ 302. Ein Inbegriff von mehreren besondern Sachen, die als Eine Sache angesehen, und mit einem gemeinschaftlichen Nahmen bezeichnet zu werden pflegen, macht eine Gesammtsache aus, und wird als ein Ganzes betrachtet.

Schätzbare und unschätzbare.

§ 303. Schätzbare Sachen sind diejenigen, deren Werth durch Vergleichung mit andern zum Verkehre bestimmt werden kann; darunter gehören auch Dienstleistungen, Hand- und Kopfarbeiten. Sachen hingegen, deren Werth durch keine Vergleichung mit andern im Verkehre befindlichen Sachen bestimmt werden kann, heißen unschätzbare.

Maßstab der gerichtlichen Schätzung.

§ 304. Der bestimmte Werth einer Sache heißt ihr Preis. Wenn eine Sache vom Gerichte zu schätzen ist, so muß die Schätzung nach einer bestimmten Summe Geldes geschehen.

Ordentlicher und außerordentlicher Preis.

§ 305. Wird eine Sache nach dem Nutzen geschätzt, den sie mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet, so fällt der ordentliche und gemeine Preis aus; nimmt man aber auf die besondern Verhältnisse und auf die in zufälligen Eigenschaften der Sache gegründete besondere Vorliebe desjenigen, dem der Werth ersetzt werden muß, Rücksicht, so entsteht ein außerordentlicher Preis.

Welcher bey gerichtlichen Schätzungen zur Richtschnur zu nehmen.

§ 306. In allen Fällen, wo nichts Anderes entweder bedungen, oder von dem Gesetze verordnet wird, muß bey der Schätzung einer Sache der gemeine Preis zur Richtschnur genommen werden.

Begriffe vom dinglichen und persönlichen Sachenrechte.

§ 307. Rechte, welche einer Person über eine Sache ohne Rücksicht auf gewisse Personen zustehen, werden dingliche Rechte genannt. Rechte, welche zu einer Sache nur gegen gewisse Personen unmittelbar aus einem Gesetze, oder aus einer verbindlichen Handlung entstehen, heißen persönliche Sachenrechte.

§ 308. Dingliche Sachenrechte sind das Recht des Besitzes, des Eigentums, des Pfandes und der Dienstbarkeit.

Erste Abtheilung

des Sachenrechtes.

Von den dinglichen Rechten.

Erstes Hauptstück.

Von dem Besitze.

Inhaber. Besitzer.

§ 309. Wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, heißt ihr Inhaber. Hat der Inhaber einer Sache den Willen, sie als die seinige zu behalten, so ist er ihr Besitzer.

Erwerbung des Besitzes.

Fähigkeit der Person zur Besitzerwerbung.

§ 310. Kinder unter sieben Jahren sowie nicht entscheidungsfähige Personen können – außer in den Fällen des § 170 Abs. 3, § 242 Abs. 3 und § 865 Abs. 2 – Besitz nur durch ihren gesetzlichen Vertreter erwerben. Im übrigen ist die Fähigkeit zum selbständigen Besitzerwerb gegeben.

Gegenstände des Besitzes.

§ 311. Alle körperliche und unkörperliche Sachen, welche ein Gegenstand des rechtlichen Verkehres sind, können in Besitz genommen werden.

Arten der Besitzerwerbung;

§ 312. Körperliche, bewegliche Sachen werden durch physische Ergreifung, Wegführung oder Verwahrung; unbewegliche aber durch Betretung, Verrainung, Einzäunung, Bezeichnung oder Bearbeitung in Besitz genommen. In den Besitz unkörperlicher Sachen oder Rechte kommt man durch den Gebrauch derselben im eigenen Nahmen.

insbesondere von einem bejahenden, verneinenden oder einem Verbothsrechte.

§ 313. Der Gebrauch eines Rechtes wird gemacht, wenn jemand von einem Andern etwas als eine Schuldigkeit fordert, und dieser es ihm leistet; ferner, wenn jemand die einem Andern gehörige Sache mit dessen Gestattung zu seinem Nutzen anwendet; endlich, wenn auf fremdes Verboth ein Anderer das, was er sonst zu thun befugt wäre, unterläßt.

Unmittelbare und mittelbare Erwerbungsart des Besitzes.

§ 314. Den Besitz sowohl von Rechten, als von körperlichen Sachen erlangt man entweder unmittelbar, wenn man freystehender Rechte und Sachen; oder mittelbar, wenn man eines Rechtes, oder einer Sache, die einem Andern gehört, habhaft wird.

Umfang der Erwerbung.

§ 315. Durch die unmittelbare und durch die mittelbare eigenmächtige Besitzergreifung erhält man nur so viel in Besitz, als wirklich ergriffen, betreten, gebraucht, bezeichnet, oder in Verwahrung gebracht worden ist; bey der mittelbaren, wenn uns der Inhaber in seinem oder eines andern Nahmen ein Recht oder eine Sache überläßt, erhält man Alles, was der vorige Inhaber gehabt und durch deutliche Zeichen übergeben hat, ohne daß es nöthig ist, jeden Theil des Ganzen besonders zu übernehmen.

Rechtmäßiger; unrechtmäßiger Besitz.

§ 316. Der Besitz einer Sache heißt rechtmäßig, wenn er auf einem gültigen Titel, das ist, auf einem zur Erwerbung tauglichen Rechtsgrunde beruhet. Im entgegen gesetzten Falle heißt er unrechtmäßig.

Haupttitel des rechtmäßigen Besitzes.

§ 317. Der Titel liegt bey freystehenden Sachen in der angebornen Freyheit zu Handlungen, wodurch die Rechte Anderer nicht verletzt werden; bey andern in dem Willen des vorigen Besitzers, oder in dem Ausspruche des Richters, oder endlich in dem Gesetze, wodurch jemanden das Recht zum Besitze ertheilet wird.

Der Inhaber hat noch keinen Titel;

§ 318. Dem Inhaber, der eine Sache nicht in seinem, sondern im Nahmen eines Andern inne hat, kommt noch kein Rechtsgrund zur Besitznahme dieser Sache zu.

und kann ihn nicht eigenmächtig erlangen.

§ 319. Der Inhaber einer Sache ist nicht berechtigt, den Grund seiner Gewahrsame eigenmächtig zu verwechseln, und sich dadurch eines Titels anzumaßen; wohl aber kann derjenige, welcher bisher eine Sache in eigenem Nahmen rechtmäßig besaß, das Besitzrecht einem Andern überlassen und sie künftig in dessen Nahmen inne haben.

Wirkung des bloßen Titels.

§ 320. Durch einen gültigen Titel erhält man nur das Recht zum Besitze einer Sache, nicht den Besitz selbst. Wer nur das Recht zum Besitze hat, darf sich im Verweigerungsfalle nicht eigenmächtig in den Besitz setzen; er muß ihn von dem ordentlichen Richter mit Anführung seines Titels im Wege Rechtens fordern.

Erforderung zum wirklichen Besitzrechte.

§ 321. Wo so genannte Landtafeln, Stadt- oder Grundbücher, oder andere dergleichen öffentliche Register eingeführt sind, wird der rechtmäßige Besitz eines dinglichen Rechtes auf unbewegliche Sachen nur durch die ordentliche Eintragung in diese öffentlichen Bücher erlangt.

§ 322. Ist eine bewegliche Sache nach und nach mehreren Personen übergeben worden; so gebühret das Besitzrecht derjenigen, welche sie in ihrer Macht hat. Ist aber die Sache unbeweglich, und sind öffentliche Bücher eingeführt, so steht das Besitzrecht ausschließlich demjenigen zu, welcher als Besitzer derselben eingeschrieben ist.

Der Besitzer kann zur Angabe des Rechtsgrundes nicht aufgefordert werden.

§ 323. Der Besitzer einer Sache hat die rechtliche Vermuthung eines gültigen Titels für sich; er kann also zur Angabe desselben nicht aufgefordert werden.

§ 324. Diese Aufforderung findet auch dann noch nicht Statt, wenn jemand behauptet, daß der Besitz seines Gegners mit andern rechtlichen Vermuthungen, z. B. mit der Freyheit des Eigenthumes, sich nicht vereinbaren lasse. In solchen Fällen muß der behauptende Gegner vor dem ordentlichen Richter klagen, und sein vermeintliches stärkeres Recht darthun. Im Zweifel gebührt dem Besitzer der Vorzug.

Ausnahme.

§ 325. In wie fern der Besitzer einer Sache, deren Verkehr verbothen; oder die entwendet zu seyn scheint, den Titel seines Besitzes anzuzeigen verbunden sey, darüber entscheiden die Straf- und politischen Gesetze.

Redlicher und unredlicher Besitzer.

§ 326. Wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält, ist ein redlicher Besitzer. Ein unredlicher Besitzer, ist derjenige, welcher weiß oder aus den Umständen vermuthen muß, daß die in seinem Besitze befindliche Sache einem Andern zugehöre. Aus Irrthum in Thatsachen oder aus Unwissenheit der gesetzlichen Vorschriften kann man ein unrechtmäßiger (§. 316) und doch ein redlicher Besitzer seyn.

Wie ein Mitbesitzer zum unredlichen oder unrechtmäßigen Besitzer werde.

§ 327. Besitzt eine Person die Sache selbst, eine andere aber das Recht auf alle oder auf einige Nutzungen dieser Sache; so kann eine und dieselbe Person, wenn sie die Gränzen ihres Rechtes überschreitet, in verschiedenen Rücksichten ein redlicher und unredlicher, ein rechtmäßiger und unrechtmäßiger Besitzer seyn.

Entscheidung über die Redlichkeit des Besitzes.

§ 328. Die Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzes muß im Falle eines Rechtsstreites durch richterlichen Ausspruch entschieden werden. Im Zweifel ist die Vermuthung für die Redlichkeit des Besitzes.

Fortdauer des Besitzes.

Rechte des redlichen Besitzes:

a) in Rücksicht der Substanz der Sache;

§ 329. Ein redlicher Besitzer kann schon allein aus dem Grunde des redlichen Besitzes die Sache, die er besitzt, ohne Verantwortung nach Belieben brauchen, verbrauchen, auch wohl vertilgen.

b) der Nutzungen;

§ 330. Dem redlichen Besitzer gehören alle aus der Sache entspringende Früchte, so bald sie von der Sache abgesondert worden sind; ihm gehören auch alle andere schon eingehobene Nutzungen, in so fern sie während des ruhigen Besitzes bereits fällig gewesen sind.

c) des Aufwandes.

§ 331. Hat der redliche Besitzer an die Sache entweder zur fortwährenden Erhaltung der Substanz einen nothwendigen, oder, zur Vermehrung noch fortdauernder Nutzungen einen nützlichen Aufwand gemacht; so gebührt ihm der Ersatz nach dem gegenwärtigen Werthe, in so fern er den wirklich gemachten Aufwand nicht übersteigt.

§ 332. Von dem Aufwande, welcher nur zum Vergnügen und zur Verschönerung gemacht worden ist, wird nur so viel ersetzt, als die Sache dem gemeinen Werthe nach wirklich dadurch gewonnen hat; doch hat der vorige Besitzer die Wahl, Alles für sich wegzunehmen, was davon ohne Schaden der Substanz weggenommen werden kann.

Anspruch auf den Ersatz des Preises.

§ 333. Selbst der redliche Besitzer kann den Preis, welchen er seinem Vormanne für die ihm überlassene Sache gegeben hat, nicht fordern. Wer aber eine fremde Sache, die der Eigenthümer sonst schwerlich wieder erlangt haben würde, redlicher Weise an sich gelöset, und dadurch dem Eigenthümer einen erweislichen Nutzen verschaffet hat, kann eine angemessene Vergütung fordern.

§ 334. Ob einem redlichen Inhaber das Recht zustehe, seiner Forderung wegen die Sache zurück zu behalten, wird in dem Hauptstücke vom Pfandrechte bestimmt.

Verbindlichkeit des unredlichen Besitzers.

§ 335. Der unredliche Besitzer ist verbunden, nicht nur alle durch den Besitz einer fremden Sache erlangte Vortheile zurück zu stellen; sondern auch diejenigen, welche der Verkürzte erlangt haben würde, und allen durch seinen Besitz entstandenen Schaden zu ersetzen. In dem Falle, daß der unredliche Besitzer durch eine in den Strafgesetzen verbothene Handlung zum Besitze gelanget ist, erstrecket sich der Ersatz bis zum Werthe der besondern Vorliebe.

§ 336. Hat der unredliche Besitzer einen Aufwand auf die Sache gemacht, so ist dasjenige anzuwenden, was in Rücksicht des von einem Geschäftsführer ohne Auftrag gemachten Aufwandes in dem Hauptstücke von der Bevollmächtigung verordnet ist.

Beurtheilung der Redlichkeit des Besitzes einer Gemeinde.

§ 337. Der Besitz einer Gemeinde wird nach der Redlichkeit oder Unredlichkeit der im Nahmen der Mitglieder handelnden Machthaber beurtheilet. Immer müssen jedoch die unredlichen sowohl den redlichen Mitgliedern, als dem Eigenthümer den Schaden ersetzen.

Inwiefern durch die Klage der Besitz unredlich werde.

§ 338. Auch der redliche Besitzer, wenn er durch richterlichen Ausspruch zur Zurückstellung der Sache verurtheilet wird, ist in Rücksicht des Ersatzes der Nutzungen und des Schadens, wie auch in Rücksicht des Aufwandes, von dem Zeitpuncte der ihm zugestellten Klage, gleich einem unredlichen Besitzer zu behandeln; doch haftet er für den Zufall, der die Sache bey dem Eigenthümer nicht getroffen hätte, nur in dem Falle, daß er die Zurückgabe durch einen muthwilligen Rechtsstreit verzögert hat.

Rechtsmittel des Besitzers bey einer Störung seines Besitzes;

§ 339. Der Besitz mag von was immer für einer Beschaffenheit seyn, so ist niemand befugt, denselben eigenmächtig zu stören. Der Gestörte hat das Recht, die Untersagung des Eingriffes, und den Ersatz des erweislichen Schadens gerichtlich zu fordern.

besonders durch eine Bauführung;

§ 340. Wird der Besitzer einer unbeweglichen Sache oder eines dinglichen Rechtes durch Führung eines neuen Gebäudes, Wasserwerkes, oder andern Werkes in seinen Rechten gefährdet, ohne daß sich der Bauführer nach Vorschrift der allgemeinen Gerichtsordnung gegen ihn geschützt hat; so ist der Gefährdete berechtigt, das Verboth einer solchen Neuerung vor Gericht zu fordern, und das Gericht ist verbunden, die Sache auf das schleunigste zu entscheiden.

§ 341. Bis zur Entscheidung der Sache ist die Fortsetzung des Baues von dem Gerichte in der Regel nicht zu gestatten. Nur bey einer nahen, offenbaren Gefahr, oder, wenn der Bauführer eine angemessene Sicherheit leistet, daß er die Sache in den vorigen Stand setzen, und den Schaden vergüten wolle, der Verbothsleger dagegen in dem letztern Falle keine ähnliche Sicherstellung für die Folgen seines Verbothes leistet, ist die einstweilige Fortsetzung des Baues zu bewilligen.

§ 342. Was in den vorhergehenden §§.in Rücksicht einer neuen Bauführung verordnet wird, ist auch auf die Niederreißung eines alten Gebäudes, oder andern Werkes anzuwenden.

und bey der Gefahr eines vorhandenen Baues.

§ 343. Kann der Besitzer eines dinglichen Rechtes beweisen, daß ein bereits vorhandener fremder Bau oder eine andere fremde Sache dem Einsturze nahe sey, und ihm offenbarer Schaden drohe; so ist er befugt, gerichtlich auf Sicherstellung zu dringen, wenn anders die politische Behörde nicht bereits hinlänglich für die öffentliche Sicherheit gesorgt hat.

Rechtsmittel zur Erhaltung des Besitzstandes:

a) bey dringender Gefahr;

§ 344. Zu den Rechten des Besitzes gehört auch das Recht, sich in seinem Besitze zu schützen, und in dem Falle, daß die richterliche Hülfe zu spät kommen würde, Gewalt mit angemessener Gewalt abzutreiben (§. 19). Uebrigens hat die politische Behörde für die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, so wie das Strafgericht für die Bestrafung öffentlicher Gewaltthätigkeiten zu sorgen.

d) gegen den unechten Besitzer;

§ 345. Wenn sich jemand in den Besitz eindringt, oder durch List oder Bitte heimlich einschleicht, und das, was man ihm aus Gefälligkeit, ohne sich einer fortdauernden Verbindlichkeit zu unterziehen gestattet, in ein fortwährendes Recht zu verwandeln sucht; so wird der an sich unrechtmäßige und unredliche Besitz noch überdieß unecht; in entgegengesetzten Fällen wird der Besitz für echt angesehen.

§ 346. Gegen jeden unechten Besitzer kann so wohl die Zurücksetzung in die vorige Lage, als auch die Schadloshaltung eingeklagt werden. Beydes muß das Gericht nach rechtlicher Verhandlung, selbst ohne Rücksicht auf ein stärkeres Recht, welches der Geklagte auf die Sache haben könnte, verordnen.

c) beym Zweifel über die Echtheit des Besitzes.

§ 347. Zeigt es sich nicht gleich auf der Stelle, wer sich in einem echten Besitze befinde, und in wie fern der eine oder der andere Theil auf gerichtliche Unterstützung Anspruch habe; so wird die im Streite verfangene Sache so lange der Gewahrsame des Gerichtes oder eines Dritten anvertraut, bis der Streit über den Besitz verhandelt und entschieden worden ist. Der Sachfällige kann auch nach dieser Entscheidung die Klage aus einem vermeintlich stärkeren Rechte auf die Sache noch anhängig machen.

Verwahrungsmittel des Inhabers gegen mehrere zusammentreffende Besitzwerber.

§ 348. Wenn der bloße Inhaber von mehreren Besitzwerbern zugleich um die Uebergabe der Sache angegangen wird, und sich Einer darunter befindet, in dessen Nahmen die Sache aufbewahrt wurde; so wird sie vorzüglich diesem übergeben, und die Uebergabe den Uebrigen bekannt gemacht. Kommt dieser Umstand Keinem zu Statten, so wird die Sache der Gewahrsame des Richters oder eines Dritten anvertraut. Der Richter hat die Rechtsgründe der Besitzwerber zu prüfen, und darüber zu entscheiden.

Erlöschung des Besitzes:

a) körperlicher Sachen;

§ 349. Der Besitz einer körperlichen Sache geht insgemein verloren, wenn dieselbe ohne Hoffnung, wieder gefunden zu werden, in Verlust geräth; wenn sie freywillig verlassen wird; oder, in fremden Besitz kommt.

b) der in die öffentlichen Bücher eingetragenen Rechte;

§ 350. Der Besitz derjenigen Rechte und unbeweglichen Sachen, welche einen Gegenstand der öffentlichen Bücher ausmachen, erlischt, wenn sie aus den landtäflichen, Stadt- oder Grundbüchern gelöscht; oder, wenn sie auf den Nahmen eines Anderen eingetragen werden.

c) anderer Rechte.

§ 351. Bey andern Rechten hört der Besitz auf, wenn der Gegentheil das, was er sonst geleistet hat, nicht mehr leisten zu wollen erkläret; wenn er die Ausübung des Rechtes eines Andern nicht mehr duldet; oder wenn er das Verboth, etwas zu unterlassen, nicht mehr achtet, der Besitzer aber in allen diesen Fällen es dabey bewenden läßt, und die Erhaltung des Besitzes nicht einklagt. Durch den bloßen Nichtgebrauch eines Rechtes geht der Besitz, außer den im Gesetze bestimmten Verjährungsfällen, nicht verloren.

§ 352. So lange noch Hoffnung vorhanden ist, eine verlorne Sache zu erhalten, kann man sich durch den bloßen Willen in ihrem Besitze erhalten. Die Abwesenheit des Besitzers oder die eintretende Unfähigkeit einen Besitz zu erwerben, heben den bereits erworbenen Besitz nicht auf.

Zweytes Hauptstück.

Von dem Eigenthumsrechte.

Begriff des Eigenthumes;

Eigenthum im objectiven Sinne.

§ 353. Alles, was jemanden zugehöret, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigenthum.

im subjectiven.

§ 354. Als ein Recht betrachtet, ist Eigenthum das Befugniß, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkühr zu schalten, und jeden Andern davon auszuschließen.

Objective und subjective Möglichkeit der Erwerbung des Eigenthumes.

§ 355. Alle Sachen sind insgemein Gegenstände des Eigenthumsrechtes, und jedermann, den die Gesetze nicht ausdrücklich ausschließen, ist befugt, dasselbe durch sich selbst oder durch einen andern in seinem Nahmen zu erwerben.

§ 356. Wer also behauptet, daß der Person, die etwas erwerben will, in Rücksicht ihrer persönlichen Fähigkeit, oder in Rücksicht auf die Sache, die erworben werden soll, ein gesetzliches Hinderniß entgegen stehe, dem liegt der Beweis ob.

§ 358. Alle Arten der Beschränkungen durch das Gesetz oder durch den Willen des Eigenthümers heben die Vollständigkeit des Eigenthumes nicht auf.

Miteigenthum.

§ 361. Wenn eine noch ungetheilte Sache mehrern Personen zugleich zugehört; so entsteht ein gemeinschaftliches Eigenthum. In Beziehung auf das Ganze werden die Miteigenthümer für eine einzige Person angesehen; in so weit ihnen aber gewisse, obgleich unabgesonderte Theile angewiesen sind, hat jeder Miteigenthümer das vollständige Eigenthum des ihm gehörigen Theiles.

Rechte des Eigenthümers.

§ 362. Kraft des Rechtes, frey über sein Eigenthum zu verfügen, kann der vollständige Eigenthümer in der Regel seine Sache nach Willkühr benützen oder unbenützt lassen; er kann sie vertilgen, ganz oder zum Theile auf Andere übertragen, oder unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie verlassen.

Beschränkungen derselben.

§ 363. Eben diese Rechte genießen auch unvollständige, sowohl Ober- als Nutzungseigenthümer; nur darf der Eine nichts vornehmen, was mit dem Rechte des Andern im Widerspruche steht.

§ 364. (1) Ueberhaupt findet die Ausübung des Eigenthumsrechtes nur in so fern Statt, als dadurch weder in die Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht, noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden. Im Besonderen haben die Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht zu nehmen.

(2) Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.

(3) Ebenso kann der Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das Maß des Abs. 2 überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen. Bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz, bleiben unberührt.

§ 364a. Wird jedoch die Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage oder eine behördlich genehmigte Anlage auf dem nachbarlichen Grund in einer dieses Maß überschreitenden Weise verursacht, so ist der Grundbesitzer nur berechtigt, den Ersatz des zugefügten Schadens gerichtlich zu verlangen, auch wenn der Schaden durch Umstände verursacht wird, auf die bei der behördlichen Verhandlung keine Rücksicht genommen wurde.

§ 364b. Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, daß der Boden oder das Gebäude des Nachbars die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, daß der Besitzer des Grundstückes für eine genügende anderweitige Befestigung Vorsorge trifft.

§ 364c. Ein vertragsmäßiges oder letztwilliges Veräußerungs- oder Belastungsverbot hinsichtlich einer Sache oder eines dinglichen Rechtes verpflichtet nur den ersten Eigentümer, nicht aber seine Erben oder sonstigen Rechtsnachfolger. Gegen Dritte wirkt es dann, wenn es zwischen Ehegatten, eingetragenen Partnern, Eltern und Kindern, Wahl- oder Pflegekindern oder deren Ehegatten oder eingetragenen Partnern begründet und im öffentlichen Buche eingetragen wurde.

§ 365. Wenn es das allgemeine Beste erheischt, muß ein Mitglied des Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige Eigenthum einer Sache abtreten.

Klagen aus dem Eigenthumsrechte.

a) Eigentliche Eigenthumsklage; wem und gegen wen sie gebühre?

§ 366. Mit dem Rechte des Eigenthümers jeden Andern von dem Besitze seiner Sache auszuschließen, ist auch das Recht verbunden, seine ihm vorenthaltene Sache von jedem Inhaber durch die Eigenthumsklage gerichtlich zu fordern. Doch steht dieses Recht demjenigen nicht zu, welcher eine Sache zur Zeit, da er noch nicht Eigenthümer war, in seinem eigenen Nahmen veräußert, in der Folge aber das Eigenthum derselben erlangt hat.

Gutgläubiger Erwerb

§ 367. (1) Die Eigentumsklage gegen den rechtmäßigen und redlichen Besitzer einer beweglichen Sache ist abzuweisen, wenn er beweist, dass er die Sache gegen Entgelt in einer öffentlichen Versteigerung, von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens oder von jemandem erworben hat, dem sie der vorige Eigentümer anvertraut hatte. In diesen Fällen erwirbt der rechtmäßige und redliche Besitzer das Eigentum. Der Anspruch des vorigen Eigentümers auf Schadenersatz gegen seinen Vertrauensmann oder gegen andere Personen bleibt unberührt.

(2) Ist die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet, so erlischt dieses Recht mit dem Erwerb des Eigentums durch den rechtmäßigen und redlichen Besitzer, es sei denn, dass dieser in Ansehung dieses Rechtes nicht redlich ist.

§ 368. (1) Der Besitzer ist redlich, wenn er weder weiß noch vermuten muss, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Beim Erwerb von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens genügt der gute Glaube an die Befugnis des Veräußerers, über die Sache zu verfügen.

(2) Beweist der Eigentümer, dass der Besitzer aus der Natur der Sache, aus ihrem auffällig geringen Preis, aus den ihm bekannten persönlichen Eigenschaften seines Vormanns, aus dessen Unternehmen oder aus anderen Umständen einen gegründeten Verdacht hätte schöpfen müssen, so hat der Besitzer die Sache dem Eigentümer zu überlassen.

Was dem Kläger zu beweisen obliege?

§ 369. Wer die Eigenthumsklage übernimmt, muß den Beweis führen, daß der Geklagte die eingeklagte Sache in seiner Macht habe, und daß diese Sache sein Eigenthum sey.

§ 370. Wer eine bewegliche Sache gerichtlich zurückfordert, muß sie durch Merkmahle beschreiben, wodurch sie von allen ähnlichen Sachen gleicher Gattung ausgezeichnet wird.

§ 371. Sachen, die sich auf diese Art nicht unterscheiden lassen, wie bares Geld mit anderm baren Gelde vermenget, oder auf den Ueberbringer lautende Schuldbriefe, sind also in der Regel kein Gegenstand der Eigenthumsklage; wenn nicht solche Umstände eintreten, aus denen der Kläger sein Eigenthumsrecht beweisen kann, und aus denen der Geklagte wissen mußte, daß er die Sache sich zuzuwenden nicht berechtiget sey.

b) Eigenthumsklage aus dem rechtlich vermuteten Eigenthume des Klägers.

Gegen welchen Besitzer diese Vermuthung eintrete?

§ 372. Wenn der Kläger mit dem Beweise des erworbenen Eigenthumes einer ihm vorenthaltenen Sache zwar nicht ausreicht, aber den gültigen Titel, und die echte Art, wodurch er zu ihrem Besitze gelangt ist, dargethan hat; so wird er doch in Rücksicht eines jeden Besitzers, der keinen, oder nur einen schwächern Titel seines Besitzes anzugeben vermag, für den wahren Eigenthümer gehalten.

§ 373. Wenn also der Geklagte die Sache auf eine unredliche oder unrechtmäßige Weise besitzt; wenn er keinen oder nur einen verdächtigen Vormann anzugeben vermag; oder, wenn er die Sache ohne Entgeld, der Kläger aber gegen Entgeld erhalten hat; so muß er dem Kläger weichen.

§ 374. Haben der Geklagte und der Kläger einen gleichen Titel ihres echten Besitzes, so gebühret dem Geklagten kraft des Besitzes der Vorzug.

§ 375. Wer eine Sache in fremdem Nahmen besitzt, kann sich gegen die Eigenthumsklage dadurch schützen, daß er seinen Vormann nahmhaft macht, und sich darüber ausweiset.

Gesetzliche Folge:

a) der Abläugnung des Besitzes;

§ 376. Wer den Besitz einer Sache vor Gericht läugnet, und dessen überwiesen wird, muß dem Kläger deßwegen allein schon den Besitz abtreten; doch behält er das Recht, in der Folge seine Eigenthumsklage anzustellen.

b) des vorgegebenen Besitzes;

§ 377. Wer eine Sache, die er nicht besitzt, zu besitzen vorgibt, und den Kläger dadurch irre führt, haftet für allen daraus entstehenden Schaden.

c) des aufgegebenen Besitzes der streitigen Sache.

§ 378. Wer eine Sache im Besitze hatte, und nach zugestellter Klage fahren ließ, muß sie dem Kläger, wenn dieser sich nicht an den wirklichen Inhaber halten will, auf seine Kosten zurück verschaffen, oder den außerordentlichen Werth derselben ersetzen.

Was der Besitzer dem Eigenthümer erstatte.

§ 379. Was sowohl der redliche als unredliche Besitzer dem Eigenthümer in Ansehung des entgangenen Nutzens, oder des erlittenen Schadens zu ersetzen habe, ist in dem vorigen Hauptstücke bestimmt worden.

Drittes Hauptstück.

Von der Erwerbung des Eigenthumes durch Zueignung.

Rechtliche Erfordernisse der Erwerbung.

§ 380. Ohne Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kann kein Eigenthum erlangt werden.

Titel und Art der unmittelbaren Erwerbung.

Die Zueignung.

§ 381. Bey freystehenden Sachen besteht der Titel in der angebornen Freyheit, sie in Besitz zu nehmen. Die Erwerbungsart ist die Zueignung, wodurch man sich einer freystehenden Sache bemächtigt, in der Absicht, sie als die seinige zu behandeln.

§ 382. Freystehende Sachen können von allen Mitgliedern des Staates durch die Zueignung erworben werden, in so fern dieses Befugniß nicht durch politische Gesetze eingeschränkt ist, oder einigen Mitgliedern das Vorrecht der Zueignung zusteht.

1) Durch den Thierfang;

§ 383. Dieses gilt insbesondere von dem Thierfange. Wem das Recht zu jagen oder zu fischen gebühre; wie der übermäßige Anwachs des Wildes gehemmet, und der vom Wilde verursachte Schade ersetzet werde; wie der Honigraub, der durch fremde Bienen geschieht, zu verhindern sey; ist in den politischen Gesetzen festgesetzt. Wie Wilddiebe zu bestrafen seyn, wird in den Strafgesetzen bestimmt.

§ 384. Häusliche Bienenschwärme und andere zahme oder zahm gemachte Thiere sind kein Gegenstand des freyen Thierfanges, vielmehr hat der Eigenthümer das Recht, sie auf fremdem Grunde zu verfolgen; doch soll er dem Grundbesitzer den ihm etwa verursachten Schaden ersetzen. Im Falle, daß der Eigenthümer des Mutterstockes den Schwarm durch zwey Tage nicht verfolgt hat; oder, daß ein zahm gemachtes Thier durch zwey und vierzig Tage von selbst ausgeblieben ist, kann sie auf gemeinem Grunde jedermann; auf dem seinigen der Grundeigenthümer für sich nehmen, und behalten.

2) durch das Finden freystehender Sachen;

§ 385. Keine Privat-Person ist berechtigt, die dem Staate durch die politischen Verordnungen vorbehaltenen Erzeugnisse sich zuzueignen.

§ 386. Bewegliche Sachen, welche der Eigenthümer nicht mehr als die seinigen behalten will, und daher verläßt, kann sich jedes Mitglied des Staates eigen machen. Im Zweifel ist nicht zu vermuten, dass jemand sein Eigentum aufgeben wolle; daher darf kein Finder eine gefundene Sache für verlassen ansehen und sich diese zueignen.

§ 387. In wie fern Grundstücke wegen gänzlicher Unterlassung ihres Anbaues, oder Gebäude wegen der unterlassenen Herstellung für verlassen anzusehen, oder einzuziehen seyn, bestimmen die politischen Gesetze.

Vorschriften über das Finden

a) verlorener und vergessener Sachen

§ 388. (1) Verloren sind bewegliche, in niemandes Gewahrsame stehende Sachen, die ohne den Willen des Inhabers aus seiner Gewalt gekommen sind.

(2) Vergessen sind bewegliche Sachen, die ohne den Willen des Inhabers an einem fremden, unter der Aufsicht eines anderen stehenden Ort zurückgelassen worden und dadurch in fremde Gewahrsame gekommen sind.

§ 389. (1) Finder ist, wer eine verlorene oder vergessene Sache entdeckt und an sich nimmt.

(2) Verlustträger sind der Eigentümer und andere zur Innehabung der verlorenen oder vergessenen Sache berechtigte Personen.

§ 390. Der Finder hat den Fund unverzüglich der zuständigen Fundbehörde (§ 14 Abs. 5 SPG) unter Abgabe der gefundenen Sache anzuzeigen und über alle für die Ausforschung eines Verlustträgers maßgeblichen Umstände Auskunft zu geben.

§ 391. Die Pflichten nach § 390 bestehen nicht, wenn

1.

der Finder die gefundene Sache einem Verlustträger vor der Anzeigeerstattung ausfolgt oder

2.

der gemeine Wert der gefundenen Sache 10 Euro nicht übersteigt, es sei denn erkennbar, dass die Wiedererlangung der Sache für einen Verlustträger von erheblicher Bedeutung ist.

§ 392. Der Finder hat gegen den, dem der Fundgegenstand ausgefolgt wird, Anspruch auf Finderlohn und auf Ersatz des notwendig und zweckmäßig gemachten Aufwandes.

§ 393. (1) Der Finderlohn beträgt bei verlorenen Sachen 10 vH, bei vergessenen Sachen 5 vH des gemeinen Wertes. Übersteigt der gemeine Wert 2 000 Euro, so beträgt der Finderlohn in Rücksicht des Übermaßes die Hälfte dieser Hundertersätze.

(2) Bei unschätzbaren Sachen und solchen, deren Wiedererlangung für den Verlustträger von erheblicher Bedeutung ist, ist der Finderlohn nach billigem Ermessen festzulegen; hierbei ist auf die Grundsätze des Abs. 1, auf die dem Finder entstandene Mühe und auf den dem Verlustträger durch die Wiedererlangung der gefundenen Sache verschafften Vorteil Bedacht zu nehmen.

§ 394. Ein Anspruch auf Finderlohn besteht nicht, wenn

1.

die Sache von einer Person im Rahmen ihrer privat- oder öffentlich-rechtlichen, die Rettung der Sache umfassenden Pflicht gefunden worden ist oder

2.

der Finder die in den §§ 390 und 391 enthaltenen Anordnungen schuldhaft verletzt hat oder

3.

die vergessene Sache auch sonst ohne deren Gefährdung wiedererlangt worden wäre.

§ 395. Wird die Sache innerhalb eines Jahres von keinem Verlustträger angesprochen, so erwirbt der Finder das Eigentum an der in seiner Gewahrsame befindlichen Sache mit Ablauf der Frist, an der abgegebenen Sache mit ihrer Ausfolgung an ihn. Die Frist beginnt im Fall des § 391 Z 2 mit dem Zeitpunkt des Findens, sonst mit der Erstattung der Anzeige (§ 390).

§ 396. Wer eine verlorene oder vergessene Sache entdeckt, sie aber nicht an sich nehmen kann, hat Anspruch auf die Hälfte des im § 393 bestimmten Finderlohnes, wenn er die Entdeckung einer im § 390 bezeichneten Stelle anzeigt und der Verlustträger die Sache dadurch wiedererlangt, es sei denn, dass dieser die Sache auch sonst ohne deren Gefährdung wiedererlangt hätte. § 394 Z 1 ist anzuwenden.

b) verborgener Gegenstände

§ 397. (1) Werden vergrabene, eingemauerte oder sonst verborgene Sachen eines unbekannten Eigentümers entdeckt, so gilt sinngemäß das, was für die verlorenen Sachen bestimmt ist.

(2) Der Finderlohn ist auch dann nicht zu entrichten, wenn die Sache auch sonst ohne deren Gefährdung wiedererlangt worden wäre.

c) eines Schatzes.

§ 398. Bestehen die entdeckten Sachen in Geld, Schmuck oder andern Kostbarkeiten, die so lange im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren vorigen Eigenthümer nicht mehr erfahren kann, dann heißen sie ein Schatz. Die Entdeckung eines Schatzes ist von der Obrigkeit der Landesstelle anzuzeigen.

§ 399. Von einem Schatz erhalten der Finder und der Eigentümer des Grundes je die Hälfte.

§ 400. Wer sich dabey einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht; wer ohne Wissen und Willen des Nutzungseigenthümers den Schatz aufgesucht; oder den Fund verheimlichet hat; dessen Antheil soll dem Angeber; oder, wenn kein Angeber vorhanden ist, dem Staate zufallen.

§ 401. Finden Arbeitsleute zufälliger Weise einen Schatz, so gebührt ihnen als Findern ein Drittheil davon. Sind sie aber von dem Eigenthümer ausdrücklich zur Aufsuchung eines Schatzes gedungen worden, so müssen sie sich mit ihrem ordentlichen Lohne begnügen.

3) von der Beute.

§ 402. Ueber das Recht der Beute und der von dem Feinde zurück erbeuteten Sachen, sind die Vorschriften in den Kriegsgesetzen enthalten.

Von dem Rechte aus der Rettung einer fremden beweglichen Sache.

§ 403. Wer eine fremde bewegliche Sache von dem unvermeidlichen Verluste oder Untergange rettet, ist berechtigt, von dem rückfordernden Eigenthümer den Ersatz seines Aufwandes, und eine verhältnismäßige Belohnung von höchstens Zehen von Hundert zu fordern.

Viertes Hauptstück.

Von Erwerbung des Eigenthumes durch Zuwachs.

Zuwachs.

§ 404. Zuwachs heißt alles, was aus einer Sache entsteht, oder neu zu derselben kommt, ohne daß es dem Eigenthümer von jemand Andern übergeben worden ist. Der Zuwachs wird durch Natur, durch Kunst, oder durch beyde zugleich bewirkt.

I. Natürlicher Zuwachs:

a) an Natur-Producten;

b) Werfen der Thiere;

§ 405. Die natürlichen Früchte eines Grundes, nähmlich solche Nutzungen, die er, ohne bearbeitet zu werden, hervorbringt, als: Kräuter, Schwämme und dergleichen, wachsen dem Eigenthümer des Grundes, so wie alle Nutzungen, welche aus einem Thiere entstehen, dem Eigenthümer des Thieres zu.

§ 406. Der Eigenthümer eines Thieres, welches durch das Thier eines andern befruchtet wird, ist diesem keinen Lohn schuldig, wenn er nicht bedungen worden ist.

c) Inseln;

§ 407. Wenn in der Mitte eines Gewässers eine Insel entsteht, so sind die Eigenthümer der nach der Länge derselben an beyden Ufern liegenden Grundstücke ausschließend befugt, die entstandene Insel in zwey gleichen Theilen sich zuzueignen, und nach Maß der Länge ihrer Grundstücke unter sich zu theilen. Entsteht die Insel auf der einen Hälfte des Gewässers, so hat der Eigenthümer des nähern Uferlandes allein darauf Anspruch. Inseln auf schiffbaren Flüssen bleiben dem Staate vorbehalten.

§ 408. Werden bloß durch die Austrocknung des Gewässers, oder durch desselben Theilung in mehrere Arme, Inseln gebildet, oder Grundstücke überschwemmt; so bleiben die Rechte des vorigen Eigenthumes unverletzt.

d) vom verlassenen Wasserbeete;

§ 409. Wenn ein Gewässer sein Beet verläßt, so haben vor Allem die Grundbesitzer, welche durch den neuen Lauf des Gewässers Schaden leiden, das Recht, aus dem verlassenen Beete oder dessen Werthe entschädigt zu werden.

§ 410. Außer dem Falle einer solchen Entschädigung gehört das verlassene Beet, so wie von einer entstandenen Insel verordnet wird, den angränzenden Uferbesitzern.

e) vom Anspühlen;

§ 411. Das Erdreich, welches ein Gewässer unmerklich an ein Ufer anspühlt, gehört dem Eigenthümer des Ufers.

f) vom abgerissenen Lande

§ 412. Wird aber ein merklicher Erdtheil durch die Gewalt des Flusses an ein fremdes Ufer gelegt; so verliert der vorige Besitzer sein Eigenthumsrecht darauf nur in dem Falle, wenn er es in einer Jahresfrist nicht ausübt.

§ 413. Jeder Grundbesitzer ist befugt, sein Ufer gegen das Ausreißen des Flusses zu befestigen. Allein niemand darf solche Werke oder Pflanzungen anlegen, die den ordentlichen Lauf des Flusses verändern, oder die der Schiffahrt, den Mühlen, der Fischerey oder andern fremden Rechten nachtheilig werden könnten. Ueberhaupt können ähnliche Anlagen nur mit Erlaubniß der politischen Behörde gemacht werden.

II. Künstlicher Zuwachs durch Verarbeitung oder Vereinigung überhaupt;

§ 414. Wer fremde Sachen verarbeitet; wer sie mit den seinigen vereinigt, vermengt, oder vermischt, erhält dadurch noch keinen Anspruch auf das fremde Eigenthum.

§ 415. Können dergleichen verarbeitete Sachen in ihren vorigen Stand zurückgebracht; vereinigte, vermengte oder vermischte Sachen wieder abgesondert werden; so wird einem jeden Eigenthümer das Seinige zurückgestellet, und demjenigen Schadloshaltung geleistet, dem sie gebührt. Ist die Zurücksetzung in den vorigen Stand, oder die Absonderung nicht möglich, so wird die Sache den Theilnehmern gemein; doch steht demjenigen, mit dessen Sache der Andere durch Verschulden die Vereinigung vorgenommen hat, die Wahl frey, ob er den ganzen Gegenstand gegen Ersatz der Verbesserung behalten, oder ihn dem Andern ebenfalls gegen Vergütung überlassen wolle. Der Schuld tragende Theilnehmer wird nach Beschaffenheit seiner redlichen oder unredlichen Absicht behandelt. Kann aber keinem Theile ein Verschulden beygemessen werden, so bleibt dem, dessen Antheil mehr werth ist, die Auswahl vorbehalten.

§ 416. Werden fremde Materialien nur zur Ausbesserung einer Sache verwendet, so fällt die fremde Materie dem Eigenthümer der Hauptsache zu, und dieser ist verbunden, nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Verfahrens, dem vorigen Eigenthümer der verbrauchten Materialien den Werth derselben zu bezahlen.

insbesondere bey einem Baue;

§ 417. Wenn jemand auf eigenem Boden ein Gebäude aufführet, und fremde Materialien dazu verwendet hat, so bleibt das Gebäude zwar sein Eigenthum; doch muß selbst ein redlicher Bauführer dem Beschädigten die Materialien, wenn er sie außer den im § 367 angeführten Verhältnissen an sich gebracht hat, nach dem gemeinen; ein unredlicher aber muß sie nach dem höchsten Preise, und überdieß noch allen anderweitigen Schaden ersetzen.

§ 418. Hat im entgegen gesetzen Falle jemand mit eigenen Materialien, ohne Wissen und Willen des Eigenthümers auf fremdem Grunde gebaut, so fällt das Gebäude dem Grundeigenthümer zu. Der redliche Bauführer kann den Ersatz der nothwendigen und nützlichen Kosten fordern; der unredliche wird gleich einem Geschäftsführer ohne Auftrag behandelt. Hat der Eigenthümer des Grundes die Bauführung gewußt, und sie nicht sogleich dem redlichen Bauführer untersagt, so kann er nur den gemeinen Werth für den Grund fordern.

§ 419. Ist das Gebäude auf fremdem Grunde, und aus fremden Materialien entstanden, so wächst auch in diesem Falle das Eigenthum desselben dem Grundeigenthümer zu. Zwischen dem Grundeigenthümer und dem Bauführer treten die nähmlichen Rechte und Verbindlichkeiten, wie in dem vorstehenden Paragraphe, ein, und der Bauführer muß dem vorigen Eigenthümer der Materialien, nach Beschaffenheit seiner redlichen oder unredlichen Absicht, den gemeinen oder den höchsten Werth ersetzen.

III. Vermischter Zuwachs.

§ 420. Was bisher wegen der mit fremden Materialien aufgeführten Gebäude bestimmt worden ist, gilt auch für die Fälle, wenn ein Feld mit fremden Samen besäet, oder mit fremden Pflanzen besetzt worden ist. Ein solcher Zuwachs gehört dem Eigenthümer des Grundes, wenn anders die Pflanzen schon Wurzel geschlagen haben.

§ 421. Das Eigenthum eines Baumes wird nicht nach den Wurzeln, die sich in einem angränzenden Grunde verbreiten, sondern nach dem Stamme bestimmt, der aus dem Grunde hervorragt. Steht der Stamm auf den Gränzen mehrerer Eigenthümer, so ist ihnen der Baum gemein.

§ 422. (1) Jeder Eigentümer kann die in seinen Grund eindringenden Wurzeln eines fremden Baumes oder einer anderen fremden Pflanze aus seinem Boden entfernen und die über seinem Luftraum hängenden Äste abschneiden oder sonst benützen. Dabei hat er aber fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen. Bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz, bleiben unberührt.

(2) Die für die Entfernung der Wurzeln oder das Abschneiden der Äste notwendigen Kosten hat der beeinträchtigte Grundeigentümer zu tragen. Sofern diesem aber durch die Wurzeln oder Äste ein Schaden entstanden ist oder offenbar droht, hat der Eigentümer des Baumes oder der Pflanze die Hälfte der notwendigen Kosten zu ersetzen.

Fünftes Hauptstück.

Von Erwerbung des Eigenthumes durch Uebergabe.

Mittelbare Erwerbung.

§ 423. Sachen, die schon einen Eigenthümer haben, werden mittelbar erworben, indem sie auf eine rechtliche Art von dem Eigenthümer auf einen Andern übergehen.

Titel derselben.

§ 424. Der Titel der mittelbaren Erwerbung liegt in einem Vertrage; in einer Verfügung auf den Todesfall; in dem richterlichen Ausspruche; oder, in der Anordnung des Gesetzes.

Mittelbare Erwerbungsart.

§ 425. Der bloße Titel gibt noch kein Eigenthum. Das Eigenthum und alle dingliche Rechte überhaupt können, außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen, nur durch die rechtliche Uebergabe und Uebernahme erworben werden.

Arten der Uebergabe;

1) bey beweglichen Sachen:

a) körperliche Uebergabe;

§ 426. Bewegliche Sachen können in der Regel nur durch körperliche Uebergabe von Hand zu Hand an einen Andern übertragen werden.

b) Uebergabe durch Zeichen;

§ 427. Bey solchen beweglichen Sachen aber, welche ihrer Beschaffenheit nach keine Uebergabe körperliche zulassen, wie bey Schuldforderungen, Frachtgütern, bey einem Waarenlager oder einer andern Gesammtsache, gestattet das Gesetz die Uebergabe durch Zeichen; indem der Eigenthümer dem Uebernehmer die Urkunden, wodurch das Eigenthum dargethan wird, oder die Werkzeuge übergibt, durch die der Uebernehmer in den Stand gesetzt wird, ausschließend den Besitz der Sache zu ergreifen; oder, indem man mit der Sache ein Merkmahl verbindet, woraus jedermann deutlich erkennen kann, daß die Sache einem Andern überlassen worden ist.

c) durch Erklärung.

§ 428. Durch Erklärung wird die Sache übergeben, wenn der Veräußerer auf eine erweisliche Art seinen Willen an den Tag legt, daß er die Sache künftig im Nahmen des Uebernehmers inne habe; oder, daß der Uebernehmer die Sache, welche er bisher ohne ein dingliches Recht inne hatte, künftig aus einem dinglichen Rechte besitzen solle.

Folge in Rücksicht der übersendeten;

§ 429. Wenn die Sache mit Willen des Übernehmers an einen anderen Ort als den Erfüllungsort übersendet wird, ist die Sache bereits mit ihrer Aushändigung an eine mit der Übersendung betraute Person übergeben, sofern die Art der Übersendung der getroffenen Vereinbarung, mangels einer solchen der Verkehrsübung entspricht.

oder, an Mehrere veräußerten Sachen.

§ 430. Hat ein Eigenthümer eben dieselbe bewegliche Sache an zwey verschiedene Personen, an Eine mit, an die Andere ohne Uebergabe veräußert; so gebührt sie derjenigen, welcher sie zuerst übergeben worden ist; doch hat der Eigenthümer dem verletzten Theile zu haften.

2. Bei unbeweglichen Sachen und Bauwerken.

§ 431. Zur Uebertragung des Eigenthumes unbeweglicher Sachen muß das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden. Diese Eintragung nennt man Einverleibung (Intabulation).

Insbesondere bei Erwerbung

a) durch Vertrag

§ 432. Zu diesem Zwecke muß über das Erwerbungsgeschäft eine beglaubigte Urkunde in der zur Gültigkeit des Geschäftes vorgeschriebenen Form oder eine öffentliche Urkunde ausgefertigt werden.

§ 433. Die Urkunde muß die genaue Angabe der Personen, die das Eigentum übergeben und übernehmen; der Liegenschaft, die übergeben werden soll, mit ihren Bestandteilen; des Rechtsgrundes der Übergabe; ferner des Ortes und der Zeit des Vertragsschlusses enthalten; und es muß von dem Übergeber in dieser oder in einer besonderen Urkunde die ausdrückliche Erklärung abgegeben werden, daß er in die Einverleibung einwillige.

§ 434. Zur Übertragung des Eigentums an Liegenschaften, die in keinem Grundbuche eingetragen sind, muß eine mit den Erfordernissen der §§ 432 und 433 versehene Urkunde bei Gericht hinterlegt werden. An die Stelle der Bewilligung der Einverleibung tritt die Erklärung der Einwilligung zur Hinterlegung der Urkunde.

§ 435. Dasselbe gilt auch für die Übertragung des Eigentums an Bauwerken, die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt sind, daß sie nicht stets darauf bleiben sollen, soferne sie nicht Zugehör eines Baurechtes sind.

b) durch Urtheil und andere gerichtliche Urkunden;

§ 436. Wenn das Eigentum unbeweglicher Sachen oder eines Bauwerkes zufolge rechtskräftigen Urteils, gerichtlicher Teilung oder Einantwortung einer Erbschaft übertragen werden soll, ist ebenfalls die Einverleibung (§§ 431 bis 433) oder die Hinterlegung der Urkunde (§§ 434, 435) erforderlich.

oder c) durch Vermächtnis.

§ 437. Ebenso ist es, um das Eigentum eines vermachten unbeweglichen Gutes oder eines Bauwerkes zu erwerben, notwendig, daß die Sache dem Vermächtnisnehmer gemäß §§ 431 bis 435 übergeben werde.

Bedingte Aufzeichnung in das öffentliche Buch; oder Vormerkung.

§ 438. Wenn derjenige, welcher das Eigenthum einer unbeweglichen Sache anspricht, darüber zwar eine glaubwürdige, aber nicht mit allen in den §§ 434 und 435 zur Einverleibung vorgeschriebenen Erfordernissen versehene Urkunde besitzt; so kann er doch, damit ihm niemand ein Vorrecht abgewinne, die bedingte Eintragung in das öffentliche Buch bewirken, welche Vormerkung (Pränotation) genannt wird. Dadurch erhält er ein bedingtes Eigenthumsrecht, und er wird, sobald er zu Folge richterlichen Ausspruches die Vormerkung gerechtfertiget hat, von der Zeit des nach gesetzlicher Ordnung eingereichten Vormerkungsgesuches, für den wahren Eigenthümer gehalten.

§ 439. Die geschehene Vormerkung muß sowohl demjenigen, der sie bewirkt hat, als auch seinem Gegner durch Zustellung zu eigenen Handen bekannt gemacht werden. Der Vormerkungswerber muß binnen vierzehn Tagen, vom Tage der erhaltenen Zustellung, die ordentliche Klage zum Erweise des Eigenthumrechtes einreichen; widrigen Falls soll die bewirkte Vormerkung auf Ansuchen des Gegners gelöschet werden.

Vorschrift über die Colision der Einverleibungen.

§ 440. Hat der Eigenthümer eben dieselbe unbewegliche Sache zwey verschiedenen Personen überlassen; so fällt sie derjenigen zu, welche früher die Einverleibung angesucht hat.

Folge der Erwerbung:

a) in Rücksicht des Besitzes;

§ 441. So bald die Urkunde über das Eigenthumsrecht in das öffentliche Buch eingetragen ist, tritt der neue Eigenthümer in den rechtmäßigen Besitz.

b) der damit verbundenen Rechte:

§ 442. Wer das Eigenthum einer Sache erwirbt, erlangt auch die damit verbundenen Rechte. Rechte, die auf die Person des Uebergebers eingeschränkt sind, kann er nicht übergeben. Ueberhaupt kann niemand einem Andern mehr Recht abtreten, als er selbst hat.

c) Lasten.

§ 443. Mit dem Eigenthume unbeweglicher Sachen werden auch die darauf haftenden in den öffentlichen Büchern angemerkten Lasten übernommen. Wer diese Bücher nicht einsieht, leidet in allen Fällen für seine Nachlässigkeit. Andere Forderungen und Ansprüche, die jemand an den vorigen Eigenthümer hat, gehen nicht auf den neuen Erwerber über.

Erlöschung des Eigenthumsrechtes.

§ 444. Das Eigenthum überhaupt kann durch den Willen des Eigenthümers; durch das Gesetz; und durch richterlichen Ausspruch verloren gehen. Das Eigenthum der unbeweglichen Sachen aber wird nur durch die Löschung aus den öffentlichen Büchern aufgehoben.

Ausdehnung dieser Vorschriften auf andere dingliche Rechte.

§ 445. Nach den in diesem Hauptstücke über die Erwerbungs- und Erlöschungsart des Eigenthumsrechtes unbeweglicher Sachen gegebenen Vorschriften hat man sich auch bey den übrigen, auf unbewegliche Sachen sich beziehenden, dinglichen Rechten zu verhalten.

Form und Vorsichten der Einverleibungen.

§ 446. Auf was Art und mit welchen Vorsichten überhaupt bey Einverleibung dinglicher Rechte vorzugehen sey, ist in den über die Einrichtung der Landtafeln und Grundbücher bestehenden besondern Anordnungen enthalten.

Sechstes Hauptstück.

Von dem Pfandrechte.

Begriff von dem Pfandrechte und Pfande.

§ 447. Das Pfandrecht ist das dingliche Recht, welches dem Gläubiger eingeräumt wird, aus einer Sache, wenn die Verbindlichkeit zur bestimmten Zeit nicht erfüllt wird, die Befriedigung zu erlangen. Die Sache, worauf dem Gläubiger dieses Recht zusteht, heißt überhaupt ein Pfand.

Arten des Pfandes.

§ 448. Als Pfand kann jede Sache dienen, die im Verkehre steht. Ist sie beweglich, so wird sie Handpfand, oder ein Pfand in enger Bedeutung genannt; ist sie unbeweglich, so heißt sie eine Hypothek oder ein Grundpfand.

Titel des Pfandrechtes.

§ 449. Das Pfandrecht bezieht sich zwar immer auf eine gültige Forderung, aber nicht jede Forderung gibt einen Titel zur Erwerbung des Pfandrechtes. Dieser gründet sich auf das Gesetz; auf einen richterlichen Ausspruch; auf einen Vertrag; oder den letzten Willen des Eigenthümers.

§ 450. Die Fälle, in welchen das Gesetz jemanden das Pfandrecht einräumt, sind am gehörigen Orte dieses Gesetzbuches und bey dem Verfahren in Concurs-Fällen angegeben. In wie fern das Gericht ein Pfandrecht einräumen könne, bestimmt die Gerichtsordnung. Soll durch die Einwilligung des Schuldners oder eines Dritten, der seine Sache für ihn verhaftet, das Pfandrecht erworben werden; so dienen die Vorschriften von Verträgen und Vermächtnissen zur Richtschnur.

Erwerbungsart des Pfandrechtes:

a) durch körperliche Übergabe;

b) durch Einverleibung oder gerichtliche Urkundenhinterlegung;

§ 451. (1) Um das Pfandrecht wirklich zu erwerben, muß der mit einem Titel versehene Gläubiger, die verpfändete Sache, wenn sie beweglich ist, in Verwahrung nehmen; und, wenn sie unbeweglich ist, seine Forderung auf die zur Erwerbung des Eigenthumes liegender Güter vorgeschriebene Art einverleiben lassen. Der Titel allein gibt nur ein persönliches Recht zu der Sache, aber kein dingliches Recht auf die Sache.

(2) Das Pfandrecht an bücherlich nicht eingetragenen Liegenschaften (§ 434) oder an Bauwerken (§ 435) wird durch die gerichtliche Hinterlegung einer beglaubigten Pfandbestellungsurkunde erworben. Die Urkunde muß die genaue Angabe des Pfandgegenstandes und der Forderung mit einer ziffermäßig bestimmten Geldsumme, bei einer verzinslichen Forderung auch die Höhe der Zinsen; ferner die ausdrückliche Zustimmung des Verpfänders zu der gerichtlichen Hinterlegung enthalten.

c) durch symbolische Uebergabe;

§ 452. Bey Verpfändung derjenigen beweglichen Sachen, welche keine körperliche Uebergabe von Hand zu Hand zulassen, muß man sich, wie bey der Uebertragung des Eigenthumes (§ 427), solcher Zeichen bedienen, woraus jedermann die Verpfändung leicht erfahren kann. Wer diese Vorsicht unterläßt, haftet für die nachtheiligen Folgen.

d) durch die Vormerkung.

§ 453. Findet die Einverleibung einer Forderung in die öffentlichen Bücher wegen Mangels gesetzmäßiger Förmlichkeit in der Urkunde nicht Statt; so kann sich der Gläubiger vormerken (pränotiren) lassen. Durch diese Vormerkung erhält er ein bedingtes Pfandrecht, welches, wenn die Forderung auf die oben §§ 438 und 439 angeführte Art gerechtfertiget worden ist, von dem Zeitpuncte des nach gesetzlicher Ordnung eingereichten Vormerkungsgesuches in ein unbedingtes übergeht.

Erwerbung eines Afterpfandes.

§ 454. Der Pfandinhaber kann sein Pfand, in so weit er ein Recht darauf hat, einem Dritten wieder verpfänden, und in so fern wird es zum Afterpfande, wenn zugleich Letzerer sich dasselbe übergeben, oder die Afterverpfändung auf das Pfandrecht in die öffentlichen Bücher eintragen läßt.

§ 455. Wird der Eigenthümer von der weiteren Verpfändung benachrichtiget; so kann er seine Schuld nur mit Willen dessen, der das Afterpfand hat, dem Gläubiger abführen, oder er muß sie gerichtlich hinterlegen, sonst bleibt das Pfand dem Inhaber des Afterpfandes verhaftet.

Verpfändung einer fremden Sache.

§ 456. (1) Wird eine bewegliche Sache von jemandem verpfändet, dem sie nicht gehört und der darüber auch nicht verfügen kann, so hat der Eigentümer zwar in der Regel das Recht, sie zurückzufordern. In solchen Fällen, in denen die Eigentumsklage gegen einen rechtmäßigen und redlichen Besitzer abzuweisen ist (§§ 367 und 368), ist er aber verpflichtet, den Pfandbesitzer schadlos zu halten oder das Pfand fahren zu lassen und sich mit dem Schadenersatzanspruch gegen den Verpfänder oder dritte Personen zu begnügen.

(2) Ist die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet, so geht das Pfandrecht des rechtmäßigen und redlichen Pfandbesitzers diesem Recht vor, es sei denn, dass der Pfandbesitzer in Ansehung dieses Rechtes nicht redlich ist (§ 368).

Objectiver Umfang des Pfandrechtes.

§ 457. Das Pfandrecht erstreckt sich auf alle zu dem freyen Eigenthume des Verpfänders gehörige Theile, auf Zuwachs und Zugehör des Pfandes, folglich auch auf die Früchte, in so lange sie noch nicht abgesondert oder bezogen sind. Wenn also ein Schuldner einem Gläubiger sein Gut, und einem andern später die Früchte desselben verpfändet; so ist die spätere Verpfändung nur in Rücksicht auf die schon abgesonderten und bezogenen Früchte wirksam.

Rechte und Verbindlichkeiten des Pfandgläubigers:

a) bey Entdeckung eines unzureichenden Pfandes;

§ 458. Wenn der Werth eines Pfandes durch Verschulden des Pfandgebers, oder wegen eines erst offenbar gewordenen Mangels der Sache zur Bedeckung der Schuld nicht mehr zureichend gefunden wird; so ist der Gläubiger berechtigt, von dem Pfandgeber ein anderes angemessenes Pfand zu fordern.

b) vor dem Verfalle;

§ 459. Ohne Bewilligung des Pfandgebers darf der Gläubiger das Pfandstück nicht benützen; er muß es vielmehr genau bewahren, und, wenn es durch sein Verschulden in Verlust geräth, dafür haften. Geht es ohne sein Verschulden verloren, so verliert er deßwegen seine Forderung nicht.

§ 460. Hat der Gläubiger das Pfand weiter verpfändet; so haftet er selbst für einen solchen Zufall, wodurch das Pfand bey ihm nicht zu Grunde gegangen oder verschlimmert worden wäre.

§ 460a. (1) Wenn eine bewegliche körperliche Sache einschließlich eines Inhaber- oder Orderpapiers als Pfand zu verderben oder erheblich und dauernd so an Wert zu verlieren droht, dass die Sicherheit des Pfandgläubigers gefährdet wird, kann dieser das Pfand bereits vor der Fälligkeit seiner Forderung gemäß den §§ 466a bis 466d außergerichtlich verwerten. Der Pfandgläubiger hat dem Pfandgeber tunlichst die Gelegenheit zur Leistung einer anderweitigen Sicherheit einzuräumen.

(2) Der Erlös tritt an die Stelle des Pfandes. Auf Verlangen des Pfandgebers ist der Erlös zu hinterlegen.

c) nach dem Verfalle der Forderung;

§ 461. Wird der Pfandgläubiger nach Verlauf der bestimmten Zeit nicht befriediget; so ist er befugt, die Feilbiethung des Pfandes gerichtlich zu verlangen. Das Gericht hat dabey nach Vorschrift der Gerichtsordnung zu verfahren.

§ 462. Vor der Feilbiethung des Gutes ist jedem darauf eingetragenen Pfandgläubiger die Einlösung der Forderung, wegen welcher die Feilbiethung angesucht worden, zu gestatten.

§ 463. Schuldner haben kein Recht, bey Versteigerung einer von ihnen verpfändeten Sache mitzubiethen.

§ 464. Wird der Schuldbetrag aus dem Pfande nicht gelöset, so ersetzt der Schuldner das Fehlende; ihm fällt aber auch das zu, was über den Schuldbetrag gelöset wird.

§ 465. In wie fern ein Pfandgläubiger sich an sein Pfand zu halten schuldig; oder, auf ein anderes Vermögen seines Schuldners zu greifen berechtigt sey, bestimmt die Gerichtsordnung.

§ 466. Hat der Schuldner während der Verpfändungszeit das Eigenthum der verpfändeten Sache auf einen Andern übertragen; so steht dem Gläubiger frey, erst sein persönliches Recht gegen den Schuldner, und dann seine volle Befriedigung an der verpfändeten Sache zu suchen.

d) außergerichtliche Pfandverwertung

§ 466a. (1) Der Pfandgläubiger kann sich aus einer beweglichen körperlichen Sache (§ 460a Abs. 1), die ihm verpfändet worden ist oder an der er ein gesetzliches Pfandrecht erworben hat, auch durch den Verkauf der Sache befriedigen.

(2) Der Pfandgläubiger hat bei der Verwertung der Sache angemessen auf die Interessen des Pfandgebers Bedacht zu nehmen.

(3) Der Pfandgläubiger und der Pfandgeber können abweichende Arten der außergerichtlichen Pfandverwertung vereinbaren. Besondere Vorschriften über die außergerichtliche Verwertung von Sicherheiten bleiben unberührt.

§ 466b. (1) Der Pfandgläubiger hat dem Pfandgeber nach Eintritt der Fälligkeit der gesicherten Forderung den Verkauf der Sache anzudrohen, soweit dies nicht untunlich ist. Er hat dabei die Höhe der ausstehenden Forderung anzugeben. Der Verkauf darf erst einen Monat nach dessen Androhung oder, wenn diese untunlich war, nach Eintritt der Fälligkeit stattfinden. Besteht an der Sache ein anderes Pfandrecht, so hat der Gläubiger den Verkauf auch dem anderen Pfandgläubiger anzudrohen. Diesem ist die Einlösung der Forderung zu gestatten (§ 462).

(2) Der Verkauf ist im Wege einer öffentlichen Versteigerung durch einen dazu befugten Unternehmer zu bewirken.

(3) Zeit und Ort der Versteigerung sind unter allgemeiner Bezeichnung des Pfandes öffentlich bekannt zu machen. Der Pfandgeber und Dritte, denen Rechte am Pfand zustehen, sind hievon zu benachrichtigen.

(4) Sachen mit einem Börsen- oder Marktpreis dürfen zu diesem Preis vom Pfandgläubiger auch aus freier Hand verkauft werden. Wertpapiere, die einen Börsen- oder Marktpreis haben, sowie Sparurkunden dürfen nur aus freier Hand zu ihrem Preis oder Wert verkauft werden.

§ 466c. (1) Das Pfand darf nur mit der Bestimmung verkauft werden, dass der Erwerber den Kaufpreis sofort zu entrichten hat. Wird die Sache dem Erwerber vor der Entrichtung des Preises übergeben, so gilt auch der Kaufpreis als dem Pfandgläubiger übergeben.

(2) Der Pfandgläubiger hat den Pfandgeber vom Verkauf des Pfandes und von dessen Ergebnis unverzüglich zu verständigen.

(3) Mit dem Verkauf erlöschen die Pfandrechte an der Sache selbst. Das Gleiche gilt für andere dingliche Rechte, sofern diese nicht allen Pfandrechten im Rang vorgehen.

(4) Der Kaufpreis gebührt dem Pfandgläubiger nach Maßgabe seines Ranges im Ausmaß der gesicherten Forderung und der angemessenen Kosten einer zweckentsprechenden Verwertung. Im Übrigen tritt der Anspruch des Pfandgebers auf Herausgabe des Mehrbetrags an die Stelle des Pfandes.

(5) Wenn der Pfandgläubiger und der Pfandgeber eine abweichende Art der Pfandverwertung vereinbaren und am Pfand einem Dritten ein Recht zusteht, das durch die Verwertung erlischt, so bedarf die Vereinbarung zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Dritten.

§ 466d. Wenn der Pfandgläubiger die Sache außergerichtlich als Pfand verwertet, genügt für die Redlichkeit des Erwerbers (§§ 367 und 368) der gute Glaube in die Befugnis des Pfandgläubigers, über die Sache zu verfügen.

§ 466e. (1) Besteht das Pfandrecht an einem Inhaber- oder Orderpapier, so ist der Pfandgläubiger berechtigt, eine etwa erforderliche Kündigung vorzunehmen und die Forderung aus dem Wertpapier einzuziehen.

(2) Ist die Forderung aus dem verpfändeten Papier bereits fällig, so kann der Pfandgläubiger diese auch dann einziehen, wenn die gesicherte Forderung noch nicht fällig ist. In diesem Fall erwirbt der Pfandgläubiger ein Pfandrecht an der erhaltenen Leistung. Besteht die Leistung in Geld, so hat der Pfandgläubiger den erhaltenen Betrag nach den Bestimmungen über die Anlegung von Mündelgeld zu veranlagen.

Erlöschung des Pfandrechtes.

§ 467. Wenn die verpfändete Sache zerstört wird; wenn sich der Gläubiger seines Rechtes darauf gesetzmäßig begibt; oder, wenn er sie dem Schuldner ohne Vorbehalt zurückstellt; so erlischt zwar das Pfandrecht, aber die Schuldforderung besteht noch.

§ 468. Das Pfandrecht erlischt ferner mit der Zeit, auf welche es eingeschränkt war, folglich auch mit dem zeitlichen Rechte des Pfandgebers auf die verpfändete Sache, wenn anders dieser Umstand dem Gläubiger bekannt war, oder aus den öffentlichen Büchern bekannt seyn konnte.

§ 469. Durch Tilgung der Schuld hört das Pfandrecht auf. Der Pfandgeber ist aber die Schuld nur gegen dem zu tilgen verbunden, daß ihm das Pfand zugleich zurückgestellt werde. Zur Aufhebung einer Hypothek ist die Tilgung der Schuld allein nicht hinreichend. Ein Hypothekargut bleibt so lange verhaftet, bis die Schuld aus den öffentlichen Büchern gelöscht ist. Bis dahin kann der Eigentümer des Gutes auf Grund einer Quittung oder einer anderen, das Erlöschen der Pfandschuld dartuenden Urkunde das Pfandrecht auf eine neue Forderung übertragen, die den Betrag der eingetragenen Pfandforderung nicht übersteigt.

§ 469a. Bei Bestellung des Pfandrechtes kann auf dieses Verfügungsrecht nicht verzichtet werden. Ist jedoch im öffentlichen Buch ein der Hypothek im Rang nachfolgendes oder ihr gleichrangiges, rechtsgeschäftlich bestelltes Recht eingetragen, so kann der Eigentümer über die Hypothek nur dann verfügen, wenn er sich das Verfügungsrecht gegenüber dem Buchberechtigten vertraglich vorbehalten hat und dieser Vorbehalt im öffentlichen Buch bei der Hypothek angemerkt ist.

§ 470. Wird nach Tilgung der Schuld (§ 469) oder eingetretener Vereinigung (§ 1446), bevor das Pfandrecht bücherlich gelöscht oder die Liegenschaft oder das Pfandrecht übertragen worden ist, das Hypothekargut zwangsweise versteigert oder dessen Zwangsverwaltung bewilligt, so ist bei Verteilung des Erlöses auf dieses Pfandrecht keine Rücksicht zu nehmen. Nur insoweit die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung gegen einen Dritten noch fortbesteht oder dem Eigentümer der Ersatz für deren Tilgung gebührt (§ 1358), wird der darauf entfallende Teil dem Eigentümer zugewiesen.

Von dem Retentions-Rechte.

§ 471. (1) Wer zur Herausgabe einer Sache verpflichtet ist, kann sie zur Sicherung seiner fälligen Forderungen wegen des für die Sache gemachten Aufwandes oder des durch die Sache ihm verursachten Schadens mit der Wirkung zurückbehalten, daß er zur Herausgabe nur gegen die Zug um Zug zu bewirkende Gegenleistung verurteilt werden kann.

(2) Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes kann durch Sicherheitsleistung abgewendet werden; Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.

Siebentes Hauptstück

Von Dienstbarkeiten (Servituten)

Begriff des Rechtes der Dienstbarkeit

§ 472. Durch das Recht der Dienstbarkeit wird ein Eigenthümer verbunden, zum Vortheile eines Andern in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden oder zu unterlassen. Es ist ein dingliches, gegen jeden Besitzer der dienstbaren Sache wirksames Recht.

Eintheilung der Dienstbarkeiten in Grunddienstbarkeiten und persönliche;

§ 473. Wird das Recht der Dienstbarkeit mit dem Besitze eines Grundstückes zu dessen vortheilhafteren oder bequemeren Benützung verknüpft; so entsteht eine Grunddienstbarkeit; außer dem ist die Dienstbarkeit persönlich.

in Feld- und Haus-Servituten.

§ 474. Grunddienstbarkeiten setzen zwey Grundbesitzer voraus, deren Einem als Verpflichteten das dienstbare; dem Andern als Berechtigten das herrschende Gut gehört. Das herrschende Grundstück ist entweder zur Landwirthschaft oder zu einem andern Gebrauche bestimmt; daher unterscheidet man auch die Feld- und Haus-Servituten.

Gewöhnlichere Arten:

a) der Haus-Servituten;

§ 475. Die Haus-Servituten sind gewöhnlich:

1) Das Recht, eine Last seines Gebäudes auf ein fremdes Gebäude zu setzen;

2) Einen Balken oder Sparren in eine fremde Wand einzufügen;

3) Ein Fenster in der fremden Wand zu öffnen; es sey des Lichtes oder der Aussicht wegen;

4) Ein Dach oder einen Erker über des Nachbars Luftraum zu bauen;

5) Den Rauch durch des Nachbars Schorstein zu führen;

6) Die Dachtraufe auf fremden Grund zu leiten;

7) Flüssigkeiten auf des Nachbars Grund zu gießen oder durchzuführen.

Durch diese und ähnliche Haus-Servituten wird ein Hausbesitzer befugt, etwas auf dem Grunde seines Nachbars vorzunehmen, was dieser dulden muß.

§ 476. Durch andere Haus-Servituten wird der Besitzer des dienstbaren Grundes verpflichtet, etwas zu unterlassen, was ihm sonst zu thun frey stand. Dergleichen sind:

8) Sein Haus nicht zu erhöhen;

9) Es nicht niedriger zu machen;

10) Dem herrschenden Gebäude Licht und Luft;

11) Oder Aussicht nicht zu benehmen;

12) Die Dachtraufe seines Hauses von dem Grunde des Nachbars, dem sie zur Bewässerung seines Gartens oder zur Füllung seiner Cisterne, oder auf eine andere Art nützlich seyn kann, nicht abzuleiten.

b) der Feld-Servituten.

§ 477. Die vorzüglichen Feld-Servituten sind:

1) das Recht, einen Fußsteig, Viehtrieb oder Fahrweg auf fremden Grund und Boden zu halten;

2) das Wasser zu schöpfen, das Vieh zu tränken, das Wasser ab- und herzuleiten;

3) das Vieh zu hüthen und zu weiden;

4) Holz zu fällen, verdorrte Aeste und Reiser zu sammeln, Eicheln zu lesen, Laub zu rechen;

5) zu jagen, zu fischen, Vögel zu fangen;

6) Steine zu brechen, Sand zu graben, Kalk zu brennen.

Arten der persönlichen Dienstbarkeiten.

§ 478. Die persönlichen Servituten sind: der nöthige Gebrauch einer Sache; die Fruchtnießung; und die Wohnung.

Unregelmäßige und Schein-Servituten.

§ 479. Es können aber auch Dienstbarkeiten, welche an sich Grunddienstbarkeiten sind, der Person allein; oder, es können Begünstigungen, die ordentlicher Weise Servituten sind, nur bloß auf Widerrufen zugestanden werden. Die Abweichungen von der Natur einer Servitut werden jedoch nicht vermuthet; wer sie behauptet, dem liegt der Beweis ob.

Erwerbung des Rechtes der Dienstbarkeit. Titel zur Erwerbung.

§ 480. Der Titel zu einer Servitut ist auf einem Vertrage; auf einer letzten Willenserklärung; auf einem bey der Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke erfolgten Rechtsspruche; oder endlich, auf Verjährung gegründet.

Erwerbungsart.

§ 481. (1) Das dingliche Recht der Dienstbarkeit kann an Gegenständen, die in den öffentlichen Büchern eingetragen sind, nur durch die Eintragung in diese erworben werden.

(2) An bücherlich nicht eingetragenen Liegenschaften (§ 434) oder an Bauwerken (§ 435) wird das dingliche Recht durch die gerichtliche Hinterlegung einer über die Einräumung der Dienstbarkeit errichteten beglaubigten Urkunde; auf andere Sachen aber durch die oben (§§ 426) bis 428) angegebenen Arten der Übergabe erworben.

Rechtsverhältnis bey den Dienstbarkeiten.

Allgemeine Vorschriften über das Recht der Dienstbarkeit.

§ 482. Alle Servituten kommen darin überein, daß der Besitzer der dienstbaren Sache in der Regel nicht verbunden ist, etwas zu thun; sondern nur einem Andern die Ausübung eines Rechtes zu gestatten, oder das zu unterlassen, was er als Eigenthümer sonst zu thun berechtiget wäre.

§ 483. Daher muß auch der Aufwand zur Erhaltung und Herstellung der Sache, welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist, in der Regel von dem Berechtigten getragen werden. Wenn aber diese Sache auch von dem Verpflichteten benützet wird; so muß er verhältnißmäßig zu dem Aufwande beytragen, und nur durch die Abtretung derselben an den Berechtigten kann er sich, auch ohne dessen Beystimmung, von dem Beytrage befreyen.

§ 484. Der Besitzer des herrschenden Gutes kann zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben; doch dürfen Servituten nicht erweitert, sie müssen vielmehr, in so weit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden.

§ 485. Keine Servitut läßt sich eigenmächtig von der dienstbaren Sache absondern, noch auf eine andere Sache oder Person übertragen. Auch wird jede Servitut insofern für unteilbar gehalten, als das auf dem Grundstücke haftende Recht durch Vergrößerung, Verkleinerung oder Zerstücklung desselben, abgesehen von dem im § 847 bezeichneten Falle, weder verändert noch geteilt werden kann.

§ 486. Ein Grundstück kann mehrern Personen zugleich dienstbar seyn, wenn anders die ältern Rechte eines Dritten nicht darunter leiden.

Anwendung auf die Grunddienstbarkeiten: insbesondere auf das Recht, eine Last, einen Balken auf fremdem Gebäude zu haben oder den Rauch durchzuführen.

§ 487. Nach den hier aufgestellten Grundsätzen sind die Rechtsverhältnisse bey den besondern Arten der Servituten zu bestimmen. Wer also die Last des benachbarten Gebäudes zu tragen; die Einfügung des fremden Balkens an seiner Wand; oder, den Durchzug des fremden Rauches in seinem Schorsteine zu dulden hat; der muß verhältnißmäßig zur Erhaltung der dazu bestimmten Mauer, Säule, Wand oder des Schorsteines beytragen. Es kann ihm aber nicht zugemuthet werden, daß er das herrschende Gut unterstützen oder den Schorstein des Nachbars ausbessern lasse.

Fensterrecht.

§ 488. Das Fensterrecht gibt nur auf Licht und Luft Anspruch; die Aussicht muß besonders bewilligt werden. Wer kein Recht zur Aussicht hat, kann angehalten werden, das Fenster zu vergittern. Mit dem Fensterrechte ist die Schuldigkeit verbunden, die Oeffnung zu verwahren; wer diese Verwahrung vernachlässiget, haftet für den daraus entstehenden Schaden.

Recht der Dachtraufe.

§ 489. Wer das Recht der Dachtraufe besitzt, kann das Regenwasser auf das fremde Dach frey oder durch Rinnen abfließen lassen; er kann auch sein Dach erhöhen; doch muß er solche Vorkehrungen treffen, daß dadurch die Dienstbarkeit nicht lästiger werde. Eben so muß er häufig gefallenen Schnee zeitig hinwegräumen, wie auch die zum Abflusse bestimmten Rinnen unterhalten.

Recht der Ableitung des Regenwassers.

§ 490. Wer das Recht hat, das Regenwasser von dem benachbarten Dache auf seinen Grund zu leiten, hat die Obliegenheit, für Rinnen, Wasserkästen und andere dazu gehörige Anstalten die Auslagen allein zu bestreiten.

§ 491. Erfordern die abzuführenden Flüssigkeiten Gräben und Canäle; so muß sie der Eigenthümer des herrschenden Grundes errichten; er muß sie auch ordentlich decken und reinigen, und dadurch die Last des dienstbaren Grundes erleichtern.

Recht des Fußsteiges, Viehtriebes und Fahrweges.

§ 492. Das Recht des Fußsteiges begreift das Recht in sich, auf diesem Steige zu gehen, sich von Menschen tragen, oder andere Menschen zu sich kommen zu lassen. Mit dem Viehtriebe ist das Recht, einen Schiebkarren zu gebrauchen; und mit dem Fahrwege das Recht, mit Einem oder mehreren Zügen zu fahren, verbunden.

§ 493. Hingegen kann, ohne besondere Bewilligung, das Recht zu gehen, nicht auf das Recht, zu reiten, oder sich durch Thiere tragen zu lassen; weder das Recht des Viehtriebes auf das Recht, schwere Lasten über den dienstbaren Grund zu schleifen; noch das Recht zu fahren, auf das Recht, frey gelassenes Vieh darüber zu treiben, ausgedehnet werden.

§ 494. Zur Erhaltung des Weges, der Brücken und Stege tragen verhältnißmäßig alle Personen oder Grundbesitzer, denen der Gebrauch derselben zusteht, folglich auch der Besitzer des dienstbaren Grundes, so weit bey, als er davon Nutzen zieht.

Raum hierzu.

§ 495. Der Raum für diese drey Servituten muß dem nöthigen Gebrauche und den Umständen des Ortes angemessen seyn. Werden Wege und Steige durch Ueberschwemmung oder durch einen andern Zufall unbrauchbar; so muß, bis zu der Herstellung in den vorigen Stand, wenn nicht schon die politische Behörde eine Vorkehrung getroffen hat, ein neuer Raum angewiesen werden.

Recht, Wasser zu schöpfen.

§ 496. Mit dem Rechte, fremdes Wasser zu schöpfen, wird auch der Zugang zu demselben gestattet.

Recht der Wasserleitung.

§ 497. Wer das Recht hat, Wasser von fremdem Grunde auf den seinigen; oder von seinem Grunde auf fremden zu leiten, ist auch berechtigt, die dazu nöthigen Röhren, Rinnen und Schleußen auf eigene Kosten anzulegen. Das nicht zu überschreitende Maß dieser Anlagen wird durch das Bedürfniß des herrschenden Grundes festgesetzt.

Weiderecht.

§ 498. Ist bey Erwerbung des Weiderechtes die Gattung und die Anzahl des Triebviehes; ferner, die Zeit und das Maß des Genusses nicht bestimmt worden; so ist der ruhige dreyßigjährige Besitz zu schützen. In zweifelhaften Fällen dienen folgende Vorschriften zur Richtschnur.

Gesetzliche Bestimmung:

a) über die Gattung des Triebviehes;

§ 499. Das Weiderecht erstrecket sich, in so weit die politischen, und im Forstwesen gegebenen Verordnungen nicht entgegenstehen, auf jede Gattung von Zug-, Rind- und Schafvieh, aber nicht auf Schweine und Federvieh; eben so wenig in waldigen Gegenden auf Ziegen. Unreines, ungesundes und fremdes Vieh ist stets von der Weide ausgeschlossen.

b) dessen Anzahl;

§ 500. Hat die Anzahl des Triebviehes während der letzten dreyßig Jahre abgewechselt; so muß aus dem Triebe der drey ersten Jahre die Mittelzahl angenommen werden. Erhellet auch diese nicht; so ist theils auf den Umfang, theils auf die Beschaffenheit der Weide billige Rücksicht zu nehmen, und dem Berechtigten wenigstens nicht gestattet, daß er mehr Vieh auf der fremden Weide halte, als er mit dem auf dem herrschenden Grunde erzeugten Futter durchwintern kann. Säugevieh wird nicht zur bestimmten Anzahl gerechnet.

c) Triftzeit;

§ 501. Die Triftzeit wird zwar überhaupt durch den in jeder Feldmarke eingeführten unangefochtenen Gebrauch bestimmt: allein in keinem Falle darf der vermöge politischer Bestimmungen geordnete Wirthschaftsbetrieb durch die Behüthung verhindert, oder erschweret werden.

d) Maß des Genusses.

§ 502. Der Genuß des Weiderechtes erstreckt sich auf keine andere Benutzung. Der Berechtigte darf weder Gras mähen, noch in der Regel den Eigenthümer des Grundstückes von der Mitweide ausschließen, am wenigsten aber die Substanz der Weide verletzen. Wenn ein Schade zu befürchten ist, muß er sein Vieh von einem Hirten hüthen lassen.

Anwendung dieser Bestimmungen auf andere Servituten.

§ 503. Was bisher in Rücksicht auf das Weiderecht vorgeschrieben worden, ist verhältnißmäßig auch auf die Rechte des Thierfanges, des Holzschlages, des Steinbrechens und die übrigen Servituten anzuwenden. Glaubt jemand diese Rechte auf das Miteigenthum gründen zu können; so sind die darüber entstehenden Streitigkeiten nach den, in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigenthumes, enthaltenen Grundsätzen zu entscheiden.

Persönliche Dienstbarkeiten; insbesondere:

1) das Recht des Gebrauches;

§ 504. Die Ausübung persönlicher Servituten wird, wenn nichts anderes verabredet worden ist, nach folgenden Grundsätzen bestimmt: Die Servitut des Gebrauches besteht darin, daß jemand befugt ist, eine fremde Sache, ohne Verletzung der Substanz, bloß zu seinem Bedürfnisse zu benützen.

Bestimmung in Rücksicht der Nutzungen;

§ 505. Wer also das Gebrauchsrecht einer Sache hat, der darf, ohne Rücksicht auf sein übriges Vermögen, den seinem Stande, seinem Gewerbe, und seinem Hauswesen angemessenen Nutzen davon ziehen.

§ 506. Das Bedürfniß ist nach dem Zeitpuncte der Bewilligung des Gebrauches zu bestimmen. Nachfolgende Veränderungen in dem Stande oder Gewerbe des Berechtigten geben keinen Anspruch auf einen ausgedehnteren Gebrauch.

der Substanz;

§ 507. Der Berechtigte darf die Substanz der ihm zum Gebrauche bewilligten Sache nicht verändern; er darf auch das Recht an keinen andern übertragen.

und der Lasten;

§ 508. Alle Benützungen, die sich ohne Störung des Gebrauchsberechtigten aus der Sache schöpfen lassen, kommen dem Eigenthümer zu Statten. Dieser ist aber verbunden, alle ordentliche und außerordentliche, auf der Sache haftende Lasten zu tragen, und sie auf seine Kosten in gutem Stande zu erhalten. Nur wenn die Kosten denjenigen Nutzen übersteigen, der dem Eigenthümer übrig bleibt, muß der Berechtigte den Ueberschuß tragen, oder vom Gebrauche abstehen.

2) der Fruchtnießung.

§ 509. Die Fruchtnießung ist das Recht, eine fremde Sache, mit Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkung zu genießen.

In wie fern sie sich auf verbrauchbare Sachen erstrecken könne.

§ 510. Verbrauchbare Sachen sind an sich selbst kein Gegenstand des Gebrauches oder der Fruchtnießung, sondern nur ihr Werth. Mit dem baren Gelde kann der Berechtigte nach Belieben verfügen; Wird aber ein bereits anliegendes Capital zum Fruchtgenusse oder Gebrauche bewilliget; so kann der Berechtigte nur die Zinsen fordern.

Rechte und Verbindlichkeiten des Fruchtnießers.

§ 511. Der Fruchtnießer hat ein Recht auf den vollen, sowohl gewöhnlichen als ungewöhnlichen, Ertrag; ihm gehört daher auch die mit Beobachtung der bestehenden Bergwerksordnung erhaltene reine Ausbeute von Bergwerksantheilen, und das forstmäßig geschlagene Holz. Auf einen Schatz, welcher in dem zur Fruchtnießung bestimmten Grunde gefunden wird, hat er keinen Anspruch.

Insbesondere:

a) in Rücksicht der auf der Sache haftenden Lasten;

§ 512. Als ein reiner Ertrag kann aber nur das angesehen werden, was nach Abzug aller nöthigen Auslagen übrig bleibt. Der Fruchtnießer übernimmt also alle Lasten, welche zur Zeit der bewilligten Fruchtnießung mit der dienstbaren Sache verbunden waren, mithin auch die Zinsen der darauf eingetragenen Capitalien. Auf ihn fallen alle ordentliche und außerordentliche, von der Sache zu leistende Schuldigkeiten, in so fern sie aus den während der Dauer der Fruchtnießung gezogenen Nutzungen bestritten werden können; er trägt auch die Kosten, ohne welche die Früchte nicht erzielet werden.

b) der Erhaltung der Sache;

§ 513. Der Fruchtnießer ist verbunden, die dienstbare Sache als ein guter Haushälter in dem Stande, in welchem er sie übernommen hat, zu erhalten, und aus dem Ertrage die Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen zu besorgen. Wird dessen ungeachtet der Werth der dienstbaren Sache bloß durch den rechtmäßigen Genuß ohne Verschulden des Fruchtnießers verringert; so ist er dafür nicht verantwortlich.

c) der Bauführungen;

§ 514. Wenn der Eigenthümer Bauführungen, die durch das Alter des Gebäudes, oder durch einen Zufall nothwenig gemacht werden, auf Anzeige des Fruchtnießers auf seine Kosten besorgt; ist ihm der Fruchtnießer, nach Maß der dadurch verbesserten Fruchtnießung, die Zinsen des verwendeten Capitals zu vergüten schuldig.

§ 515. Kann oder will der Eigenthümer dazu sich nicht verstehen; so ist der Fruchtnießer berechtigt, entweder den Bau zu führen, und nach geendigter Fruchtnießung, gleich einem redlichen Besitzer, den Ersatz zu fordern; oder, für die durch Unterbleibung des Baues vermißte Fruchtnießung, eine angemessene Vergütung zu verlangen.

§ 516. Bauführungen, welche nicht nothwendig, obgleich sonst zur Vermehrung des Ertrages gedeihlich sind, ist der Fruchtnießer nicht verbunden, ohne vollständige Entschädigung, zu gestatten.

d) der Meliorations-Kosten.

§ 517. Was der Fruchtnießer ohne Einwilligung des Eigenthümers zur Vermehrung fortdauernder Nutzungen verwendet hat, kann er zurücknehmen; eine Vergütung der aus der Verbesserung noch bestehenden Nutzungen aber kann er nur fordern, in so fern sie ein Geschäftsführer ohne Auftrag zu fordern berechtigt ist.

Beweismittel darüber.

§ 518. Zur Erleichterung des Beweises der gegenseitigen Forderungen, sollen der Eigenthümer und der Fruchtnießer eine beglaubte Beschreibung aller dienstbaren Sachen aufnehmen lassen. Ist sie unterlassen worden; so wird vermuthet, daß der Fruchtnießer die Sache sammt allen zur ordentlichen Benützung derselben erforderlichen Stücken in brauchbarem Zustande von mittlerer Beschaffenheit erhalten habe.

Zutheilung der Nutzungen bey Erlöschung der Fruchtnießung.

§ 519. Nach geendigter Fruchtnießung gehören die noch stehenden Früchte dem Eigenthümer; doch muß er die auf deren Erzielung verwendeten Kosten dem Fruchtnießer oder dessen Erben, gleich einem redlichen Besitzer, ersetzen. Auf andere Nutzungen haben der Fruchtnießer oder dessen Erben den Anspruch nach Maß der Dauer der Fruchtnießung.

In wie fern der Gebrauchsberechtigte oder der Fruchtnießer zur Sicherstellung verbunden sey.

§ 520. In der Regel kann der Eigenthümer von dem Gebrauchsberechtigten oder Fruchtnießer nur bey einer sich äußernden Gefahr die Sicherstellung der Substanz verlangen. Wird sie nicht geleistet; so soll die Sache entweder dem Eigenthümer gegen eine billige Abfindung überlassen, oder nach Umständen in gerichtliche Verwaltung gegeben werden.

3) Dienstbarkeit der Wohnung.

§ 521. Die Servitut der Wohnung ist das Recht, die bewohnbaren Theile eines Hauses zu seinem Bedürfnisse zu benützen. Sie ist also eine Servitut des Gebrauches von dem Wohngebäude. Werden aber jemanden alle bewohnbare Theile des Hauses, mit Schonung der Substanz, ohne Einschränkung zu genießen überlassen; so ist es eine Fruchtnießung des Wohngebäudes. Hiernach sind die oben gegebenen Vorschriften auf das rechtliche Verhältniß zwischen dem Berechtigten und dem Eigenthümer anzuwenden.

§ 522. In jedem Falle behält der Eigenthümer das Recht, über alle Theile des Hauses, die nicht zur eigentlichen Wohnung gehören, zu verfügen; auch darf ihm die nöthige Aufsicht über sein Haus nicht erschweret werden.

Klagerecht in Rücksicht der Servituten.

§ 523. In Ansehung der Servituten findet ein doppeltes Klagerecht Statt. Man kann gegen den Eigenthümer das Recht der Servitut behaupten; oder, der Eigenthümer kann sich über die Anmaßung einer Servitut beschweren. Im ersten Falle muß der Kläger die Erwerbung der Servitut oder wenigstens den Besitz derselben als eines dinglichen Rechtes; im zweyten Falle muß er die Anmaßung der Servitut in seiner Sache beweisen.

Erlöschung der Dienstbarkeiten.

im Allgemeinen.

§ 524. Die Servituten erlöschen im Allgemeinen auf diejenigen Arten, wodurch nach dem dritten und vierten Hauptstücke des dritten Theiles Rechte und Verbindlichkeiten überhaupt aufgehoben werden.

Besondere Anordnung bey deren Erlöschung:

a) durch den Untergang des dienstbaren oder herrschenden Grundes;

§ 525. Der Untergang des dienstbaren oder des herrschenden Grundes stellt zwar die Dienstbarkeit ein; sobald aber der Grund, oder das Gebäude wieder in den vorigen Stand gesetzt ist, erhält die Servitut wieder ihre vorige Kraft.

b) durch Vereinigung;

§ 526. Wenn das Eigenthum des dienstbaren und des herrschenden Grundes in Einer Person vereinigt wird, hört die Dienstbarkeit von selbst auf. Wird aber in der Folge Einer dieser vereinigten Gründe wieder veräußert, ohne daß inzwischen in den öffentlichen Büchern die Dienstbarkeit gelöschet worden; so ist der neue Besitzer des herrschenden Grundes befugt, die Servitut auszuüben.

c) durch Zeitverlauf.

§ 527. Hat das bloß zeitliche Recht desjenigen, der die Servitut bestellt hat, oder die Zeit, auf welche sie beschränkt worden ist, dem Servituts-Inhaber aus öffentlichen Büchern, oder auf eine andere Art bekannt seyn können; so hört nach Verlauf dieser Zeit die Servitut von selbst auf.

§ 528. Eine Servitut, welche jemanden bis zur Zeit, da ein Dritter ein bestimmtes Alter erreicht, verliehen wird, erlischt erst zu der bestimmten Zeit, obschon der Dritte vor diesem Alter verstorben ist.

Erlöschung der persönlichen Servituten insbesondere.

§ 529. Persönliche Servituten hören mit dem Tode auf. Werden sie ausdrücklich auf die Erben ausgedehnt; so sind im Zweifel nur die ersten gesetzlichen Erben darunter verstanden. Das einer Familie verliehene Recht aber geht auf alle Mitglieder derselben über. Die von einer Gemeinde oder einer andern moralischen Person erworbene persönliche Servitut dauert so lange, als die moralische Person besteht.

Unanwendbarkeit auf beständige Renten.

§ 530. Beständige jährliche Renten sind keine persönliche Servitut, und können also ihrer Natur nach auf alle Nachfolger übertragen werden.

Achtes Hauptstück

Vom Erbrecht allgemein

I. Begriffe

Verlassenschaft

§ 531. Die Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen bilden, soweit sie nicht höchstpersönlicher Art sind, dessen Verlassenschaft.

Erbrecht

§ 532. Das Erbrecht ist das absolute Recht, die ganze Verlassenschaft oder einen bestimmten Teil davon zu erwerben. Diejenige Person, der das Erbrecht gebührt, wird Erbe genannt.

Erbrechtstitel

§ 533. Das Erbrecht gründet sich auf einen Erbvertrag, auf den letzten Willen des Verstorbenen oder auf das Gesetz.

Mehrere Berufungsgründe

§ 534. Die angeführten Erbrechtstitel können auch nebeneinander bestehen, sodass einem Erben ein bestimmter Teil der Verlassenschaft aus dem letzten Willen, einem anderen ein Teil aus dem Erbvertrag und einem dritten ein Teil aus dem Gesetz gebühren können.

Unterschied zwischen Erbschaft und Vermächtnis

§ 535. Wird einer Person nicht ein Erbteil, der sich auf die ganze Verlassenschaft bezieht, sondern eine bestimmte Sache, eine oder mehrere Sachen einer Gattung, ein Betrag oder ein Recht zugedacht, so ist das Zugedachte, auch wenn sein Wert einen erheblichen Teil der Verlassenschaft ausmacht, ein Vermächtnis. Diejenige Person, der es hinterlassen wurde, ist nicht Erbe, sondern Vermächtnisnehmer.

II. Entstehung des Erbrechts

Erbanfall

§ 536. (1) Der Erbe erwirbt das Erbrecht (Erbanfall) mit dem Tod des Verstorbenen (Erbfall) oder mit dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung (§§ 696 und 703).

(2) Wenn ein möglicher Erbe vor dem Erbanfall verstirbt, erwirbt er kein Erbrecht; es kann daher auch nicht auf seine Erben übergehen.

Vererblichkeit des Erbrechts

§ 537. (1) Wenn der Erbe den Verstorbenen überlebt hat, geht das Erbrecht auch vor Einantwortung der Erbschaft auf seine Erben (Erbeserben) über, es sei denn, dass der Verstorbene dies ausgeschlossen hat, die Erbschaft ausgeschlagen wurde oder das Erbrecht auf eine andere Art erloschen ist.

(2) Die Erbeserben gehen Anwachsungsberechtigten (§ 560) jedenfalls und Ersatzerben (§ 604) dann vor, wenn der Erbe nach Abgabe seiner Erbantrittserklärung verstirbt.

Erbfähigkeit

§ 538. Erbfähig ist, wer rechtsfähig und erbwürdig ist.

Gründe für die Erbunwürdigkeit

§ 539. Wer gegen den Verstorbenen oder die Verlassenschaft eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, ist erbunwürdig, sofern der Verstorbene nicht zu erkennen gegeben hat, dass er ihm verziehen hat.

§ 540. Wer absichtlich die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht hat, etwa indem er ihn zur Erklärung des letzten Willens gezwungen oder arglistig verleitet, ihn an der Erklärung oder Änderung des letzten Willens gehindert oder einen bereits errichteten letzten Willen unterdrückt hat, ist erbunwürdig, sofern der Verstorbene nicht zu erkennen gegeben hat, dass er ihm verziehen hat. Er haftet für jeden einem Dritten dadurch zugefügten Schaden.

§ 541. Wer

1.

gegen den Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten des Verstorbenen oder gegen dessen Verwandte in gerader Linie eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist,

2.

dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat oder

3.

sonst gegenüber dem Verstorbenen seine Pflichten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern gröblich vernachlässigt hat,

ist erbunwürdig, wenn der Verstorbene aufgrund seiner Testierunfähigkeit, aus Unkenntnis oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage war, ihn zu enterben, und er auch nicht zu erkennen gegeben hat, dass er ihm verziehen hat.

Eintrittsrecht bei Erbunwürdigkeit

§ 542. Bei gesetzlicher Erbfolge treten die Nachkommen der erbunwürdigen Person an deren Stelle, auch wenn diese den Verstorbenen überlebt hat.

Beurteilung der Erbfähigkeit

§ 543. (1) Die Erbfähigkeit muss im Zeitpunkt des Erbanfalls vorliegen. Eine später erlangte Erbfähigkeit ist unbeachtlich und berechtigt daher nicht, anderen das zu entziehen, was ihnen bereits rechtmäßig zugekommen ist.

(2) Wer nach dem Erbanfall eine gerichtlich strafbare Handlung gegen die Verlassenschaft im Sinn des § 539 begeht oder die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht (§ 540), verliert nachträglich seine Erbfähigkeit.

Verlassenschaft als juristische Person

§ 546. Mit dem Tod setzt die Verlassenschaft als juristische Person die Rechtsposition des Verstorbenen fort.

Gesamtrechtsnachfolge

§ 547. Mit der Einantwortung folgt der Erbe der Rechtsposition der Verlassenschaft nach; dasselbe gilt mit Übergabebeschluss für die Aneignung durch den Bund.

Verbindlichkeiten

§ 548. Verbindlichkeiten, die der Verstorbene aus seinem Vermögen zu leisten gehabt hätte, übernimmt sein Erbe. Geldstrafen gehen nicht auf den Erben über.

Begräbniskosten

§ 549. Zu den auf einer Verlassenschaft haftenden Lasten gehören auch die Kosten für ein ortsübliches und den Lebensverhältnissen sowie dem Vermögen des Verstorbenen angemessenes Begräbnis.

Erbengemeinschaft

§ 550. Mehrere Erben bilden in Ansehung ihres gemeinschaftlichen Erbrechts eine Erbengemeinschaft. Der Anteil eines dieser Miterben richtet sich nach seiner Erbquote. Im Übrigen sind die Bestimmungen des Fünfzehnten und Sechzehnten Hauptstücks entsprechend anzuwenden.

Erbverzicht

§ 551. (1) Wer über sein Erbrecht gültig verfügen kann, kann auch durch Vertrag mit dem Verstorbenen im Voraus darauf verzichten. Der Vertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Aufnahme eines Notariatsakts oder der Beurkundung durch gerichtliches Protokoll; die Aufhebung des Vertrags bedarf der Schriftform.

(2) Soweit nichts anderes vereinbart ist, erstreckt sich ein solcher Verzicht auch auf den Pflichtteil und auf die Nachkommen.

Neuntes Hauptstück

Gewillkürte Erbfolge

I. Grundsätze

Letztwillige Verfügung

§ 552. (1) Mit einer letztwilligen Verfügung wird das Schicksal der künftigen Verlassenschaft auf den Todesfall geregelt. Eine letztwillige Verfügung kann jederzeit widerrufen werden.

(2) Wird über die Erbfolge verfügt, so liegt ein Testament vor. Es können aber auch sonstige letztwillige Verfügungen getroffen werden, insbesondere über Vermächtnisse, Auflagen oder die Einsetzung von Testamentsvollstreckern.

Auslegung letztwilliger Verfügungen

§ 553. Wörter sind nach ihrer gewöhnlichen Bedeutung auszulegen, außer der Verstorbene hat mit gewissen Ausdrücken einen besonderen Sinn verbunden. Maßgeblich ist der wahre Wille des Verstorbenen, der im Wortlaut der Verfügung zumindest angedeutet sein muss. Die Auslegung soll so erfolgen, dass der vom Verstorbenen angestrebte Erfolg eintritt und dass die letztwillige Verfügung als solche zumindest teilweise aufrecht bleiben kann. Die §§ 681 bis 683 sind anzuwenden.

Einsetzung eines einzigen Erben

§ 554. Hat der Verstorbene nur eine Person unbestimmt, also ohne ihren Erbteil festzulegen, als Erben eingesetzt, so erhält sie die gesamte Verlassenschaft. Hat er einer Person nur einen bestimmten Erbteil zugedacht, so fällt der übrige Teil an die gesetzlichen Erben.

Einsetzung mehrerer Erben

§ 555. Hat der Verstorbene mehrere Personen unbestimmt als Erben eingesetzt, so erben sie zu gleichen Teilen.

§ 556. Hat der Verstorbene mehrere Personen als Erben zu bestimmten, die Verlassenschaft nicht erschöpfenden Erbteilen eingesetzt, so fällt der übrige Teil an die gesetzlichen Erben. Hat der Verstorbene die Erben zur gesamten Verlassenschaft berufen, so schließt dies im Zweifel das gesetzliche Erbrecht aus, selbst wenn der Verstorbene sich verrechnet oder die Erbstücke unvollständig aufgezählt hat.

Bestimmte und unbestimmte Einsetzung nebeneinander

§ 557. Hat der Verstorbene nur den Anteil eines oder mehrerer Erben bestimmt, die Anteile der übrigen Erben aber nicht, so erhalten diese den Rest zu gleichen Teilen.

§ 558. Wenn danach für einen unbestimmt eingesetzten Erben nichts übrig bleibt, muss für ihn von sämtlichen bestimmten Teilen der anderen Erben verhältnismäßig so viel abgezogen werden, dass er den gleichen Anteil erhält wie der am geringsten bedachte Erbe.

Erbeinsetzung mehrerer Personen zu unbestimmten Anteilen

§ 559. Sind unter mehreren unbestimmt eingesetzten Erben auch solche Personen, die nach der gesetzlichen Erbfolge als eine Person anzusehen sind (etwa die Kinder des einen Bruders gegenüber dem anderen Bruder des Verstorbenen), so gelten sie im Zweifel auch bei testamentarischer Einsetzung als eine Person. Hat der Verstorbene als Erben bestimmbare Personen eingesetzt, so wird vermutet, dass er sie nebeneinander zu einzelnen Anteilen als Erben einsetzen wollte. Wird eine Mehrheit unbestimmbarer Personen eingesetzt, so ist sie im Zweifel als eine Person zu betrachten.

Anwachsung

§ 560. (1) Wenn der Verstorbene über die gesamte Verlassenschaft verfügt und mehrere Erben eingesetzt hat, einer der Erben aber von seinem Erbrecht keinen Gebrauch machen kann oder will und für diesen kein Ersatzerbe bestimmt ist, wächst der frei gewordene Teil im Zweifel den übrigen eingesetzten Erben im Verhältnis ihrer Erbteile an. Gleiches gilt, wenn die Einsetzung eines von mehreren Erben unwirksam ist.

(2) Kommt es zu keiner Anwachsung, so fällt der frei gewordene Teil an die gesetzlichen Erben.

§ 563. Wer den frei gewordenen Erbteil erhält, übernimmt auch die damit verknüpften Lasten, soweit sie nicht in höchstpersönlichen Verpflichtungen des eingesetzten Erben bestehen.

II. Anforderungen an den letzten Willen

Höchstpersönliche Willenserklärung

§ 564. Man kann seinen letzten Willen nur selbst erklären, den Erben nur selbst einsetzen und diese Erklärungen nicht einer dritten Person überlassen. Auch genügt die bloße Bejahung des Vorschlags einer dritten Person nicht.

Bestimmtheit und Mangelfreiheit

§ 565. Der letzte Wille muss bestimmt, mit Überlegung, ernst sowie frei von Drohung, List und wesentlichem Irrtum erklärt werden.

Testierfähigkeit

§ 566. Testierfähig ist, wer die Bedeutung und die Folgen seiner letztwilligen Verfügung verstehen und sich entsprechend verhalten kann.

§ 567. Hat der Verstorbene seinen letzten Willen in einem die Testierfähigkeit ausschließenden Zustand erklärt, etwa unter dem Einfluss einer psychischen Krankheit oder im Rausch, so ist die letztwillige Verfügung ungültig.

§ 568. Wer behauptet, dass ein sonst nach § 566 testierunfähiger Verstorbener bei Erklärung des letzten Willens testierfähig war (lichter Augenblick), hat dies zu beweisen.

Alter

§ 569. Unmündige Personen sind testierunfähig. Mündige Minderjährige können – ausgenommen im Notfall (§ 584) – nur mündlich vor Gericht oder Notar testieren. Das Gericht oder der Notar hat sich davon zu überzeugen, dass die Erklärung des letzten Willens frei und überlegt erfolgt. Die Erklärung des letzten Willens und das Ergebnis der Erhebungen sind in einem Protokoll festzuhalten.

Wesentlicher Irrtum

§ 570. Ein wesentlicher Irrtum des Verstorbenen macht die Anordnung ungültig. Der Irrtum ist insbesondere wesentlich, wenn der Verstorbene die bedachte Person oder die zugewendete Sache verfehlt hat.

Falsche Bezeichnung

§ 571. Wenn sich zeigt, dass der Verstorbene die bedachte Person oder die zugewendete Sache nur unrichtig benannt oder beschrieben hat, ist die Verfügung gültig.

Motivirrtum

§ 572. Auch wenn sich der vom Verstorbenen angegebene Beweggrund als falsch herausstellt, bleibt die Verfügung gültig, es sei denn, dass sein Wille einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrund beruht hat.

Zeitpunkt für die Beurteilung der Gültigkeit

§ 575. Die Voraussetzungen der Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung müssen bei deren Errichtung vorliegen.

§ 576. Eine anfänglich ungültige letztwillige Verfügung wird durch den späteren Wegfall des Hindernisses nicht gültig. Wird in diesem Fall keine neue Verfügung getroffen, so tritt die gesetzliche Erbfolge ein.

III. Form der letztwilligen Verfügung

Arten

§ 577. Eine letztwillige Verfügung kann nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen außergerichtlich oder gerichtlich, schriftlich oder mündlich und schriftlich mit oder ohne Zeugen errichtet werden.

Eigenhändige Verfügung

§ 578. Wer schriftlich ohne Zeugen letztwillig verfügen will, muss die Verfügung eigenhändig schreiben und eigenhändig mit seinem Namen unterschreiben. Die Beisetzung von Ort und Datum der Errichtung ist zwar nicht notwendig, aber ratsam.

Fremdhändige Verfügung

§ 579. (1) Eine von ihm nicht eigenhändig geschriebene letztwillige Verfügung muss der Verfügende in Gegenwart von drei gleichzeitig anwesenden Zeugen eigenhändig unterschreiben und mit einem eigenhändig geschriebenen Zusatz versehen, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält.

(2) Die Zeugen, deren Identität aus der Urkunde hervorgehen muss, haben auf der Urkunde mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden und eigenhändig geschriebenen Zusatz zu unterschreiben. Den Inhalt der letztwilligen Verfügung müssen sie nicht kennen.

§ 580. (1) Wenn der letztwillig Verfügende nicht schreiben kann, muss er statt der Unterschrift und des eigenhändigen Zusatzes sein Handzeichen in Gegenwart der in § 579 genannten Zeugen eigenhändig setzen und ausdrücklich vor ihnen erklären, dass die Urkunde sein letzter Wille ist. Die Anführung des Namens des letztwillig Verfügenden durch einen Zeugen ist zwar nicht notwendig, aber ratsam.

(2) Wer nicht lesen kann, muss sich die fremdhändige Verfügung von einem Zeugen in Gegenwart der beiden anderen Zeugen, die den Inhalt eingesehen haben, vorlesen lassen und bekräftigen, dass dieser seinem Willen entspricht.

Gerichtliche Verfügung

§ 581. (1) Eine letztwillige Verfügung kann auch vor Gericht schriftlich oder mündlich errichtet werden.

(2) Die schriftliche Verfügung muss der Verfügende eigenhändig unterschreiben und dem Gericht persönlich übergeben. Das Gericht hat ihn darüber zu belehren, dass die Verfügung eigenhändig unterschrieben sein muss, die Verfügung gerichtlich zu versiegeln und auf dem Umschlag anzumerken, wessen letzter Wille darin enthalten ist. Über die Amtshandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. Die letztwillige Verfügung ist gegen Ausstellung einer Empfangsbestätigung gerichtlich zu hinterlegen.

(3) Will der letztwillig Verfügende seinen letzten Willen mündlich erklären, so ist über die Erklärung ein Protokoll aufzunehmen und dieses versiegelt zu hinterlegen.

§ 582. (1) Das Gericht, das die schriftliche oder mündliche Erklärung des letzten Willens aufnimmt, muss zumindest aus zwei Gerichtsbediensteten bestehen, wobei eine Person an diesem Gericht als Richter tätig sein muss. Der zweite Gerichtsbedienstete kann durch zwei andere Zeugen ersetzt werden.

(2) Im Notfall kann sich das Gericht zu der Person begeben, die eine letztwillige Verfügung errichten will, und seinen letzten Willen zu Protokoll nehmen.

Notarielle Verfügung

§ 583. Eine letztwillige Verfügung kann weiters vor zwei Notaren oder vor einem Notar und zwei Zeugen schriftlich oder mündlich errichtet werden. Die §§ 67 und 70 bis 75 Notariatsordnung sind anzuwenden.

Nottestament

§ 584. (1) Droht aus Sicht des letztwillig Verfügenden unmittelbar die begründete Gefahr, dass er stirbt oder die Testierfähigkeit verliert, bevor er seinen letzten Willen auf andere Weise zu erklären vermag, so kann er seinen letzten Willen in Gegenwart von zwei Zeugen fremdhändig (§ 579) oder mündlich erklären. Eine solche mündliche letztwillige Verfügung muss durch die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen bestätigt werden, widrigenfalls diese Erklärung des letzten Willens ungültig ist.

(2) Ein so erklärter letzter Wille verliert drei Monate nach Wegfall der Gefahr seine Gültigkeit und gilt als nicht errichtet. Im Zweifel ist damit auch der durch das Nottestament erfolgte Widerruf einer früheren letztwilligen Verfügung (§§ 713 und 714) aufgehoben.

Verweisende Verfügung

§ 585. Eine Verfügung des Verstorbenen durch Verweis auf einen Zettel oder auf eine andere Urkunde ist nur wirksam, wenn eine solche Urkunde alle Gültigkeitserfordernisse einer letztwilligen Verfügung erfüllt. Sonst können derartige schriftliche Bemerkungen des Verstorbenen nur zur Auslegung seines Willens herangezogen werden.

Gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen

§ 586. (1) In der Regel gilt ein und dieselbe schriftliche letztwillige Verfügung nur für einen Verstorbenen.

(2) Allerdings können Ehegatten oder eingetragene Partner in einem Testament einander gegenseitig oder andere Personen als Erben einsetzen. Ein solches Testament ist widerruflich. Aus dem Widerruf der gegenseitigen Erbeinsetzung durch einen Teil kann auf den Widerruf dieser Erbeinsetzung durch den anderen geschlossen werden.

Zeugen

§ 587. Unmündige Minderjährige, Personen, die auf Grund einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung nicht fähig sind, entsprechend der jeweiligen Testamentsform einen letzten Willen zu bezeugen, sowie Personen, die die Sprache des letztwillig Verfügenden nicht verstehen, können nicht Zeugen letztwilliger Verfügungen sein. Mündige Minderjährige können nur Zeugen eines Nottestaments sein.

§ 588. (1) Ein Erbe oder Vermächtnisnehmer ist für die ihm zugedachte Zuwendung kein fähiger Zeuge, ebenso wenig sein Ehegatte, eingetragener Partner oder Lebensgefährte, seine Eltern, Kinder, Geschwister sowie die Eltern, Kinder und Geschwister des Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten des Erben oder Vermächtnisnehmers.

(2) Zeugnisunfähig sind auch gesetzliche Vertreter, vertretungsbefugte Organe, Gesellschafter, Machthaber und Dienstnehmer bedachter Personen oder rechtsfähiger Gesellschaften.

§ 589. Die Bestimmungen über die Fähigkeit und Unbefangenheit der Zeugen sind auch auf die Gerichtsbediensteten und Notare anzuwenden, die den letzten Willen aufnehmen.

Ausgeschlossenheit des Verfassers

§ 590. Der Verfasser einer nicht vom letztwillig Verfügenden handschriftlich geschriebenen Erklärung kann zugleich Zeuge sein, ist aber, wenn der Verfügende nicht lesen kann, vom Vorlesen des letzten Willens ausgeschlossen.

§ 591. Für den bedachten Verfasser einer letztwilligen Verfügung und ihm nahestehende bedachte Personen oder Gesellschaften gilt § 588 entsprechend.

Formungültige letztwillige Verfügungen

§ 601. Wurde bei Errichtung einer letztwilligen Verfügung eine zwingende Formvorschrift nicht eingehalten, so ist die letztwillige Verfügung ungültig.

IV. Vereinbarungen von Todes wegen

Erbverträge

§ 602. Erbverträge können nur zwischen Ehegatten, eingetragenen Partnern sowie Personen, die sich verlobt oder die eingetragene Partnerschaft versprochen haben, gültig geschlossen werden. Die Vorschriften hierüber sind im Achtundzwanzigsten Hauptstück enthalten.

Schenkung auf den Todesfall

§ 603. Eine Schenkung auf den Todesfall ist auch nach dem Tod des Geschenkgebers als Vertrag anzusehen, wenn er sich kein Widerrufsrecht vertraglich vorbehalten hat und der Vertrag als Notariatsakt aufgenommen wurde. Die Bestimmungen des Achtzehnten Hauptstücks von Schenkungen und § 1253 sind anzuwenden.

Zehntes Hauptstück

Von der Ersatz- und Nacherbschaft

Ersatzerbschaft

§ 604. (1) Für den Fall, dass der eingesetzte oder gesetzliche Erbe die Erbschaft nicht erlangt, können ein Ersatzerbe, und wenn auch dieser sie nicht erlangt, ein zweiter oder auch noch weitere Ersatzerben berufen werden.

(2) Ersatzerben gehen Anwachsungsberechtigten (§ 560) jedenfalls vor.

Vermutete Ersatzerbschaft

§ 605. Es wird vermutet, dass der Verstorbene die Nachkommen eingesetzter Kinder zu Ersatzerben einsetzen wollte.

Rechte und Pflichten des Ersatzerben

§ 606. Die Rechte und Pflichten des Erben kommen auch dem an seine Stelle tretenden Ersatzerben zu, sofern sie nicht nach dem ausdrücklichen Willen des Verstorbenen oder nach den Umständen des Falles allein die Person des Erben betreffen. Für einschränkende Bedingungen gilt § 702.

Gegenseitige Ersatzerbschaft

§ 607. Sind allein Miterben gegenseitig zu Ersatzerben berufen, so wird vermutet, dass der Verstorbene die in der Einsetzung bestimmten Teile auch auf die Ersatzerbschaft ausdehnen wollte. Ist aber in der Ersatzerbschaft außer den Miterben auch eine andere Person zum Ersatzerben berufen, so fällt der frei gewordene Erbteil allen zu gleichen Teilen zu.

Nacherbschaft

§ 608. (1) Der letztwillig Verfügende kann einen Erben so einsetzen, dass dieser erst nach einem anderen Erben erbt. Der Nacherbe ist im Zweifel auch Ersatzerbe.

(2) Hat der Verstorbene nichts anderes verfügt, so tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein.

Nacherbschaft auf den Überrest

§ 609. Eine Nacherbschaft auf den Überrest liegt vor, wenn der Nacherbe nach dem Willen des Verstorbenen nur das erhalten soll, was beim Ableben des Vorerben noch übrig ist.

Umdeutung von Testieranordnungen

§ 610. (1) Hat der letztwillig Verfügende dem Erben verboten oder zugunsten einer bestimmten Person geboten, über die Verlassenschaft zu testieren, so ist dies im Zweifel in eine Nacherbschaft auf den Überrest umzudeuten, und zwar im Fall des Verbots zugunsten der gesetzlichen Erben, im Fall des Gebots zugunsten der bestimmten Person.

(2) Das Verbot, eine Sache zu veräußern, schließt im Zweifel das Recht, darüber letztwillig zu verfügen, nicht aus.

Nacherbschaft bei Zeitgenossen

§ 611. Wenn die Nacherben Zeitgenossen des letztwillig Verfügenden sind, kann er sie ohne zahlenmäßige Beschränkung als Nacherben einsetzen. Zeitgenossen sind natürliche Personen, die zum Zeitpunkt der Errichtung der Nacherbschaft bereits gezeugt (§ 22) oder geboren sind.

Einschränkung der Nacherbschaft

§ 612. Sind die Nacherben im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung noch keine Zeitgenossen des Verfügenden, so ist die Nacherbschaft bei Geld und anderen beweglichen Sachen auf zwei Nacherbfälle, bei unbeweglichen Sachen auf einen Nacherbfall beschränkt.

Rechte des Vorerben

§ 613. (1) Bis zum Eintritt der Nacherbschaft kommt dem eingesetzten Vorerben das eingeschränkte Eigentumsrecht mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers zu.

(2) Verfügungen über Sachen der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft sind mit der Zustimmung des Nacherben zulässig, sonst nur zur Erfüllung von Verbindlichkeiten der Verlassenschaft, zur Vermeidung von Schäden an derselben oder soweit sie im Rahmen der ordentlichen Verwaltung erfolgen.

(3) Erlangt der Vorerbe durch die Verfügung über eine Sache der von der Nacherbschaft erfassten Verlassenschaft Geld oder eine andere Sache, so wird diese Ersatzsache im Zweifel Teil der Verlassenschaft.

(4) Ist jedoch die angeordnete Nacherbschaft eine solche auf den Überrest, so kann der Vorerbe wie jeder Eigentümer über Sachen der Verlassenschaft unter Lebenden verfügen.

Auslegung einer Ersatz- oder Nacherbschaft

§ 614. Ist eine Ersatz- oder Nacherbschaft undeutlich ausgedrückt, so ist sie auf eine solche Art auszulegen, dass die Freiheit des Erben, über das Eigentum zu verfügen, am wenigsten eingeschränkt wird. Dies gilt auch für die Frage, ob überhaupt eine Ersatz- oder Nacherbschaft angeordnet wurde.

Erlöschen der Ersatz- und Nacherbschaft

§ 615. (1) Eine Ersatzerbschaft erlischt im Zweifel, sobald der eingesetzte Erbe die Erbschaft angetreten hat. Eine Nacherbschaft erlischt, wenn kein berufener Nacherbe mehr vorhanden ist oder wenn sie unter einer aufschiebenden Bedingung errichtet wurde, die endgültig nicht eintreten kann.

(2) Das Recht eines Nacherben geht im Zweifel auch dann auf seine Erben über (§ 537 Abs. 1), wenn er den Eintritt des Nacherbfalls nicht erlebt.

§ 616. (1) Ist für eine vermeintlich testierunfähige Person ein Nacherbe bestimmt, so ist die Nacherbschaft im Zweifel ungültig, wenn diese Person im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung testierfähig war.

(2) Ist für eine tatsächlich testierunfähige Person ein Nacherbe bestimmt, so erlischt die Nacherbschaft im Zweifel, wenn diese Person die Testierfähigkeit später erlangt. Die Nacherbschaft lebt nicht wieder auf, wenn sie später wieder testierunfähig wird.

§ 617. Die von einem letztwillig Verfügenden seinem Kind in einem Zeitpunkt angeordnete Ersatz- oder Nacherbschaft, in dem dieses noch keine Kinder hatte, erlischt im Zweifel, wenn es später doch erbfähige Kinder hinterlassen hat.

Elftes Hauptstück

Vermächtnisse

I. Grundsätze

Berufung zum Vermächtnisnehmer

§ 647. (1) Ein Vermächtnis (§ 535) gründet sich auf einen Erb- oder Vermächtnisvertrag, auf den gültig erklärten Willen des Verstorbenen oder auf das Gesetz.

(2) Die Bestimmungen über die Vererblichkeit des Erbrechts (§ 537) und die Erbfähigkeit (§§ 538 bis 543) sowie über die Ausschlagung der Erbschaft (§§ 803 ff.) sind entsprechend anzuwenden.

Erbe und Vermächtnisnehmer

§ 648. (1) Einem Erben kann auch ein Vermächtnis zugedacht werden. Insoweit wird der Erbe als Vermächtnisnehmer behandelt. Im Zweifel ist ein solches Vermächtnis nicht auf den Anteil des begünstigten Erben anzurechnen und belastet alle Erben nach ihrer Erbquote (Vorausvermächtnis).

(2) Wenn die Anrechnung des Vermächtnisses auf den Erbteil ausdrücklich angeordnet wurde oder sich aus der Auslegung des letzten Willens ergibt (Hineinvermächtnis), liegt darin im Zweifel eine Teilungsanordnung.

(3) Übersteigt der Wert des Hineinvermächtnisses den letztwillig zugedachten Erbteil, so erhöht sich im Zweifel der Erbteil dieses Erben entsprechend. Im selben Ausmaß vermindern sich die Erbteile der übrigen eingesetzten Erben verhältnismäßig. Im Zweifel kommt es auf den Wert des Hineinvermächtnisses im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung an.

Vermächtnisschuldner

§ 649. (1) Aufgrund des Vermächtnisses erwirbt der Vermächtnisnehmer eine Forderung gegen die Verlassenschaft und nach der Einantwortung gegen die Erben.

(2) Im Zweifel haften die Erben zur ungeteilten Hand. Sie haben im Zweifel untereinander im Verhältnis ihrer Erbteile zur Leistung des Vermächtnisses beizutragen, selbst wenn die Sache eines Miterben vermacht worden ist. Die Leistung des Vermächtnisses kann aber auch einem Miterben allein oder einem Vermächtnisnehmer aufgetragen werden.

Untervermächtnis

§ 650. Ein Vermächtnisnehmer kann sich von der vollständigen Erfüllung des ihm aufgetragenen weiteren Vermächtnisses nicht mit der Begründung befreien, dass es den Wert des ihm zugedachten Vermächtnisses übersteigt. Nimmt er das Vermächtnis nicht an, so muss derjenige, dem es zufällt, das Untervermächtnis erfüllen oder das ihm zugefallene Vermächtnis dem darauf gewiesenen Untervermächtnisnehmer herausgeben.

Verteilungsvermächtnis

§ 651. Wer ein Vermächtnis einer gewissen Personengruppe, etwa seinen Verwandten, seinen Dienstnehmern oder bedürftigen Menschen, zukommen lassen will, kann die Verteilung, welchen Personen was zukommen soll, dem Erben oder einem Dritten überlassen. Ist dazu nichts bestimmt, so kann der Erbe die Verteilung vornehmen.

Ersatz- und Nachvermächtnis

§ 652. Es kann auch ein Ersatz- oder Nachvermächtnis angeordnet werden; die Bestimmungen des Zehnten Hauptstücks sind darauf sinngemäß anzuwenden.

Gegenstand eines Vermächtnisses

§ 653. (1) Jede Sache, die im Verkehr steht, vererblich ist und den Inhalt einer selbstständigen Forderung bilden kann, kann Gegenstand eines Vermächtnisses sein.

(2) Ist die vermachte Sache verpfändet oder sonst wie belastet, so hat der Vermächtnisnehmer auch die darauf haftenden Lasten zu übernehmen.

Unmöglichkeit

§ 654. Ist die Leistung des Vermächtnisses ohne Verschulden des Vermächtnisschuldners oder eines Dritten unmöglich, so erhält der Vermächtnisnehmer keinen Ersatz. Werden aber verkehrsfähige Sachen vermacht, die der Vermächtnisnehmer aus rechtlichen Gründen nicht erwerben kann, so gebührt ihm der Verkehrswert.

II. Arten von Vermächtnissen

1. Gattungsvermächtnisse

§ 656. Wenn eine oder mehrere Sachen einer Gattung ohne eine nähere Bestimmung vermacht werden und sich mehrere solche Sachen in der Verlassenschaft befinden, kann die Wahl dem Erben, einem Dritten oder dem Vermächtnisnehmer überlassen werden. Im Zweifel steht dem Erben die Wahl zu. Der Erbe und der Dritte müssen ein Stück wählen, das unter Beachtung des letzten Willens den Bedürfnissen des Vermächtnisnehmers entspricht. Der Vermächtnisnehmer kann auch das beste Stück wählen.

§ 657. Wenn eine oder mehrere Sachen einer Gattung nach dem Willen des Verstorbenen dessen Eigentum entstammen sollen, sich aber nicht in der Verlassenschaft befinden, ist das Vermächtnis ungültig. Finden sie sich nicht in der bestimmten Zahl, so muss sich der Vermächtnisnehmer mit den vorhandenen begnügen.

§ 658. (1) Wenn hingegen solche Sachen nach dem Willen des Verstorbenen nicht ausdrücklich aus seinem Eigentum stammen sollen und sich nicht in der Verlassenschaft befinden, muss sie der Erbe dem Vermächtnisnehmer in einer dessen Bedürfnissen entsprechenden Eigenschaft verschaffen.

(2) Ein Geldvermächtnis verpflichtet den Erben zur Zahlung der bestimmten Summe ohne Rücksicht darauf, ob Bargeld in der Verlassenschaft vorhanden ist oder nicht.

§ 659. Kann oder will der Dritte oder der wahlberechtigte Vermächtnisnehmer nicht wählen, so hat das Gericht das Vermächtnis mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Vermächtnisnehmers zu bestimmen.

2. Vermächtnis einer bestimmten Sache

§ 660. (1) Der Vermächtnisnehmer kann die Erfüllung des Vermächtnisses einer bestimmten Sache nicht zugleich in Natur und dem Wert nach verlangen, auch wenn der Verstorbene ihm diese Sache mehrfach, sei dies in einer oder in mehreren letztwilligen Verfügungen, vermacht hat. Andere Vermächtnisse, die eine Sache derselben Art oder denselben Betrag betreffen, gebühren dem Vermächtnisnehmer im Zweifel so oft, wie sie der Verstorbene wiederholt hat.

(2) Wie beim Gattungsvermächtnis kann auch einem Erben, Vermächtnisnehmer oder Dritten die Wahl überlassen werden, aus mehreren bestimmten Sachen auszuwählen.

§ 661. Das Vermächtnis ist ungültig, wenn die vermachte Sache im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung schon im Eigentum des Vermächtnisnehmers stand. Hat er sie später erworben, so gebührt ihm der Verkehrswert. Wenn er sie aber vom Verstorbenen vor dessen Tod unentgeltlich erhalten hat, gilt das Vermächtnis als aufgehoben.

3. Vermächtnis einer fremden Sache

§ 662. (1) Das Vermächtnis einer fremden Sache, die weder dem Vermächtnisgeber noch dem Erben noch dem Vermächtnisnehmer, der sie einem Dritten leisten soll, gehört, ist unwirksam. Gebührt diesen Personen ein Anteil oder Recht an der Sache, so umfasst das Vermächtnis nur diesen Anteil oder dieses Recht.

(2) Wenn der Verstorbene ausdrücklich angeordnet hat, dass eine bestimmte fremde Sache gekauft und dem Vermächtnisnehmer geleistet werden soll (Verschaffungsvermächtnis) und der Eigentümer diese Sache nicht um den Verkehrswert veräußern will, ist dem Vermächtnisnehmer dieser Wert zu leisten.

4. Vermächtnis einer Forderung

§ 663. Das Vermächtnis einer Forderung, die der Verstorbene gegen den Vermächtnisnehmer hatte (Befreiungsvermächtnis), verpflichtet den Erben, die Forderung samt den rückständigen Zinsen zu erlassen.

§ 664. Hat der Verstorbene dem Vermächtnisnehmer eine Forderung vermacht, die ihm gegen einen Dritten zustand (Forderungsvermächtnis), so muss der Erbe die Forderung samt den rückständigen und weiter laufenden Zinsen dem Vermächtnisnehmer abtreten.

§ 665. Das Vermächtnis der Schuld, die der Verstorbene dem Vermächtnisnehmer gegenüber zu erfüllen hatte (Schuldvermächtnis), bewirkt, dass der Erbe die vom Verstorbenen bestimmte oder vom Vermächtnisnehmer ausgewiesene Schuld anerkennen und sie, ohne Rücksicht auf die mit der Schuld verbundenen Bedingungen oder Fristen, längstens binnen der zur Leistung der übrigen Vermächtnisse bestimmten Frist erfüllen muss.

§ 666. Das Befreiungsvermächtnis umfasst im Zweifel nicht die erst nach Errichtung des Vermächtnisses entstandenen Schulden. Hat der Verstorbene durch ein Vermächtnis ein Pfandrecht oder eine Bürgschaft erlassen, so folgt daraus nicht, dass er auch die Schuld erlassen hat. Hat er die Zahlungsfristen verlängert, so müssen die Zinsen weiter bezahlt werden.

§ 667. Wenn der Verstorbene einer Person den gleichen Betrag vermacht hat, den er ihr geschuldet hat, wird nicht vermutet, dass er die Schuld mit dem Vermächtnis erfüllen wollte.

5. Vermächtnis des Unterhalts oder der Ausbildung

§ 672. (1) Das Vermächtnis des Unterhalts umfasst im Zweifel Nahrung, Kleidung, Wohnung, die nötige Ausbildung und die übrigen Bedürfnisse des Vermächtnisnehmers. Das Ausmaß richtet sich im Zweifel nach den bisherigen Lebensverhältnissen des Vermächtnisnehmers.

(2) Das Unterhaltsvermächtnis gewährt im Zweifel Unterhalt bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Vermächtnisnehmers, wenn dieser im Zeitpunkt der Errichtung des Vermächtnisses nicht selbsterhaltungsfähig war. Das einem selbsterhaltungsfähigen Vermächtnisnehmer eingeräumte Unterhaltsvermächtnis gewährt im Zweifel Unterhalt bis zum Lebensende.

§ 673. Das Vermächtnis der Ausbildung umfasst im Zweifel alle Kosten einer den Fähigkeiten und Neigungen des Vermächtnisnehmers entsprechenden Ausbildung nach denselben Grundsätzen, wie sie für die Verpflichtung von Eltern gegenüber ihren Kindern gelten. Die Kosten des notwendigen Lebensunterhalts sind im Zweifel insoweit mit umfasst, als dem Vermächtnisnehmer wegen seiner Ausbildung eine Erwerbstätigkeit nicht zuzumuten ist.

6. Vermächtnis der Möbel und des Hausrats

§ 674. Unter den Möbeln oder der Einrichtung werden nur die zum gewöhnlichen Gebrauch der Wohnung, unter dem Hausrat die zur Führung des Haushalts erforderlichen Sachen verstanden. Sachen zum Betrieb eines Unternehmens fallen im Zweifel nicht darunter.

7. Vermächtnis eines Behältnisses

§ 675. Wenn der Verstorbene ein Behältnis vermacht hat, das nicht für sich selbst besteht (etwa eine Schublade), so wird vermutet, dass nur diejenigen Sachen erfasst sind, die sich bei seinem Ableben darin befinden und zu deren Aufbewahrung das Behältnis seiner Natur nach bestimmt oder vom Verstorbenen gewöhnlich verwendet worden ist.

§ 676. Besteht das Behältnis dagegen für sich selbst (etwa ein Kasten), so hat der Vermächtnisnehmer im Zweifel nur auf das Behältnis, nicht aber auf die darin befindlichen Sachen Anspruch.

8. Pflegevermächtnis

§ 677. (1) Einer dem Verstorbenen nahe stehenden Person, die diesen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod mindestens sechs Monate in nicht bloß geringfügigem Ausmaß gepflegt hat, gebührt dafür ein gesetzliches Vermächtnis, soweit nicht eine Zuwendung gewährt oder ein Entgelt vereinbart wurde.

(2) Pflege ist jede Tätigkeit, die dazu dient, einer pflegebedürftigen Person soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

(3) Nahe stehend sind Personen aus dem Kreis der gesetzlichen Erben des Verstorbenen, deren Ehegatte, eingetragener Partner oder Lebensgefährte und deren Kinder sowie der Lebensgefährte des Verstorbenen und dessen Kinder.

§ 678. (1) Die Höhe des Vermächtnisses richtet sich nach Art, Dauer und Umfang der Leistungen.

(2) Das Vermächtnis gebührt jedenfalls neben dem Pflichtteil, neben anderen Leistungen aus der Verlassenschaft nur dann nicht, wenn der Verstorbene das verfügt hat. Das Vermächtnis kann nur bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes entzogen werden.

9. Auslegung bestimmter Begriffe

a) Kinder

§ 681. Unter dem Wort Kinder werden, wenn der Verstorbene die Kinder eines anderen bedacht hat, nur dessen Söhne und Töchter, wenn er aber seine eigenen Kinder bedacht hat, auch die an deren Stelle tretenden Nachkommen verstanden, die beim Ableben des Verstorbenen schon gezeugt waren.

b) Verwandte

§ 682. Ein ohne nähere Bestimmung für die Verwandten ausgesetztes Vermächtnis wird den nach der gesetzlichen Erbfolge nächsten Verwandten zugewendet. § 555 ist sinngemäß anzuwenden.

c) Dienstnehmer

§ 683. Hat der Verstorbene seinen Dienstnehmern ein Vermächtnis hinterlassen und sie bloß durch das Dienstverhältnis bezeichnet, so wird vermutet, dass es diejenigen erhalten sollen, die im Zeitpunkt seines Ablebens in einem Dienstverhältnis zu ihm stehen.

III. Erwerb von Vermächtnissen

Anfallstag und Erwerbsvoraussetzungen bei Vermächtnissen

§ 684. (1) Der Vermächtnisnehmer erwirbt in der Regel (§ 699) mit dem Tod des Vermächtnisgebers für sich und seine Nachfolger das Recht auf das Vermächtnis.

(2) Das Eigentum an der vermachten Sache wird nach den Bestimmungen des Fünften Hauptstücks über den Erwerb des Eigentums erlangt.

Fälligkeit des Vermächtnisses

§ 685. Das Vermächtnis ist im Zweifel sogleich mit dem Tod des Vermächtnisgebers zu erfüllen. Geldvermächtnisse und Vermächtnisse von Sachen, die sich nicht in der Verlassenschaft befinden, können erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Tod des Vermächtnisgebers geltend gemacht werden.

§ 686. Beim Vermächtnis von Sachen aus der Verlassenschaft gebühren dem Vermächtnisnehmer auch die seit dem Tod des Vermächtnisgebers laufenden Zinsen und entstandenen Nutzungen sowie jeder andere Zuwachs. Er trägt hingegen alle auf dem Vermächtnis haftenden Lasten und selbst den Verlust, wenn es ohne Verschulden eines Dritten gemindert oder die Leistung gänzlich unmöglich wird.

§ 687. Wenn der Verstorbene dem Vermächtnisnehmer ein Rentenvermächtnis, also einen bestimmten, jährlich, monatlich oder sonst in periodischen Zeiträumen zu leistenden Betrag vermacht hat, erhält der Vermächtnisnehmer ein Recht auf den ganzen Betrag für den Zeitraum, dessen Anfang er erlebt hat. Den Betrag selbst kann er jedoch erst mit Ende des Zeitraums fordern. Der erste Zeitraum beginnt mit dem Tod des Vermächtnisgebers.

Recht des Vermächtnisnehmers auf Sicherstellung

§ 688. In allen Fällen, in denen ein Gläubiger von einem Schuldner Sicherstellung fordern kann, kann auch ein Vermächtnisnehmer die Sicherstellung seines Vermächtnisses verlangen.

Wem ein frei gewordenes Vermächtnis zufällt

§ 689. Ein Vermächtnis, das der Vermächtnisnehmer nicht annehmen kann oder will, fällt dem Nachberufenen zu (§ 652). Wenn kein Nachberufener vorhanden ist und das gesamte Vermächtnis mehreren Personen zugedacht worden ist, wächst der Anteil, den einer von ihnen nicht erhält, den übrigen Vermächtnisnehmern zu. Außer diesen beiden Fällen bleibt ein frei gewordenes Vermächtnis in der Verlassenschaft.

Recht des Erben, wenn die Lasten die Verlassenschaft erschöpfen

§ 690. Wenn die gesamte Verlassenschaft durch Vermächtnisse erschöpft ist, kann der beschränkt haftende Erbe nur die Vergütung seiner zum Besten der Verlassenschaft gemachten Auslagen und eine seinen Bemühungen angemessene Belohnung fordern. Will er die Verlassenschaft nicht selbst verwalten, so muss er die Bestellung eines Kurators beantragen.

§ 691. Können nicht alle Vermächtnisnehmer aus der Verlassenschaft befriedigt werden, so wird das Vermächtnis des Unterhalts vor allen anderen entrichtet; diesem Vermächtnisnehmer gebührt der Unterhalt mit dem Erbfall.

Recht des Erben, wenn die Lasten die Verlassenschaft übersteigen

§ 692. Reicht die Verlassenschaft nicht zur Zahlung der Schulden und anderer pflichtmäßiger Auslagen sowie zur Leistung aller Vermächtnisse aus, so erleiden die Vermächtnisnehmer bei beschränkter Haftung der Erben (§ 802) einen verhältnismäßigen Abzug. Der beschränkt haftende Erbe kann, so lange eine solche Gefahr besteht, die Vermächtnisse auch nur gegen Sicherstellung leisten.

§ 693. Haben die Vermächtnisnehmer die Vermächtnisse bereits empfangen, so wird der verhältnismäßige Abzug nach dem Wert, den das Vermächtnis zum Zeitpunkt des Empfangs hatte, und den daraus gezogenen Nutzungen bestimmt.

§ 694. Der Vermächtnisnehmer kann zur Vermeidung einer Zahlung an die Verlassenschaft das Vermächtnis oder den in § 693 angeführten Wert und die bezogenen Nutzungen in die Verlassenschaft zurückstellen; in Rücksicht auf die Verbesserungen und Verschlechterungen wird er als ein redlicher Besitzer behandelt.

Zwölftes Hauptstück

Von der Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens

I. Allgemeines

§ 695. Der letztwillig Verfügende kann die Rechte der Erben oder Vermächtnisnehmer einschränken, etwa durch eine Bedingung, eine Befristung oder eine Auflage, sowie seine Beweggründe und den Zweck seiner Anordnung schildern. Er kann seine letztwillige Verfügung auch ändern oder ganz aufheben.

II. Arten der Einschränkung

1. Bedingung

§ 696. Eine Bedingung ist ein ungewisses Ereignis, von dem ein Recht abhängig gemacht wird. Die Bedingung ist bejahend oder verneinend, je nachdem, ob sie sich auf den Eintritt oder Nichteintritt des Ereignisses bezieht. Sie ist aufschiebend, wenn das zugedachte Recht erst nach ihrer Erfüllung wirksam wird, und auflösend, wenn das zugedachte Recht bei ihrem Eintritt verloren geht.

a) Unverständliche und gesetz- oder sittenwidrige Bedingungen

§ 697. Unverständliche, unbestimmte sowie gesetz- oder sittenwidrige Bedingungen gelten als nicht beigesetzt.

b) Unmögliche Bedingungen

§ 698. Die Anordnung, durch die einer Person unter einer aufschiebenden unmöglichen Bedingung ein Recht zukommen soll, ist ungültig, selbst wenn die Erfüllung der Bedingung erst in der Folge unmöglich und die Unmöglichkeit dem Verstorbenen bekannt geworden war. Eine auflösende unmögliche Bedingung ist als nicht beigesetzt anzusehen.

c) Mögliche und erlaubte Bedingungen

§ 699. Sind die Bedingungen möglich und erlaubt, so kann das davon abhängende Recht nur durch ihre genaue Erfüllung erworben werden, mögen sie vom Zufall oder vom Willen des bedachten Erben, Vermächtnisnehmers oder eines Dritten abhängen.

d) Erfüllung der Bedingung zu Lebzeiten des Verstorbenen

§ 701. Ist die im letzten Willen vorgeschriebene Bedingung schon zu Lebzeiten des Verstorbenen erfüllt worden, so muss sie nach dessen Tod nur dann neuerlich erfüllt werden, wenn sie in einer Handlung des Erben oder Vermächtnisnehmers besteht, die von ihm wiederholt werden kann.

e) Keine Erfüllung der Bedingung durch Nachberufene

§ 702. Eine den Erben oder Vermächtnisnehmer einschränkende Bedingung ist ohne ausdrückliche Erklärung des Verstorbenen nicht auf den von diesem nachberufenen Erben oder Vermächtnisnehmer auszudehnen.

f) Wirkung einer möglichen aufschiebenden Bedingung

§ 703. Um eine unter einer aufschiebenden Bedingung zugedachte Verlassenschaft zu erwerben, muss die bedachte Person den Eintritt der Bedingung erleben und in diesem Zeitpunkt erbfähig sein.

2. Befristung

§ 705. Ist der Eintritt des Ereignisses, auf das der Verstorbene das zugedachte Recht eingeschränkt hat, gewiss, so geht das zugedachte Recht wie andere unbedingte Rechte auch auf die Erben der bedachten Person über. In einem solchen Fall wird nur die Übergabe bis zum gesetzten Termin aufgeschoben.

§ 706. Ein unmöglicher Anfangstermin macht die Anordnung ungültig. Ein unmöglicher Endtermin gilt als nicht beigesetzt. Wenn sich der Verstorbene in der Berechnung der Zeit geirrt hat, ist die Befristung nach seinem mutmaßlichen Willen zu bestimmen.

Vorberechtigung

§ 707. Solange das Recht des Erben wegen einer noch nicht erfüllten Bedingung oder wegen einer Befristung in Schwebe bleibt, gelten zwischen dem gesetzlichen und dem eingesetzten Erben im Hinblick auf den einstweiligen Besitz und Genuss der Verlassenschaft die gleichen Rechte und Pflichten wie bei der Nacherbschaft. Dies gilt sinngemäß für das Verhältnis zwischen dem Erben und dem bedingt oder befristet bedachten Vermächtnisnehmer.

Nachberechtigung

§ 708. Wer eine Erbschaft oder ein Vermächtnis unter einer verneinenden oder auflösenden Bedingung oder nur auf eine gewisse Zeit erhält, hat gegen den, dem die Erbschaft oder das Vermächtnis bei Eintritt der Bedingung oder des bestimmten Zeitpunktes zufällt, die gleichen Rechte und Pflichten, die einem Vorerben oder Vorvermächtnisnehmer gegen den Nacherben oder Nachvermächtnisnehmer zukommen (§§ 613 und 652).

3. Auflage

§ 709. Hat der Verstorbene die Verlassenschaft einer Person unter einer Auflage zugewendet, so muss der Belastete die Auflage möglichst genau erfüllen.

§ 710. Wenn der Belastete die Auflage aus seinem Alleinverschulden nicht oder nicht vollständig erfüllt hat, ist die Auflage im Zweifel als auflösende Bedingung (§ 696) zu behandeln.

§ 711. Ob der Verstorbene mit der Schilderung der Beweggründe oder des Zwecks seiner Verfügung eine Verpflichtung auferlegen wollte oder seine Erklärung nur ein Rat, ein Wunsch oder eine Bitte ist, dessen oder deren Nichteinhaltung keinen Nachteil bewirkt, ist durch Auslegung zu ermitteln.

Strafvermächtnis und Bestreitungsverbot

§ 712. (1) Die Anordnung des Verstorbenen, dass der Erbe einem Dritten ein Vermächtnis entrichten soll, wenn er eine Auflage nicht befolgt, ist insoweit gültig, als die Auflage möglich und erlaubt ist.

(2) Eine Anordnung des Verstorbenen, mit der er dem Erben oder Vermächtnisnehmer unter angedrohter Entziehung eines Vorteils verboten hat, den letzten Willen zu bestreiten, ist insoweit unwirksam, als nur die Echtheit oder der Sinn der letztwilligen Verfügung und die Auslegung des Bestreitungsverbots angefochten, sittenwidrige oder gesetzlich verbotene Anordnungen bekämpft oder Verstöße gegen zwingende Formvorschriften eingewendet werden.

III. Aufhebung letztwilliger Verfügungen

1. durch Errichtung eines späteren Testaments

§ 713. (1) Ein früheres Testament wird durch ein späteres gültiges Testament nicht nur in der Erbeinsetzung, sondern auch in den übrigen Anordnungen aufgehoben, sofern der Verstorbene in der späteren Verfügung nicht zu erkennen gegeben hat, dass die frühere ganz oder zum Teil weiter bestehen soll. Dies gilt auch dann, wenn der Erbe im späteren Testament nur zu einem Teil der Erbschaft berufen wurde. Der übrig bleibende Teil fällt nicht den im früheren Testament eingesetzten, sondern den gesetzlichen Erben zu.

(2) Frühere letztwillige Verfügungen ohne Erbeinsetzung (§ 552 Abs. 2) werden im Zweifel nur durch ein späteres Testament, mit dem über die gesamte Verlassenschaft verfügt wird, aufgehoben.

oder einer sonstigen späteren letztwilligen Verfügung

§ 714. Durch eine spätere letztwillige Verfügung ohne Erbeinsetzung werden frühere Vermächtnisse oder andere letztwillige Verfügungen ohne Erbeinsetzung nur insoweit aufgehoben, als sie ihr widersprechen.

§ 715. Kann nicht festgestellt werden, welche von mehreren letztwilligen Verfügungen früher oder später errichtet wurde, so gelten alle, soweit sie nebeneinander bestehen können. Die Bestimmungen des Sechzehnten Hauptstücks gelten entsprechend.

Unbeachtlichkeit der früher erklärten Unabänderlichkeit

§ 716. Die Erklärung in einer letztwilligen Verfügung, wonach jede spätere letztwillige Verfügung überhaupt oder dann unwirksam sein soll, wenn sie nicht in einer besonderen Form errichtet oder besonders gekennzeichnet wird, gilt als nicht beigesetzt.

2. durch Widerruf

a) Allgemeines

§ 717. Will der letztwillig Verfügende seine Verfügung aufheben, ohne eine neue zu errichten, so muss er sie ausdrücklich oder stillschweigend widerrufen.

§ 718. Der Widerruf kann nur im Zustand der Testierfähigkeit gültig erfolgen.

b) Ausdrücklicher Widerruf

§ 719. Der ausdrückliche Widerruf einer letztwilligen Verfügung kann nur in einer solchen Form erfolgen, die zur Errichtung einer letztwilligen Verfügung nötig ist.

c) Stillschweigender Widerruf

§ 721. Wer seine letztwillige Verfügung zerstört, etwa indem er sie zerreißt, zerschneidet, verbrennt oder die Unterschrift oder den ganzen Inhalt durchstreicht, widerruft sie. Wenn von mehreren gleichlautenden Urkunden nur eine zerstört wird, so ist daraus im Zweifel nicht auf einen Widerruf der letztwilligen Verfügung zu schließen.

§ 722. Wenn die Urkunde nur zufällig zerstört wird oder verloren geht, bleibt der letzte Wille wirksam, sofern der Zufall oder Verlust und der Inhalt der Urkunde bewiesen werden.

§ 723. Hat der Verstorbene eine spätere letztwillige Verfügung zerstört, eine frühere Verfügung aber unversehrt gelassen, so tritt im Zweifel diese frühere Anordnung wieder in Kraft. Eine frühere mündliche Verfügung, ausgenommen die mündliche gerichtliche oder mündliche notarielle Verfügung, lebt dadurch aber nicht wieder auf.

d) Vermuteter Widerruf

§ 724. (1) Der Widerruf eines Vermächtnisses wird vermutet, wenn der Verstorbene

1.

die vermachte Forderung eingetrieben oder sonst zum Erlöschen gebracht hat,

2.

die zugedachte Sache veräußert und nicht wieder zurück erhalten hat oder

3.

die Sache derart umgestaltet hat, dass sie ihre vorige Gestalt und Bezeichnung verliert.

(2) Wenn aber der Schuldner die Forderung aus eigenem Antrieb berichtigt hat, die Veräußerung des Vermächtnisses auf gerichtliche oder behördliche Anordnung erfolgt ist oder die Sache ohne Einwilligung des Verstorbenen umgestaltet worden ist, bleibt das Vermächtnis wirksam.

3. durch Verlust der Angehörigenstellung

§ 725. (1) Mit Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Verstorbenen werden davor errichtete letztwillige Verfügungen, soweit sie den früheren Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten betreffen, aufgehoben, es sei denn, dass der Verstorbene ausdrücklich das Gegenteil angeordnet hat. Das Gleiche gilt für die Aufhebung der Abstammung oder den Widerruf oder die Aufhebung der Adoption, auch wenn sie nach dem Erbfall erfolgt, für letztwillige Verfügungen zugunsten des früheren Angehörigen.

(2) Die letztwillige Anordnung wird im Zweifel auch dann aufgehoben, wenn der Verstorbene oder die letztwillig bedachte Person das gerichtliche Verfahren zur Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft oder zum Widerruf oder zur Aufhebung der Adoption eingeleitet hat. Das Gleiche gilt auch für den Fall, dass der Verstorbene das gerichtliche Abstammungsverfahren eingeleitet hat, wenn sich in der Folge herausstellt, dass der vermeintliche Angehörige tatsächlich nicht vom Verstorbenen abstammt.

4. durch Ausfall des eingesetzten Erben

§ 726. Wenn weder ein Erbe noch ein Nacherbe die Erbschaft annehmen will oder kann, fällt das Erbrecht auf die gesetzlichen Erben. Diese sind verpflichtet, die übrigen Verfügungen des Verstorbenen zu befolgen.

Dreizehntes Hauptstück

Von der gesetzlichen Erbfolge

I. Grundsätze

Fälle der gesetzlichen Erbfolge

§ 727. Wenn der Verstorbene seinen letzten Willen nicht gültig erklärt oder nicht über sein gesamtes Vermögen verfügt hat oder wenn die eingesetzten Erben die Verlassenschaft nicht annehmen können oder wollen, kommt es ganz oder zum Teil zur gesetzlichen Erbfolge.

§ 728. Mangels einer gültigen Erklärung des letzten Willens fällt die gesamte Verlassenschaft den gesetzlichen Erben zu. Hat der Verstorbene über einen Teil seines Vermögens nicht gültig verfügt, so kommt allein dieser den gesetzlichen Erben zu.

Verkürzter Pflichtteil und Folgen einer Enterbung

§ 729. (1) Ist eine pflichtteilsberechtigte Person durch eine letztwillige Verfügung verkürzt worden, so kann sie sich auf das Gesetz berufen und den ihr gebührenden Pflichtteil fordern.

(2) Hat der Verstorbene die gänzliche oder teilweise Entziehung des Pflichtteils verfügt, so wird vermutet, dass er der enterbten Person auch deren gesetzlichen Erbteil entziehen wollte.

(3) Bei gesetzlicher Erbfolge erben die Nachkommen der enterbten Person an deren Stelle, auch wenn diese den Verstorbenen überlebt hat.

Gesetzliche Erben

§ 730. Gesetzliche Erben sind die in nächster Linie mit dem Verstorbenen Verwandten und sein Ehegatte oder eingetragener Partner.

II. Gesetzliches Erbrecht der Verwandten

§ 731. (1) Zur ersten Linie gehören diejenigen Verwandten, die vom Verstorbenen abstammen, also seine Kinder und deren Nachkommen.

(2) Zur zweiten Linie gehören die Eltern des Verstorbenen und deren Nachkommen, also seine Geschwister und deren Nachkommen.

(3) Zur dritten Linie gehören die Großeltern des Verstorbenen und deren Nachkommen, also seine Onkel und Tanten und deren Nachkommen.

(4) In der vierten Linie sind nur die Urgroßeltern des Verstorbenen zur Erbfolge berufen.

1. Linie: Kinder

§ 732. Wenn der Verstorbene Kinder hat, fällt ihnen die gesamte Verlassenschaft zu, mögen sie zu seinen Lebzeiten oder nach seinem Tod geboren sein. Mehreren Kindern fällt die Verlassenschaft zu gleichen Teilen zu. Enkel von noch lebenden Kindern und Urenkel von noch lebenden Enkeln haben kein Recht zur Erbfolge.

§ 733. Wenn ein Nachkomme des Verstorbenen vor ihm gestorben ist und seinerseits Nachkommen hinterlassen hat, fällt der Anteil, der dem verstorbenen Nachkommen gebührt hätte, dessen Kindern zu gleichen Teilen zu.

§ 734. Auf diese Art wird eine Verlassenschaft nicht nur dann geteilt, wenn Enkel von verstorbenen Kindern mit noch lebenden Kindern oder entferntere Nachkommen mit näheren Nachkommen des Verstorbenen zusammen treffen, sondern auch dann, wenn die Verlassenschaft bloß zwischen Enkeln von verschiedenen Kindern oder zwischen Urenkeln von verschiedenen Enkeln zu teilen ist. Es können also die von jedem Kind hinterlassenen Enkel und die von jedem Enkel hinterlassenen Urenkel nie mehr und nie weniger erhalten, als das verstorbene Kind oder der verstorbene Enkel erhalten hätte, wenn es oder er am Leben geblieben wäre.

2. Linie: Eltern und ihre Nachkommen

§ 735. Ist kein Nachkomme des Verstorbenen vorhanden, so fällt die Verlassenschaft den mit ihm in zweiter Linie Verwandten, also seinen Eltern und deren Nachkommen zu. Leben noch beide Eltern, so gebührt ihnen die ganze Verlassenschaft zu gleichen Teilen. Ist ein Elternteil verstorben, so treten dessen Nachkommen in sein Recht ein. Die Hälfte, die dem Verstorbenen gebührt hätte, wird nach den §§ 732 bis 734 geteilt.

§ 736. Wenn beide Eltern des Verstorbenen verstorben sind, wird die eine Hälfte der Verlassenschaft, die dem einen Elternteil zugefallen wäre, unter dessen Nachkommen, die andere Hälfte aber unter den Nachkommen des anderen nach den §§ 732 bis 734 geteilt. Haben die Eltern nur gemeinsame Kinder oder deren Nachkommen hinterlassen, so teilen diese die beiden Hälften unter sich gleich. Sind aber außer diesen noch Kinder nur eines Elternteils vorhanden, so erhalten diese und deren Nachkommen nur den ihnen von der Hälfte gebührenden Anteil.

§ 737. Hat ein verstorbener Elternteil des Verstorbenen keine Nachkommen hinterlassen, so fällt die gesamte Verlassenschaft dem anderen noch lebenden Elternteil zu. Ist auch dieser verstorben, so wird die gesamte Verlassenschaft unter seinen Kindern und Nachkommen nach den bereits angeführten Grundsätzen verteilt.

3. Linie: Großeltern und ihre Nachkommen

§ 738. Sind die Eltern des Verstorbenen ohne Nachkommen verstorben, so fällt die Verlassenschaft der dritten Linie, also den Großeltern und ihren Nachkommen zu. Die Verlassenschaft wird dann in zwei gleiche Teile geteilt. Die eine Hälfte gebührt den Eltern des einen Elternteils des Verstorbenen und ihren Nachkommen, die andere den Eltern des anderen und ihren Nachkommen.

§ 739. Jede dieser Hälften wird unter den Großeltern der einen und der anderen Seite, wenn sie beide noch leben, gleich geteilt. Ist ein Großelternteil oder sind beide Großeltern von der einen oder anderen Seite gestorben, so wird die dieser Seite zugefallene Hälfte zwischen den Kindern und Nachkommen dieser Großeltern nach den Grundsätzen geteilt, nach denen in der zweiten Linie die ganze Verlassenschaft zwischen den Kindern und Nachkommen der Eltern des Verstorbenen geteilt wird (§§ 735 bis 737).

§ 740. Sind von der Seite eines Elternteils beide Großeltern ohne Nachkommen verstorben, so fällt den von der anderen Seite noch lebenden Großeltern oder nach deren Tod deren Kindern und Nachkommen die gesamte Verlassenschaft zu.

4. Linie: Urgroßeltern

§ 741. (1) Nach gänzlichem Ausfall der dritten Linie sind die Urgroßeltern des Verstorbenen zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Auf die Großeltern des einen Elternteils des Verstorbenen entfällt die eine Hälfte der Verlassenschaft, auf die Großeltern des anderen Elternteils die andere Hälfte. Jede Hälfte der Verlassenschaft teilen sich die beiden Großelternpaare zu gleichen Teilen. Ist ein Teil eines Großelternpaares nicht vorhanden, so fällt das auf diesen Teil entfallende Achtel der Verlassenschaft an den überlebenden Teil dieses Großelternpaares. Fehlt ein Großelternpaar, so ist zu seinem Viertel das andere Großelternpaar desselben Elternteiles des Verstorbenen berufen.

(2) Fehlen die Großelternpaare des einen Elternteils des Verstorbenen, so sind zu der auf sie entfallenden Verlassenschaftshälfte die Großelternpaare des anderen Elternteils in demselben Ausmaß wie zu der ihnen unmittelbar zufallenden Verlassenschaftshälfte berufen.

Mehrfache Verwandtschaft

§ 742. Wenn jemand mit dem Verstorbenen mehrfach verwandt ist, genießt er von jeder Seite das Erbrecht, das ihm als einem Verwandten von dieser Seite gebührt.

Ausschluss von entfernten Verwandten

§ 743. Auf diese vier Linien der Verwandtschaft (§ 731) wird die gesetzliche Erbfolge eingeschränkt.

III. Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten und eingetragenen Partners

§ 744. (1) Der Ehegatte oder eingetragene Partner des Verstorbenen ist neben Kindern des Verstorbenen und deren Nachkommen zu einem Drittel der Verlassenschaft, neben Eltern des Verstorbenen zu zwei Dritteln der Verlassenschaft und in den übrigen Fällen zur Gänze gesetzlicher Erbe. Ist ein Elternteil vorverstorben, so fällt auch dessen Anteil dem Ehegatten oder dem eingetragenen Partner zu.

(2) Auf den Erbteil des Ehegatten oder eingetragenen Partners ist alles anzurechnen, was er durch Ehe- oder Partnerschaftspakt oder Erbvertrag aus dem Vermögen des Verstorbenen erhält.

Gesetzliches Vorausvermächtnis

§ 745. (1) Sofern der Ehegatte oder eingetragene Partner nicht rechtmäßig enterbt worden ist, gebühren ihm als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, in der Ehe- oder Partnerschaftswohnung weiter zu wohnen, und die zum ehelichen oder partnerschaftlichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind.

(2) Dem Lebensgefährten des Verstorbenen steht ein solches gesetzliches Vermächtnis zu, sofern er mit dem Verstorbenen als dessen Lebensgefährte zumindest in den letzten drei Jahren im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und der Verstorbene im Zeitpunkt des Todes weder verheiratet war noch in einer eingetragenen Partnerschaft gelebt hat. Die in Abs. 1 erwähnten Rechte enden ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen.

Auflösung der Ehe oder Partnerschaft

§ 746. (1) Nach Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft zu Lebzeiten des Verstorbenen steht dem früheren Ehegatten oder eingetragenen Partner weder ein gesetzliches Erbrecht noch das gesetzliche Vorausvermächtnis zu.

(2) Das gesetzliche Erbrecht und das gesetzliche Vorausvermächtnis stehen dem überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partner auch dann nicht zu, wenn in einem im Zeitpunkt des Erbfalls anhängigen Verfahren über die Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft eine Vereinbarung über die Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse für den Fall der Rechtskraft der Auflösungsentscheidung vorliegt. Eine solche Vereinbarung gilt im Zweifel auch für die Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft durch den Tod eines Ehegatten oder eingetragenen Partners.

Anspruch auf Unterhalt

§ 747. Der Ehegatte oder eingetragene Partner hat, außer in den Fällen der §§ 746 und 777, gegen die Verlassenschaft und nach Einantwortung gegen die Erben bis zum Wert der Verlassenschaft einen Anspruch auf Unterhalt nach den sinngemäß anzuwendenden Grundsätzen des § 94 oder des § 12 EPG, solange er nicht wieder eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft eingeht. Auf diesen Anspruch ist alles anzurechnen, was der Ehegatte oder eingetragene Partner nach dem Verstorbenen durch vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlichen Erbteil, als Pflichtteil und durch öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistung erhält, desgleichen eigenes Vermögen des Ehegatten oder eingetragenen Partners sowie Erträgnisse einer von ihm tatsächlich ausgeübten oder einer solchen Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann.

IV. Außerordentliches Erbrecht und Aneignung durch den Bund

Außerordentliches Erbrecht des Lebensgefährten

§ 748. (1) Gelangt kein gesetzlicher Erbe zur Verlassenschaft, so fällt dem Lebensgefährten des Verstorbenen die ganze Erbschaft zu, sofern er mit dem Verstorbenen als dessen Lebensgefährte zumindest in den letzten drei Jahren vor dem Tod des Verstorbenen im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

(2) Vom Erfordernis eines gemeinsamen Haushalts ist dann abzusehen, wenn diesem erhebliche Gründe, etwa gesundheitlicher oder beruflicher Art, entgegenstanden, ansonsten aber eine für Lebensgefährten typische besondere Verbundenheit bestand.

Außerordentliches Erbrecht der Vermächtnisnehmer

§ 749. Gelangt weder ein gesetzlicher Erbe noch der Lebensgefährte des Verstorbenen zur Verlassenschaft, so werden die vom Verstorbenen bedachten Vermächtnisnehmer verhältnismäßig als Erben betrachtet.

Aneignung durch den Bund

§ 750. (1) Wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist und auch sonst niemand die Verlassenschaft erwirbt, hat der Bund das Recht, sie sich anzueignen.

(2) Soweit eine Verlassenschaft, die sich im Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen in Österreich befindet, weder auf einen durch Verfügung von Todes wegen eingesetzten Erben oder Vermächtnisnehmer noch auf eine natürliche Person als gesetzlicher Erbe übergeht, hat der Bund das Recht, sie sich anzueignen, auch wenn sich die Erbfolge nicht nach österreichischem Recht richtet.

Abweichungen von der allgemeinen Erbfolge

§ 751. Abweichungen von der in diesem Hauptstück bestimmten gesetzlichen Erbfolge, insbesondere für land- und forstwirtschaftliche Betriebe, sind gesondert geregelt.

V. Anrechnung beim Erbteil

§ 752. Bei der gewillkürten und bei der gesetzlichen Erbfolge muss sich der Erbe eine Schenkung unter Lebenden (§ 781) anrechnen lassen, wenn der Verstorbene das letztwillig angeordnet oder mit dem Geschenknehmer vereinbart hat. Dieser Vertrag und seine Aufhebung bedürfen der Schriftform, bei Abschluss erst nach erfolgter Schenkung aber der Formvorschriften für einen Erbverzicht.

§ 753. Bei der gesetzlichen Erbfolge der Kinder muss sich ein Kind auf Verlangen eines anderen Kindes eine Schenkung unter Lebenden (§ 781) anrechnen lassen, es sei denn, dass der Verstorbene die Schenkung aus Einkünften ohne Schmälerung des Stammvermögens gemacht hat oder den Erlass dieser Anrechnung letztwillig verfügt oder mit dem Geschenknehmer vereinbart hat. Dieser Vertrag und seine Aufhebung bedürfen der Schriftform.

§ 754. Einem Nachkommen wird nicht nur das, was er selbst, sondern auch das, was seine Vorfahren, an deren Stelle er tritt, auf solche Art empfangen haben, auf den Erbteil angerechnet. Auch wer einen Erbteil im Wege der Anwachsung erhält (§ 560), hat sich Schenkungen an denjenigen, dessen frei gewordenen Erbteil er übernimmt, anrechnen zu lassen.

Rechenmethode

§ 755. (1) Das bei der Anrechnung zu berücksichtigende Vermögen ist auf den Zeitpunkt zu bewerten, in dem die Schenkung wirklich gemacht wurde. Dieser Wert ist sodann auf den Todeszeitpunkt nach einem von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex aufzuwerten und der Verlassenschaft hinzuzurechnen.

(2) Von dem Erbteil des anrechnungspflichtigen Erben ist das anzurechnende Vermögen abzuziehen. Der anrechnungspflichtige Erbe ist nicht zur Herausgabe seines Geschenks verpflichtet.

Vierzehntes Hauptstück

Vom Pflichtteil und der Anrechnung auf den Pflichtteil

I. Allgemeines

1. Pflichtteilsberechtigung

§ 756. Der Pflichtteil ist der Anteil am Wert des Vermögens des Verstorbenen, der dem Pflichtteilsberechtigten zukommen soll.

§ 757. Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen sowie der Ehegatte oder eingetragene Partner des Verstorbenen.

§ 758. (1) Einer in § 757 angeführten Person steht ein Pflichtteil zu, wenn ihr bei gesetzlicher Erbfolge ein Erbrecht zustünde, sie nicht enterbt wurde und nicht auf den Pflichtteil verzichtet worden ist.

(2) Den Nachkommen einer erbunfähigen, enterbten oder vorverstorbenen Person steht ein Pflichtteil zu, wenn sie die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen. Der Verzicht auf den Pflichtteil und die Ausschlagung der Erbschaft erstrecken sich im Zweifel auch auf die Nachkommen. Die Nachkommen eines vorverstorbenen Pflichtteilsberechtigten, dessen Pflichtteil gemindert worden ist, müssen sich mit dem geminderten Pflichtteil begnügen, wenn auch für sie die Voraussetzungen für die Minderung vorliegen (§ 776 Abs. 1 und 2).

(3) Eine in ihrem Pflichtteil verkürzte Person kann sich auch dann auf ihre Pflichtteilsberechtigung stützen, wenn ihr ein Erbrecht aus einem Erbvertrag, einem letzten Willen oder dem Gesetz gebührt.

2. Höhe

§ 759. Als Pflichtteil gebührt jeder pflichtteilsberechtigten Person die Hälfte dessen, was ihr nach der gesetzlichen Erbfolge zustünde.

§ 760. (1) Wenn einer der in § 757 angeführten Personen infolge Pflichtteilsverzichtes oder Ausschlagung der Erbschaft kein Pflichtteil zusteht, erhöht dies im Zweifel die Pflichtteile der anderen Pflichtteilsberechtigten nicht.

(2) Wenn aber einer der in § 757 angeführten Personen aus anderen Gründen kein oder nur ein geminderter Pflichtteil zusteht und an ihrer Stelle auch keine Nachkommen den Pflichtteil erhalten, erhöhen sich die Pflichtteile der anderen Pflichtteilsberechtigten anteilig; die §§ 733 und 734 sind anzuwenden.

3. Erfüllungsarten

Leistung und Deckung des Pflichtteils

§ 761. (1) Der Pflichtteil ist in Geld zu leisten. Er kann aber auch durch eine Zuwendung auf den Todesfall des Verstorbenen (§ 780) oder eine Schenkung unter Lebenden (§ 781) gedeckt werden.

(2) Wenn der Verstorbene jemanden auf den Pflichtteil gesetzt hat, wird vermutet, dass er ihm einen Geldanspruch und nicht ein Vermächtnis zuwenden wollte.

Bedingungen und Belastungen

§ 762. Haften einer Zuwendung oder Schenkung im Sinn der §§ 780 und 781 Bedingungen oder Belastungen an, die der Verwertung des zugewendeten Vermögens entgegenstehen, so hindert dies nicht deren Eignung zur Pflichtteilsdeckung; ein dadurch fehlender oder verminderter Nutzen ist aber bei der Bewertung der Zuwendung oder Schenkung zu berücksichtigen.

Geldpflichtteil

§ 763. Soweit der Pflichtteil durch eine Zuwendung oder Schenkung im Sinn der §§ 780 und 781 nicht oder nicht voll gedeckt wird, kann der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil selbst oder dessen Ergänzung in Geld fordern.

4. Pflichtteilsschuldner

§ 764. (1) Der Pflichtteilsanspruch ist von der Verlassenschaft und nach der Einantwortung von den Erben zu erfüllen.

(2) Wenn der Pflichtteil durch eine Zuwendung oder Schenkung im Sinn der §§ 780 und 781 nicht oder nicht voll gedeckt wird, haben neben den Erben auch die Vermächtnisnehmer höchstens bis zum Wert der Verlassenschaft zu seiner Bedeckung verhältnismäßig beizutragen, nicht jedoch der Ehegatte oder eingetragene Partner mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis, der Lebensgefährte mit einem solchen gesetzlichen Vermächtnis und der Begünstigte aus einem Pflegevermächtnis.

5. Anfall und Fälligkeit

§ 765. (1) Der Pflichtteilsberechtigte erwirbt den Anspruch für sich und seine Nachfolger mit dem Tod des Verstorbenen.

(2) Den Geldpflichtteil kann der Pflichtteilsberechtigte erst ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen fordern.

Stundung

§ 766. (1) Der letztwillig Verfügende kann die Stundung des Pflichtteilsanspruchs auf höchstens fünf Jahre nach seinem Tod oder die Zahlung in Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums anordnen. Ebenso kann er die Deckung des Pflichtteils durch eine Zuwendung ganz oder zum Teil auf diesen Zeitraum erstrecken.

(2) In den Fällen des Abs. 1 kann der Pflichtteilsberechtigte den gesamten oder restlichen Geldpflichtteil erst mit Ende dieses Zeitraums fordern, es sei denn, dass ihn dies unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig hart träfe. Die Interessen und die Vermögenslage des Pflichtteilsschuldners sind angemessen zu berücksichtigen.

(3) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann der in Abs. 1 genannte Zeitraum auf insgesamt höchstens zehn Jahre durch das Gericht verlängert werden.

§ 767. (1) Der Pflichtteilsanspruch ist auf Verlangen eines Pflichtteilsschuldners auch gerichtlich zu stunden, soweit diesen die Erfüllung unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig hart träfe. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn er mangels ausreichenden anderen Vermögens die Wohnung, die ihm zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient, oder ein Unternehmen, das seine wirtschaftliche Lebensgrundlage darstellt, veräußern müsste. Ebenso ist der Geldpflichtteilsanspruch auf Verlangen eines Pflichtteilsschuldners zu stunden, wenn dessen sofortige Entrichtung den Fortbestand eines Unternehmens erheblich gefährdet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen.

(2) Das Gericht kann den Pflichtteilsanspruch auf höchstens fünf Jahre nach dem Tod des Verstorbenen stunden oder die Zahlung in Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums bewilligen.

(3) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann der in Abs. 2 genannte Zeitraum auf insgesamt höchstens zehn Jahre durch das Gericht verlängert werden.

Sicherstellung des Pflichtteilsanspruchs und Anpassung einer Stundungsregelung

§ 768. Das Gericht kann auf Antrag die Sicherstellung des Pflichtteilsanspruchs anordnen und bei einer erheblichen Änderung der Umstände eine Stundungsregelung ändern oder aufheben. Der Pflichtteilsschuldner und der Pflichtteilsberechtigte haben einander über eine wesentliche Änderung der Umstände unverzüglich zu informieren.

II. Ausschluss von der Pflichtteilsberechtigung

1. Enterbung

Allgemeines

§ 769. Enterbung ist die gänzliche oder teilweise Entziehung des Pflichtteils durch letztwillige Verfügung.

Enterbungsgründe

§ 770. Ein Pflichtteilsberechtigter kann enterbt werden, wenn er

1.

gegen den Verstorbenen eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist,

2.

gegen den Ehegatten, eingetragenen Partner, Lebensgefährten oder Verwandten in gerader Linie, die Geschwister des Verstorbenen und deren Kinder, Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten sowie die Stiefkinder des Verstorbenen eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist,

3.

absichtlich die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht hat (§ 540),

4.

dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat,

5.

sonst seine familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Verstorbenen gröblich vernachlässigt hat, oder

6.

wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

Enterbung aus guter Absicht

§ 771. Wenn auf Grund der Verschuldung oder des verschwenderischen Lebensstils eines Pflichtteilsberechtigten die Gefahr besteht, dass der ihm gebührende Pflichtteil ganz oder größtenteils seinen Kindern entgehen wird, kann ihm der Pflichtteil zugunsten seiner Kinder entzogen werden.

Art der Erklärung und Ursächlichkeit des Grundes

§ 772. (1) Die Enterbung kann ausdrücklich oder stillschweigend durch Übergehung in der letztwilligen Verfügung erfolgen.

(2) Der Enterbungsgrund muss für die Enterbung durch den Verstorbenen ursächlich gewesen sein.

Widerruf der Enterbung und Verzeihung

§ 773. (1) Die Enterbung kann widerrufen werden, und zwar ausdrücklich oder stillschweigend durch die nachträgliche letztwillige Bedenkung des vorher Enterbten oder durch den Widerruf der letztwilligen Verfügung, welche die Enterbung anordnet.

(2) Konnte der Verstorbene die Enterbung auf Grund fehlender Testierfähigkeit nicht mehr widerrufen, so ist die Enterbung unwirksam, wenn der Verstorbene zu erkennen gegeben hat, dass er dem Enterbten verziehen hat.

Beweislast

§ 774. (1) Das Vorliegen eines Enterbungsgrundes muss der Pflichtteilsschuldner beweisen.

(2) Bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes wird vermutet, dass dieser für die ausdrückliche oder stillschweigende Enterbung ursächlich war.

Enterbung ohne Grund und Übergehung

§ 775. (1) Hat der Verstorbene den Pflichtteilsberechtigten wegen eines bestimmten Verhaltens, das keinen Enterbungsgrund darstellt, ausdrücklich oder stillschweigend enterbt, so wird vermutet, dass er ihn auf den Pflichtteil setzen und nicht mit einem Erbteil bedenken wollte.

(2) Wenn der Verstorbene Kinder und deren Nachkommen hatte, von deren Geburt er bei Errichtung einer letztwilligen Verfügung nicht wusste, wird vermutet, dass er ihnen letztwillig etwas zukommen lassen wollte. Hatte er daneben noch andere Kinder, so wird vermutet, dass er das ihm nicht bekannte Kind zumindest gleich bedacht hätte wie das am mindesten bedachte Kind. Wenn das ihm nicht bekannte Kind sein einziges war, gilt die letztwillige Verfügung als widerrufen, es sei denn, dass der Verstorbene diese Verfügung auch in Kenntnis von seinem Kind errichtet hätte.

2. Pflichtteilsminderung

§ 776. (1) Der Verfügende kann den Pflichtteil letztwillig auf die Hälfte mindern, wenn er und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit oder zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Verfügenden nicht in einem Naheverhältnis standen, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich besteht.

(2) Das Recht auf Pflichtteilsminderung steht nicht zu, wenn der Verstorbene den Kontakt grundlos gemieden oder berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben hat.

(3) Die §§ 773 und 774 gelten sinngemäß für die Pflichtteilsminderung; die Pflichtteilsminderung kann auch stillschweigend durch Übergehung in der letztwilligen Verfügung angeordnet worden sein.

3. Notwendiger Unterhalt des Pflichtteilsberechtigten

§ 777. Selbst wenn ein Pflichtteilsberechtigter erbunwürdig oder enterbt worden ist, steht ihm doch stets der notwendige Unterhalt zu.

III. Pflichtteilsermittlung

1. Ermittlung und Berechnung des Pflichtteils

§ 778. (1) Auf Antrag eines Pflichtteilsberechtigten wird zur Ermittlung des Pflichtteils die gesamte Verlassenschaft genau beschrieben und geschätzt.

(2) Die Schätzung hat auf den Todestag des Verstorbenen abzustellen. Bis zur Erfüllung des Geldpflichtteils stehen dem Pflichtteilsberechtigten die gesetzlichen Zinsen zu.

§ 779. (1) Schulden und andere Lasten, die schon zu Lebzeiten des Verstorbenen auf dem Vermögen hafteten, werden von der Verlassenschaft ebenso abgezogen wie alle nach dem Erbfall und vor der Einantwortung entstandenen und mit der Besorgung, Verwaltung und Abhandlung der Verlassenschaft verbundenen Kosten.

(2) Der Pflichtteil wird aber ohne Rücksicht auf Vermächtnisse und andere aus dem letzten Willen entspringende Lasten berechnet.

2. Anrechnung von Zuwendungen auf den Todesfall

§ 780. (1) Alles, was der Pflichtteilsberechtigte als Erbteil, Vermächtnis oder nach dem Erbfall als Begünstigter einer vom Verstorbenen errichteten Privatstiftung oder vergleichbaren Vermögensmasse erhält, wird auf den Geldpflichtteil angerechnet, also von diesem abgezogen.

(2) Zuwendungen auf den Todesfall sind auf den Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen zu bewerten.

3. Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen unter Lebenden

§ 781. (1) Schenkungen, die der Pflichtteilsberechtigte oder auch ein Dritter vom Verstorbenen zu dessen Lebzeiten oder auf den Todesfall erhalten hat, sind der Verlassenschaft nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen hinzuzurechnen und auf einen allfälligen Geldpflichtteil des Geschenknehmers anzurechnen.

(2) Als Schenkung in diesem Sinn gelten auch

1.

die Ausstattung eines Kindes,

2.

ein Vorschuss auf den Pflichtteil,

3.

die Abfindung für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht,

4.

die Vermögenswidmung an eine Privatstiftung,

5.

die Einräumung der Stellung als Begünstigter einer Privatstiftung, soweit ihr der Verstorbene sein Vermögen gewidmet hat, sowie

6.

jede andere Leistung, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden gleichkommt.

Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen

§ 782. (1) Auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten sind Schenkungen, die der Verstorbene in den letzten beiden Jahren vor seinem Tod an Personen, die nicht dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten angehören (§ 757), wirklich gemacht hat, bei der Berechnung der Verlassenschaft hinzuzurechnen.

(2) Dieses Recht steht einem Nachkommen nur bei Schenkungen zu, die der Verstorbene zu einer Zeit gemacht hat, zu der er ein pflichtteilsberechtigtes Kind gehabt hat, dem Ehegatten oder eingetragenen Partner nur bei Schenkungen, die während seiner Ehe oder eingetragenen Partnerschaft mit dem Verstorbenen gemacht worden sind.

Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte

§ 783. (1) Auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten oder eines Erben sind Schenkungen an Personen, die dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten angehören (§ 757), der Verlassenschaft hinzuzurechnen und auf den Pflichtteil der beschenkten Person oder derjenigen Person, die an deren Stelle tritt, anzurechnen. Ein Geschenknehmer, der im Zeitpunkt der Schenkung allgemein zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehörte (§ 757) und dem deshalb kein Pflichtteil zukommt, weil er auf seinen Pflichtteil verzichtet hat oder die Erbschaft ausgeschlagen hat, kann ebenfalls die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte verlangen.

(2) Die Hinzu- und Anrechnung kann auch ein Vermächtnisnehmer verlangen, soweit er zur Pflichtteilserfüllung beizutragen hat oder einen verhältnismäßigen Abzug erleidet.

Ausnahmen

§ 784. Schenkungen, die der Verstorbene aus Einkünften ohne Schmälerung des Stammvermögens, zu gemeinnützigen Zwecken, in Entsprechung einer sittlichen Pflicht oder aus Gründen des Anstandes gemacht hat, sind weder hinzu- noch anzurechnen, sofern der Verstorbene und der Geschenknehmer nichts anderes vereinbart haben.

§ 785. Schenkungen an einen Pflichtteilsberechtigten sind auf dessen Pflichtteil insoweit nicht anzurechnen, als der Verstorbene den Erlass dieser Anrechnung letztwillig verfügt oder mit ihm vereinbart hat. In einem solchen Fall ist die von der Anrechnung befreite Zuwendung bei der Ermittlung des Pflichtteils dieses von der Anrechnung befreiten Pflichtteilsberechtigten nicht hinzuzurechnen. Der Vertrag über den Erlass der Anrechnung bedarf der Schriftform; die Aufhebung dieses Vertrags bedarf der Formvorschriften für einen Pflichtteilsverzicht.

Auskunftsanspruch

§ 786. Wer berechtigt ist, die Hinzurechnung bestimmter Schenkungen zu verlangen, hat in Bezug auf diese einen Auskunftsanspruch gegen die Verlassenschaft, die Erben und den Geschenknehmer.

Rechenmethode

§ 787. (1) Eine Schenkung, die der Verlassenschaft nach den vorstehenden Bestimmungen hinzugerechnet wird, ist ihr rechnerisch hinzuzuschlagen. Von der dadurch vergrößerten Verlassenschaft sind die Pflichtteile zu ermitteln.

(2) Von einem auf solche Art und Weise vergrößerten Pflichtteil ist die Schenkung an den pflichtteilsberechtigten Geschenknehmer, soweit sie auf seinen Pflichtteil anzurechnen ist, abzuziehen.

Bewertung der Schenkung

§ 788. Die geschenkte Sache ist auf den Zeitpunkt zu bewerten, in dem die Schenkung wirklich gemacht wurde. Dieser Wert ist sodann auf den Todeszeitpunkt nach einem von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex anzupassen.

IV. Haftung des Geschenknehmers

§ 789. (1) Wenn bei Bestimmung der Pflichtteile Schenkungen hinzu- oder angerechnet werden, die Verlassenschaft aber zur Deckung der Pflichtteile nicht ausreicht, kann der verkürzte Pflichtteilsberechtigte vom Geschenknehmer die Zahlung des Fehlbetrags verlangen. Dies gilt nicht für die Ausstattung, die ein Kind erhalten hat, soweit es auf diese nach § 1220 einen Anspruch hatte.

(2) Mehrere Geschenknehmer haften für den Ausfall am Pflichtteil anteilig im Verhältnis des Wertes ihrer Geschenke.

(3) Bezahlt der Geschenknehmer den Fehlbetrag oder den Anteil, für den er nach Abs. 2 einzustehen hat, nicht, so haftet er nur mit der zugewendeten Sache.

§ 790. (1) Besitzt der Geschenknehmer die zugewendete Sache oder ihren Wert nicht mehr oder hat sich ihr Wert vermindert, so haftet er mit seinem gesamten Vermögen, wenn er diesen Verlust unredlich zugelassen hat.

(2) Auf den Anspruch auf Zahlung des Fehlbetrags sind §§ 766 bis 768 über die Stundung des Pflichtteils sinngemäß anzuwenden.

§ 791. (1) Ein pflichtteilsberechtigter Geschenknehmer (§ 758) haftet einem anderen verkürzten Pflichtteilsberechtigten nur insoweit, als er infolge der Schenkung mehr als den ihm bei Berücksichtigung der hinzuzurechnenden Schenkungen gebührenden Pflichtteil erhalten hat.

(2) Ist der Geschenknehmer vorverstorben, hat er auf seinen Pflichtteil verzichtet oder die Erbschaft ausgeschlagen, so steht ihm oder seinen Erben die Haftungsfreistellung in Höhe seines hypothetischen Pflichtteils, der zum Todeszeitpunkt des Verstorbenen zu berechnen ist, zu. Die Schenkung ist selbst dann hinzuzurechnen, wenn der Verstorbene die Anrechnung auf den Pflichtteil erlassen hat.

(3) Soweit der Geschenknehmer oder dessen Erbe eine Haftungsbeschränkung bereits geltend gemacht hat, kann eine Person, der der Pflichtteil anstelle des Pflichtteilsberechtigten zufällt oder deren Pflichtteil durch den Wegfall des Pflichtteilsberechtigten erhöht wird, keine weitere solche Haftungsbeschränkung geltend machen.

§ 792. Wenn der Geschenknehmer im Zeitpunkt der Schenkung nicht zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehörte (§ 757), haftet er nicht, wenn der Verstorbene die Schenkung mehr als zwei Jahre vor seinem Tod wirklich gemacht hat.

Fünfzehntes Hauptstück

Erwerb einer Erbschaft

I. Voraussetzungen für den Erwerb einer Erbschaft

Einantwortungsprinzip

§ 797. (1) Niemand darf eine Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen. Der Erwerb einer Erbschaft erfolgt in der Regel nach Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens durch die Einantwortung der Verlassenschaft, das ist die Übergabe in den rechtlichen Besitz der Erben.

(2) Wie weit das Gericht nach einem Todesfall von Amts wegen vorzugehen hat und welche Fristen und Sicherungsmittel bei der Abhandlung zu beachten sind, bestimmen die Verfahrensgesetze. Sie regeln auch, wie ein Erbe oder Gläubiger Ansprüche gegen die Verlassenschaft geltend machen kann.

Überlassung der Verlassenschaft

§ 798. Überlässt das Gericht eine überschuldete Verlassenschaft an Zahlungs statt, so bildet der Überlassungsbeschluss den Titel zum Erwerb. Das Gleiche gilt für die gerichtlich erteilte Ermächtigung, Verlassenschaftsvermögen zu übernehmen.

Nachweis des Rechtstitels; Erbantrittserklärung

§ 799. Wer eine Erbschaft erwerben will, muss dem Gericht den Rechtstitel (Erbvertrag, letztwillige Verfügung oder Gesetz) nachweisen und ausdrücklich erklären, die Erbschaft anzutreten.

Bedingte und unbedingte Erbantrittserklärung

§ 800. Die Erbantrittserklärung kann unbedingt oder bedingt, also unter dem Vorbehalt der Errichtung eines Inventars, abgegeben werden.

Wirkung der unbedingten Erbantrittserklärung

§ 801. Die unbedingte Erbantrittserklärung bewirkt, dass der Erbe persönlich allen Gläubigern des Verstorbenen für ihre Forderungen und allen Vermächtnisnehmern für ihre Vermächtnisse haftet, selbst wenn die Verlassenschaft zur Deckung dieser Lasten nicht hinreicht.

Wirkung der bedingten Erbantrittserklärung

§ 802. Wird die Erbschaft mit Vorbehalt des Inventars angetreten, so hat das Gericht auf Kosten der Verlassenschaft ein Inventar zu errichten. Ein solcher Erbe haftet den Gläubigern und Vermächtnisnehmern nur so weit, als die Verlassenschaft für ihre und auch seine eigenen Forderungen, das Erbrecht ausgenommen, hinreicht.

Berechtigung zum Antritt oder zur Ausschlagung der Erbschaft

§ 803. (1) Letztwillige Anordnungen, wonach der Erbe die Erbschaft nur unbedingt antreten darf oder bei Abgabe einer bedingten Erbantrittserklärung oder bei Antragstellung auf Inventarisierung der Verlassenschaft verliert, sind ungültig und gelten als nicht beigesetzt.

(2) Auf das Recht, eine Erbschaft bedingt oder unbedingt anzutreten, sie auszuschlagen oder die Errichtung eines Inventars zu verlangen, kann im Voraus nicht verzichtet werden.

§ 804. Auch ein Pflichtteilsberechtigter kann die Errichtung des Inventars beantragen.

§ 805. Der Erbe kann die Erbschaft auch ausschlagen.

§ 806. Der Erbe kann weder die Ausschlagung noch seine Erbantrittserklärung widerrufen noch seine unbedingte in eine bedingte Erbantrittserklärung ändern und sich die Errichtung des Inventars vorbehalten.

§ 807. Wenn auch nur ein Miterbe eine bedingte Erbantrittserklärung abgibt, so ist ein Inventar zu errichten, das der Verlassenschaftsabhandlung zu Grunde zu legen ist. Nach Errichtung eines Inventars genießt auch ein Erbe, der eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat, die damit verbundene Haftungsbeschränkung.

§ 808. (1) Wird eine Person zum Erben eingesetzt, der auch ohne letztwillige Verfügung das Erbrecht ganz oder zum Teil gebührt hätte, so ist sie nicht befugt, sich auf die gesetzliche Erbfolge zu berufen, wenn dadurch vom Verstorbenen getroffene Anordnungen unausgeführt blieben. In einem solchen Fall muss sie die Erbschaft entweder aus dem letzten Willen antreten oder sie zur Gänze ausschlagen.

(2) Eine pflichtteilsberechtigte Person kann die Erbschaft nicht unter dem Vorbehalt ihres Pflichtteiles ausschlagen.

Übertragung des Erbrechts

§ 809. Stirbt der Erbe, bevor er die angefallene Erbschaft angetreten oder ausgeschlagen hat, so treten seine Erben in das Recht, die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen, ein (§ 537).

II. Vorkehrungen vor Einantwortung

1. Verwaltung

§ 810. (1) Der Erbe, der bei Antretung der Erbschaft sein Erbrecht hinreichend ausweist, hat das Recht, das Verlassenschaftsvermögen zu benützen, zu verwalten und die Verlassenschaft zu vertreten, solange das Verlassenschaftsgericht nichts anderes anordnet. Trifft dies auf mehrere Personen zu, so üben sie dieses Recht gemeinsam aus, soweit sie nichts anderes vereinbaren.

(2) Verwaltungs- und Vertretungshandlungen vor Abgabe von Erbantrittserklärungen zur gesamten Verlassenschaft sowie alle Veräußerungen von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen bedürfen der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts, wenn sie nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Handlung für die Verlassenschaft offenbar nachteilig wäre.

(3) Ist nach der Aktenlage die Errichtung eines Inventars zu erwarten, so dürfen Vermögensgegenstände, deren Veräußerung nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, erst veräußert werden, nachdem sie in ein Inventar (Teilinventar) aufgenommen worden sind.

2. Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger

§ 811. Die Gläubiger können die Befriedigung oder Sicherstellung ihrer Forderungen gegen die Verlassenschaft bereits vor Abgabe einer Erbantrittserklärung verlangen und zur Vertretung der Verlassenschaft die Bestellung eines Kurators beantragen.

3. Absonderung der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben

§ 812. (1) Wenn die Forderung eines Gläubigers der Verlassenschaft durch Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben gefährdet wäre, kann der Gläubiger vor der Einantwortung beantragen, dass ein seiner Forderung entsprechender Teil der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben abgesondert, vom Gericht verwahrt oder von einem Kurator verwaltet wird, bis sein Anspruch berichtigt ist.

(2) In einem solchen Fall haftet der Erbe den Separationsgläubigern auch nach Abgabe einer unbedingten Erbantrittserklärung nur mit der abgesonderten Verlassenschaft, den übrigen Gläubigern aber wie ein bedingt erbantrittserklärter Erbe.

(3) Die Absonderung kann durch eine angemessene Sicherheitsleistung des Erben, die auch der Verlassenschaft entnommen werden kann, abgewendet oder aufgehoben werden. Die Absonderung ist weiters von Amts wegen oder auf Antrag aufzuheben, wenn sie zu Unrecht bewilligt wurde, ihre Voraussetzungen weggefallen sind oder die Separationsgläubiger ihre Ansprüche nicht ohne Verzug gehörig betreiben.

4. Aufforderung der Verlassenschaftsgläubiger

§ 813. Der Erbe oder Verlassenschaftskurator kann zur Feststellung des Schuldenstandes beantragen, dass mit Edikt alle Gläubiger aufgefordert werden, ihre Forderungen binnen einer zu bestimmenden angemessenen Frist anzumelden. Dieses Edikt hat den Hinweis zu enthalten, dass bis zum Ablauf der Frist mit der Befriedigung der Gläubiger innegehalten werden kann.

Wirkung der Aufforderung oder ihrer Unterlassung

§ 814. Die gerichtliche Aufforderung bewirkt, dass den Gläubigern, die ihre Forderung nicht fristgerecht angemeldet haben, gegen die Verlassenschaft kein weiterer Anspruch zusteht, wenn sie durch Befriedigung der angemeldeten Forderungen erschöpft ist. Das gilt nicht, soweit die Forderung pfandrechtlich gesichert ist.

§ 815. Wenn der Erbe die Aufforderung unterlässt oder nur einige Gläubiger befriedigt, ohne auf die Rechte der anderen Rücksicht zu nehmen, und deshalb einige Gläubiger wegen Überschuldung der Verlassenschaft unbefriedigt bleiben, haftet der Erbe diesen Gläubigern, ungeachtet einer bedingten Erbantrittserklärung, mit seinem ganzen Vermögen für denjenigen Betrag, den sie bei gehöriger Aufforderung oder Befriedigung erhalten hätten.

5. Nachweis über die Erfüllung des letzten Willens

Testamentsvollstrecker

§ 816. Der Verstorbene kann letztwillig einen Vollstrecker seines letzten Willens ernennen. Übernimmt der Testamentsvollstrecker diese Aufgabe, so hat er entweder als Machthaber die Anordnungen des Verstorbenen selbst zu vollziehen oder deren Einhaltung zu überwachen und den säumigen Erben zur Vollziehung derselben zu veranlassen.

Nachweis der Testamentserfüllung

§ 817. Ist kein Testamentsvollstrecker ernannt oder nimmt dieser seine Ernennung nicht an, so hat der Erbe dem Gericht nachzuweisen, dass er den Willen des Verstorbenen möglichst erfüllt oder Sicherheit geleistet hat.

III. Einantwortung und ihre Folgen

Einantwortung

§ 819. Sobald die Erbantrittserklärungen abgegeben wurden, die Erben und ihre Quoten feststehen und die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, wird den Erben die Erbschaft eingeantwortet und die Abhandlung beendet. Die Erben haben ihr durch die Einantwortung begründetes Eigentum an unbeweglichen Sachen in die öffentlichen Bücher eintragen zu lassen (§ 436).

Haftung mehrerer Erben

§ 820. Mehrere Erben, die eine Erbschaft unbedingt angetreten haben, haften Erbschaftsgläubigern und Vermächtnisnehmern zur ungeteilten Hand. Im Verhältnis zueinander haften sie nach dem Verhältnis ihrer Erbteile.

§ 821. Wenn ein Inventar errichtet wurde und die Schuld teilbar ist, haftet jeder Miterbe persönlich nur für denjenigen Teil einer Forderung, der seiner Erbquote entspricht. Ist die Schuld unteilbar, so haften die Erben trotz Inventarisierung zur ungeteilten Hand, insgesamt jedoch höchstens bis zum Wert der eingeantworteten Verlassenschaft.

Erbschafts- und Aneignungsklage

§ 823. (1) Auch nach Einantwortung kann der Erwerber der Verlassenschaft von jeder Person, die ein besseres oder gleichwertiges Erbrecht behauptet, auf Herausgabe der Erbschaft oder des seiner Berechtigung entsprechenden Teils der Erbschaft belangt werden. Das Eigentum an einzelnen Erbschaftstücken wird aber nicht mit der Erbschafts-, sondern mit der Eigentumsklage geltend gemacht.

(2) Der Bund kann in sinngemäßer Anwendung des Abs. 1 gegen den eingeantworteten Erben das Recht, sich die Verlassenschaft anzueignen, geltend machen.

Wirkung der Erbschafts- und Aneignungsklage

§ 824. Wenn der Beklagte ganz oder zum Teil zur Herausgabe der Verlassenschaft verurteilt wird, sind die Ansprüche auf die Zurückstellung der von ihm gezogenen Früchte oder auf die Vergütung der von ihm getätigten Aufwendungen und Kosten nach denjenigen Grundsätzen zu beurteilen, die für den redlichen oder unredlichen Besitzer im Hauptstück vom Besitz festgesetzt sind. Ein dritter redlicher Erwerber ist für die in der Zwischenzeit erworbenen Erbstücke niemandem verantwortlich.

Sechzehntes Hauptstück.

Von der Gemeinschaft des Eigenthumes und anderer dinglichen Rechte.

Ursprung einer Gemeinschaft.

§ 825. So oft das Eigenthum der nähmlichen Sache, oder ein und dasselbe Recht mehreren Personen ungetheilt zukommt; besteht eine Gemeinschaft. Sie gründet sich auf eine zufällige Ereignung; auf ein Gesetz; auf eine letzte Willenserklärung; oder auf einen Vertrag.

§ 826. Nach Verschiedenheit der Quellen, aus denen eine Gemeinschaft entspringt, erhalten auch die Rechte und Pflichten der Theilhaber ihre nähere Bestimmung. Für eine bloße Miteigentumsgemeinschaft gelten die Bestimmungen des siebenundzwanzigsten Hauptstücks nur dann, wenn die Miteigentümer ausdrücklich vereinbaren, als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammenwirken zu wollen.

§ 827. Wer einen Antheil an einer gemeinschaftlichen Sache anspricht, der muß sein Recht, wenn es von den übrigen Theilnehmern widersprochen wird, beweisen.

Gemeinschaftliche Rechte der Theilhaber.

§ 828. (1) So lange alle Theilhaber einverstanden sind, stellen sie nur Eine Person vor, und haben das Recht, mit der gemeinschaftlichen Sache nach Belieben zu schalten. Sobald sie uneinig sind, kann kein Theilhaber in der gemeinschaftlichen Sache eine Veränderung vernehmen, wodurch über den Antheil des Andern verfügt würde.

(2) Eine gerichtliche oder vertraglich vereinbarte Benützungsregelung zwischen den Teilhabern einer unbeweglichen Sache wirkt auch für deren Rechtsnachfolger, wenn sie im Grundbuch angemerkt ist.

Rechte des Theilhabers auf seinen Antheil.

§ 829. Jeder Theilhaber ist vollständiger Eigenthümer seines Antheiles. In so fern er die Rechte seiner Mitgenossen nicht verletzt, kann er denselben, oder die Nutzungen davon willkührlich und unabhängig verpfänden, vermachen, oder sonst veräußern (§. 361).

§ 830. Jeder Theilhaber ist befugt, auf Ablegung der Rechnung und auf Vertheilung des Ertrages zu dringen. Er kann in der Regel auch die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen; doch nicht zur Unzeit, oder zum Nachtheile der Uebrigen. Er muß sich daher einen, den Umständen angemessenen, nicht wohl vermeidlichen Aufschub gefallen lassen.

§ 831. Hat sich ein Theilhaber zur Fortsetzung der Gemeinschaft verbunden, so kann er zwar vor Verlauf der Zeit nicht austreten; allein diese Verbindlichkeit wird, wie andere Verbindlichkeiten, aufgehoben, und erstreckt sich nicht auf die Erben, wenn diese nicht selbst dazu eingewilliget haben.

§ 832. Auch die Anordnung eines Dritten, wodurch eine Sache zur Gemeinschaft bestimmt wird, muß zwar von den ersten Theilhabern, nicht auch von ihren Erben befolgt werden. Eine Verbindlichkeit zu einer immerwährenden Gemeinschaft kann nicht bestehen.

Rechte der Theilhaber in der gemeinschaftlichen Sache:

a) In Rücksicht des Hauptstammes;

§ 833. Der Besitz und die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache kommt allen Theilhabern insgesammt zu. In Angelegenheiten, welche nur die ordentliche Verwaltung und Benützung des Hauptstammes betreffen, entscheidet die Mehrheit der Stimmen, welche nicht nach den Personen, sondern nach Verhältniß der Antheile der Theilnehmer gezählet werden.

§ 834. Bey wichtigen Veränderungen aber, welche zur Erhaltung oder bessern Benützung des Hauptstammes vorgeschlagen werden, können die Ueberstimmten Sicherstellung für künftigen Schaden; oder, wenn diese verweigert wird, den Austritt aus der Gemeinschaft verlangen.

§ 835. Wollen sie nicht austreten; oder geschähe der Austritt zur Unzeit; so soll das Los, ein Schiedsmann, oder, wofern sie sich darüber nicht einhellig vereinigen, der Richter entscheiden, ob die Veränderung unbedingt oder gegen Sicherstellung Statt finden soll oder nicht. Diese Arten der Entscheidung treten auch bey gleichen Stimmen der Mitglieder ein.

§ 836. Ist ein Verwalter der gemeinschaftlichen Sachen zu bestellen; so entscheidet über dessen Auswahl die Mehrheit der Stimmen, und in deren Abgang der Richter.

§ 837. Der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes wird als ein Machthaber angesehen. Er ist einerseits verbunden, ordentliche Rechnung abzulegen; andererseits aber befugt, alle nützlich gemachte Auslagen in Abrechnung zu bringen. Dieses gilt auch in dem Falle, daß ein Theilgenosse ein gemeinschaftliches Gut ohne Auftrag der übrigen Theilnehmer verwaltet.

§ 838. Wird die Verwaltung Mehrern überlassen; so entscheidet auch unter ihnen die Mehrheit der Stimmen.

§ 838a. Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten sind im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden.

b) der Nutzungen und Lasten;

§ 839. Die gemeinschaftlichen Nutzungen und Lasten werden nach Verhältniß der Antheile ausgemessen. Im Zweifel wird jeder Antheil gleich groß angesehen; wer das Gegentheil behauptet, muß es beweisen.

§ 840. Ordentlicher Weise sind die erzielten Nutzungen in Natur zu theilen. Ist aber diese Vertheilungsart nicht thunlich; so ist jeder berechtigt, auf die öffentliche Feilbiethung zu dringen. Der gelöste Werth wird den Theilhabern verhältnißmäßig entrichtet.

c) der Theilung.

§ 841. Bey der nach aufgehobener Gemeinschaft vorzunehmenden Theilung der gemeinschaftlichen Sache gilt keine Mehrheit der Stimmen. Die Theilung muß zur Zufriedenheit eines jeden Sachgenossen vorgenommen werden. Können sie nicht einig werden; so entscheidet das Los, oder ein Schiedsmann, oder, wenn sie sich über die Bestimmung der einen oder andern dieser Entscheidungsarten nicht einhellig vereinigen, der Richter.

§ 842. Ein Schiedsmann oder der Richter entscheidet auch, ob bey der Theilung liegender Gründe oder Gebäude ein Theilgenosse, zur Benützung seines Antheiles, einer Servitut bedürfe, und unter welcher Bedingung sie ihm zu verwilligen sey.

§ 843. Kann eine gemeinschaftliche Sache entweder gar nicht, oder nicht ohne beträchtliche Verminderung des Werthes getheilt werden; so ist sie, und zwar wenn auch nur Ein Theilgenosse es verlangt, vermittelst gerichtlicher Feilbiethung zu verkaufen, und der Kaufschilling unter die Theilhaber zu vertheilen.

§ 844. Servituten, Grenzzeichen und die zum gemeinschaftlichen Gebrauche nötigen Urkunden sind keiner Teilung fähig. Die Urkunden werden, wenn sonst nichts im Wege steht, bei dem ältesten Teilhaber niedergelegt. Die übrigen erhalten auf ihre Kosten beglaubigte Abschriften. Die Grunddienstbarkeiten bestehen mangels Vereinbarung zugunsten aller Teile fort; jedoch darf die Dienstbarkeit dadurch nicht erweitert oder für das dienstbare Gut beschwerlicher werden. Kommt die Ausübung der Dienstbarkeit nur einzelnen Teilen zugute, so erlischt das Recht hinsichtlich der übrigen Teile.

§ 845. Bei Teilungen der Grundstücke sind die gegenseitigen Grenzen durch entsprechende Grenzzeichen auf eine deutliche und unwandelbare Art zu bezeichnen.

§ 846. Ueber die gemachte Theilung sind Urkunden zu errichten. Ein Theilhaber einer unbeweglichen Sache erhält auch erst dadurch ein dingliches Recht auf seinen Antheil, daß die darüber errichtete Urkunde den öffentlichen Büchern einverleibt wird. (§. 436)

§ 847. Die bloße Teilung was immer für eines gemeinschaftlichen Gutes kann einem Dritten nicht zum Nachteile gereichen; alle ihm zustehenden Pfand-, Servituts- und anderen dinglichen Rechte werden nach wie vor der Teilung ausgeübt. Trifft jedoch die Ausübung einer Grunddienstbarkeit nur ein Teilstück, so erlischt das Recht hinsichtlich der übrigen Teile.

§ 848. Auch persönliche Rechte, die einem Dritten gegen eine Gemeinschaft zustehen, haben ungeachtet des erfolgten Austrittes ihre vorige Kraft. Ebenso kann derjenige, welcher an eine Gemeinschaft schuldig ist, die Zahlung nicht an einzelne Teilnehmer entrichten. Solche Schulden müssen an die ganze Gemeinschaft oder an jenen, der sie ordentlich vorstellt, abgetragen werden.

§ 848a. Gewährt eine Dienstbarkeit oder eine andere dingliche Last einen Anspruch auf Nutzungen, so kann bei Teilung des herrschenden Grundstückes jeder Berechtigte und bei Teilung des belasteten Grundstückes jeder Belastete eine gerichtliche Regelung der Ausübung begehren. Die Ausübung ist mit Rücksicht auf die Natur und Zweckbestimmung des Rechtes sowie auf das Größenverhältnis und die wirtschaftliche Besonderheit der einzelnen Liegenschaftsteile ohne Erschwerung der Last so zu regeln, wie es allen Interessen billigerweise entspricht.

§ 849. Was bisher von der Gemeinschaft überhaupt bestimmt worden ist, läßt sich auch auf die einer Familie, als einer Gemeinschaft, zustehenden Rechte und Sachen, z. B. Stiftungen, Fideicommisse u. dgl. anwenden.

Erneuerung und Berichtigung der Grenzen

§ 850. Wenn die Grenzzeichen zwischen zwei Grundstücken durch was immer für Umstände so verletzt worden sind, daß sie ganz unkenntlich werden könnten, oder wenn die Grenzen wirklich unkennbar oder streitig sind, so hat jeder der Nachbarn das Recht, die gerichtliche Erneuerung oder Berichtigung der Grenze zu verlangen. Zu diesem Behufe sind die Nachbarn zu einer Verhandlung im Verfahren außer Streitsachen mit dem Bedeuten zu laden, daß trotz Ausbleibens des Geladenen die Grenze festgesetzt und vermarkt werden wird.

§ 851. (1) Sind die Grenzen wirklich unkennbar geworden oder streitig, so werden sie nach dem letzten ruhigen Besitzstande festgesetzt. Läßt sich dieser nicht feststellen, so hat das Gericht die streitige Fläche nach billigem Ermessen zu verteilen.

(2) Jeder Partei bleibt es vorbehalten, ihr besseres Recht im Prozeßweg geltend zu machen.

§ 852. Die wichtigsten Behelfe bey einer Gränzberichtigung sind: die Ausmessung und Beschreibung, oder auch die Abzeichnung des streitigen Grundes; dann, die sich darauf beziehenden öffentlichen Bücher und andere Urkunden; endlich, die Aussagen sachkündiger Zeugen, und das von Sachverständigen nach vorgenommenem Augenscheine gegebene Gutachten.

§ 853. (1) Die Kosten des Verfahrens sind von den Nachbarn nach Maß ihrer Grenzlinien zu bestreiten. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn sich aus der Verhandlung ergibt, daß die Grenzerneuerung oder Grenzberichtigung nicht notwendig war, weil die Grenze nicht bestritten oder hinlänglich kenntlich gewesen ist, oder weil die anderen Beteiligten zur außergerichtlichen Vermarkung bereit waren.

(2) Wenn das Verfahren durch Störung des ruhigen Besitzes veranlaßt wurde, kann das Gericht die Kosten ganz oder teilweise der Partei auferlegen, die den Streit veranlaßt hat.

§ 853a. Für Grenzen von Grundstücken, die im Grenzkataster enthalten sind, finden die Bestimmungen der §§ 850 bis 853 keine Anwendung.

Vermuthete Gemeinschaft.

§ 854. Erdfurchen, Zäune, Hecken, Planken, Mauern, Privat-Bäche, Canäle, Plätze und andere dergleichen Scheidewände, die sich zwischen benachbarten Grundstücken befinden, werden für ein gemeinschaftliches Eigenthum angesehen, wenn nicht Wapen (Anm.: richtig: Wappen), Auf- oder Inschriften, oder andere Kennzeichen und Behelfe das Gegentheil beweisen.

§ 855. Jeder Mitgenosse kann eine gemeinschaftliche Mauer auf seiner Seite bis zur Hälfte in der Dicke benützen, auch Blindthüren und Wandschränke dort anbringen, wo auf der entgegengesetzten Seite noch keine angebracht sind. Doch darf das Gebäude durch einen Schorstein, Feuerherd oder andere Anlagen nicht in Gefahr gesetzt, und der Nachbar auf keine Art in dem Gebrauche seines Antheiles gehindert werden.

§ 856. Alle Miteigenthümer tragen zur Erhaltung solcher gemeinschaftlichen Scheidewände verhältnißmäßig bey. Wo sie doppelt vorhanden sind; oder das Eigenthum getheilt ist, bestreitet jeder die Unterhaltungskosten für das, was ihm allein gehört.

§ 857. Ist die Stellung einer Scheidewand von der Art, daß die Ziegel, Latten oder Steine nur auf einer Seite vorlaufen oder abhängen; oder sind die Pfeiler, Säulen, Ständer, Bachställe auf Einer Seite eingegraben; so ist im Zweifel auf dieser Seite das ungetheilte Eigenthum der Scheidewand, wenn nicht aus einer beyderseitigen Belastung, Einfügung, aus anderen Kennzeichen oder sonstigen Beweisen das Gegentheil erhellet. Auch derjenige wird für den ausschließenden Besitzer einer Mauer gehalten, welcher eine in der Richtung gleich fortlaufende Mauer von gleicher Höhe und Dicke unstreitig besitzt.

§ 858. In der Regel ist der ausschließende Besitzer nicht schuldig, seine verfallene Mauer oder Planke neu aufzuführen; nur dann muß er sie in gutem Stande erhalten, wenn durch die Oeffnung für den Gränznachbar Schaden zu befürchten stünde. Es ist aber jeder Eigenthümer verbunden, auf der rechten Seite seines Haupteinganges für die nöthige Einschließung seines Raumes, und für die Abtheilung von dem fremden Raume zu sorgen.

Zweyter Theil.

Zweyte Abtheilung.

Von den persönlichen Sachenrechten.

Siebzehntes Hauptstück.

Von Verträgen und Rechtsgeschäften überhaupt.

Grund der persönlichen Sachenrechte.

§ 859. Die persönlichen Sachenrechte, vermöge welcher eine Person einer andern zu einer Leistung verbunden ist, gründen sich unmittelbar auf ein Gesetz; oder auf ein Rechtsgeschäft; oder auf eine erlittene Beschädigung.

Auslobung

§ 860. Die nicht an bestimmte Personen gerichtete Zusage einer Belohnung für eine Leistung oder einen Erfolg (Auslobung) wird durch die öffentliche Bekanntmachung verbindlich. Eine Auslobung, die eine Preisbewerbung zum Gegenstande hat, ist nur gültig, wenn in der Bekanntmachung eine Frist für die Bewerbung bestimmt ist.

§ 860a. Bis zur Vollendung der Leistung kann die Auslobung in derselben Form, in welcher sie bekannt gemacht war, oder einer gleich wirksamen Form, oder durch besondere Mitteilung widerrufen werden, wenn anders darauf in der Bekanntmachung nicht ausdrücklich oder durch Bestimmung einer Frist verzichtet ist. Der Widerruf ist aber unwirksam gegenüber demjenigen, der die Leistung im Hinblick auf die Auslobung vollbracht hat, wenn er dartut, daß der Widerruf ihm zu dieser Zeit ohne sein Verschulden nicht bekannt geworden war.

§ 860b. Ist die Leistung von mehreren Personen vollbracht worden, so gebührt, falls nicht aus der Auslobung ein anderer Wille hervorgeht, die Belohnung demjenigen, der die Leistung zuerst vollbracht hat, und bei gleichzeitiger Vollendung allen zu gleichen Theilen.

Abschließung des Vertrages.

§ 861. Wer sich erkläret, daß er jemanden sein Recht übertragen, das heißt, daß er ihm etwas gestatten, etwas geben, daß er für ihn etwas thun, oder seinetwegen etwas unterlassen wolle, macht ein Versprechen; nimmt aber der Andere das Versprechen gültig an, so kommt durch den übereinstimmenden Willen beyder Theile ein Vertrag zu Stande. So lange die Unterhandlungen dauern, und das Versprechen noch nicht gemacht, oder weder zum voraus, noch nachher angenommen ist, entsteht kein Vertrag.

§ 862. Das Versprechen (Antrag) muß innerhalb der vom Antragsteller bestimmten Frist angenommen werden. In Ermanglung einer solchen muß der einem Anwesenden oder mittels Fernsprechers von Person zu Person gemachte Antrag sogleich, der sonst einem Abwesenden gemachte Antrag längstens bis zu dem Zeitpunkte angenommen werden, in welchem der Antragsteller unter der Voraussetzung, daß sein Antrag rechtzeitig angekommen sei, bei rechtzeitiger und ordnungsmäßiger Absendung der Antwort deren Eintreffen erwarten darf; widrigenfalls ist der Antrag erloschen. Vor Ablauf der Annahmefrist kann der Antrag nicht zurückgenommen werden. Er erlischt auch nicht, wenn ein Teil während der Annahmefrist stirbt oder handlungsunfähig wird, sofern nicht ein anderer Wille des Antragstellers aus den Umständen hervorgeht.

§ 862a. Als rechtzeitig gilt die Annahme, wenn die Erklärung innerhalb der Annahmefrist dem Antragsteller zugekommen ist. Trotz ihrer Verspätung kommt jedoch der Vertrag zustande, wenn der Antragsteller erkennen mußte, daß die Annahmeerklärung rechtzeitig abgesendet wurde, und gleichwohl seinen Rücktritt dem andern nicht unverzüglich anzeigt.

§ 863. (1) Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen; sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen.

(2) In bezug auf die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen ist auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen.

§ 864. (1) Ist eine ausdrückliche Erklärung der Annahme nach der Natur des Geschäftes oder der Verkehrssitte nicht zu erwarten, so kommt der Vertrag zustande, wenn dem Antrag innerhalb der hierfür bestimmten oder den Umständen angemessenen Frist tatsächlich entsprochen worden ist.

(2) Das Behalten, Verwenden oder Verbrauchen einer Sache, die dem Empfänger ohne seine Veranlassung übersandt worden ist, gilt nicht als Annahme eines Antrags. Der Empfänger ist nicht verpflichtet, die Sache zu verwahren oder zurückzuleiten, er darf sich ihrer auch entledigen. Muß ihm jedoch nach den Umständen auffallen, daß die Sache irrtümlich an ihn gelangt ist, so hat er in angemessener Frist dies dem Absender mitzuteilen oder die Sache an den Absender zurückzuleiten.

§ 864a. Bestimmungen ungewöhnlichen Inhaltes in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, werden nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte; es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen.

Erfordernisse eines gültigen Vertrages:

1) Fähigkeiten der Personen.

§ 865. (1) Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Person, sich durch eigenes Handeln rechtsgeschäftlich zu berechtigen und zu verpflichten. Sie setzt voraus, dass die Person entscheidungsfähig ist und wird bei Volljährigen vermutet; bei Minderjährigen sind die §§ 170 und 171, bei Volljährigen ist der § 242 Abs. 2 zu beachten.

(2) Ein bloß zu ihrem Vorteil gemachtes Versprechen kann jede Person annehmen.

(3) Rechtsgeschäftliches Handeln von nicht geschäftsfähigen Volljährigen ist zur Gänze unwirksam, es sei denn, sie haben für das betreffende Rechtsgeschäft einen vertretungsbefugten Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreter. In diesem Fall ist das rechtsgeschäftliche Handeln mit Genehmigung des Vertreters und gegebenenfalls auch des Gerichts wirksam. Abs. 2 und § 242 Abs. 3 bleiben unberührt.

(4) Rechtsgeschäftliches Handeln von Minderjährigen unter sieben Jahren ist zur Gänze unwirksam. Bei anderen Minderjährigen ist das rechtsgeschäftliche Handeln mit Genehmigung ihres Vertreters und gegebenenfalls auch des Gerichts wirksam. Abs. 2 sowie die §§ 170 und 171 bleiben unberührt.

(5) Bis die nach Abs. 3 und 4 erforderlichen Genehmigungen erteilt werden, ist der andere Teil an seine Vertragserklärung gebunden, er kann aber für die Erteilung der Genehmigung durch den Vertreter eine angemessene Frist setzen.

§ 867. Was zur Gültigkeit eines Vertrages mit einer unter der besondern Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinde, (§. 27) oder ihren einzelnen Gliedern und Stellvertretern erfordert werde, ist aus der Verfassung derselben und den politischen Gesetzen zu entnehmen (§ 290).

2) Wahre Einwilligung.

§ 869. Die Einwilligung in einen Vertrag muß frey, ernstlich, bestimmt und verständlich erkläret werden. Ist die Erklärung unverständlich; ganz unbestimmt; oder erfolgt die Annahme unter andern Bestimmungen, als unter welchen das Versprechen geschehen ist; so entsteht kein Vertrag. Wer sich, um einen Andern zu bevortheilen, undeutlicher Ausdrücke bedient, oder eine Scheinhandlung unternimmt, leistet Genugthuung.

§ 870. Wer von dem anderen Teile durch List oder durch ungerechte und gegründete Furcht (§ 55) zu einem Vertrage veranlaßt worden, ist ihn zu halten nicht verbunden.

§ 871. (1) War ein Teil über den Inhalt der von ihm abgegebenen oder dem anderen zugegangenen Erklärung in einem Irrtum befangen, der die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft, worauf die Absicht vorzüglich gerichtet und erklärt wurde, so entsteht für ihn keine Verbindlichkeit, falls der Irrtum durch den anderen veranlaßt war, oder diesem aus den Umständen offenbar auffallen mußte oder noch rechtzeitig aufgeklärt wurde.

(2) Ein Irrtum eines Teiles über einen Umstand, über den ihn der andere nach geltenden Rechtsvorschriften aufzuklären gehabt hätte, gilt immer als Irrtum über den Inhalt des Vertrages und nicht bloß als solcher über den Bewegungsgrund oder den Endzweck (§ 901).

§ 872. Betrifft aber der Irrthum weder die Hauptsache, noch eine wesentliche Beschaffenheit derselben, sondern einen Nebenumstand; so bleibt der Vertrag, in so fern beyde Theile in den Hauptgegenstand gewilliget, und den Nebenumstand nicht als vorzügliche Absicht erkläret haben, noch immer gültig: allein dem Irregeführten ist von dem Urheber des Irrthumes die angemessene Vergütung zu leisten.

§ 873. Eben diese Grundsätze sind auch auf den Irrthum in der Person desjenigen, welchem ein Versprechen gemacht worden ist, anzuwenden; in so fern ohne den Irrthum der Vertrag entweder gar nicht, oder doch nicht auf solche Art errichtet worden wäre. Als Irrtum in der Person gilt jedenfalls der Irrtum über das Vorhandensein einer erforderlichen verwaltungsrechtlichen Befugnis zur Erbringung der Leistung.

§ 874. In jedem Falle muß derjenige, welcher einen Vertrag durch List oder ungerechte Furcht bewirket hat, für die nachtheiligen Folgen Genugthuung leisten.

§ 875. Ist einer der Vertragschließenden von einem Dritten durch List oder durch ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrage bewogen; oder zu einer irrtümlichen Erklärung veranlaßt worden; so ist der Vertrag gültig. Nur in dem Falle, daß der andere Teil an der Handlung des Dritten teilnahm oder von derselben offenbar wissen mußte, kommen die §§ 870 bis 874 zur Anwendung.

§ 876. Die vorstehenden Bestimmungen (§§ 869 bis 875) finden entsprechende Anwendung auf sonstige Willenserklärungen, welche einer anderen Person gegenüber abzugeben sind.

§ 877. Wer die Aufhebung eines Vertrages aus Mangel der Einwilligung verlangt, muß dagegen auch alles zurückstellen, was er aus einem solchen Vertrage zu seinem Vortheile erhalten hat.

3. Möglichkeit und Erlaubtheit

§ 878. Was geradezu unmöglich ist, kann nicht Gegenstand eines gültigen Vertrages werden. Ist Mögliches und Unmögliches zugleich bedungen, so bleibt der Vertrag in ersterem Teile gültig, wenn anders aus dem Vertrage nicht hervorgeht, daß kein Punkt von dem anderen abgesondert werden könne. Wer bei Abschließung des Vertrages die Unmöglichkeit kannte oder kennen mußte, hat dem anderen Teile, falls von diesem nicht dasselbe gilt, den Schaden zu ersetzen, den er durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages erlitten hat.

§ 879. (1) Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Insbesondere sind folgende Verträge nichtig:

1.

wenn etwas für die Unterhandlung eines Ehevertrages bedungen wird;

1a.

wenn etwas für die Vermittlung einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung bedungen wird;

2.

wenn ein Rechtsfreund eine ihm anvertraute Streitsache ganz

oder teilweise an sich löst oder sich einen bestimmten Teil des Betrages versprechen läßt, der der Partei zuerkannt wird;

3.

wenn eine Erbschaft oder ein Vermächtnis, die man von einer dritten Person erhofft, noch bei Lebzeiten derselben veräußert wird;

4.

wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren läßt, deren Vermögenswert zu dem Werte der Leistung in auffallendem Mißverhältnisse steht.

(3) Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.

§ 880. Wird der Gegenstand, worüber ein Vertrag geschlossen worden, vor dessen Uebergabe dem Verkehre entzogen; so ist es eben so viel, als wenn man den Vertrag nicht geschlossen hätte.

§ 880a. Hat jemand einem andern eine Leistung eines Dritten versprochen, so gilt dies als Zusage seiner Verwendung bei dem Dritten; ist er aber für den Erfolg eingestanden, so haftet er für volle Genugtuung, wenn die Leistung des Dritten ausbleibt.

Verträge zugunsten Dritter

§ 881. (1) Hat sich jemand eine Leistung an einen Dritten versprechen lassen, so kann er fordern, daß an den Dritten geleistet werde.

(2) Ob und in welchem Zeitpunkt auch der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, vom Versprechenden Erfüllung zu fordern, ist aus der Vereinbarung und der Natur und dem Zwecke des Vertrages zu beurteilen. Im Zweifel erwirbt der Dritte dieses Recht, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteile gereichen soll.

(3) Das Recht auf die bei einer Gutsabtretung vom Übernehmer zugunsten eines Dritten versprochenen Leistungen gilt mangels anderer Vereinbarung dem Dritten als mit der Übergabe des Gutes erworben.

§ 882. (1) Weist der Dritte das aus dem Vertrag erworbene Recht zurück, so gilt das Recht als nicht erworben.

(2) Einwendungen aus dem Vertrage stehen dem Versprechenden auch gegen den Dritten zu.

Form der Verträge.

§ 883. Ein Vertrag kann mündlich oder schriftlich; vor Gerichte oder außerhalb desselben; mit oder ohne Zeugen errichtet werden. Diese Verschiedenheit der Form macht, außer den im Gesetze bestimmten Fällen, in Ansehung der Verbindlichkeit keinen Unterschied.

§ 884. Haben die Parteien für einen Vertrag die Anwendung einer bestimmten Form vorbehalten, so wird vermutet, daß sie vor Erfüllung dieser Form nicht gebunden sein wollen.

§ 885. Ist zwar noch nicht die förmliche Urkunde, aber doch ein Aufsatz über die Hauptpunkte errichtet und von den Parteien unterfertigt worden (Punktation), so gründet auch schon ein solcher Aufsatz diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche darin ausgedrückt sind.

§ 886. Ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, kommt durch die Unterschrift der Parteien oder, falls sie des Schreibens unkundig oder wegen Gebrechens unfähig sind, durch Beisetzung ihres gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens oder Beisetzung des Handzeichens vor zwei Zeugen, deren einer den Namen der Partei unterfertigt, zustande. Der schriftliche Abschluß des Vertrages wird durch gerichtliche oder notarielle Beurkundung ersetzt. Eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift auf mechanischem Wege ist nur da genügend, wo sie im Geschäftsverkehr üblich ist.

Gemeinschaftliche Verbindlichkeit oder Berechtigung.

§ 888. Wenn zwey oder mehrere Personen jemanden eben dasselbe Recht zu einer Sache versprechen, oder es von ihm annehmen; so wird sowohl die Forderung, als die Schuld nach den Grundsätzen der Gemeinschaft des Eigenthumes getheilt.

§ 889. Außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen haftet also aus mehrern Mitschuldnern einer theilbaren Sache jeder nur für seinen Antheil, und eben so muß von mehrern Mitgenossen einer theilbaren Sache, jeder sich mit dem ihm gebührenden Theile begnügen.

§ 890. Betrifft es hingegen untheilbare Sachen; so kann ein Gläubiger, wenn er der einzige ist, solche von einem jeden Mitschuldner fordern. Wenn aber mehrere Gläubiger und nur Ein Schuldner da sind; so ist dieser die Sache einem einzelnen Mitgläubiger, ohne Sicherstellung heraus zu geben, nicht verpflichtet; er kann auf die Uebereinkunft aller Mitgläubiger dringen, oder die gerichtliche Verwahrung der Sache verlangen.

Correalität.

§ 891. Versprechen mehrere Personen ein und dasselbe Ganze zur ungetheilten Hand dergestalt, daß sich Einer für Alle, und Alle für Einen ausdrücklich verbinden; so haftet jede einzelne Person für das Ganze. Es hängt dann von dem Gläubiger ab, ob er von allen, oder von einigen Mitschuldnern das Ganze, oder nach von ihm gewählten Antheilen; oder ob er es von einem Einzigen fordern wolle. Selbst nach erhobener Klage bleibt ihm, wenn er von derselben absteht, diese Wahl vorbehalten; und, wenn er von einem oder dem andern Mitschuldner nur zum Theile befriediget wird; so kann er das Rückständige von den übrigen fordern.

§ 892. Hat hingegen Einer mehrern Personen eben dasselbe Ganze zugesagt, und sind diese ausdrücklich berechtiget worden, es zur ungetheilten Hand fordern zu können; so muß der Schuldner das Ganze demjenigen dieser Gläubiger entrichten, der ihn zuerst darum angeht.

§ 893. Sobald ein Mitschuldner dem Gläubiger das Ganze entrichtet hat, darf dieser von den übrigen Mitschuldnern nichts mehr fordern; und sobald ein Mitgläubiger von dem Schuldner ganz befriediget worden ist, haben die übrigen Mitgläubiger keinen Anspruch mehr.

§ 894. Ein Mitschuldner kann dadurch, daß er mit dem Gläubiger lästigere Bedingungen eingeht, den übrigen keinen Nachtheil zuziehen, und die Nachsicht oder Befreyung, welche ein Mitschuldner für seine Person erhält, kommt den übrigen nicht zu Statten.

§ 895. Wie weit aus mehrern Mitgläubigern, welchen eben dasselbe Ganze zur ungetheilten Hand zugesagt worden ist, derjenige, welcher die ganze Forderung für sich erhalten hat, den übrigen Gläubigern hafte, muß aus den besondern, zwischen den Mitgläubigern bestehenden, rechtlichen Verhältnissen bestimmet werden. Besteht kein solches Verhältniß; so ist einer dem andern keine Rechenschaft schuldig.

§ 896. Ein Mitschuldner zur ungetheilten Hand, welcher die ganze Schuld aus dem Seinigen abgetragen hat, ist berechtiget, auch ohne geschehene Rechtsabtretung, von den übrigen den Ersatz, und zwar, wenn kein anderes besonderes Verhältniß unter ihnen besteht, zu gleichen Theilen zu fordern. War einer aus ihnen unfähig, sich zu verpflichten, oder ist er unvermögend, seiner Verpflichtung Genüge zu leisten; so muß ein solcher ausfallender Antheil ebenfalls von allen Mitverpflichteten übernommen werden. Die erhaltene Befreyung eines Mitverpflichteten kann den übrigen bey der Forderung des Ersatzes nicht nachtheilig seyn. (§. 894).

Nebenbestimmungen bey Verträgen:

1) Bedingungen;

§ 897. In Ansehung der Bedingungen bey Verträgen gelten überhaupt die nähmlichen Vorschriften, welche über die den Erklärungen des letzten Willens beygesetzten Bedingungen aufgestellt worden sind.

§ 898. Verabredungen unter solchen Bedingungen, welche bey einem letzten Willen für nicht beygesetzt angesehen werden, sind ungültig.

§ 899. Ist die in einem Vertrage vorgeschriebene Bedingung schon vor dem Vertrage eingetroffen; so muß sie nach dem Vertrage nur dann wiederhohlet werden, wenn sie in einer Handlung dessen, der das Recht erwerben soll, besteht, und von ihm wiederhohlet werden kann.

§ 900. Ein unter einer aufschiebenden Bedingung zugesagtes Recht geht auch auf die Erben über.

2) Bewegungsgrund;

§ 901. Haben die Parteyen den Bewegungsgrund, oder den Endzweck ihrer Einwilligung ausdrücklich zur Bedingung gemacht; so wird der Bewegungsgrund oder Endzweck wie eine andere Bedingung angesehen. Außer dem haben dergleichen Aeußerungen auf die Gültigkeit entgeldlicher Verträge keinen Einfluß. Bey den unentgeldlichen aber sind die bey den letzten Anordnungen gegebenen Vorschriften anzuwenden.

3) Zeit, Ort und Art der Erfüllung;

§ 902. (1) Eine durch Vertrag oder Gesetz bestimmte Frist ist vorbehaltlich anderer Festsetzung so zu berechnen, daß bei einer nach Tagen bestimmten Frist der Tag nicht mitgezählt wird, in welchen das Ereignis fällt, von dem der Fristenlauf beginnt.

(2) Das Ende einer nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmten Frist fällt auf denjenigen Tag der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach seiner Benennung oder Zahl dem Tage des Ereignisses entspricht, mit dem der Lauf der Frist beginnt, wenn aber dieser Tag in dem letzten Monat fehlt, auf den letzten Tag dieses Monats.

(3) Unter einem halben Monate sind fünfzehn Tage zu verstehen, unter die Mitte eines Monats der fünfzehnte dieses Monats.

§ 903. Ein Recht, dessen Erwerbung an einen bestimmten Tag gebunden ist, wird mit dem Anfang dieses Tages erworben. Die Rechtsfolgen der Nichterfüllung einer Verbindlichkeit oder eines Versäumnisses treten erst mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist ein. Fällt der für die Abgabe einer Erklärung oder für eine Leistung bestimmte letzte Tag auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag, so tritt an dessen Stelle, vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung, der nächstfolgende Werktag.

§ 904. Ist keine gewisse Zeit für die Erfüllung des Vertrages bestimmt worden; so kann sie sogleich, nähmlich ohne unnöthigen Aufschub, gefordert werden. Hat der Verpflichtete die Erfüllungszeit seiner Willkühr vorbehalten; so muß man entweder seinen Tod abwarten, und sich an die Erben halten; oder, wenn es um eine bloß persönliche, nicht vererbliche, Pflicht zu thun ist, die Erfüllungszeit von dem Richter nach Billigkeit festsetzen lassen. Letzteres findet auch dann Statt, wenn der Verpflichtete die Erfüllung, nach Möglichkeit, oder Thunlichkeit versprochen hat. Uebrigens müssen die Vorschriften, welche oben (§§ 704 – 706) in Rücksicht der den letzten Anordnungen beygerückten Zeitbestimmung gegeben werden, auch hier angewendet werden.

§ 905. (1) Kann der Erfüllungsort weder aus der Verabredung noch aus der Natur oder dem Zwecke des Geschäftes bestimmt werden, so ist an dem Orte zu leisten, wo der Schuldner zur Zeit des Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz hatte, oder, wenn die Verbindlichkeit im Betriebe des gewerblichen oder geschäftlichen Unternehmens des Schuldners entstand, am Orte der Niederlassung. Für das Maß und das Gewicht ist der Ort der Erfüllung maßgeblich.

(2) Aus der Übernahme der Kosten der Versendung durch den Schuldner allein folgt noch nicht, dass der Ort, an den die Versendung zu erfolgen hat, für den Schuldner als Erfüllungsort zu gelten hat.

(3) Die Gefahr für eine mit Willen des Gläubigers an einen anderen Ort als den Erfüllungsort übersendete Sache geht mit dem Zeitpunkt der Übergabe (§ 429) an den Gläubiger über.

§ 905a. Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Sache geschuldet, so ist diese in mittlerer Art und Güte zu leisten.

§ 906. (1) Kann das Versprechen auf mehrere Arten erfüllt werden, so hat der Schuldner die Wahl. Er kann aber von der einmal getroffenen Wahl für sich allein nicht abgehen.

(2) Hat der Gläubiger die Wahl und ist er mit ihr in Verzug, so kann der Schuldner die Wahl an Stelle des Gläubigers treffen oder nach den §§ 918 und 919 vorgehen. Wenn er die Wahl an Stelle des Gläubigers trifft, hat er diesen davon zu verständigen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Vornahme einer anderen Wahl zu setzen. Trifft der Gläubiger keine solche Wahl, so ist die Wahl des Schuldners maßgebend. In jedem Fall gebührt dem Schuldner der Ersatz des Schadens.

§ 907. Wird ein Vertrag ausdrücklich mit Vorbehalt der Wahl geschlossen, und dieselbe durch zufälligen Untergang eines oder mehrerer Wahlstücke vereitelt; so ist der Theil, dem die Wahl zusteht, an den Vertrag nicht gebunden. Unterläuft aber ein Verschulden des Verpflichteten; so muß er dem Berechtigten für die Vereitlung der Wahl haften.

§ 907a. (1) Eine Geldschuld ist am Wohnsitz oder an der Niederlassung des Gläubigers zu erfüllen, indem der Geldbetrag dort übergeben oder auf ein vom Gläubiger bekanntgegebenes Bankkonto überwiesen wird. Haben sich nach der Entstehung der Forderung der Wohnsitz oder die Niederlassung des Gläubigers oder dessen Bankverbindung geändert, so trägt der Gläubiger eine dadurch bewirkte Erhöhung der Gefahr und der Kosten für die Erfüllung.

(2) Wird eine Geldschuld durch Banküberweisung erfüllt, so hat der Schuldner den Überweisungsauftrag so rechtzeitig zu erteilen, dass der geschuldete Betrag bei Fälligkeit auf dem Konto des Gläubigers wertgestellt ist. Wenn der Fälligkeitstermin nicht schon im Vorhinein bestimmt ist, sondern die Fälligkeit erst durch Erbringung der Gegenleistung, Rechnungsstellung, Zahlungsaufforderung oder einen gleichartigen Umstand ausgelöst wird, hat der Schuldner den Überweisungsauftrag ohne unnötigen Aufschub nach Eintritt des für die Fälligkeit maßgeblichen Umstands zu erteilen. Der Schuldner trägt die Gefahr für die Verzögerung oder das Unterbleiben der Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers, soweit die Ursache dafür nicht beim Bankinstitut des Gläubigers liegt.

§ 907b. (1) Ist eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld im Inland zu zahlen, so kann die Zahlung in inländischer Währung erfolgen, es sei denn, dass die Zahlung in ausländischer Währung ausdrücklich bedungen worden ist.

(2) Die Umrechnung erfolgt nach dem zur Zeit der Zahlung am Zahlungsort maßgeblichen Kurswert. Wenn der Schuldner die Zahlung verzögert, hat der Gläubiger die Wahl zwischen dem bei Fälligkeit und dem zur Zeit der Zahlung maßgeblichen Kurswert.

4) Angeld;

§ 908. Was bey Abschließung eines Vertrages voraus gegeben wird, ist, außer dem Falle einer besondern Verabredung, nur als ein Zeichen der Abschließung, oder als eine Sicherstellung für die Erfüllung des Vertrages zu betrachten, und heißt Angeld. Wird der Vertrag durch Schuld einer Partey nicht erfüllet; so kann die schuldlose Partey das von ihr empfangene Angeld behalten, oder den doppelten Betrag des von ihr gegebenen Angeldes zurückfordern. Will sie sich aber damit nicht begnügen, so kann sie auf die Erfüllung; oder, wenn diese nicht mehr möglich ist, auf den Ersatz dringen.

5) Reugeld;

§ 909. Wird bey Schließung eines Vertrages ein Betrag bestimmt, welchen ein oder der andere Theil in dem Falle, daß er von dem Vertrage vor der Erfüllung zurücktreten will, entrichten muß; so wird der Vertrag gegen Reugeld geschlossen. In diesem Falle muß entweder der Vertrag erfüllt, oder das Reugeld bezahlet werden. Wer den Vertrag auch nur zum Theile erfüllet; oder das, was von dem Andern auch nur zum Theile zur Erfüllung geleistet worden ist, angenommen hat, kann selbst gegen Entrichtung des Reugeldes nicht mehr zurücktreten.

§ 910. Wenn ein Angeld gegeben, und zugleich das Befugniß des Rücktrittes ohne Bestimmung eines besondern Reugeldes bedungen wird; so vertritt das Angeld die Stelle des Reugeldes. Im Falle des Rücktrittes verliert also der Geber das Angeld; oder der Empfänger stellt das Doppelte zurück.

§ 911. Wer nicht durch bloßen Zufall, sondern durch sein Verschulden an der Erfüllung des Vertrages verhindert wird, muß ebenfalls das Reugeld entrichten.

6) Nebengebühren.

§ 912. Der Gläubiger ist von seinem Schuldner außer der Hauptschuld zuweilen auch Nebengebühren zu fordern berechtiget. Sie bestehen in dem Zuwachse, und in den Früchten der Hauptsache, in den bestimmten oder in den Zögerungs-Zinsen; oder in dem Ersatze des verursachten Schadens; oder dessen, was dem Andern daran liegt, daß die Verbindlichkeit nicht gehörig erfüllet worden; endlich in dem Betrage, welchen ein Theil sich auf diesen Fall bedungen hat.

§ 913. In wie weit mit einem dinglichen Rechte das Recht auf den Zuwachs, oder auf die Früchte verbunden sey, ist in dem ersten und vierten Hauptstücke des zweyten Theiles bestimmet worden. Wegen eines bloß persönlichen Rechtes hat der Berechtigte noch keinen Anspruch auf Nebengebühren. In wie weit dem Gläubiger ein Recht auf diese zukomme, ist theils aus den besondern Arten und Bestimmungen der Verträge; theils aus dem Hauptstücke, von dem Rechte des Schadenersatzes und der Genugthuung, zu entnehmen.

Auslegungsregeln bey Verträgen.

§ 914. Bei Auslegung von Verträgen ist nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.

§ 915. Bey einseitig verbindlichen Verträgen wird im Zweifel angenommen, daß sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auflegen wollte; bey zweyseitig verbindlichen wird eine undeutliche Aeußerung zum Nachtheile desjenigen erkläret, der sich derselben bedienet hat (§. 869).

§ 916. (1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber mit dessen Einverständnis zum Schein abgegeben wird, ist nichtig. Soll dadurch ein anderes Geschäft verborgen werden, so ist dieses nach seiner wahren Beschaffenheit zu beurteilen.

(2) Einem Dritten, der im Vertrauen auf die Erklärung Rechte erworben hat, kann die Einrede des Scheingeschäftes nicht entgegengesetzt werden.

Allgemeine Bestimmungen über entgeltliche Verträge und Geschäfte

§ 917. Bei einem entgeltlichen Vertrage werden entweder Sachen mit Sachen, oder Handlungen, worunter auch die Unterlassungen gehören, mit Handlungen, oder endlich Sachen mit Handlungen und Handlungen mit Sachen vergolten.

§ 917a. Ist zum Schutz eines Vertragspartners gesetzlich bestimmt, daß kein höheres oder kein niedrigeres als ein bestimmtes Entgelt vereinbart werden darf, so ist eine Entgeltvereinbarung soweit unwirksam, als sie dieses Höchstmaß über- beziehungsweise dieses Mindestmaß unterschreitet. Im zweiten Fall gilt das festgelegte Mindestentgelt als vereinbart.

§ 918. (1) Wenn ein entgeltlicher Vertrag von einem Teil entweder nicht zur gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt wird, kann der andere entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären.

(2) Ist die Erfüllung für beide Seiten teilbar, so kann wegen Verzögerung einer Teilleistung der Rücktritt nur hinsichtlich der einzelnen oder auch aller noch ausstehenden Teilleistungen erklärt werden.

§ 919. Ist die Erfüllung zu einer festbestimmten Zeit oder binnen einer festbestimmten Frist bei sonstigem Rücktritt bedungen, so muß der Rücktrittsberechtigte, wenn er auf der Erfüllung bestehen will, das nach Ablauf der Zeit dem andern ohne Verzug anzeigen; unterläßt er dies, so kann er später nicht mehr auf der Erfüllung bestehen. Dasselbe gilt, wenn die Natur des Geschäftes oder der dem Verpflichteten bekannte Zweck der Leistung entnehmen läßt, daß die verspätete Leistung oder, im Falle der Verspätung einer Teilleistung, die noch übrigen Leistungen für den Empfänger kein Interesse haben.

§ 920. Wird die Erfüllung durch Verschulden des Verpflichteten oder einen von ihm zu vertretenden Zufall vereitelt, so kann der andere Teil entweder Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern oder vom Vertrage zurücktreten. Bei teilweiser Vereitlung steht ihm der Rücktritt zu, falls die Natur des Geschäftes oder der dem Verpflichteten bekannte Zweck der Leistung entnehmen läßt, daß die teilweise Erfüllung für ihn kein Interesse hat.

§ 921. Der Rücktritt vom Vertrage läßt den Anspruch auf Ersatz des durch verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens unberührt. Das bereits empfangene Entgelt ist auf solche Art zurückzustellen oder zu vergüten, daß kein Teil aus dem Schaden des anderen Gewinn zieht.

Gewährleistung

§ 922. (1) Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, leistet Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der Natur des Geschäftes oder der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden kann.

(2) Ob die Sache dem Vertrag entspricht, ist auch danach zu beurteilen, was der Übernehmer auf Grund der über sie gemachten öffentlichen Äußerungen des Übergebers oder des Herstellers, vor allem in der Werbung und in den der Sache beigefügten Angaben, erwarten kann; das gilt auch für öffentliche Äußerungen einer Person, die die Sache in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt hat oder die sich durch die Anbringung ihres Namens, ihrer Marke oder eines anderen Kennzeichens an der Sache als Hersteller bezeichnet. Solche öffentlichen Äußerungen binden den Übergeber jedoch nicht, wenn er sie weder kannte noch kennen konnte, wenn sie beim Abschluss des Vertrags berichtigt waren oder wenn sie den Vertragsabschluss nicht beeinflusst haben konnten.

Fälle der Gewährleistung.

§ 923. Wer also der Sache Eigenschaften beylegt, die sie nicht hat, und die ausdrücklich oder vermöge der Natur des Geschäftes stillschweigend bedungen worden sind; wer ungewöhnliche Mängel, oder Lasten derselben verschweigt; wer eine nicht mehr vorhandene, oder eine fremde Sache als die seinige veräußert; wer fälschlich vorgibt, daß die Sache zu einem bestimmten Gebrauche tauglich; oder daß sie auch von den gewöhnlichen Mängeln und Lasten frey sey; der hat, wenn das Widerspiel hervorkommt, dafür zu haften.

Vermutung der Mangelhaftigkeit

§ 924. Der Übergeber leistet Gewähr für Mängel, die bei der Übergabe vorhanden sind. Dies wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt. Die Vermutung tritt nicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.

§ 925. Durch Verordnung wird bestimmt, inwiefern die Vermutung eintritt, daß ein Tier schon vor der Übergabe krank gewesen ist, wenn innerhalb bestimmter Fristen gewisse Krankheiten und Mängel hervorkommen.

§ 926. Von der rechtlichen Vermutung, daß der Mangel schon vor der Übergabe des Tieres vorhanden war, kann aber der Übernehmer nur dann Gebrauch machen, wenn dem Übergeber oder in dessen Abwesenheit dem Gemeindevorsteher sogleich von dem bemerkten Fehler Nachricht gibt oder das Tier durch einen Sachverständigen untersuchen läßt oder die gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt.

§ 927. Vernachlässigt der Übernehmer diese Vorsicht, so liegt ihm der Beweis ob, daß das Tier schon vor der Übergabe mangelhaft war. Immer steht aber auch dem Übergeber der Beweis offen, daß der gerügte Mangel erst nach der Übergabe eingetreten sei.

§ 928. Fallen die Mängel einer Sache in die Augen oder sind die auf der Sache haftenden Lasten aus den öffentlichen Büchern zu ersehen, so findet außer dem Falle arglistigen Verschweigens des Mangels oder einer ausdrücklichen Zusage, daß die Sache von allen Fehlern und Lasten frei sei, keine Gewährleistung statt (§ 443). Schulden und Rückstände, welche auf der Sache haften, müssen stets vertreten werden.

§ 929. Wer eine fremde Sache wissentlich an sich bringt, hat eben so wenig Anspruch auf eine Gewährleistung, als derjenige, welcher ausdrücklich darauf Verzicht gethan hat.

§ 930. Werden Sachen in Pausch und Bogen, nähmlich so, wie sie stehen und liegen, ohne Zahl, Maß und Gewicht übergeben; so ist der Uebergeber, außer dem Falle, daß eine von ihm fälschlich vorgegebene, oder von dem Empfänger bedungene Beschaffenheit mangelt, für die daran entdeckten Fehler nicht verantwortlich.

Bedingung der Gewährleistung.

§ 931. Wenn der Übernehmer wegen eines von einem Dritten auf die Sache erhobenen Anspruches von der Gewährleistung Gebrauch machen will, so muß er seinem Vormann den Streit verkündigen. Unterläßt er dies, so verliert er zwar noch nicht das Recht der Schadloshaltung, aber sein Vormann kann ihm alle wider den Dritten unausgeführt gebliebenen Einwendungen entgegensetzen und sich dadurch von der Entschädigung in dem Maße befreien, als erkannt wird, daß diese Einwendungen, wenn von ihnen der gehörige Gebrauch gemacht worden wäre, eine andere Entscheidung gegen den Dritten veranlaßt haben würden.

Rechte aus der Gewährleistung

§ 932. (1) Der Übernehmer kann wegen eines Mangels die Verbesserung (Nachbesserung oder Nachtrag des Fehlenden), den Austausch der Sache, eine angemessene Minderung des Entgelts (Preisminderung) oder die Aufhebung des Vertrags (Wandlung) fordern.

(2) Zunächst kann der Übernehmer nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Ob dies der Fall ist, richtet sich auch nach dem Wert der mangelfreien Sache, der Schwere des Mangels und den mit der anderen Abhilfe für den Übernehmer verbundenen Unannehmlichkeiten.

(3) Die Verbesserung oder der Austausch ist in angemessener Frist und mit möglichst geringen Unannehmlichkeiten für den Übernehmer zu bewirken, wobei die Art der Sache und der mit ihr verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind.

(4) Sind sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, so hat der Übernehmer das Recht auf Preisminderung oder, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Wandlung. Dasselbe gilt, wenn der Übergeber die Verbesserung oder den Austausch verweigert oder nicht in angemessener Frist vornimmt, wenn diese Abhilfen für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wären oder wenn sie ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar sind.

§ 932a. Während des Rechtsstreites über die Aufhebung des Vertrages wegen eines Viehmangels hat das Gericht auf Antrag einer der Parteien, sobald die Besichtigung nicht mehr erforderlich ist, durch einstweilige Verfügung den gerichtlichen Verkauf des Tieres und die gerichtliche Hinterlegung des Erlöses anzuordnen.

Verjährung

§ 933. (1) Das Recht auf die Gewährleistung muss, wenn es unbewegliche Sachen betrifft, binnen drei Jahren, wenn es bewegliche Sachen betrifft, binnen zwei Jahren gerichtlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit dem Tag der Ablieferung der Sache, bei Rechtsmängeln aber erst mit dem Tag, an dem der Mangel dem Übernehmer bekannt wird. Die Parteien können eine Verkürzung oder Verlängerung dieser Frist vereinbaren.

(2) Bei Viehmängeln beträgt die Frist sechs Wochen. Sie beginnt bei Mängeln, für die eine Vermutungsfrist besteht, erst nach deren Ablauf.

(3) In jedem Fall bleibt dem Übernehmer die Geltendmachung durch Einrede vorbehalten, wenn er innerhalb der Frist dem Übergeber den Mangel anzeigt.

Schadenersatz

§ 933a. (1) Hat der Übergeber den Mangel verschuldet, so kann der Übernehmer auch Schadenersatz fordern.

(2) Wegen des Mangels selbst kann der Übernehmer auch als Schadenersatz zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch verlangen. Er kann jedoch Geldersatz verlangen, wenn sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Dasselbe gilt, wenn der Übergeber die Verbesserung oder den Austausch verweigert oder nicht in angemessener Frist vornimmt, wenn diese Abhilfen für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wären oder wenn sie ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar sind.

(3) Nach Ablauf von zehn Jahren ab der Übergabe der Sache obliegt für einen Ersatzanspruch wegen der Mangelhaftigkeit selbst und wegen eines durch diese verursachten weiteren Schadens dem Übernehmer der Beweis des Verschuldens des Übergebers.

Besonderer Rückgriff

§ 933b. (1) Hat ein Unternehmer einem Verbraucher Gewähr geleistet, so kann er von seinem Vormann, wenn auch dieser Unternehmer ist, auch nach Ablauf der Fristen des § 933 die Gewährleistung fordern. Dasselbe gilt für frühere Übergeber im Verhältnis zu ihren Vormännern, wenn sie selbst wegen der Gewährleistungsrechte des letzten Käufers ihrem Nachmann Gewähr geleistet haben. Der Anspruch ist mit der Höhe des eigenen Aufwandes beschränkt.

(2) Ansprüche nach Abs. 1 sind innerhalb von zwei Monaten ab Erfüllung der eigenen Gewährleistungspflicht gerichtlich geltend zu machen. Die Haftung eines Rückgriffspflichtigen verjährt jedenfalls in fünf Jahren nach Erbringung seiner Leistung. Die Frist wird durch eine Streitverkündigung für die Dauer des Rechtsstreits gehemmt.

Schadloshaltung wegen Verkürzung über die Hälfte.

§ 934. Hat bey zweyseitig verbindlichen Geschäften ein Theil nicht einmahl die Hälfte dessen, was er dem andern gegeben hat, von diesem an dem gemeinen Werthe erhalten, so räumt das Gesetz dem verletzten Theile das Recht ein, die Aufhebung, und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern. Dem andern Theile steht aber bevor, das Geschäft dadurch aufrecht zu erhalten, daß er den Abgang bis zum gemeinen Werthe zu ersetzen bereit ist. Das Mißverhältniß des Werthes wird nach dem Zeitpuncte des geschlossenen Geschäftes bestimmt.

§ 935. Die Anwendung des § 934 kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden; er ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn jemand erklärt hat, die Sache aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Werth zu übernehmen; wenn er, obgleich ihm der wahre Werth bekannt war, sich dennoch zu dem unverhältnißmäßigen Werthe verstanden hat; ferner, wenn aus dem Verhältnisse der Personen zu vermuthen ist, daß sie einen, aus einem entgeldlichen und unentgeldlichen vermischten, Vertrag schließen wollten; wenn sich der eigentliche Werth nicht mehr erheben läßt; endlich, wenn die Sache von dem Gerichte versteigert worden ist.

Von der Verabredung eines künftigen Vertrages.

§ 936. Die Verabredung, künftig erst einen Vertrag schließen zu wollen, ist nur dann verbindlich, wenn sowohl die Zeit der Abschließung, als die wesentlichen Stücke des Vertrages bestimmt, und die Umstände inzwischen nicht dergestalt verändert worden sind, daß dadurch der ausdrücklich bestimmte, oder aus den Umständen hervorleuchtende Zweck vereitelt, oder das Zutrauen des einen oder andern Theiles verloren wird. Ueberhaupt muß auf die Vollziehung solcher Zusagen längstens in einem Jahre nach dem bedungenen Zeitpuncte gedrungen werden; widrigen Falls ist das Recht erloschen.

Von dem Verzicht auf Einwendungen.

§ 937. Allgemeine, unbestimmte Verzichtleistungen auf Einwendungen gegen die Gültigkeit eines Vertrages sind ohne Wirkung.

Achtzehntes Hauptstück.

Von Schenkungen.

Schenkung.

§ 938. Ein Vertrag, wodurch eine Sache jemanden unentgeldlich überlassen wird, heißt eine Schenkung.

In wie fern eine Verzichtleistung eine Schenkung sey.

§ 939. Wer auf ein gehofftes, oder wirklich angefallenes, oder zweyfelhaftes Recht Verzicht thut, ohne es einem Andern ordentlich abzutreten, oder dasselbe dem Verpflichteten mit dessen Einwilligung zu erlassen, ist für keinen Geschenkgeber anzusehen.

Belohnende Schenkung.

§ 940. Es verändert die Wesenheit der Schenkung nicht, wenn sie aus Erkenntlichkeit; oder in Rücksicht auf die Verdienste des Beschenkten; oder als eine besondere Belohnung desselben gemacht worden ist; nur darf er vorher kein Klagerecht darauf gehabt haben.

§ 941. Hat der Beschenkte ein Klagerecht auf die Belohnung gehabt, entweder, weil sie unter den Parteyen schon bedungen, oder durch das Gesetz vorgeschrieben war; so hört das Geschäft auf, eine Schenkung zu seyn, und ist als ein entgeldlicher Vertrag anzusehen.

Wechselseitige Schenkungen.

§ 942. Sind Schenkungen vorher dergestalt bedungen, daß der Schenkende wieder beschenkt werden muß; so entsteht keine wahre Schenkung im Ganzen; sondern nur in Ansehung des übersteigenden Werthes.

Form des Schenkungsvertrages.

§ 943. Aus einem bloß mündlichen, ohne wirkliche Uebergabe geschlossenen Schenkungsvertrage erwächst dem Geschenknehmer kein Klagerecht. Dieses Recht muß durch eine schriftliche Urkunde begründet werden.

und Maß einer Schenkung.

§ 944. Ein unbeschränkter Eigenthümer kann mit Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften auch sein ganzes gegenwärtiges Vermögen verschenken. Ein Vertrag aber, wodurch das künftige Vermögen verschenket wird, besteht nur in so weit, als er die Hälfte dieses Vermögens nicht übersteigt.

In wie fern der Geber für das Geschenkte hafte.

§ 945. Wer wissentlich eine fremde Sache verschenkt, und dem Geschenknehmer diesen Umstand verschweigt, haftet für die nachtheiligen Folgen.

Unwiderruflichkeit der Schenkungen.

§ 946. Schenkungsverträge dürfen in der Regel nicht widerrufen werden.

Ausnahmen:

1) wegen Dürftigkeit;

§ 947. Geräth der Geschenkgeber in der Folge in solche Dürftigkeit, daß es ihm an dem nöthigen Unterhalte gebricht; so ist er befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, in so weit die geschenkte Sache, oder derselben Werth noch vorhanden ist, und ihm der nöthige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet. Aus mehrern Geschenknehmern ist der frühere nur in so weit verbunden, als die Beyträge der spätern zum Unterhalte nicht zureichen.

2) Undankes;

§ 948. Wenn der Beschenkte sich gegen seinen Wohlthäter eines groben Undankes schuldig macht, kann die Schenkung widerrufen werden. Unter grobem Undanke wird eine Verletzung am Leibe, an Ehre, an Freyheit, oder am Vermögen verstanden, welche von der Art ist, daß gegen den Verletzer von Amts wegen, oder auf Verlangen des Verletzten nach dem Strafgesetze verfahren werden kann.

§ 949. Der Undank macht den Undankbaren für seine Person zum unredlichen Besitzer, und gibt selbst dem Erben des Verletzten, in so fern der letztere den Undank nicht verziehen hat, und noch etwas von dem Geschenke in Natur oder Werthe vorhanden ist, ein Recht zur Widerrufungsklage auch gegen den Erben des Verletzers.

3) Verkürzung des schuldigen Unterhalts;

§ 950. Wer jemanden den Unterhalt zu reichen schuldig ist, kann dessen Recht durch Beschenkung eines Dritten nicht verletzen. Der auf solche Art Verkürzte ist befugt, den Beschenkten um die Ergänzung desjenigen zu belangen, was ihm der Schenkende nun nicht mehr zu leisten vermag. Bey mehrern Geschenknehmern ist die obige (§. 947) Vorschrift anzuwenden.

5) der Gläubiger;

§ 953. Unter eben dieser (§. 952) Beschränkung können auch diejenigen Geschenke zurückgefordert werden, wodurch die zur Zeit der Schenkung schon vorhandenen Gläubiger verkürzt worden sind. Auf Gläubiger, deren Forderungen jünger sind, als die Schenkung, erstreckt sich dieses Recht nur dann, wenn der Beschenkte eines hinterlistigen Einverständnisses überwiesen werden kann.

6) wegen nachgeborner Kinder.

§ 954. Dadurch, daß einem kinderlosen Geschenkgeber nach geschlossenem Schenkungsvertrage Kinder geboren werden, erwächst weder ihm, noch den nachgebornen Kindern das Recht, die Schenkung zu widerrufen. Doch kann er, oder das nachgeborne Kind, im Nothfalle sowohl gegen den Beschenkten, als gegen dessen Erben das oben angeführte Recht auf die gesetzlichen Zinsen des geschenkten Betrages geltend machen (§. 947).

Welche Schenkungen auf die Erben nicht übergehen.

§ 955. Hat der Geschenkgeber dem Beschenkten eine Unterstützung in gewissen Fristen zugesichert, so erwächst für die Erben derselben weder ein Recht, noch eine Verbindlichkeit; es müßte denn in dem Schenkungsvertrage ausdrücklich anders bedungen worden seyn.

Neunzehntes Hauptstück.

Von dem Verwahrungsvertrage.

Verwahrungsvertrag;

§ 957. Wenn jemand eine fremde Sache in seine Obsorge übernimmt; so entsteht ein Verwahrungsvertrag. Das angenommene Versprechen, eine fremde, noch nicht übergebene Sache in die Obsorge zu übernehmen, macht zwar den versprechenden Theil verbindlich; es ist aber noch kein Verwahrungsvertrag.

§ 958. Durch den Verwahrungsvertrag erwirbt der Uebernehmer weder Eigenthum, noch Besitz, noch Gebrauchsrecht; er ist bloßer Inhaber mit der Pflicht, die ihm anvertraute Sache vor Schaden zu sichern.

Wann er in einen Darlehens- oder Leihvertrag;

§ 959. Wird dem Verwahrer auf sein Verlangen, oder durch freywilliges Anerbiethen des Hinterlegers der Gebrauch gestattet; so hört im ersten Falle der Vertrag gleich nach der Verwilligung; im zweyten aber von dem Augenblicke, da das Anerbiethen angenommen, oder von der hinterlegten Sache wirklich Gebrauch gemacht worden ist, auf, ein Verwahrungsvertrag zu seyn; er wird bey verbrauchbaren Sachen in einen Darleihens-, bey unverbrauchbaren in einen Leihvertrag umgeändert, und es treten die damit verbundenen Rechte und Pflichten ein.

oder in eine Bevollmächtigung übergehe.

§ 960. Es können bewegliche und unbewegliche Sachen in Obsorge gegeben werden. Wird aber dem Uebernehmer zugleich ein anderes, auf die anvertraute Sache sich beziehendes, Geschäft aufgetragen; so wird er als ein Gewalthaber angesehen.

Pflichten und Rechte des Verwahrers;

§ 961. Die Hauptpflicht des Verwahrers ist: die ihm anvertraute Sache durch die bestimmte Zeit sorgfältig zu bewahren, und nach Verlauf derselben dem Hinterleger in eben dem Zustande, in welchem er sie übernommen hat, und mit allem Zuwachse zurückzustellen.

§ 962. Der Verwahrer muß dem Hinterleger auf Verlangen die Sache auch noch vor Verlauf der Zeit zurückstellen, und kann nur den Ersatz des ihm etwa verursachten Schadens begehren. Er kann hingegen die ihm anvertraute Sache nicht früher zurückgeben; es wäre denn, daß ein unvorhergesehener Umstand ihn außer Stand setzte, die Sache mit Sicherheit oder ohne seinen eigenen Nachtheil zu verwahren.

§ 963. Ist die Verwahrungszeit weder ausdrücklich bestimmt worden, noch sonst aus Nebenumständen abzunehmen; so kann die Verwahrung nach Belieben aufgekündet werden.

§ 964. Der Verwahrer haftet dem Hinterleger für den aus der Unterlassung der pflichtmäßigen Obsorge verursachten Schaden, aber nicht für den Zufall; selbst dann nicht, wenn er die anvertraute, obschon kostbarere Sache, mit Aufopferung seiner eigenen hätte retten können.

§ 965. Hat aber der Verwahrer von der hinterlegten Sache Gebrauch gemacht; hat er sie ohne Noth und ohne Erlaubniß des Hinterlegers einem Dritten in Verwahrung gegeben; oder die Zurückstellung verzögert, und die Sache leidet einen Schaden, welchem sie bey dem Hinterleger nicht ausgesetzt gewesen wäre; so kann er keinen Zufall vorschützen, und die Beschädigung wird ihm zugerechnet.

§ 966. Wenn Sachen verschlossen oder versiegelt hinterlegt, und in der Folge das Schloß oder Siegel verletzt worden; so ist der Hinterleger, wenn er einen Abgang behauptet, zur Beschwörung seines Schadens, in so fern derselbe nach seinem Stande, Gewerbe, Vermögen und den übrigen Umständen wahrscheinlich ist, nach Vorschrift der Gerichtsordnung zuzulassen; es wäre denn, daß der Verwahrer beweisen könnte, daß die Verletzung des Schlosses oder Siegels ohne sein Verschulden geschehen sey. Das Nähmliche hat auch dann zu gelten, wenn sämmtliche auf solche Art hinterlegte Sachen in Verlust gerathen sind.

und des Hinterlegers.

§ 967. Der Hinterleger ist verpflichtet, dem Verwahrer den schuldbarer Weise zugefügten Schaden, und die zur Erhaltung der verwahrten Sache, oder zur Vermehrung der fortdauernden Nutzungen verwendeten Kosten zu ersetzen. Hat der Verwahrer im Nothfalle, um das hinterlegte Gut zu retten, seine eigenen Sachen aufgeopfert; so kann er einen angemessenen Ersatz fordern. Die wechselseitigen Forderungen des Verwahres und Hinterlegers einer beweglichen Sache können aber nur binnen dreyßig Tagen von Zeit der Zurückstellung angebracht werden.

Sequester.

§ 968. Wird eine in Anspruch genommene Sache von den streitenden Parteyen oder vom Gerichte jemanden in Verwahrung gegeben; so heißt der Verwahrer, Sequester. Die Rechte und Verbindlichkeiten des Sequesters werden nach den hier festgesetzten Grundsätzen beurtheilt.

Ob dem Verwahrer ein Lohn gebühre.

§ 969. Ein Lohn kann für die Aufbewahrung nur dann gefordert werden, wenn er ausdrücklich, oder nach dem Stande des Aufbewahrers stillschweigend bedungen worden ist.

Gastaufnahme

§ 970. (1) Gastwirte, die Fremde beherbergen, haften als Verwahrer für die von den aufgenommenen Gästen eingebrachten Sachen, sofern sie nicht beweisen, daß der Schaden weder durch sie oder einen ihrer Leute verschuldet noch durch fremde, in dem Hause aus- und eingehende Personen verursacht ist. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hat der Richter nach den Umständen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt.

(2) Als eingebracht gelten die Sachen, die dem Wirte oder einem seiner Leute übergeben oder an einen von diesen angewiesenen oder hierzu bestimmten Orte gebracht sind. Ebenso haften Unternehmer, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten, für die bei ihnen eingestellten Tiere und Fahrzeuge und die auf diesen befindlichen Sachen.

(3) Den Wirten werden gleichgehalten die Besitzer von Badeanstalten in Rücksicht auf die üblicherweise eingebrachten Sachen der Badegäste.

§ 970a. Ablehnung der Haftung durch Anschlag ist ohne rechtliche Wirkung. Für Kostbarkeiten, Geld und Wertpapiere haftet der Gastwirt nur bis zum Betrage von 550 Euro, es sei denn, daß er diese Sachen in Kenntnis ihrer Beschaffenheit zur Aufbewahrung übernommen hat oder daß der Schaden von ihm selbst oder seinen Leuten verschuldet ist.

§ 970b. Der Ersatzanspruch aus der Gastaufnahme erlischt, wenn der Beschädigte nach erlangter Kenntnis von dem Schaden nicht ohne Verzug dem Wirte die Anzeige macht. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Sachen vom Wirte zur Aufbewahrung übernommen waren.

§ 970c. Den im § 970 bezeichneten Personen steht das Recht zu, zur Sicherung ihrer Forderungen aus der Beherbergung und Verpflegung sowie ihrer Auslagen für die Gäste die eingebrachten Sachen zurückzuhalten.

Zwanzigstes Hauptstück.

Von dem Leihvertrage.

c) Leihvertrag.

§ 971. Wenn jemanden eine unverbrauchbare Sache bloß zum unentgeldlichen Gebrauche auf eine bestimmte Zeit übergeben wird; so entsteht ein Leihvertrag. Der Vertrag, wodurch man jemanden eine Sache zu leihen verspricht, ohne sie zu übergeben, ist zwar verbindlich, aber noch kein Leihvertrag.

Rechte und Pflichten des Entlehners.

1) in Rücksicht des Gebrauches;

§ 972. Der Entlehner erwirbt das Recht, den ordentlichen oder näher bestimmten Gebrauch von der Sache zu machen. Nach Verlauf der Zeit ist er verpflichtet, eben dieselbe Sache zurückzustellen.

2) der Zurückstellung;

§ 973. Wenn keine Zeit zur Zurückgabe festgesetzt, wohl aber die Absicht des Gebrauches bestimmt worden ist; so ist der Entlehner verbunden, mit dem Gebrauche nicht zu zögern, und die Sache so bald als möglich zurück zu geben.

§ 974. Hat man weder die Dauer, noch die Absicht des Gebrauches bestimmt; so entsteht kein wahrer Vertrag, sondern ein unverbindliches Bittleihen (Precarium), und der Verleiher kann die entlehnte Sache nach Willkühr zurückfordern.

§ 975. Bey einem Streite über die Dauer des Gebrauches muß der Entlehner das Recht auf den längern Gebrauch beweisen.

§ 976. Wenn gleich die verlehnte Sache vor Verlauf der Zeit und vor geendigtem Gebrauche dem Verleiher selbst unentbehrlich wird; so hat er ohne ausdrückliche Verabredung doch kein Recht, die Sache früher zurück zu nehmen.

§ 977. Der Entlehner ist zwar in der Regel berechtiget, die entlehnte Sache auch vor der bestimmten Zeit zurück zu geben: fällt aber die frühere Zurückgabe dem Verleiher beschwerlich; so kann sie wider seinen Willen nicht Statt finden.

3) der Beschädigung;

§ 978. Wenn der Entlehner die geliehene Sache anders gebraucht, als es bedungen war, oder den Gebrauch derselben eigenmächtig einem Dritten gestattet; so ist er dem Verleiher verantwortlich; und dieser auch berechtiget, die Sache sogleich zurück zu fordern.

§ 979. Wird die geliehene Sache beschädiget, oder zu Grunde gerichtet; so muß der Entlehner nicht nur den zunächst durch sein Verschulden verursachten, sondern auch den zufälligen Schaden, den er durch eine widerrechtliche Handlung veranlaßt hat, so wie der Verwahrer einer Sache ersetzen (§. 965).

§ 980. Dadurch, daß der Entlehner für ein verlornes Lehnstück den Werth erlegt, hat er noch kein Recht, dasselbe, wenn es wieder gefunden wird, gegen den Willen des Eigenthümers für sich zu behalten, wenn dieser bereit ist, den empfangenen Werth zurück zu geben.

4) der Erhaltungskosten.

§ 981. Die mit dem Gebrauche ordentlicher Weise verbundenen Kosten muß der Entlehner selbst bestreiten. Die außerordentlichen Erhaltungskosten hat er zwar, dafern er die Sache dem Verleiher nicht zur eigenen Besorgung überlassen kann oder will, inzwischen vorzuschießen; doch werden sie ihm gleich einem redlichen Besitzer vergütet.

Beschränkung der wechselseitigen Klagen.

§ 982. Wenn der Verleiher nach der Zurücknahme des Lehnstückes dessen Mißbrauch, oder übertriebene Abnutzung innerhalb dreyßig Tagen nicht gerüget; oder, wenn der Entlehner nach der Zurückgabe von den auf die Sache verwendeten außerordentlichen Kosten binnen eben diesem Zeitraume keine Meldung gemacht hat; so ist die Klage erloschen.

Ein u. zwanzigstes Hauptstück.

Von dem Darleihensvertrage.

Darlehensvertrag

§ 983. Im Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer vertretbare Sachen mit der Bestimmung zu übergeben, dass der Darlehensnehmer über die Sachen nach seinem Belieben verfügen kann. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, dem Darlehensgeber spätestens nach Vertragsende ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugeben.

Arten des Darlehensvertrags

§ 984. (1) Gegenstand eines Darlehensvertrags können Geld oder andere vertretbare Sachen sein. Ein Darlehen kann entweder unentgeltlich oder gegen Entgelt gewährt werden. Wenn die Parteien nichts über ein Entgelt vereinbaren, gilt der Darlehensvertrag im Zweifel als entgeltlich.

(2) Ein unentgeltlicher Darlehensvertrag ohne Übergabe der Sachen ist nur wirksam, wenn der Darlehensgeber seine Vertragserklärung schriftlich abgibt.

Steigerung und Minderung des Werts

§ 985. Der Darlehensnehmer hat, sofern nichts anderes vereinbart ist, bei der Rückgabe der Sachen einen in der Zwischenzeit eingetretenen Wertverlust nicht auszugleichen. Gleichermaßen kann er sich auch nicht auf eine Wertsteigerung zur Minderung seiner Rückgabepflicht berufen.

Dauer und Auflösung des Darlehensvertrags

§ 986. (1) Der Darlehensvertrag kann auf eine im Voraus bestimmte oder auf unbestimmte Zeit geschlossen werden.

(2) Ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Darlehensvertrag kann von jedem Vertragsteil unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden.

(3) Ein auf bestimmte Zeit geschlossener Darlehensvertrag endet durch Zeitablauf.

Außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrags

§ 987. Jeder Vertragsteil kann den Darlehensvertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn ihm die Aufrechterhaltung des Vertrags aus wichtigen Gründen unzumutbar ist.

Kreditvertrag

§ 988. Der entgeltliche Darlehensvertrag über Geld heißt Kreditvertrag; dazu zählt auch ein Vertrag, mit dem ein Geldbetrag zum Abruf zur Verfügung gestellt wird. Die Parteien dieses Vertrags heißen Kreditgeber und Kreditnehmer. Das Entgelt besteht in der Regel in den vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen; für diese gilt § 1000 Abs. 1.

Befristung und Ende des Kreditvertrags

§ 989. (1) Beim Kreditvertrag kann sich eine bestimmte Vertragsdauer nicht bloß aus der datumsmäßigen Festlegung eines Endtermins ergeben, sondern auch aus den Vereinbarungen über den Kreditbetrag sowie über die Art der Rückzahlung des Kredits und die zu leistenden Zinsen.

(2) Nach Ende des Kreditvertrags hat der Kreditnehmer den Kreditbetrag samt den noch zu leistenden Zinsen zurückzuzahlen.

Unwirksame Vereinbarungen über das Kündigungsrecht des Kreditgebers

§ 990. Vereinbarungen, durch die dem Kreditgeber ein nicht an sachlich gerechtfertigte Gründe geknüpftes Recht zur vorzeitigen Kündigung eines auf bestimmte Zeit geschlossenen und seinerseits schon erfüllten Kreditvertrags eingeräumt wird, sind nicht wirksam.

Verweigerung der Kreditauszahlung

§ 991. Der Kreditgeber kann die Auszahlung des Kreditbetrags verweigern, wenn sich nach Vertragsabschluss Umstände ergeben, die eine Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers oder eine Entwertung bedungener Sicherheiten in einem solchen Ausmaß erweisen, dass die Rückzahlung des Kredits oder die Entrichtung der Zinsen selbst bei Verwertung der Sicherheiten gefährdet sind.

Zinsen und Zinseszinsen

§ 1000. (1) An Zinsen, die ohne Bestimmung der Höhe vereinbart worden sind oder aus dem Gesetz gebühren, sind, sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, vier vom Hundert auf ein Jahr zu entrichten.

(2) Der Gläubiger einer Geldforderung kann Zinsen von Zinsen verlangen, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Sonst kann er, sofern fällige Zinsen eingeklagt werden, Zinseszinsen vom Tag der Streitanhängigkeit an fordern. Wurde über die Höhe der Zinseszinsen keine Vereinbarung getroffen, so sind ebenfalls vier vom Hundert auf ein Jahr zu entrichten.

(3) Haben die Parteien über die Frist zur Zahlung der Zinsen keine Vereinbarung getroffen, so sind diese bei der Zurückzahlung des Kapitals oder, sofern der Vertrag auf mehrere Jahre abgeschlossen worden ist, jährlich zu zahlen.

Zwey u. zwanzigstes Hauptstück.

Von der Bevollmächtigung und andern Arten der Geschäftsführung.

Bevollmächtigungsvertrag.

§ 1002. Der Vertrag, wodurch jemand ein ihm aufgetragenes Geschäft im Nahmen des Andern zur Besorgung übernimmt, heißt Bevollmächtigungsvertrag.

§ 1003. Personen, welche zur Besorgung bestimmter Geschäfte öffentlich bestellt worden, sind schuldig, über einen darauf sich beziehenden Auftrag ohne Zögerung gegen den Auftragenden sich ausdrücklich zu erklären, ob sie denselben annehmen oder nicht; widrigen Falls bleiben sie dem Auftragenden für den dadurch veranlaßten Nachtheil verantwortlich.

Eintheilung der Bevollmächtigung in eine unentgeldliche oder entgeldliche;

§ 1004. Wird für die Besorgung eines fremden Geschäftes entweder ausdrücklich, oder nach dem Stande des Geschäftsträgers auch nur stillschweigend eine Belohnung bedungen; so gehört der Vertrag zu den entgeldlichen, außer dem aber zu den unentgeldlichen.

mündliche oder schriftliche;

§ 1005. Bevollmächtigungsverträge können mündlich oder schriftlich geschlossen werden. Die von dem Gewaltgeber dem Gewalthaber hierüber ausgestellte Urkunde wird Vollmacht genannt.

allgemeine oder besondere;

§ 1006. Es gibt allgemeine und besondere Vollmachten, je nachdem jemanden die Besorgung aller, oder nur einiger Geschäfte anvertraut wird. Die besonderen Vollmachten können bloß gerichtliche oder bloß außergerichtliche Geschäfte überhaupt; oder sie können einzelne Angelegenheiten der einen oder der andern Gattung zum Gegenstande haben.

unumschränkte, oder beschränkte;

§ 1007. Vollmachten werden entweder mit unumschränkter oder mit beschränkter Freyheit zu handeln ertheilet. Durch die erstere wird der Gewalthaber berechtiget, das Geschäft nach seinem besten Wissen und Gewissen zu leiten; durch die letztere aber werden ihm die Gränzen, wie weit, und die Art, wie er dasselbe betreiben soll, vorgeschrieben.

§ 1008. Folgende Geschäfte: Wenn im Nahmen eines Andern Sachen veräußert, oder entgeldlich übernommen; Anleihen oder Darleihen geschlossen; Geld oder Geldeswerth erhoben; Processe anhängig gemacht; Eide aufgetragen, angenommen oder zurückgeschoben, oder Vergleiche getroffen werden sollen, erfordern eine besondere, auf diese Gattungen der Geschäfte lautende Vollmacht. Wenn aber eine Erbschaft unbedingt angenommen oder ausgeschlagen; Gesellschaftsverträge errichtet; Schenkungen gemacht; das Befugniß, einen Schiedsrichter zu wählen, eingeräumt, oder Rechte unentgeldlich aufgegeben werden sollen; ist eine besondere, auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht nothwendig. Allgemeine, selbst unbeschränkte Vollmachten sind in diesen Fällen nur hinreichend, wenn die Gattung des Geschäftes in der Vollmacht ausgedrücket worden ist.

Rechte und Verbindlichkeiten des Gewalthabers;

§ 1009. Der Gewalthaber ist verpflichtet, das Geschäft seinem Versprechen und der erhaltenen Vollmacht gemäß, emsig und redlich zu besorgen, und allen aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen dem Machtgeber zu überlassen. Er ist, ob er gleich eine beschränkte Vollmacht hat, berechtiget, alle Mittel anzuwenden, die mit der Natur des Geschäftes nothwendig verbunden, oder der erklärten Absicht des Machtgebers gemäß sind. Ueberschreitet er aber die Gränzen der Vollmacht; so haftet er für die Folgen.

§ 1010. Trägt der Gewalthaber das Geschäft ohne Noth einem Dritten auf; so haftet er ganz allein für den Erfolg. Wird ihm aber die Bestellung eines Stellvertreters in der Vollmacht ausdrücklich gestattet, oder durch die Umstände unvermeidlich; so verantwortet er nur ein bey der Auswahl der Person begangenes Verschulden.

§ 1011. Wird mehreren Bevollmächtigten zugleich ein Geschäft aufgetragen; so ist die Mitwirkung Aller zur Gültigkeit des Geschäftes, und Verpflichtung des Machtgebers nothwendig; wenn nicht ausdrücklich Einem oder Mehreren aus ihnen die volle Befugniß in der Vollmacht ertheilt worden ist.

§ 1012. Der Gewalthaber ist schuldig, dem Machtgeber den durch sein Verschulden verursachten Schaden zu ersetzen, und die bey dem Geschäfte vorkommenden Rechnungen, so oft dieser es verlangt, vorzulegen.

§ 1013. Gewalthaber sind, außer dem im §. 1004 enthaltenen Falle, nicht befugt, ihrer Bemühung wegen eine Belohnung zu fordern. Es ist ihnen nicht erlaubt, ohne Willen des Machtgebers in Rücksicht auf die Geschäftsverwaltung von einem Dritten Geschenke anzunehmen. Die erhaltenen werden zur Armen-Casse eingezogen.

des Gewaltgebers;

§ 1014. Der Gewaltgeber ist verbunden, dem Gewalthaber allen zur Besorgung des Geschäftes nothwendig oder nützlich gemachten Aufwand, selbst bey fehlgeschlagenem Erfolge, zu ersetzen, und ihm auf Verlangen zur Bestreitung der baren Auslagen auch einen angemessenen Vorschuß zu leisten; er muß ferner allen durch sein Verschulden entstandenen, oder mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen Schaden vergüten.

§ 1015. Leidet der Gewalthaber bey der Geschäftsführung nur zufälliger Weise Schaden; so kann er in dem Falle, daß er das Geschäft unentgeldlich zu besorgen übernahm, einen solchen Betrag fordern, welcher ihm bey einem entgeldlichen Vertrage zur Vergütung der Bemühung nach dem höchsten Schätzungswerthe gebührt haben würde.

§ 1016. Ueberschreitet der Gewalthaber die Gränzen seiner Vollmacht; so ist der Gewaltgeber nur in so fern verbunden, als er das Geschäft genehmigt, oder den aus dem Geschäfte entstandenen Vortheil sich zuwendet.

in Rücksicht eines Dritten.

§ 1017. In so fern der Gewalthaber nach dem Inhalte der Vollmacht den Gewaltgeber vorstellt, kann er ihm Rechte erwerben und Verbindlichkeiten auflegen. Hat er also innerhalb der Gränzen der offenen Vollmacht mit einem Dritten einen Vertrag geschlossen; so kommen die dadurch gegründeten Rechte und Verbindlichkeiten dem Gewaltgeber und dem Dritten; nicht aber dem Gewalthaber zu. Die dem Gewalthaber ertheilte geheime Vollmacht hat auf die Rechte des Dritten keinen Einfluß.

§ 1018. Auch in dem Falle, daß der Gewaltgeber einen solchen Gewalthaber, der sich selbst zu verbinden unfähig ist, aufgestellt hat, sind die innerhalb der Gränzen der Vollmacht geschlossenen Geschäfte sowohl für den Gewaltgeber, als für den Dritten verbindlich.

§ 1019. Ist der Gewalthaber zu dem von ihm geschlossenen Geschäft nicht oder nicht ausreichend bevollmächtigt, so ist er, wenn der Gewaltgeber weder das Geschäft genehmigt noch sich den aus dem Geschäft entstandenen Vorteil zuwendet (§ 1016), dem anderen Teil zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den dieser im Vertrauen auf die Vertretungsmacht erleidet. Der Gewalthaber haftet jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, das der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrages hat.

Auflösung des Vertrages durch den Widerruf.

§ 1020. Es steht dem Machtgeber frey; die Vollmacht nach Belieben zu widerrufen; doch muß er dem Gewalthaber nicht nur die in der Zwischenzeit gehabten Kosten und den sonst erlittenen Schaden ersetzen; sondern auch einen der Bemühung angemessenen Theil der Belohnung entrichten. Dieses findet auch dann Statt, wenn die Vollendung des Geschäftes durch einen Zufall verhindert worden ist.

die Aufkündung;

§ 1021. Auch der Machthaber kann die angenommene Vollmacht aufkünden. Wenn er sie aber vor Vollendung des ihm insbesondere aufgetragenen, oder vermöge der allgemeinen Vollmacht angefangenen Geschäftes aufkündet; so muß er, dafern nicht ein unvorgesehenes und unvermeidliches Hinderniß eingetreten ist, allen daraus entstandenen Schaden ersetzen.

den Tod.

§ 1022. In der Regel wird die Vollmacht sowohl durch den Tod des Gewaltgebers als des Gewalthabers aufgehoben. Läßt sich aber das angefangene Geschäft ohne offenbaren Nachtheil der Erben nicht unterbrechen, oder erstreckt sich die Vollmacht selbst auf den Sterbfall des Gewaltgebers; so hat der Gewalthaber das Recht und die Pflicht, das Geschäft zu vollenden.

§ 1023. Die von einem Körper (Gemeinschaft) ausgestellten und übernommenen Vollmachten werden durch die Erlöschung der Gemeinschaft aufgehoben.

oder ein Insolvenzverfahren

§ 1024. Wird über das Vermögen des Machtgebers das Insolvenzverfahren eröffnet, so sind Vertretungshandlungen des Machthabers ab der Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung nicht rechtswirksam. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Machthabers erlischt dessen Vollmacht.

In wiefern die Verbindlichkeit fortdauere.

§ 1025. Wird die Vollmacht durch Widerruf, Aufkündung, oder durch den Tod des Gewaltgebers oder Gewalthabers aufgehoben; so müssen doch die Geschäfte, welche keinen Aufschub leiden, so lange fortgesetzt werden, bis von dem Machtgeber oder dessen Erben eine andere Verfügung getroffen worden ist, oder füglich getroffen werden konnte.

§ 1026. Auch bleiben die mit einem Dritten, dem die Aufhebung der Vollmacht ohne sein Verschulden unbekannt war, geschlossenen Verträge verbindlich, und der Gewaltgeber kann sich nur bey dem Gewalthaber, der die Aufhebung verschwiegen hat, wegen seines Schadens erhohlen.

Stillschweigende Bevollmächtigung der Dienstpersonen.

§ 1027. Die in diesem Hauptstücke enthaltenen Vorschriften haben auch ihre Anwendung auf die Eigenthümer einer Handlung, eines Schiffes, Kaufladens oder andern Gewerbes, welche die Verwaltung einem Factor, Schiffer, Ladendiener oder andern Geschäftsträgern anvertrauen.

§ 1028. Die Rechte solcher Geschäftsführer sind vorzüglich aus der Urkunde ihrer Bestellung, dergleichen unter Handelsleuten das ordentlich kundgemachte Befugniß der Unterzeichnung (Firma) ist, zu beurtheilen.

§ 1029. (1) Ist die Vollmacht nicht schriftlich gegeben worden; so wird ihr Umfang aus dem Gegenstande, und aus der Natur des Geschäftes beurtheilet. Wer einem Andern eine Verwaltung anvertraut hat, von dem wird vermuthet, daß er ihm auch die Macht eingeräumt habe, alles dasjenige zu thun, was die Verwaltung selbst erfordert und was gewöhnlich damit verbunden ist (§. 1009).

(2) Der Überbringer einer Quittung gilt als ermächtigt, die Leistung zu empfangen, sofern nicht dem Leistenden bekannte Umstände der Annahme einer solchen Ermächtigung entgegenstehen.

§ 1030. Gestattet der Eigenthümer einer Handlung, oder eines Gewerbes seinem Diener oder Lehrlinge, Waaren im Laden oder außer demselben zu verkaufen; so wird vermuthet, daß sie bevollmächtigt seyn, die Bezahlung zu empfangen, und Quittungen dagegen auszustellen.

§ 1031. Die Vollmacht, Waaren im Nahmen des Eigenthümers zu verkaufen, erstreckt sich aber nicht auf das Recht, in seinem Nahmen Waaren einzukaufen; auch dürfen Fuhrleute weder den Werth der ihnen anvertrauten Güter beziehen, noch Geld darauf anleihen, wenn es nicht ausdrücklich in Frachtbriefen bestimmt worden ist.

§ 1032. Dienstgeber und Familienhäupter sind nicht verbunden, das, was von ihren Dienstpersonen oder andern Hausgenossen in ihrem Nahmen auf Borg genommen wird, zu bezahlen. Der Borger muß in solchen Fällen den gemachten Auftrag erweisen.

§ 1033. Besteht aber zwischen dem Borgnehmer und dem Borggeber ein ordentliches Einschreibebuch, worin die ausgeborgten Sachen aufgezeichnet werden; so gilt die Vermuthung, daß der Ueberbringer dieses Buches bevollmächtiget sey, die Waare auf Borg zu nehmen.

Gesetzliche Vertretung

§ 1034. (1) Als gesetzlicher Vertreter einer Person wird bezeichnet:

1.

wer für ein minderjähriges Kind im Rahmen der Obsorge oder sonst im Einzelfall gesetzlich mit dessen Vertretung betraut ist;

2.

ein Vorsorgebevollmächtigter, sobald die Vorsorgevollmacht wirksam ist (§ 245 Abs. 1);

3.

ein gewählter und ein gesetzlicher Erwachsenenvertreter nach der Registrierung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis sowie ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter und

4.

ein Kurator (§ 277).

(2) Sofern nichts anderes angeordnet ist, wird eine durch Gerichtsentscheidung angeordnete gesetzliche Vertretung mit Rechtskraft der Entscheidung wirksam.

Geschäftsführung ohne Auftrag;

§ 1035. Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag, noch vom Gerichte, noch aus dem Gesetze das Befugniß erhalten hat, darf der Regel nach sich in das Geschäft eines Andern nicht mengen. Hätte er sich dessen angemaßt; so ist er für alle Folgen verantwortlich.

im Nothfalle;

§ 1036. Wer, obgleich unberufen, ein fremdes Geschäft zur Abwendung eines bevorstehenden Schadens besorgt, dem ist derjenige, dessen Geschäft er besorgt hat, den nothwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwand zu ersetzen schuldig; wenn gleich die Bemühung ohne Verschulden fruchtlos geblieben ist (§. 403).

oder zum Nutzen des Andern;

§ 1037. Wer fremde Geschäfte bloß, um den Nutzen des Andern zu befördern, übernehmen will, soll sich um dessen Einwilligung bewerben. Hat der Geschäftsführer zwar diese Vorschrift unterlassen, aber das Geschäft auf seine Kosten zu des Andern klarem, überwiegenden Vortheile geführet; so müssen ihm von diesem die darauf verwendeten Kosten ersetzt werden.

§ 1038. Ist aber der überwiegende Vortheil nicht klar; oder hat der Geschäftsführer eigenmächtig so wichtige Veränderungen in einer fremden Sache vorgenommen, daß die Sache dem Andern zu dem Zwecke, wozu er sie bisher benützte, unbrauchbar wird, so ist dieser zu keinem Ersatze verbunden; er kann vielmehr verlangen, daß der Geschäftsführer auf eigene Kosten die Sache in den vorigen Stand zurücksetze, oder, wenn das nicht möglich ist, ihm volle Genugthuung leiste.

§ 1039. Wer ein fremdes Geschäft ohne Auftrag auf sich genommen hat, muß es bis zur Vollendung fortsetzen, und gleich einem Bevollmächtigten genaue Rechnung darüber ablegen.

gegen den Willen des Andern.

§ 1040. Wenn jemand gegen den gültig erklärten Willen des Eigenthümers sich eines fremden Geschäftes anmaßet, oder den rechtmäßigen Bevollmächtigten durch eine solche Einmengung an der Besorgung des Geschäftes verhindert; so verantwortet er nicht nur den hieraus erwachsenen Schaden und entgangenen Gewinn, sondern er verliert auch den gemachten Aufwand; in so fern er nicht in Natur zurückgenommen werden kann.

Verwendung einer Sache zum Nutzen des Andern.

§ 1041. Wenn ohne Geschäftsführung eine Sache zum Nutzen eines Andern verwendet worden ist; kann der Eigenthümer sie in Natur, oder, wenn dieß nicht mehr geschehen kann, den Werth verlangen, den sie zur Zeit der Verwendung gehabt hat, obgleich der Nutzen in der Folge vereitelt worden ist.

§ 1042. Wer für einen Andern einen Aufwand macht, den dieser nach dem Gesetze selbst hätte machen müssen, hat das Recht, den Ersatz zu fordern.

§ 1043. Hat jemand in einem Nothfalle, um einen größern Schaden von sich und Andern abzuwenden, sein Eigenthum aufgeopfert; so müssen ihn Alle, welche daraus Vortheil zogen, verhältnißmäßig entschädigen. Die ausführlichere Anwendung dieser Vorschrift auf Seegefahren ist ein Gegenstand der Seegesetze.

§ 1044. Die Vertheilung der Kriegsschäden wird nach besondern Vorschriften von den politischen Behörden bestimmt.

Drey u. zwanzigstes Hauptstück.

Von dem Tauschvertrage.

Tausch.

§ 1045. Der Tausch ist ein Vertrag, wodurch eine Sache gegen eine andere Sache überlassen wird. Die wirkliche Uebergabe ist nicht zur Errichtung; sondern nur zur Erfüllung des Tauschvertrages, und zur Erwerbung des Eigenthumes nothwendig.

§ 1046. Das Geld ist kein Gegenstand des Tauschvertrages; doch lassen sich Gold und Silber als eine Waare, und selbst als Münz-Sorten in so weit vertauschen; als sie nur gegen andere Münz-Sorten, goldene nähmlich gegen silberne, kleinere gegen größere Stücke verwechselt werden sollen.

Rechte und Pflichten der Tauschenden;

§ 1047. Tauschende sind vermöge des Vertrages verpflichtet, die vertauschten Sachen der Verabredung gemäß mit ihren Bestandteilen und mit allem Zugehör zu rechter Zeit, am gehörigen Ort und in eben dem Zustande, in welchem sie sich bei Schließung des Vertrages befunden haben, zum freien Besitze zu übergeben und zu übernehmen.

insbesondere in Rücksicht der Gefahr,

§ 1048. Ist eine Zeit bedungen, zu welcher die Uebergabe geschehen soll, und wird in der Zwischenzeit entweder die vertauschte bestimmte Sache durch Verboth außer Verkehr gesetzt, oder zufälliger Weise ganz, oder doch über die Hälfte am Werthe zu Grunde gerichtet, so ist der Tausch für nicht geschlossen anzusehen.

§ 1049. Andere in dieser Zwischenzeit durch Zufall erfolgte Verschlimmerungen der Sache und Lasten gehen auf die Rechnung des Besitzers. Sind jedoch Sachen in Pausch und Bogen behandelt worden; so trägt der Uebernehmer den zufälligen Untergang einzelner Stücke, wenn anders hierdurch das Ganze nicht über die Hälfte am Werthe verändert worden ist.

und der Nutzungen vor der Übergabe.

§ 1050. Dem Besitzer gebühren die Nutzungen der vertauschten Sache bis zur bedungenen Zeit der Uebergabe. Von dieser Zeit an gebühren sie, sammt dem Zuwachse, dem Uebernehmer, obgleich die Sache noch nicht übergeben worden ist.

§ 1051. Ist keine Zeit zur Uebergabe der bestimmten Sache bedungen, und fällt keinem Theile ein Versehen zur Last; so sind die obigen Vorschriften wegen Gefahr und Nutzungen (§§. 1048 – 1050) auf den Zeitpunct der Uebergabe selbst anzuwenden; in so fern die Parteyen nicht etwas Anderes festgesetzt haben.

§ 1052. Wer auf die Übergabe dringen will, muß seine Verbindlichkeit erfüllt haben oder sie zu erfüllen bereit sein. Auch der zur Vorausleistung Verpflichtete kann seine Leistung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung verweigern, wenn diese durch schlechte Vermögensverhältnisse des anderen Teiles gefährdet ist, die ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht bekannt sein mußten.

Vier u. zwanzigstes Hauptstück.

Von dem Kaufvertrage.

Kaufvertrag.

§ 1053. Durch den Kaufvertrag wird eine Sache um eine bestimmte Summe Geldes einem Andern überlassen. Er gehört, wie der Tausch, zu den Titeln ein Eigenthum zu erwerben. Die Erwerbung erfolgt erst durch die Uebergabe des Kaufgegenstandes. Bis zur Uebergabe behält der Verkäufer das Eigenthumsrecht.

Erfordernisse des Kaufvertrages.

§ 1054. Wie die Einwilligung des Käufers und Verkäufers beschaffen seyn müsse, und welche Sachen gekauft und verkauft werden dürfen, dieses wird nach den Regeln der Verträge überhaupt bestimmt. Der Kaufpreis muß im barem Gelde bestehen, und darf weder unbestimmt, noch gesetzwidrig seyn.

Der Kaufpreis muß

a) in barem Gelde bestehen;

§ 1055. Wird eine Sache theils gegen Geld, theils gegen eine andere Sache veräußert, so wird der Vertrag, je nachdem der Werth am Gelde mehr oder weniger, als der gemeine Werth der gegebenen Sache beträgt, zum Kaufe oder Tausche, und bey gleichem Werthe der Sache, zum Kaufe gerechnet.

b) bestimmt;

§ 1056. Käufer und Verkäufer können die Festsetzung des Preises auch einer dritten bestimmten Person überlassen. Wird von dieser in dem bedungenen Zeitraume nichts festgesetzt; oder will im Falle, daß kein Zeitraum bedungen worden ist, ein Theil vor der Bestimmung des Preises zurücktreten; so wird der Kaufvertrag als nicht geschlossen angesehen.

§ 1057. Wird die Bestimmung des Preises mehreren Personen überlassen, so entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Fallen die Stimmen so verschieden aus, daß der Preis nicht einmahl durch wirkliche Mehrheit der Stimmen festgesetzt wird; so ist der Kauf für nicht eingegangen zu achten.

§ 1058. Auch der Werth, welcher bey einer früheren Veräußerung bedungen worden ist, kann zur Bestimmung des Preises dienen. Hat man den ordentlichen Marktpreis zum Grunde gelegt, so wird der mittlere Marktpreis des Ortes und der Zeit, wo und in welcher der Vertrag erfüllet werden muß, angenommen.

c) nicht gesetzwidrig sein.

§ 1059. (Anm.: Aufgehoben durch § 33 Z 7, BGBl. Nr. 140/1979.)

§ 1060. Außer diesem Falle kann der Kauf sowohl von dem Käufer als Verkäufer nur wegen Verletzung über die Hälfte bestritten werden (§§. 934 – 935). Diese Beschwerde findet auch dann Statt, wenn der Ausspruch des Kaufpreises einem Dritten überlassen worden ist.

Pflichten des Verkäufers,

§ 1061. Der Verkäufer ist schuldig, die Sache bis zur Zeit der Uebergabe sorgfältig zu verwahren und sie dem Käufer nach eben den Vorschriften zu übergeben, welche oben bey dem Tausche (§. 1047) aufgestellt worden sind.

und des Käufers.

§ 1062. Der Käufer hingegen ist verbunden, die Sache sogleich, oder zur bedungenen Zeit zu übernehmen, zugleich aber auch das Kaufgeld bar abzuführen; widrigen Falls ist der Verkäufer ihm die Uebergabe der Sache zu verweigern berechtiget.

§ 1063. Wird die Sache dem Käufer von dem Verkäufer ohne das Kaufgeld zu erhalten, übergeben; so ist die Sache auf Borg verkauft, und das Eigenthum derselben geht gleich auf den Käufer über.

§ 1063a. Die Kosten der Übergabe der verkauften Ware, insbesondere die Kosten des Messens und des Wägens, fallen dem Verkäufer zur Last, die Kosten der Abnahme und der Versendung der Sache an einen anderen Ort als den Erfüllungsort aber dem Käufer.

§ 1063b. Wenn dem Käufer beim Kauf einer beweglichen Sache die nähere Bestimmung der Form, des Maßes oder ähnlicher Verhältnisse vorbehalten ist, ist er verpflichtet, die vorbehaltene Bestimmung zu treffen. Im Übrigen gilt § 906 Abs. 2 sinngemäß.

Gefahr und Nutzen des Kaufgegenstandes.

§ 1064. In Rücksicht der Gefahr und Nutzungen einer zwar gekauften, aber noch nicht übergebenen Sache gelten die nähmlichen Vorschriften, die bey dem Tauschvertrage gegeben worden sind (§§. 1048 – 1051).

Kauf einer gehofften Sache.

§ 1065. Wenn Sachen, die noch zu erwarten stehen, gekauft werden; so sind die in dem Hauptstücke von gewagten Geschäften gegebenen Anordnungen anzuwenden.

Allgemeine Vorschrift.

§ 1066. In allen bey einem Kaufvertrage vorkommenden Fällen, welche in dem Gesetze nicht ausdrücklich entschieden werden, sind die in den Hauptstücken von Verträgen überhaupt, und von dem Tauschvertrage insbesondere aufgestellten Vorschriften anzuwenden.

Besondere Arten oder Nebenverträge eines Kaufvertrages.

§ 1067. Besondere Arten oder Nebenverträge eines Kaufvertrages sind: der Vorbehalt des Wiederkaufes, des Rückverkaufes, des Vorkaufes; der Verkauf auf die Probe; der Verkauf mit Vorbehalt eines bessern Käufers; und der Verkaufsauftrag.

Verkauf mit Vorbehalt des Wiederkaufes.

§ 1068. Das Recht eine verkaufte Sache wieder einzulösen, heißt das Recht des Wiederkaufes. Ist dieses Recht dem Verkäufer überhaupt und ohne nähere Bestimmung eingeräumt, so wird von einer Seite das Kaufstück in einem nicht verschlimmerten Zustande; von der andern Seite aber das erlegte Kaufgeld zurück gegeben, und die inzwischen beyderseits aus dem Gelde und der Sache gezogenen Nutzungen bleiben gegen einander aufgehoben.

§ 1069. Hat der Käufer das Kaufstück aus dem Seinigen verbessert; oder zu dessen Erhaltung außerordentliche Kosten verwendet, so gebührt ihm gleich einem redlichen Besitzer der Ersatz; er haftet aber auch dafür, wenn durch sein Verschulden der Werth verändert, oder die Zurückgabe vereitelt worden ist.

§ 1070. Der Vorbehalt des Wiederkaufes findet nur bei unbeweglichen Sachen statt und gebührt dem Verkäufer nur für seine Lebenszeit. Er kann sein Recht weder auf die Erben noch auf einen anderen übertragen. Ist das Recht in die öffentlichen Bücher einverleibt, so kann die Sache auch einem Dritten abgefordert werden und dieser wird nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Besitzes behandelt.

Kauf mit Vorbehalt des Rückverkaufes.

§ 1071. Den nähmlichen Beschränkungen unterliegt das von dem Käufer ausbedungene Recht, die Sache dem Verkäufer wieder zurück zu verkaufen; und es sind auf dasselbe die für den Wiederkauf ertheilten Vorschriften anzuwenden. Ist aber die Bedingung des Wiederverkaufs oder Wiederkaufs verstellt, und eigentlich um ein Pfandrecht oder ein Borggeschäft zu verbergen, gebraucht worden, so tritt die Vorschrift des §. 916 ein.

Vorbehalt des Vorkaufsrechtes.

§ 1072. Wer eine Sache mit der Bedingung verkauft, daß der Käufer, wenn er solche wieder verkaufen will, ihm die Einlösung anbiethen soll, der hat das Vorkaufsrecht.

§ 1073. Das Vorkaufsrecht ist in der Regel ein persönliches Recht. In Rücksicht auf unbewegliche Güter kann es durch Eintragung in die öffentlichen Bücher in ein dingliches verwandelt werden.

§ 1074. Auch kann das Vorkaufsrecht weder einem Dritten abgetreten, noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden.

§ 1075. Der Berechtigte muß bewegliche Sachen binnen vier und zwanzig Stunden; unbewegliche aber binnen dreyßig Tagen, nach der geschehenen Anbiethung, wirklich einlösen. Nach Verlauf dieser Zeit ist das Vorkaufsrecht erloschen.

§ 1076. Das Vorkaufsrecht hat im Falle einer gerichtlichen Feilbiethung der mit diesem Rechte belasteten Sachen keine andere Wirkung, als daß der den öffentlichen Büchern einverleibte Berechtigte zur Feilbiethung insbesondere vorgeladen werden muß.

§ 1077. Der zur Einlösung Berechtigte, muß außer dem Falle einer andern Verabredung, den vollständigen Preis, welcher von einem Dritten angebothen worden ist, entrichten. Kann er die außer dem gewöhnlichen Kaufpreise angebothenen Nebenbedingungen nicht erfüllen, und lassen sie sich auch durch einen Schätzungswerth nicht ausgleichen; so kann das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden.

§ 1078. Das Vorkaufsrecht läßt sich auf andere Veräußerungsarten ohne eine besondere Verabredung nicht ausdehnen.

§ 1079. Hat der Besitzer dem Berechtigten die Einlösung nicht angebothen, so muß er ihm für allen Schaden haften. Im Falle eines dinglichen Vorkaufsrechtes kann die veräußerte Sache dem Dritten abgefordert werden, und dieser wird nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Besitzes behandelt.

Kauf auf die Probe.

§ 1080. Der Kauf auf Probe ist unter der im Belieben des Käufers stehenden Bedingung geschlossen, daß er die Ware genehmige. Die Bedingung ist im Zweifel eine aufschiebende; der Käufer ist vor der Genehmigung an den Kauf nicht gebunden, der Verkäufer hört auf, gebunden zu sein, wenn der Käufer bis zum Ablaufe der Probezeit nicht genehmigt.

§ 1081. Ist die Sache zum Zwecke der Besichtigung oder Probe bereits übergeben, so gilt Stillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der Probezeit als Genehmigung.

§ 1082. Ist bei einem Kauf auf Probe keine Probezeit vereinbart worden, so kann der Verkäufer dem Käufer eine angemessene Frist als Probezeit setzen.

Verkauf mit Vorbehalt eines besseren Käufers.

§ 1083. Wird das Kaufgeschäft mit dem Vorbehalte verabredet, daß der Verkäufer, wenn sich binnen einer bestimmten Zeit ein besserer Käufer meldet, denselben vorzuziehen befugt sey; so bleibt in dem Falle, daß das Kaufstück nicht übergeben worden, die Wirklichkeit des Vertrages bis zum Eintritte der Bedingung aufgeschoben.

§ 1084. Ist das Kaufstück übergeben worden, so ist der Kaufvertrag abgeschlossen; er wird aber durch den Eintritt der Bedingung wieder aufgelöset. Bey dem Mangel einer ausdrücklichen Zeitbestimmung wird der bey dem Kaufe auf die Probe angenommene Zeitraum vermuthet.

§ 1085. Ob der neue Käufer besser sey, beurtheilet der Verkäufer. Er kann den zweyten Käufer, wenn der erste auch noch mehr zahlen wollte, vorziehen. Bey der Auflösung des Vertrages heben sich die Nutzungen der Sache und des Geldes gegen einander auf. In Rücksicht der Verbesserungen oder Verschlimmerungen wird der Käufer gleich einem redlichen Besitzer behandelt.

Verkaufsauftrag.

§ 1086. Wenn jemand seine bewegliche Sache einem Andern für einen gewissen Preis zum Verkaufe übergibt, mit der Bedingung, daß ihm der Uebernehmer binnen einer festgesetzten Zeit entweder das bestimmte Kaufgeld liefern oder die Sache zurückstellen soll; so ist der Uebergeber vor Verlauf der Zeit die Sache zurück zu fordern nicht berechtiget; der Uebernehmer aber muß nach deren Ablauf das bestimmte Kaufgeld entrichten.

§ 1087. Während der festgesetzten Zeit bleibt der Uebergeber Eigenthümer, der Uebernehmer haftet ihm für den durch sein Verschulden verursachten Schaden, und es werden ihm bey Zurückstellung der Sache nur solche Kosten vergütet, die dem Uebergeber zum Nutzen gereichen.

§ 1088. Ist die Sache unbeweglich; oder ist der Preis, oder die Zahlungsfrist nicht bestimmt; so wird der Uebernehmer wie ein Gewalthaber angesehen. In keinem Falle kann die zum Verkaufe anvertraute Sache dem Dritten, welcher sie von dem Uebernehmer redlicher Weise an sich gebracht hat, abgefordert werden (§. 367).

§ 1089. Auch bey gerichtlichen Verkäufen finden die über Verträge, und den Tausch- und Kaufvertrag insbesondere aufgestellten Vorschriften in der Regel Statt; in so fern nicht in diesem Gesetze, oder in der Gerichtsordnung eigene Anordnungen enthalten sind.

Fünf u. zwanzigstes Hauptstück.

Von Bestand- Erbpacht- und Erbzins-Verträgen.

Bestandvertrag.

§ 1090. Der Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, heißt überhaupt Bestandvertrag.

I) Mieth- und Pachtvertrag.

§ 1091. Der Bestandvertrag wird, wenn sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen läßt, ein Miethvertrag; wenn sie aber nur durch Fleiß und Mühe benützt werden kann, ein Pachtvertrag genannt. Werden durch einen Vertrag Sachen von der ersten und zweyten Art zugleich in Bestand gegeben; so ist der Vertrag nach der Beschaffenheit der Hauptsache zu beurtheilen.

Erfordernisse.

§ 1092. Mieth- und Pachtverträge können über die nähmlichen Gegenstände und auf die nähmliche Art, als der Kaufvertrag geschlossen werden. Der Mieth- und Pachtzins wird, wenn keine andere Uebereinkunft getroffen worden ist, wie das Kaufgeld entrichtet.

§ 1093. Der Eigenthümer kann sowohl seine beweglichen und unbeweglichen Sachen, als seine Rechte in Bestand geben; er kann aber auch in den Fall kommen, den Gebrauch seiner eigenen Sache, wenn er einem Dritten gebührt, in Bestand zu nehmen.

Wirkung.

§ 1094. Sind die vertragschließenden Theile über das Wesentliche des Bestandes, nähmlich über die Sache und den Preis, übereingekommen; so ist der Vertrag vollkommen abgeschlossen, und der Gebrauch der Sache für gekauft anzusehen.

§ 1095. Wenn ein Bestandvertrag in die öffentlichen Bücher eingetragen ist; so ist das Recht des Bestandnehmers als ein dingliches Recht zu betrachten, welches sich auch der nachfolgende Besitzer auf die noch übrige Zeit gefallen lassen muß.

Wechselseitige Rechte:

1) In Hinsicht auf Ueberlassung; Erhaltung; Benützung.

§ 1096. (1) Vermieter und Verpächter sind verpflichtet, das Bestandstück auf eigene Kosten in brauchbarem Stande zu übergeben und zu erhalten und die Bestandinhaber in dem bedungenen Gebrauche oder Genusse nicht zu stören. Ist das Bestandstück bei der Übergabe derart mangelhaft oder wird es während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft, daß es zu dem bedungenen Gebrauche nicht taugt, so ist der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit. Auf diese Befreiung kann bei der Miete unbeweglicher Sachen im voraus nicht verzichtet werden.

(2) Der Pächter hat die gewöhnlichen Ausbesserungen der Wirtschaftsgebäude nur insoweit selbst zu tragen, als sie mit den Materialien des Gutes und den Diensten, die er nach der Beschaffenheit des Gutes zu fordern berechtigt ist, bestritten werden können.

§ 1097. Werden Ausbesserungen nötig, welche dem Bestandgeber obliegen, so ist der Bestandnehmer bei sonstigem Schadenersatz verpflichtet, dem Bestandgeber ohne Verzug Anzeige zu machen. Der Bestandnehmer wird als ein Geschäftsführer ohne Auftrag betrachtet, wenn er auf das Bestandstück einen dem Bestandgeber obliegenden Aufwand (§ 1036) oder einen nützlichen Aufwand (§ 1037) gemacht hat; er muß aber den Ersatz längstens binnen sechs Monaten nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern, sonst ist die Klage erloschen.

§ 1098. Mieter und Pächter sind berechtiget, die Miet- und Pachtstücke dem Vertrage gemäß durch die bestimmte Zeit zu gebrauchen und zu benützen, oder auch in Afterbestand zu geben, wenn es ohne Nachteil des Eigentümers geschehen kann und im Vertrage nicht ausdrücklich untersagt worden ist.

2) Lasten;

§ 1099. Bey Vermiethungen trägt alle Lasten und Abgaben der Vermiether. Bey eigentlichen Pachtungen, wenn sie in Pausch und Bogen geschehen, übernimmt der Pächter mit Ausschluß der eingetragenen Hypothecar-Lasten, alle übrige; wird aber die Pachtung nach einem Anschlage geschlossen, so trägt er jene Lasten, welche von dem Ertrage abgezogen worden sind, oder bloß von den Früchten, und nicht von dem Grunde selbst entrichtet werden müssen.

3) Zins.

§ 1100. Ist nichts anderes vereinbart oder ortsüblich, so ist der Zins, wenn eine Sache auf ein oder mehrere Jahre in Bestand genommen wird, halbjährlich, bei einer kürzeren Bestandzeit hingegen nach Verlauf derselben zu entrichten. Bei der Raummiete ist der Zins monatlich, und zwar jeweils am Fünften des Monats, zu entrichten.

§ 1101. (1) Zur Sicherstellung des Bestandzinses hat der Vermieter einer unbeweglichen Sache das Pfandrecht an den eingebrachten, dem Mieter oder seinen mit ihm in gemeinschaftlichem Haushalte lebenden Familienmitgliedern gehörigen Einrichtungsstücken und Fahrnissen, soweit sie nicht der Pfändung entzogen sind. Das Pfandrecht erlischt, wenn die Gegenstände vor ihrer pfandweisen Beschreibung entfernt werden, es sei denn, daß dies infolge einer gerichtlichen Verfügung geschieht und der Vermieter binnen drei Tagen nach dem Vollzuge sein Recht bei Gericht anmeldet.

(2) Zieht der Mieter aus oder werden Sachen verschleppt, ohne daß der Zins entrichtet oder sichergestellt ist, so kann der Vermieter die Sachen auf eigene Gefahr zurückbehalten, doch muß er binnen drei Tagen um die pfandweise Beschreibung ansuchen oder die Sachen herausgeben.

(3) Dem Verpächter eines Grundstückes steht in gleichem Umfange und mit gleicher Wirkung das Pfandrecht an dem auf dem Pachtgute vorhandenen Vieh und den Wirtschaftsgerätschaften und den darauf noch befindlichen Früchten zu.

§ 1102. Der Bestandgeber kann sich zwar die Vorausbezahlung des Bestandzinses bedingen. Hat aber der Bestandnehmer mehr als eine Fristzahlung voraus geleistet, so kann er dieselbe einem später eingetragenen Gläubiger oder neuen Eigentümer nur dann entgegensetzen, wenn sie in dem öffentlichen Buch ersichtlich gemacht ist.

Zins in Früchten.

§ 1103. Wenn der Eigenthümer sein Gut mit der Bedingung überläßt, daß der Uebernehmer die Wirthschaft betreiben, und dem Uebergeber einen auf die ganze Nutzung sich beziehenden Theil, z. B. ein Drittheil oder die Hälfte der Früchte geben solle; so entsteht kein Pacht-, sondern ein Gesellschaftsvertrag, welcher nach den darüber aufgestellten Regeln beurtheilet wird.

Fälle und Bedingungen einer Erlassung des Zinses.

§ 1104. Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten.

§ 1105. Behält der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstückes, so wird ihm auch ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen. Dem Pächter gebührt ein Erlaß an dem Pachtzinse, wenn durch außerordentliche Zufälle die Nutzungen des nur auf ein Jahr gepachteten Gutes um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind. Der Verpächter ist so viel zu erlassen schuldig, als durch diesen Abfall an dem Pachtzinse mangelt.

§ 1106. Hat der Bestandnehmer unbestimmt alle Gefahren auf sich genommen; so werden darunter nur die Feuer-, und Wasserschäden und Wetterschläge verstanden. Andere außerordentliche Unglücksfälle kommen nicht auf seine Gefahr. Verbindet er sich aber ausdrücklich, auch alle andere außerordentliche Unglücksfälle zu tragen; so wird deßwegen noch nicht vermuthet, daß er auch für den zufälligen Untergang des ganzen Pachtstückes haften wolle.

§ 1107. Wird der Gebrauch oder Genuß des Bestandstückes nicht wegen dessen Beschädigung oder sonst entstandener Unbrauchbarkeit, sondern aus einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernisse oder Unglücksfalle vereitelt, oder waren zur Zeit der Beschädigung die Früchte von dem Grunde schon abgesondert, so fällt die widrige Ereignung dem Bestandnehmer allein zur Last. Er muß den Zins doch entrichten. Der Bestandgeber muß sich aber den ersparten Aufwand und die Vorteile, die er durch anderweitige Verwertung des Bestandstückes erlangt, anrechnen.

§ 1108. Behauptet der Pächter den Erlaß des ganzen Pachtzinses oder eines Theiles davon entweder aus dem Vertrage oder aus dem Gesetze; so muß er dem Verpächter ohne Zeitverlust den geschehenen Unglücksfall anzeigen, und die Begebenheit, wenn sie nicht landkündig ist, gerichtlich, oder wenigstens durch zwey sachkündige Männer erheben lassen; ohne diese Vorsicht wird er nicht angehört.

4) Zurückstellung;

§ 1109. Nach geendigtem Bestandvertrage muß der Bestandnehmer die Sache dem etwa errichteten Inventarium gemäß oder doch in dem Zustand, in welchem er sie übernommen hat, gepachtete Grundstücke aber mit Rücksicht auf die Jahreszeit, in welcher der Pacht geendigt worden ist, in gewöhnlicher wirtschaftlicher Kultur zurückstellen. Weder ein Zurückbehaltungsrecht oder die Einwendung der Kompensation noch selbst des früheren Eigentumsrechtes kann ihn vor der Zurückstellung schützen.

§ 1110. Wenn bey dem Bestandvertrage kein Inventarium errichtet worden ist; so tritt die nähmliche Vermuthung, wie bey der Fruchtnießung (§. 518) ein.

§ 1111. Wird das Mieth- oder Pachtstück beschädiget, oder durch Mißbrauch abgenützt; so haften Miether und Pächter sowohl für ihr eigenes, als des Afterbestandnehmers Verschulden, nicht aber für den Zufall. Doch muß der Bestandgeber den Ersatz aus dieser Haftung längstens binnen Einem Jahre nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern; sonst ist das Recht erloschen.

5) Auflösung des Bestandvertrages:

a) durch Untergang der Sache;

§ 1112. Der Bestandvertrag löset sich von selbst auf, wenn die bestandene Sache zu Grunde geht. Geschieht dies aus Verschulden des einen Theiles, so gebührt dem andern Ersatz; geschieht es durch einen Unglücksfall, so ist kein Theil dem andern dafür verantwortlich.

b) Verlauf der Zeit;

§ 1113. Der Bestandvertrag erlischt auch durch den Verlauf der Zeit, welcher ausdrücklich oder stillschweigend, entweder durch den nach einem gewissen Zeitraume ausgemessenen Zins, wie bey so genannten Tag- Wochen- und Monathzimmern, oder durch die erklärte, oder aus den Umständen hervorleuchtende Absicht des Bestandnehmers bedungen worden ist.

Wenn keine Erneuerung geschieht;

§ 1114. Der Bestandvertrag kann aber nicht nur ausdrücklich; sondern auch stillschweigend erneuert werden. Ist in dem Vertrage eine vorläufige Aufkündigung bedungen worden; so wird der Vertrag durch die Unterlassung der gehörigen Aufkündigung stillschweigend erneuert. Ist keine Aufkündigung bedungen worden; so geschieht eine stillschweigende Erneuerung, wenn der Bestandnehmer nach Verlauf der Bestandzeit fortfährt, die Sache zu gebrauchen oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabey bewenden läßt.

§ 1115. Die stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrages geschieht unter den nähmlichen Bedingungen, unter welchen er vorher geschlossen war. Doch erstreckt sie sich bey Pachtungen nur auf Ein Jahr; wenn aber der ordentliche Genuß erst in einem späteren Zeitraume erfolgen kann, auf eine so lange Zeit, als nothwendig ist, um die Nutzungen einmahl beziehen zu können. Miethungen, wofür man den Zins erst nach einem ganzen oder halben Jahre zu bezahlen pflegt, werden auf ein halbes Jahr; alle kürzere Miethungen aber auf diejenige Zeit stillschweigend erneuert, welche vorher durch den Bestandvertrag bestimmt war. Von wiederhohlten Erneuerungen gilt das Nähmliche, was hier in Rücksicht der ersten Erneuerung vorgeschrieben ist.

c) Aufkündigung;

§ 1116. In so fern die Dauer eines Bestandvertrages weder ausdrücklich, noch stillschweigend, noch durch besondere Vorschriften bestimmt ist, muß derjenige, welcher den Vertrag aufheben will, dem Andern die Pachtung sechs Monathe; die Miethung einer unbeweglichen Sache vierzehn Tage; und einer beweglichen vier und zwanzig Stunden vorher aufkündigen, als die Abtretung erfolgen soll.

§ 1116a. Durch den Tod eines der vertragschließenden Teile wird der Bestandvertrag nicht aufgehoben. Wohnungsmieten können jedoch, wenn der Mieter stirbt, ohne Rücksicht auf die vereinbarte Dauer sowohl von den Erben des Mieters wie von dem Vermieter unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gelöst werden.

§ 1117. Der Bestandnehmer ist berechtigt, auch vor Verlauf der bedungenen Zeit von dem Vertrag ohne Kündigung abzustehen, wenn das Bestandstück in einem Zustand übergeben oder ohne seine Schuld in einen Zustand geraten ist, der es zu dem bedungenen Gebrauch untauglich macht, oder wenn ein beträchtlicher Teil durch Zufall auf eine längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. Aus dem Grunde der Gesundheitsschädlichkeit gemieteter Wohnräume steht dieses Recht dem Mieter auch dann zu, wenn er im Vertrage darauf verzichtet oder die Beschaffenheit der Räume beim Vertragsabschluß gekannt hat.

§ 1118. Der Bestandgeber kann seinerseits die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer der Sache einen erheblichen nachtheiligen Gebrauch davon macht; wenn er nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat; oder, wenn ein vermiethetes Gebäude neu aufgeführt werden muß. Eine nützlichere Bauführung ist der Miether zu seinem Nachtheile zuzulassen nicht schuldig, wohl aber nothwendige Ausbesserungen.

§ 1119. Wenn dem Vermiether die Nothwendigkeit der neuen Bauführung schon zur Zeit des geschlossenen Vertrages bekannt seyn mußte; oder, wenn die Nothwendigkeit der durch längere Zeit fortzusetzenden Ausbesserungen aus Vernachlässigung der kleinern Ausbesserungen entstanden ist; so muß dem Miether für den vermißten Gebrauch eine angemessene Entschädigung geleistet werden.

d) Veräußerung der Sache;

§ 1120. Hat der Eigenthümer das Bestandstück an einen Andern veräußert, und ihm bereits übergeben; so muß der Bestandinhaber, wenn sein Recht nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist (§. 1095), nach der gehörigen Aufkündigung dem neuen Besitzer weichen. Er ist aber berechtiget, von dem Bestandgeber in Rücksicht auf den erlittenen Schaden, und entgangenen Nutzen eine vollkommene Genugthuung zu fordern.

§ 1121. Bei einer zwangsweisen gerichtlichen Veräußerung ist das Bestandrecht, wenn es in die öffentlichen Bücher eingetragen ist, gleich einer Dienstbarkeit zu behandeln. Hat der Ersteher das Bestandrecht nicht zu übernehmen, so muß ihm der Bestandnehmer nach gehöriger Aufkündigung weichen.

Sechs u. zwanzigstes Hauptstück.

Von Verträgen über Dienstleistungen

Dienst- und Werkvertrag.

§ 1151. (1) Wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag; wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt, ein Werkvertrag.

(2) Insoweit damit eine Geschäftsbesorgung (§ 1002) verbunden ist, müssen auch die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag beobachtet werden.

§ 1152. Ist im Vertrage kein Entgelt bestimmt und auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart, so gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen.

1. Dienstvertrag.

§ 1153. Wenn sich aus dem Dienstvertrage oder aus den Umständen nichts anderes ergibt, hat der Dienstnehmer die Dienste in eigener Person zu leisten und ist der Anspruch auf die Dienste nicht übertragbar. Soweit über Art und Umfang der Dienste nichts vereinbart ist, sind die den Umständen nach angemessenen Dienste zu leisten.

Anspruch auf das Entgelt.

§ 1154. (1) Wenn nichts anderes vereinbart oder bei Diensten der betreffenden Art üblich ist, ist das Entgelt nach Leistung der Dienste zu entrichten.

(2) Ist das Entgelt nach Monaten oder kürzeren Zeiträumen bemessen, so ist es am Schlusse des einzelnen Zeitraumes; ist es nach längeren Zeiträumen bemessen, am Schlusse eines jeden Kalendermonats zu entrichten. Ein nach Stunden, nach Stück oder Einzelleistungen bemessenes Entgelt ist für die schon vollendeten Leistungen am Schlusse einer jeden Kalenderwoche, wenn es sich jedoch um Dienste höherer Art handelt, am Schlusse eines jeden Kalendermonats zu entrichten.

(3) In jedem Falle wird das bereits verdiente Entgelt mit der Beendigung des Dienstverhältnisses fällig.

§ 1154a. Der nach Stück oder Einzelleistungen entlohnte Dienstnehmer kann einen den geleisteten Diensten und seinen Auslagen entsprechenden Vorschuß vor Fälligkeit des Entgelts verlangen.

§ 1154b. (1) Der Dienstnehmer behält seinen Anspruch auf das Entgelt, wenn er nach Antritt des Dienstes durch Krankheit oder Unglücksfall an der Dienstleistung verhindert ist, ohne dies vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet zu haben, bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von acht Wochen, wenn das Dienstverhältnis fünf Jahre, von zehn Wochen, wenn es 15 Jahre und von zwölf Wochen, wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch jeweils weitere vier Wochen behält der Dienstnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt.

(2) Bei wiederholter Dienstverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nur insoweit, als die Dauer des Anspruchs gemäß Abs. 1 noch nicht erschöpft ist.

(3) Wird ein Dienstnehmer durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Dienstverhinderung bis zur Dauer von acht Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn das Dienstverhältnis 15 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Bei wiederholten Dienstverhinderungen, die im unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit stehen, besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts innerhalb eines Dienstjahres nur insoweit, als die Dauer des Anspruchs nach dem ersten oder zweiten Satz noch nicht erschöpft ist. Ist ein Dienstnehmer gleichzeitig bei mehreren Dienstgebern beschäftigt, so entsteht ein Anspruch nach diesem Absatz nur gegenüber jenem Dienstgeber, bei dem die Dienstverhinderung im Sinne dieses Absatzes eingetreten ist; gegenüber den anderen Dienstgebern entstehen Ansprüche nach Abs. 1.

(4) Kur- und Erholungsaufenthalte, Aufenthalte in Heil- und Pflegeanstalten, Rehabilitationszentren und Rekonvaleszentenheimen, die wegen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit von einem Träger der Sozialversicherung, dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen gemäß § 12 Abs. 4 Opferfürsorgegesetz, einem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen oder einer Landesregierung auf Grund eines Behindertengesetzes auf deren Rechnung bewilligt oder angeordnet werden, sind einer Dienstverhinderung gemäß Abs. 3 gleichzuhalten.

(5) Der Dienstnehmer behält ferner den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Dienstleistung verhindert wird.

(6) Ist der Dienstnehmer nach Antritt des Dienstverhältnisses wegen eines Einsatzes als freiwilliges Mitglied einer Katastrophenhilfsorganisation, eines Rettungsdienstes oder einer freiwilligen Feuerwehr bei einem Großschadensereignis nach § 3 Z 2 lit. b des Katastrophenfondsgesetzes, BGBl. Nr. 201/1996 oder als Mitglied eines Bergrettungsdienstes an der Dienstleistung verhindert, so hat er unbeschadet seiner Ansprüche nach Abs. 5 einen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts, wenn das Ausmaß und die Lage der Dienstfreistellung mit dem Dienstgeber vereinbart wird.

§ 1155. (1) Auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, gebührt dem Dienstnehmer das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Dienstgebers liegen, daran verhindert worden ist; er muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.

(2) Wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Dienstleistung verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung.

(Anm.: Abs. 3 und 4 mit Ablauf des 31.12.2020 außer Kraft getreten)

Erlöschen der Ansprüche.

§ 1156. Die dem Dienstgeber nach § 1154b obliegenden Verpflichtungen erlöschen, wenn das Dienstverhältnis infolge Ablaufes der Zeit, für die es eingegangen wurde, oder infolge einer früheren Kündigung oder einer Entlassung endet, die nicht durch die Erkrankung oder sonstige die Person des Dienstnehmers betreffende wichtige Gründe im Sinne des § 1154b verursacht ist. Wird der Dienstnehmer wegen der Verhinderung entlassen oder wird ihm während der Verhinderung gekündigt, so bleibt die dadurch herbeigeführte Beendigung des Dienstverhältnisses in Ansehung der bezeichneten Ansprüche außer Betracht.

Fürsorgepflicht des Dienstgebers.

§ 1157. (1) Der Dienstgeber hat die Dienstleistungen so zu regeln und bezüglich der von ihm beizustellenden oder beigestellten Räume und Gerätschaften auf seine Kosten dafür zu sorgen, daß Leben und Gesundheit des Dienstnehmers, soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist, geschützt werden.

(2) Ist der Dienstnehmer in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommen, so hat dieser in Ansehung des Wohn- und Schlafraumes, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit die mit Rücksicht auf Gesundheit, Sittlichkeit und Religion des Dienstnehmers erforderlichen Anordnungen zu treffen.

Endigung des Dienstverhältnisses.

  • § 1158. (1) Das Dienstverhältnis endet mit dem Ablaufe der Zeit, für die es eingegangen wurde.

  • (2) Ein auf Probe oder nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

  • (3) Ein für die Lebenszeit einer Person oder für länger als fünf Jahre vereinbartes Dienstverhältnis kann von dem Dienstnehmer nach Ablauf von fünf Jahren unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gelöst werden.

  • Fassung ab 01.07.2021

    (3) Ein für die Lebenszeit einer Person oder für länger als fünf Jahre vereinbartes Dienstverhältnis kann von dem Dienstnehmer nach Ablauf von fünf Jahren unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gelöst werden.

    (Abs.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 6 Z 2, BGBl. I Nr. 153/2017)

  • (4) Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden.

Kündigungsfristen.

§ 1159. Die Kündigung ist zulässig:

wenn bei einem Dienstverhältnisse, das keine Dienste höherer Art zum Gegenstande hat, das Entgelt nach Stunden oder Tagen, nach Stück oder Einzelleistungen bemessen ist, jederzeit für den folgenden Tag; wenn ein solches Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Dienstnehmers hauptsächlich in Anspruch nimmt und schon drei Monate gedauert hat oder wenn das Entgelt nach Wochen bemessen ist, spätestens am ersten Werktage für den Schluß der Kalenderwoche. Die Wirkung der Kündigung tritt im Falle der Entlohnung nach Stück oder Einzelleistungen keinesfalls vor Vollendung der zur Zeit der Kündigung in Ausführung begriffenen Leistungen ein.

Fassung ab 01.07.2021

Kündigung

  • § 1159. (1) Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden.

  • (2) Mangels einer für den Dienstnehmer günstigeren Vereinbarung kann der Dienstgeber das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei, nach dem vollendeten fünfzehnten Dienstjahr auf vier und nach dem vollendeten fünfundzwanzigsten Dienstjahr auf fünf Monate. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.

  • (3) Die Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung nicht unter die im Absatz 2 bestimmte Dauer herabgesetzt werden; jedoch kann vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist am Fünfzehnten oder am Letzten des Kalendermonats endigt.

  • (4) Mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung kann der Dienstnehmer das Dienstverhältnis mit dem letzten Tage eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen. Diese Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung bis zu einem halben Jahr ausgedehnt werden; doch darf die vom Dienstgeber einzuhaltende Frist nicht kürzer sein als die mit dem Dienstnehmer vereinbarte Kündigungsfrist. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.

  • (5) Ist das Dienstverhältnis nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbart, so kann es während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist gelöst werden.

  • § 1159a. (1) Wenn ein Dienstverhältnis, das Dienste höherer Art zum Gegenstande hat, die Erwerbstätigkeit des Dienstnehmers hauptsächlich in Anspruch nimmt und schon drei Monate gedauert hat, so ist ohne Rücksicht auf die Art der Bemessung des Entgelts eine mindestens vierwöchentliche Kündigungsfrist einzuhalten.

  • (2) Dasselbe gilt überhaupt, wenn das Entgelt nach Jahren bemessen ist.

Fassung ab 01.07.2021

(§ 1159a entfällt)

§ 1159b. In allen anderen Fällen kann das Dienstverhältnis unter Einhaltung einer mindestens vierzehntägigen Kündigungsfrist gelöst werden.

Fassung ab 01.07.2021

(§ 1159b entfällt)

§ 1159c. Die Kündigungsfrist muß immer für beide Teile gleich sein. Wurden ungleiche Fristen vereinbart, so gilt für beide Teile die längere Frist.

Fassung ab 01.07.2021

(§ 1159c entfällt)

Freizeit während der Kündigungsfrist

§ 1160. (1) Bei Kündigung durch den Dienstgeber ist dem Dienstnehmer während der Kündigungsfrist auf sein Verlangen wöchentlich mindestens ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ohne Schmälerung des Entgelts freizugeben.

(2) Ansprüche nach Abs. 1 bestehen nicht, wenn der Dienstnehmer einen Anspruch auf eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung hat, sofern eine Bescheinigung über die vorläufige Krankenversicherung vom Pensionsversicherungsträger ausgestellt wurde.

(3) Durch Kollektivvertrag können abweichende Regelungen getroffen werden.

Insolvenzverfahren

§ 1161. Welche Wirkungen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Dienstgebers auf das Dienstverhältnis hat, bestimmt die Insolvenzordnung.

Vorzeitige Auflösung.

§ 1162. Das Dienstverhältnis kann, wenn es für bestimmte Zeit eingegangen wurde, vor Ablauf dieser Zeit, sonst aber ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von jedem Teile aus wichtigen Gründen gelöst werden.

§ 1162a. Wenn der Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt, kann der Dienstgeber entweder dessen Wiedereintritt zur Dienstleistung nebst Schadenersatz oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages verlangen. Wird der Dienstnehmer wegen eines Verschuldens vorzeitig entlassen, so hat er Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages zu leisten. Für die schon bewirkten Leistungen, deren Entgelt noch nicht fällig ist, steht dem Dienstnehmer ein Anspruch auf den entsprechenden Teil des Entgelts nur insoweit zu, als sie nicht durch die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses für den Dienstgeber ihren Wert ganz oder zum größten Teil eingebüßt haben.

§ 1162b. Wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig entläßt oder wenn ihn ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritte des Dienstnehmers trifft, behält dieser, unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes, seine vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsmäßige Kündigung hätte verstreichen müssen, unter Anrechnung dessen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Soweit jedoch der oben genannte Zeitraum drei Monate nicht übersteigt, kann der Dienstnehmer das ganze für diese Zeit gebührende Entgelt ohne Abzug sofort fordern.

§ 1162c. Trifft beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt.

§ 1162d. Ansprüche wegen vorzeitigen Austrittes oder vorzeitiger Entlassung im Sinne der §§ 1162a und 1162b müssen bei sonstigem Ausschlusse binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden konnten, gerichtlich geltend gemacht werden.

Zeugnis.

§ 1163. (1) Bei Beendigung des Dienstverhältnisses ist dem Dienstnehmer auf sein Verlangen ein schriftliches Zeugnis über die Dauer und Art der Dienstleistung auszustellen. Verlangt der Dienstnehmer während der Dauer des Dienstverhältnisses ein Zeugnis, so ist ihm ein solches auf seine Kosten auszustellen. Eintragungen und Anmerkungen im Zeugnisse, durch die dem Dienstnehmer die Erlangung einer neuen Stellung erschwert wird, sind unzulässig.

(2) Zeugnisse des Dienstnehmers, die sich in Verwahrung des Dienstgebers befinden, sind dem Dienstnehmer auf Verlangen jederzeit auszufolgen.

Zwingende Vorschriften

§ 1164. (1) Die Berechtigungen des Dienstnehmers, die sich aus den Bestimmungen der §§ 1154 Abs. 3, § 1154b, 1156 bis 1159b, 1160 und 1162a bis 1163 ergeben, können durch den Dienstvertrag oder durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung nicht aufgehoben oder beschränkt werden.

(2) Die §§ 1154b, 1156 und 1164 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/2000 sind auf Dienstverhinderungen anzuwenden, die in nach dem 31. Dezember 2000 begonnenen Arbeitsjahren eingetreten sind.

(3) Die verlängerte Anspruchsdauer nach § 1154b Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/2000 bewirkt keine Verlängerung einer in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Dienstverträgen vorgesehenen längeren Anspruchsdauer. Sehen Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Dienstverträge einen zusätzlichen Anspruch im Anschluss an den Anspruch nach § 1154b Abs. 1 vor, wird die Gesamtdauer der Ansprüche nicht verlängert.

(4) Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/2000 für die Dienstnehmer günstigere Regelungen in Dienstverträgen oder in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung werden durch die Neuregelung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/2000 nicht berührt.

Dienstzettel für das freie Dienstverhältnis

§ 1164a. (1) Liegt ein freies Dienstverhältnis (§ 4 Abs. 4 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955, in der jeweils geltenden Fassung) vor, so hat der Dienstgeber dem freien Dienstnehmer unverzüglich nach dessen Beginn eine schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem freien Dienstvertrag (Dienstzettel) auszuhändigen. Solche Aufzeichnungen sind von Stempel- und unmittelbaren Gebühren befreit. Der Dienstzettel hat folgende Angaben zu enthalten:

1.

Name und Anschrift des Dienstgebers,

2.

Name und Anschrift des freien Dienstnehmers,

3.

Beginn des freien Dienstverhältnisses,

4.

bei freien Dienstverhältnissen auf bestimmte Zeit das Ende des freien Dienstverhältnisses,

5.

Dauer der Kündigungsfrist, Kündigungstermin,

6.

vorgesehene Tätigkeit,

7.

Entgelt, Fälligkeit des Entgelts.

(2) Hat der freie Dienstnehmer seine Tätigkeit länger als einen Monat im Ausland zu verrichten, so hat der vor der Aufnahme der Auslandstätigkeit auszuhändigende Dienstzettel oder schriftliche freie Dienstvertrag zusätzlich folgende Angaben zu enthalten:

1.

voraussichtliche Dauer der Auslandstätigkeit,

2.

Währung, in der das Entgelt auszuzahlen ist, sofern es nicht in Euro auszuzahlen ist,

3.

allenfalls Bedingungen für die Rückführung nach Österreich und

4.

allfällige zusätzliche Vergütung für die Auslandstätigkeit.

(3) Keine Verpflichtung zur Aushändigung eines Dienstzettels besteht, wenn

1.

die Dauer des freien Dienstverhältnisses höchstens einen Monat beträgt oder

2.

ein schriftlicher freier Dienstvertrag ausgehändigt wurde, der alle in Abs. 1 und 2 genannten Angaben enthält, oder

3.

bei Auslandstätigkeit die in Abs. 2 genannten Angaben in anderen schriftlichen Unterlagen enthalten sind.

(4) Jede Änderung der Angaben gemäß Abs. 1 und 2 ist dem freien Dienstnehmer unverzüglich, spätestens jedoch einen Monat nach ihrer Wirksamkeit schriftlich mitzuteilen, es sei denn, die Änderung erfolgte durch Änderung von Gesetzen.

(5) Hat das freie Dienstverhältnis bereits am 1. Juli 2004 bestanden, so ist dem freien Dienstnehmer auf sein Verlangen binnen zwei Monaten ein Dienstzettel gemäß Abs. 1 auszuhändigen. Eine solche Verpflichtung des Dienstgebers besteht nicht, wenn ein früher ausgestellter Dienstzettel oder ein schriftlicher Vertrag über das freie Dienstverhältnis alle nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Angaben enthält.

(6) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 5 können durch den freien Dienstvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden.

2. Werkvertrag.

§ 1165. Der Unternehmer ist verpflichtet, das Werk persönlich oder unter seiner persönlichen Verantwortung ausführen zu lassen.

§ 1166. Hat derjenige, der die Verfertigung einer Sache übernommen hat, den Stoff dazu zu liefern, so ist der Vertrag im Zweifel als Kaufvertrag; liefert aber der Besteller den Stoff, im Zweifel als Werkvertrag zu betrachten.

Gewährleistung

§ 1167. Bei Mängeln des Werkes kommen die für entgeltliche Verträge überhaupt geltenden Bestimmungen (§§ 922 bis 933b) zur Anwendung.

Vereitlung der Ausführung.

§ 1168. (1) Unterbleibt die Ausführung des Werkes, so gebührt dem Unternehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Bestellers liegen daran verhindert worden ist; er muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Ausführung des Werkes verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung.

(2) Unterbleibt eine zur Ausführung des Werkes erforderliche Mitwirkung des Bestellers, so ist der Unternehmer auch berechtigt, ihm zu Nachholung eine angemessenen Frist zu setzen mit der Erklärung, daß nach fruchtlosem Verstreichen der Frist der Vertrag als aufgehoben gelte.

§ 1168a. Geht das Werk vor seiner Übernahme durch einen bloßen Zufall zugrunde, so kann der Unternehmer kein Entgelt verlangen. Der Verlust des Stoffes trifft denjenigen Teil, der ihn beigestellt hat. Mißlingt aber das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers, so ist der Unternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat.

Fürsorgepflicht.

§ 1169. Die Bestimmungen des § 1157, mit Ausnahme der die Regelung der Dienstleistungen und die Arbeits- und Erholungszeit betreffenden, finden auf den Werkvertrag sinngemäße Anwendung.

Entrichtung des Entgelts.

§ 1170. In der Regel ist das Entgelt nach vollendetem Werk zu entrichten. Wird aber das Werk in gewissen Abteilungen verrichtet oder sind Auslagen damit verbunden, die der Unternehmer nicht auf sich genommen hat, so ist dieser befugt, einen verhältnismäßigen Teil des Entgelts und den Ersatz der gemachten Auslagen schon vorher zu fordern.

§ 1170a. (1) Ist dem Vertrage ein Kostenvoranschlag unter ausdrücklicher Gewährleistung für seine Richtigkeit zugrunde gelegt, so kann der Unternehmer auch bei unvorhergesehener Größe oder Kostspieligkeit der veranschlagten Arbeiten keine Erhöhung des Entgelts fordern.

(2) Ist ein Voranschlag ohne Gewährleistung zugrunde gelegt und erweist sich eine beträchtliche Überschreitung als unvermeidlich, so kann der Besteller unter angemessener Vergütung der vom Unternehmer geleisteten Arbeit vom Vertrage zurücktreten. Sobald sich eine solche Überschreitung als unvermeidlich herausstellt, hat der Unternehmer dies dem Besteller unverzüglich anzuzeigen, widrigenfalls er jeden Anspruch wegen der Mehrarbeiten verliert.

Sicherstellung bei Bauverträgen

§ 1170b. (1) Der Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils hievon kann vom Besteller ab Vertragsabschluss für das noch ausstehende Entgelt eine Sicherstellung bis zur Höhe eines Fünftels des vereinbarten Entgelts, bei Verträgen, die innerhalb von drei Monaten zu erfüllen sind, aber bis zur Höhe von zwei Fünfteln des vereinbarten Entgelts, verlangen. Dieses Recht kann nicht abbedungen werden. Als Sicherstellung können Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen dienen. Die Kosten der Sicherstellung hat der Sicherungsnehmer zu tragen, soweit sie pro Jahr zwei von Hundert der Sicherungssumme nicht übersteigen. Die Kostentragungspflicht entfällt, wenn die Sicherheit nur mehr wegen Einwendungen des Bestellers gegen den Entgeltanspruch aufrechterhalten werden muss und die Einwendungen sich als unbegründet erweisen.

(2) Sicherstellungen nach Abs. 1 sind binnen angemessener, vom Unternehmer festzusetzender Frist zu leisten. Kommt der Besteller dem Verlangen des Unternehmers auf Leistung einer Sicherstellung nicht, nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig nach, so kann der Unternehmer seine Leistung verweigern und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären (§ 1168 Abs. 2).

(3) Abs. 1 und 2 gelten nicht, wenn der Werkbesteller eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 KSchG ist.

Erlöschen durch Tod.

§ 1171. Ein Werkvertrag über Arbeiten, bei denen es auf die besonderen persönlichen Eigenschaften des Unternehmers ankommt, erlischt durch dessen Tod und seine Erben können nur den Preis für den zubereiteten brauchbaren Stoff und einen dem Werte der geleisteten Arbeit angemessenen Teil des Entgelts fordern. Stirbt der Besteller, so bleiben die Erben an den Vertrag gebunden.

3. Verlagsvertrag.

§ 1172. Durch den Verlagsvertrag verpflichtet sich der Urheber eines Werkes der Literatur, der Tonkunst oder der bildenden Künste oder sein Rechtsnachfolger, das Werk einem anderen zur Vervielfältigung und Verbreitung für eigene Rechnung zu überlassen, dieser (der Verleger) dagegen, das Werk zu vervielfältigen und die Vervielfältigungsstücke zu verbreiten.

§ 1173. Wurde über die Anzahl der Auflagen nichts bestimmt, so ist der Verleger nur zu einer Auflage berechtigt. Vor dem Absatze der Auflage darf der Urheber über das Werk nur dann anderweitig verfügen, wenn er dem Verleger eine angemessene Schadloshaltung leistet.

4. Leistung zu unerlaubtem Zweck.

§ 1174. (1) Was jemand wissentlich zur Bewirkung einer unmöglichen oder unerlaubten Handlung gegeben hat, kann er nicht wieder zurückfordern. Inwiefern es der Fiskus einzuziehen berechtigt sei, bestimmen die politischen Verordnungen. Ist aber etwas zu Verhinderung einer unerlaubten Handlung demjenigen der diese Handlung begehen wollte, gegeben worden, so findet die Zurückforderung statt.

(2) Ein zum Zweck eines verbotenen Spieles gegebenes Darlehen kann nicht zurückgefordert werden.

Siebenundzwanzigstes Hauptstück

Von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Begriff und Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts

§ 1175. (1) Schließen sich zwei oder mehrere Personen durch einen Vertrag zusammen, um durch eine bestimmte Tätigkeit einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen, so bilden sie eine Gesellschaft. Sofern sie keine andere Gesellschaftsform wählen, bilden sie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinn dieses Hauptstücks.

(2) Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nicht rechtsfähig.

(3) Sie kann jeden erlaubten Zweck verfolgen und jede erlaubte Tätigkeit zum Gegenstand haben.

(4) Die Bestimmungen dieses Hauptstücks sind auch auf andere Gesellschaften anzuwenden, soweit für diese keine besonderen Vorschriften bestehen und die Anwendung dieser Bestimmungen auch unter Berücksichtigung der für die jeweilige Gesellschaft geltenden Grundsätze angemessen ist.

Innen- und Außengesellschaft

§ 1176. (1) Die Gesellschafter können die Gesellschaft auf ihr Verhältnis untereinander beschränken (Innengesellschaft) oder gemeinschaftlich im Rechtsverkehr auftreten (Außengesellschaft). Ist der Gegenstand der Gesellschaft der Betrieb eines Unternehmens oder führen die Gesellschafter einen gemeinsamen Gesellschaftsnamen (§ 1177), so wird vermutet, dass die Gesellschafter eine Außengesellschaft vereinbaren wollten.

(2) Haben die Gesellschafter in den Fällen des Abs. 1 zweiter Satz eine Außengesellschaft vertraglich ausgeschlossen, so kann dieser Umstand einem Dritten nur entgegengehalten werden, wenn dieser wusste oder hätte wissen müssen, dass es sich bloß um eine Innengesellschaft handelt.

Gesellschaftsname

§ 1177. (1) Wenn die Gesellschafter unter einem gemeinsamen Namen auftreten, muss dieser auf das Bestehen einer solchen Gesellschaft hindeuten, zur Kennzeichnung der Gesellschaft geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Er darf über die Verhältnisse der Gesellschaft nicht in die Irre führen.

(2) Wer in Angelegenheiten der Gesellschaft für alle Gesellschafter gemeinsam auftritt, hat jedem, der ein rechtliches Interesse daran hat, die Identität und die Anschrift der Gesellschafter offenzulegen.

Gesellschaftsvermögen

§ 1178. (1) Zum Gesellschaftsvermögen gehören das der Gesellschaft gewidmete Eigentum, die sonstigen gesellschaftsbezogenen Sachenrechte, die gesellschaftsbezogenen Vertragsverhältnisse, Forderungen und Verbindlichkeiten und die gesellschaftsbezogenen Immaterialgüterrechte sowie der jeweils daraus verschaffte Nutzen, die daraus gewonnenen Früchte und alles, was an Stelle bestehender Vermögenswerte zufließt.

(2) Vom Gesellschaftsvermögen zu unterscheiden ist das sonstige Vermögen der einzelnen Gesellschafter. Gegen eine Forderung, die zum Gesellschaftsvermögen gehört, kann der Schuldner nicht mit einer ihm gegen einen einzelnen Gesellschafter zustehenden Forderung aufrechnen.

Einbringung des Gesellschaftsvermögens

§ 1179. (1) Der Gesellschaftsvertrag ist ein Titel für die Bildung und den Erwerb von Gesellschaftsvermögen. Dessen Einbringung bedarf der jeweils allgemein erforderlichen Übergabe oder Verfügung.

(2) Wenn nach dem Gesellschaftsvertrag das ganze Vermögen einzubringen ist, so ist darunter nur das gegenwärtige zu verstehen. Soll aber auch das künftige Vermögen eingebracht werden, so ist darunter nicht das geerbte oder das geschenkte zu verstehen.

Vermögensordnung

§ 1180. (1) Soweit nichts anderes vereinbart ist, stehen körperliche Sachen, die von Gesellschaftern in das Gesellschaftsvermögen übertragen oder für das Gesellschaftsvermögen (§ 1178 Abs. 1) erworben worden sind, im Miteigentum der Gesellschafter; unkörperliche Sachen, insbesondere schuldrechtliche Forderungen, sind den Gesellschaftern zur gesamten Hand zugeordnet.

(2) Im Gesellschaftsvertrag können der Gesellschaft Sachen auch bloß zum Gebrauch zur Verfügung gestellt oder im Innenverhältnis so behandelt werden, als ob sie allen gemeinsam gehörten.

2. Abschnitt

Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander

Gestaltungsfreiheit

§ 1181. Die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander richten sich nach dem Gesellschaftsvertrag; die Vorschriften dieses Abschnitts finden nur insoweit Anwendung, als nicht durch den Gesellschaftsvertrag anderes bestimmt ist.

Gesellschaftsanteil und Beiträge der Gesellschafter

§ 1182. (1) Der Gesellschaftsanteil ist die Summe der gesellschaftsvertraglichen Rechte und Pflichten eines Gesellschafters gegenüber allen übrigen Gesellschaftern. Ein Gesellschafter kann nicht ohne Zustimmung aller Gesellschafter über seinen Gesellschaftsanteil verfügen.

(2) Das Ausmaß der Kapitalbeteiligung der Gesellschafter an der Gesellschaft bestimmt sich nach dem Verhältnis des Wertes der vereinbarten Einlagen (Kapitalanteil). Im Zweifel sind die Gesellschafter zu gleichen Teilen beteiligt. Soweit nichts anderes vereinbart ist, sind die Gesellschafter im gleichen Ausmaß zur Mitwirkung an der Förderung des Gesellschaftszwecks verpflichtet.

(3) Der Beitrag eines Gesellschafters kann sich auch auf die Leistung von Diensten beschränken (Arbeitsgesellschafter). Einem solchen Gesellschafter kann im Gesellschaftsvertrag eine Beteiligungsquote zuerkannt werden, so als ob er einen Kapitalanteil geleistet hätte. Andernfalls steht ihm für seine Mitwirkung bloß ein angemessener Betrag des Jahresgewinns zu (§ 1195 Abs. 4).

Verzinsungspflicht

§ 1183. (1) Ein Gesellschafter, der seine Geldeinlage nicht zur rechten Zeit einzahlt, eingenommenes Gesellschaftsgeld nicht zur rechten Zeit an das Gesellschaftsvermögen abführt oder unbefugt Geld aus dem Gesellschaftsvermögen entnimmt, hat Zinsen von dem Tag an zu entrichten, an dem die Zahlung oder die Ablieferung hätte geschehen sollen oder die Herausnahme des Geldes erfolgt ist.

(2) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

Nachschuss

§ 1184. (1) Die Gesellschafter sind nicht verpflichtet, Nachschüsse zur vertraglich zugesagten Einlage zu leisten.

(2) Auch ohne Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag können die Gesellschafter mit Stimmenmehrheit (§ 1192 Abs. 2) die Leistung von Nachschüssen im Verhältnis ihrer Kapitalanteile beschließen, wenn die Fortführung der Gesellschaft sonst nicht möglich wäre. Ein Gesellschafter, der dem Beschluss nicht zugestimmt hat und den Nachschuss nicht leistet, kann innerhalb angemessener Frist aus der Gesellschaft austreten oder aufgrund einer Klage der übrigen Gesellschafter vom Gericht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Auf das Austrittsrecht kann im Vorhinein nicht verzichtet werden. Für die Auseinandersetzung mit dem ausgetretenen oder ausgeschlossenen Gesellschafter und für die Ermittlung seiner Beteiligung an schwebenden Geschäften ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Nachschusspflicht maßgeblich.

Ersatz für Aufwendungen und Verluste, Herausgabepflicht

§ 1185. (1) Macht der Gesellschafter in den Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, oder erleidet er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrennbar verbunden sind, Verluste in seinem sonstigen Vermögen, so sind ihm, wenn er nicht sogleich Ersatz aus dem Gesellschaftsvermögen erhält, die übrigen Gesellschafter entsprechend ihrem Anteil zum Ersatz verpflichtet. Aufgewendetes Geld ist von der Zeit der Aufwendungen an zu verzinsen.

(2) Für die Aufwendungen, die zur Erledigung der Gesellschaftsangelegenheiten nötig sind und nicht aus dem Gesellschaftsvermögen getragen werden können, kann ein Gesellschafter von den übrigen Gesellschaftern entsprechend ihrem Anteil verhältnismäßig einen Vorschuss verlangen.

(3) Ein Gesellschafter hat alles, was er zur Führung der Geschäfte erhält und was er aus der Geschäftsführung erlangt, an das Gesellschaftsvermögen abzuführen.

Mitwirkung, Interessenwahrung und Gleichbehandlung

§ 1186. (1) Die Gesellschafter haben an der gesellschaftlichen Willensbildung und den zu treffenden Maßnahmen nach Kräften und mit gebotener Sorgfalt mitzuwirken, den Gesellschaftszweck redlich zu fördern und alles zu unterlassen, was den Gesellschaftsinteressen schadet.

(2) Die Gesellschafter sind unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln.

Verbot schädlicher Nebengeschäfte

§ 1187. Die Gesellschafter dürfen kein der Gesellschaft schädliches Nebengeschäft unternehmen. Für unternehmerisch tätige Gesellschaften gelten überdies die unternehmensrechtlichen Vorschriften über Wettbewerbsverbote und deren Rechtsfolgen.

Durchsetzung von Gesellschaftsansprüchen

§ 1188. Die Erfüllung gesellschaftsbezogener Verpflichtungen eines Gesellschafters kann von jedem Gesellschafter zugunsten aller Gesellschafter gemeinsam eingefordert werden. Davon abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.

Geschäftsführung

§ 1189. (1) Zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft sind alle Gesellschafter berechtigt und verpflichtet.

(2) Überträgt der Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung einem einzelnen Gesellschafter oder mehreren Gesellschaftern, so sind die übrigen Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen.

(3) Die Geschäfte sind so sorgfältig zu führen, wie es Art und Umfang der Gesellschaft erfordern. Die geschäftsführenden Gesellschafter sind verpflichtet, über das Gesellschaftsvermögen, insbesondere über die Einnahmen und Ausgaben, die notwendigen Aufzeichnungen zu führen und soweit erforderlich ein Rechnungswesen einzurichten.

(4) Ein Gesellschafter darf im Zweifel die Führung der Geschäfte nicht einem Dritten übertragen. Ist die Übertragung gestattet, so hat er nur ein ihm bei der Übertragung zur Last fallendes Verschulden zu vertreten. Das Verschulden eines Gehilfen hat er in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden.

Geschäftsführung durch mehrere Gesellschafter, Weisungsgebundenheit

§ 1190. (1) Steht die Geschäftsführung allen oder mehreren Gesellschaftern zu, so ist im Rahmen der gewöhnlichen Geschäfte jeder von ihnen allein zu handeln berechtigt; widerspricht jedoch ein anderer geschäftsführender Gesellschafter der Vornahme einer Handlung, so muss diese unterbleiben.

(2) Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass die Gesellschafter, denen die Geschäftsführung zusteht, nur zusammen handeln können, so bedarf es für jedes Geschäft der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter, es sei denn, dass Gefahr im Verzug ist.

(3) Ist ein Gesellschafter an die Weisungen der übrigen Gesellschafter gebunden, so kann er von den ihm erteilten Weisungen abweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass die übrigen Gesellschafter bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würden. Er hat die Abweichung den übrigen Gesellschaftern anzuzeigen und ihre Entscheidung abzuwarten, wenn nicht Gefahr im Verzug ist.

Umfang der Geschäftsführungsbefugnis

§ 1191. (1) Die Befugnis zur Geschäftsführung erstreckt sich auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb der Gesellschaft mit sich bringt.

(2) Zur Vornahme von Handlungen, die darüber hinausgehen (außergewöhnliche Geschäfte), ist ein einstimmiger Beschluss aller Gesellschafter erforderlich.

(3) Zur Einräumung einer Vollmacht gemäß § 1008 bedarf es der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter, es sei denn, dass Gefahr im Verzug ist. Der Widerruf einer solchen Vollmacht kann von jedem der zur Erteilung oder zur Mitwirkung bei der Erteilung befugten Gesellschafter erfolgen.

Gesellschafterbeschlüsse

§ 1192. (1) Gesellschafterbeschlüsse erfordern die Zustimmung aller zur Mitwirkung bei der Beschlussfassung berufenen Gesellschafter.

(2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, so bestimmt sie sich nach den abgegebenen gültigen Stimmen. Das Stimmgewicht entspricht den Beteiligungsverhältnissen. Sind nicht alle Gesellschafter am Kapital beteiligt, wird die Mehrheit nach Köpfen berechnet. Arbeitsgesellschafter, denen der Gesellschaftsvertrag einen am Wert ihrer Arbeit orientierten Kapitalanteil zubilligt, gelten als am Kapital beteiligt.

Entziehung und Kündigung der Geschäftsführungsbefugnis

§ 1193. (1) Die Befugnis eines Gesellschafters zur Geschäftsführung kann einem Gesellschafter aufgrund einer Klage aller übrigen Gesellschafter durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung.

(2) Ein Gesellschafter kann seine Befugnis zur Geschäftsführung kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Auf dieses Recht kann nicht verzichtet werden. Die Geschäftsführung darf nur in der Art gekündigt werden, dass die Gesellschafter für die Führung der Geschäfte anderweitig Vorsorge treffen können, es sei denn, dass der wichtige Grund auch die unzeitige Kündigung rechtfertigt.

Kontrollrechte der Gesellschafter

§ 1194. (1) Ein geschäftsführender Gesellschafter ist verpflichtet, jedem anderen Gesellschafter die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand der Geschäfte Auskunft zu erteilen und Rechenschaft abzulegen. Ein Gesellschafter kann sich, auch wenn er von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich unterrichten, die Aufzeichnungen der Gesellschaft einsehen und sich aus ihnen eine Abrechnung anfertigen oder die Vorlage einer solchen Abrechnung fordern.

(2) Eine Vereinbarung, durch die dieses Recht ausgeschlossen oder beschränkt wird, ist unwirksam.

Gewinn und Verlust

§ 1195. (1) Am Schluss jedes Geschäftsjahres wird auf Grund einer Jahresabrechnung der Gewinn oder Verlust ermittelt und der Anteil jedes Gesellschafters daran berechnet.

(2) Sofern alle Gesellschafter in gleichem Ausmaß zur Mitwirkung verpflichtet sind, wird der Gewinn und Verlust eines Geschäftsjahres den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Kapitalanteile zugewiesen (§ 1182 Abs. 2). Enthält der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Bestimmung nur über den Anteil am Gewinn oder über den Anteil am Verlust, so gilt sie im Zweifel für Gewinn und Verlust.

(3) Sind die Gesellschafter nicht in gleichem Ausmaß zur Mitwirkung verpflichtet, so ist dies bei der Zuweisung des Gewinns angemessen zu berücksichtigen.

(4) Einem Arbeitsgesellschafter, dem für seine Dienste keine Beteiligung an der Gesellschaft gewährt wird, ist ein den Umständen nach angemessener Betrag des Jahresgewinns zuzuweisen. Der diesen Betrag übersteigende Teil des Jahresgewinns wird sodann den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zugewiesen.

(5) Die Gesellschafterstellung steht der Vereinbarung eines Entgelts für der Gesellschaft geleistete Dienste nicht entgegen.

Gewinnausschüttung und Entnahmen

§ 1196. (1) Jeder Gesellschafter hat Anspruch auf Auszahlung seines Gewinnanteils. Der Anspruch kann nicht geltend gemacht werden, soweit die Auszahlung zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht, die Gesellschafter etwas anderes beschließen oder der Gesellschafter vereinbarungswidrig seine Einlage nicht geleistet hat.

(2) Im Übrigen ist ein Gesellschafter nicht befugt, ohne Einwilligung der anderen Gesellschafter Entnahmen zu tätigen.

3. Abschnitt

Rechtsverhältnisse zu Dritten

Vertretung

§ 1197. (1) Wenn der Gesellschaftsvertrag einer Außengesellschaft nichts anderes vorsieht, deckt sich die Befugnis zur Vertretung aller Gesellschafter in Gesellschaftsangelegenheiten mit der Befugnis zur Geschäftsführung.

(2) Bei einer unternehmerisch tätigen Außengesellschaft werden alle Gesellschafter aus dem Handeln eines Gesellschafters im Namen der Gesellschaft auch dann berechtigt und verpflichtet, wenn dieser Gesellschafter nicht, nicht allein oder nur beschränkt vertretungsbefugt war, der Dritte den Mangel der Vertretungsbefugnis aber weder kannte noch kennen musste. Dasselbe gilt für nicht unternehmerisch tätige Außengesellschaften, wenn sich die Gesellschafter als Unternehmer an der Gesellschaft beteiligen.

(3) Bei Gesamtvertretung genügt die Abgabe einer gesellschaftsbezogenen Willenserklärung gegenüber einem der zur Mitwirkung an der Vertretung befugten Gesellschafter (passive Einzelvertretung).

(4) Wer, ohne Gesellschafter zu sein, mit der Vertretung in Gesellschaftsangelegenheiten betraut wird, vertritt die Gesellschafter nach Maßgabe der erteilten Vollmacht.

Entziehung der Vertretungsmacht

§ 1198. Die Vertretungsmacht kann einem Gesellschafter aufgrund einer Klage aller übrigen Gesellschafter durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Vertretung der Gesellschaft.

Haftung der Gesellschafter

§ 1199. (1) Für gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten gegenüber Dritten haften die Gesellschafter als Gesamtschuldner, wenn mit diesen nichts anderes vereinbart ist.

(2) Aus Rechtsgeschäften, die ein Gesellschafter auf Rechnung der Gesellschaft, aber im eigenen Namen abschließt, wird er allein dem Dritten gegenüber berechtigt und verpflichtet.

Einwendungen des Gesellschafters

§ 1200. (1) Wird ein Gesellschafter wegen einer gesellschaftsbezogenen Verbindlichkeit in Anspruch genommen, so kann er Einwendungen, die nicht in seiner Person begründet sind, nur insoweit geltend machen, als sie von den Gesellschaftern gemeinsam erhoben werden können.

(2) Der Gesellschafter kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange den Gesellschaftern gemeinsam das Recht zusteht, das ihrer Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten oder ihre Verbindlichkeit durch Aufrechnung mit einer fälligen Forderung zu erfüllen.

4. Abschnitt

Gesellschafternachfolge

Rechtsübergang

§ 1201. (1) Sofern nichts anderes vereinbart wurde, gehen zum Zeitpunkt des Eintritts oder Ausscheidens eines Gesellschafters sowie zum Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels durch Rechtsgeschäft unter Lebenden die gesellschaftsbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse im Verhältnis der Beteiligungen von den bisherigen Gesellschaftern auf den eintretenden Gesellschafter, vom ausscheidenden auf die verbleibenden Gesellschafter oder beim Gesellschafterwechsel vom ausscheidenden auf den eintretenden Gesellschafter über (Gesellschafternachfolge). Für gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten bestellte Sicherheiten bleiben für diese Verbindlichkeiten aufrecht. Der ausscheidende Gesellschafter haftet nach Maßgabe des § 1202 Abs. 2 für die gesellschaftsbezogenen Verbindlichkeiten weiter.

(2) Bei Sachen des Gesellschaftsvermögens, die im Miteigentum der Gesellschafter stehen, gilt die Übergabe als vollzogen, sobald der Eintritt, Austritt oder Wechsel wirksam geworden ist. Bücherliche Rechte sind nach den dafür geltenden Vorschriften zu übertragen.

(3) Ein Dritter kann der im Zuge einer Gesellschafternachfolge von Gesetzes wegen eintretenden Übernahme seines Vertragsverhältnisses binnen dreier Monate nach Verständigung davon durch einen Gesellschafter gegenüber dem ausscheidenden, dem eintretenden oder einem anderen vom Vertragsverhältnis erfassten Gesellschafter widersprechen; in der Verständigung ist auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen. Dies gilt auch für den Besteller einer für gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten gewährten Sicherheit. Im Fall eines wirksamen Widerspruchs besteht das Vertragsverhältnis auch noch mit dem ausgeschiedenen Gesellschafter fort.

(4) Wurde dem Dritten nicht nachweislich mitgeteilt, ob das Vertragsverhältnis vom Erwerber übernommen wurde, oder kann der Dritte dieser Übernahme noch widersprechen, so kann er sowohl gegenüber dem ausscheidenden als auch gegenüber dem nachfolgenden Gesellschafter auf das Vertragsverhältnis bezogene Erklärungen abgeben und seine Verbindlichkeiten erfüllen. Dies gilt auch für den Besteller einer für gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten gewährten Sicherheit.

Haftung des eintretenden und des ausscheidenden Gesellschafters

§ 1202. (1) Der eintretende Gesellschafter haftet nur insofern für vor seinem Eintritt begründete gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten, als er jenen gesellschaftsbezogenen Rechtsverhältnissen beitritt, auf denen die Verbindlichkeiten beruhen.

(2) Der ausscheidende Gesellschafter haftet für gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, die vor seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft begründet wurden, auch dann weiter, wenn er aus dem Rechtsverhältnis ausgeschieden ist (§ 1201 Abs. 3). Soweit der Dritte einer Entlassung des Ausscheidenden aus der Haftung nicht zustimmt, haftet dieser für die Verbindlichkeiten nur, soweit sie innerhalb von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden fällig werden. Ansprüche daraus verjähren innerhalb der für die jeweilige Verbindlichkeit geltenden Verjährungsfrist, längstens jedoch innerhalb von drei Jahren.

Auseinandersetzung mit dem ausscheidenden Gesellschafter

§ 1203. (1) Dem ausscheidenden Gesellschafter sind die Sachen, die er den Gesellschaftern zur Benutzung überlassen hat, zurückzugeben. Für eine durch Zufall abhanden gekommene oder verschlechterte Sache kann er keinen Ersatz verlangen.

(2) Dem ausscheidenden Gesellschafter ist in Geld auszuzahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhielte, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Der Wert des Gesellschaftsvermögens ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.

(3) Der ausscheidende Gesellschafter ist von den gesellschaftsbezogenen Verbindlichkeiten zu befreien, für die er den Gläubigern haftet. Ist eine Schuld noch nicht fällig, so können ihm die anderen Gesellschafter Sicherheit leisten, statt ihn zu befreien.

(4) Verbleibt dem ausscheidenden Gesellschafter eine Verbindlichkeit aus dem Gesellschaftsverhältnis, so ist er verpflichtet, einen Ausgleich in entsprechender Höhe an die Gesellschafter zu zahlen.

Beteiligung des Ausscheidenden an schwebenden Geschäften

§ 1204. (1) Der ausgeschiedene Gesellschafter nimmt am Gewinn und am Verlust teil, der sich aus den zur Zeit seines Ausscheidens schwebenden Geschäften ergibt. Die übrigen Gesellschafter sind berechtigt, diese Geschäfte so zu beenden, wie es ihnen am vorteilhaftesten erscheint.

(2) Der ausgeschiedene Gesellschafter kann am Schluss jedes Geschäftsjahres Rechenschaft über die inzwischen beendeten Geschäfte, Auszahlung des ihm gebührenden Betrags und Auskunft über den Stand der noch schwebenden Geschäfte verlangen.

Fortsetzung mit den Erben

§ 1205. (1) Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass im Fall des Todes eines Gesellschafters die Gesellschaft mit seinen Erben fortgesetzt werden soll, so besteht sie nach dem Tod dieses Gesellschafters mit seiner Verlassenschaft und nach deren Einantwortung mit den Erben fort. Jeder Erbe kann sein Verbleiben in der Gesellschaft davon abhängig machen, dass ihm unter Belassung des bisherigen Gewinnanteils die Stellung eines Kommanditisten in einer neu zu gründenden Kommanditgesellschaft (§ 1206) eingeräumt und der auf ihn fallende Teil der Einlage des Verstorbenen als seine Kommanditeinlage anerkannt wird.

(2) Nehmen die übrigen Gesellschafter einen dahingehenden Antrag des Erben nicht an, so ist dieser befugt, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist sein Ausscheiden aus der Gesellschaft zu erklären.

(3) Die in Abs. 1 und 2 bezeichneten Rechte können von den Erben nur innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Einantwortung der Verlassenschaft geltend gemacht werden. Ist ein Erbe geschäftsunfähig und ist für ihn kein gesetzlicher Vertreter bestellt, so läuft diese Frist erst ab der Bestellung eines solchen oder ab dem Eintritt der Geschäftsfähigkeit des Erben.

(4) Scheidet innerhalb der Frist des Abs. 3 der Erbe aus der Gesellschaft aus oder wird innerhalb der Frist die Gesellschaft aufgelöst oder dem Erben die Stellung eines Kommanditisten eingeräumt, so haftet er für die bis dahin entstandenen gesellschaftsbezogenen Verbindlichkeiten nur nach Maßgabe der die Haftung des Erben für Verbindlichkeiten der Verlassenschaft betreffenden Vorschriften.

(5) Der Gesellschaftsvertrag kann die Anwendung der Vorschriften der Abs. 1 bis 4 nicht ausschließen; es kann jedoch für den Fall, dass der Erbe sein Verbleiben von der Einräumung der Stellung eines Kommanditisten abhängig macht, sein Gewinnanteil anders als der des Verstorbenen bestimmt werden.

5. Abschnitt

Umwandlung

Umwandlung in eine offene Gesellschaft oder Kommanditgesellschaft

§ 1206. (1) Die Gesellschafter können die Errichtung einer offenen Gesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft und zugleich die Einbringung des der Gesellschaft gewidmeten Vermögens in die offene Gesellschaft oder Kommanditgesellschaft beschließen. In diesem Fall geht das der Gesellschaft gewidmete Vermögen einschließlich aller Rechte und Pflichten mit der Eintragung der offenen Gesellschaft oder Kommanditgesellschaft im Firmenbuch im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diese Gesellschaft über. Bücherliche Rechte sind nach den dafür geltenden Vorschriften zu übertragen.

(2) Die Umwandlung erfordert einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss. Die Gesellschafter legen fest, ob die Gesellschaft in eine offene Gesellschaft oder in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt werden soll. Sie bestimmen die für die Eintragung erforderlichen Merkmale der neuen Gesellschaft.

(3) Der Umwandlungsbeschluss enthält das von den geschäftsführenden Gesellschaftern aufgestellte Verzeichnis des Gesellschaftsvermögens (§ 1178 Abs. 1). Was im Vermögensverzeichnis nicht angeführt ist, verbleibt den Gesellschaftern wie bisher.

Wirkung gegenüber Dritten

§ 1207. (1) Die Gesellschafter haften nach der Umwandlung für die vorher begründeten Verbindlichkeiten auch als Gesellschafter bürgerlichen Rechts weiter.

(2) Solange ein Dritter von der Umwandlung nicht verständigt wurde und sie ihm auch sonst nicht bekannt geworden ist, kann er seine Leistung mit schuldbefreiender Wirkung so erbringen, als würde die Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch bestehen.

6. Abschnitt

Auflösung

Auflösungsgründe

§ 1208. Die Gesellschaft wird aufgelöst:

1.

durch den Ablauf der Zeit, für die sie eingegangen ist;

2.

durch Beschluss der Gesellschafter;

3.

durch die rechtskräftige Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters, durch die Abänderung der Bezeichnung Sanierungsverfahren in Konkursverfahren oder durch die rechtskräftige Nichteröffnung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens;

4.

durch Kündigung oder durch gerichtliche Entscheidung;

5.

durch den Tod eines Gesellschafters, sofern sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt.

Kündigung durch einen Gesellschafter

§ 1209. (1) Die Kündigung der Gesellschaft durch einen Gesellschafter kann, wenn die Gesellschaft für unbestimmte Zeit eingegangen ist, nur für den Schluss eines Geschäftsjahres erfolgen; sie muss mindestens sechs Monate vor diesem Zeitpunkt stattfinden.

(2) Eine Vereinbarung, durch die das Kündigungsrecht ausgeschlossen oder in anderer Weise als durch angemessene Verlängerung der Kündigungsfrist erschwert wird, ist nichtig. Dies gilt nicht für Innengesellschaften (§ 1176 Abs. 1).

Auflösung durch gerichtliche Entscheidung

§ 1210. (1) Aufgrund der Klage eines Gesellschafters kann die Auflösung der Gesellschaft vor dem Ablauf der für ihre Dauer bestimmten Zeit oder bei einer für unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft ohne Kündigung durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

(2) Ein solcher Grund ist insbesondere vorhanden, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird.

(3) Eine Vereinbarung, durch die das Recht des Gesellschafters, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen, ausgeschlossen oder diesen Vorschriften zuwider beschränkt wird, ist nichtig.

Gesellschaft auf Lebenszeit, Befristung

§ 1211. Eine Gesellschaft, die für die Lebenszeit eines Gesellschafters eingegangen ist oder nach dem Ablauf der für ihre Dauer bestimmten Zeit stillschweigend fortgesetzt wird, steht im Sinn der §§ 1209 und 1210 einer für unbestimmte Zeit eingegangen Gesellschaft gleich.

Kündigung durch einen Privatgläubiger

§ 1212. Hat ein Privatgläubiger eines Gesellschafters, nachdem innerhalb der letzten sechs Monate eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Gesellschafters ohne Erfolg versucht worden war, auf Grund eines nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Exekutionstitels die Pfändung und Überweisung des Anspruchs auf dasjenige erwirkt, was dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung zukommt, so kann er die Gesellschaft ohne Rücksicht darauf, ob sie für bestimmte oder unbestimmte Zeit eingegangen ist, sechs Monate vor dem Ende des Geschäftsjahres für diesen Zeitpunkt kündigen.

Ausschluss statt Auflösung

§ 1213. (1) Tritt in der Person eines Gesellschafters ein Umstand ein, der nach § 1210 für jeden der übrigen Gesellschafter das Recht begründet, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen, so kann vom Gericht aufgrund einer Klage aller übrigen Gesellschafter anstatt der Auflösung der Ausschluss dieses Gesellschafters aus der Gesellschaft ausgesprochen werden. Der Ausschließungsklage steht nicht entgegen, dass nach dem Ausschluss nur ein Gesellschafter verbleibt.

(2) Für die Auseinandersetzung zwischen den verbleibenden Gesellschaftern und dem ausgeschlossenen Gesellschafter ist die Vermögenslage der Gesellschaft in dem Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Klage auf Ausschließung erhoben wird.

Fortsetzungsbeschluss

§ 1214. (1) Die Gesellschafter können bei Auflösung der Gesellschaft deren Fortsetzung beschließen. In den Fällen des § 1208 Z 3, 4 oder 5, der Kündigung der Gesellschaft durch einen Privatgläubiger (§ 1212) und der Auflösung der Gesellschaft durch das Gericht (§ 1210 Abs. 1) steht dieses Recht den übrigen Gesellschaftern zu. In diesen Fällen scheidet der Gesellschafter, in dessen Person der Auflösungsgrund eingetreten ist, infolge des Fortsetzungsbeschlusses aus der Gesellschaft aus.

(2) Im Fall der Kündigung durch einen Privatgläubiger scheidet der betreffende Gesellschafter mit dem Ende des Geschäftsjahres aus der Gesellschaft aus; in den übrigen Fällen mit dem Wirksamwerden des Beschlusses.

(3) Im Fall der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters ist Abs. 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Erklärung gegenüber dem Masseverwalter zu erfolgen hat und der Schuldner mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung als aus der Gesellschaft ausgeschieden gilt.

Übergang des Gesellschaftsvermögens

§ 1215. (1) Verbleibt nur noch ein Gesellschafter, so erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation. Das Gesellschaftsvermögen geht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über. Bücherliche Rechte sind nach den dafür geltenden Vorschriften zu übertragen.

(2) Der ausscheidende Gesellschafter ist gemäß §§ 1203 und 1204 abzufinden.

Bekanntgabe der Auflösung der Außengesellschaft

§ 1216. Die Auflösung einer Außengesellschaft ist, soweit möglich, den Vertragspartnern, Gläubigern und Schuldnern mitzuteilen sowie auf verkehrsübliche Weise bekannt zu machen.

7. Abschnitt

Liquidation

Nachwirkung des Gesellschaftsvertrages

§ 1216a. (1) Trotz Auflösung der Gesellschaft bestehen die gesellschaftsvertraglichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter zueinander soweit fort, als dies für die Liquidation erforderlich ist und sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt. Gesellschaftsbezogene Rechtsverhältnisse der Gesellschafter zu Dritten werden in ihrem Fortbestand durch die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft nur dann berührt, wenn dies mit dem Dritten vereinbart wurde.

(2) Die Gesellschafter können anstelle der Liquidation eine andere Art der Auseinandersetzung vereinbaren. Ist die Gesellschaft durch Kündigung eines Privatgläubigers eines Gesellschafters oder durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst, so kann die Liquidation nur mit Zustimmung des Gläubigers oder des Masseverwalters unterbleiben.

Bestellung der Liquidatoren

§ 1216b. (1) Nach der Auflösung der Gesellschaft haben, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht anderes bestimmt, die Gesellschafter als Liquidatoren das Gesellschaftsvermögen abzuwickeln. Mehrere Erben eines Gesellschafters haben einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. Ist über das Vermögen eines Gesellschafters das Konkursverfahren oder das Sanierungsverfahren eröffnet und dem Gesellschafter die Eigenverwaltung entzogen, so tritt der Insolvenzverwalter an die Stelle des Gesellschafters.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten kann aus wichtigen Gründen die Ernennung von Liquidatoren durch das Gericht erfolgen, in dessen Sprengel einer der Gesellschafter seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Das Gericht kann in einem solchen Fall Personen zu Liquidatoren ernennen, die nicht zu den Gesellschaftern gehören. Als Beteiligter gilt außer den Gesellschaftern auch der Gläubiger, durch den die Kündigung der Gesellschaft erfolgt ist.

(3) Die Abberufung von Liquidatoren geschieht durch einstimmigen Beschluss der Beteiligten; sie kann auf Antrag eines Beteiligten aus wichtigen Gründen auch durch das Gericht erfolgen.

(4) Die Gesellschafter sind verpflichtet, die Liquidation und die Liquidatoren soweit möglich den Vertragspartnern, Gläubigern und Schuldnern mitzuteilen sowie auf ortsübliche Weise bekannt zu machen.

Rechte und Pflichten der Liquidatoren

§ 1216c. (1) Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beenden, die gesellschaftsbezogenen Forderungen einzuziehen und die Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen.

(2) Den Gesellschaftern sind die Gegenstände, die sie der Gesellschaft zur Benutzung überlassen haben, zurückzugeben. Für einen durch Zufall abhanden gekommenen oder verschlechterten Gegenstand gebührt ihnen gegenüber den anderen Gesellschaftern kein Ersatz.

Handeln der Liquidatoren

§ 1216d. Die Liquidatoren vertreten die Gesellschafter gerichtlich und außergerichtlich als Gesamtvertreter, sofern die Gesellschafter nicht einvernehmlich etwas anderes vereinbaren. Die Liquidatoren können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Jeder Liquidator ist alleine befugt, gesellschaftsbezogene Erklärungen entgegenzunehmen.

Aufteilung und Ausgleich unter den Gesellschaftern

§ 1216e. (1) Das nach Berücksichtigung der Schulden verbleibende Gesellschaftsvermögen ist nach dem Verhältnis der Beteiligung der Gesellschafter unter Berücksichtigung ihrer Guthaben und Verbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis unter die Gesellschafter zu verteilen.

(2) Das während der Liquidation entbehrliche Geld wird vorläufig verteilt. Zur Deckung noch nicht fälliger oder streitiger Verbindlichkeiten sowie zur Sicherung der den Gesellschaftern bei der Schlussverteilung zukommenden Beträge ist das Erforderliche zurückzubehalten. § 1196 Abs. 1 ist während der Liquidation nicht anzuwenden.

(3) Entsteht über die Verteilung des Gesellschaftsvermögens Streit unter den Gesellschaftern, so haben die Liquidatoren die Verteilung bis zur Entscheidung des Streites auszusetzen.

(4) Reicht das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der Guthaben von Gesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis nicht aus, so sind die übrigen Gesellschafter ihnen gegenüber verpflichtet, für den Betrag im Verhältnis ihrer Verbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis aufzukommen. Kann von einem Gesellschafter der auf ihn entfallende Betrag nicht erlangt werden, so wird der Ausfall auf die übrigen Gesellschafter wie ein Verlust verteilt.

Achtundzwanzigstes Hauptstück

Von den Ehepakten und dem Anspruch auf Ausstattung

Ehepakte

§ 1217. (1) Ehepakte heißen diejenigen Verträge, welche in der Absicht auf die eheliche Verbindung über das Vermögen geschlossen werden. Sie haben vorzüglich die Gütergemeinschaft und den Erbvertrag zum Gegenstand.

(2) Die Bestimmungen dieses Hauptstücks sind auf eingetragene Partner sinngemäß anzuwenden.

Ausstattung

§ 1220. Besitzt ein Kind kein eigenes, zu einer angemessenen Ausstattung hinlängliches Vermögen, so sind Eltern oder Großeltern nach der Reihenfolge und nach den Grundsätzen, nach denen sie für den Unterhalt der Kinder zu sorgen haben, verpflichtet, den Kindern oder Enkelkindern bei ihrer Verehelichung eine Ausstattung zu geben oder dazu verhältnismäßig beizutragen.

§ 1221. Berufen sich Eltern oder Großeltern auf ihr Unvermögen zur Bestellung einer angemessenen Ausstattung, so hat das Gericht auf Antrag des Ausstattungsberechtigten, jedoch ohne strenge Untersuchung des Vermögensstands, darüber zu entscheiden.

§ 1222. Wenn ein Kind ohne Wissen oder gegen den Willen seiner Eltern geheiratet hat und das Gericht die Ursache der Missbilligung begründet findet, sind die Eltern selbst in dem Falle, dass sie in der Folge die Ehe genehmigen, nicht schuldig, ihm eine Ausstattung zu geben.

§ 1223. Hat ein Kind seine Ausstattung schon erhalten und sie, wenn auch ohne sein Verschulden, verloren, so ist es nicht mehr – selbst nicht bei Eingehung einer weiteren Ehe – berechtigt, eine neue zu fordern.

Gütergemeinschaft

§ 1233. Die eheliche Verbindung allein begründet noch keine Gemeinschaft der Güter zwischen den Eheleuten. Dazu wird ein besonderer Vertrag erfordert, dessen Umfang und rechtliche Form nach den §§. 1177 und 1178 des vorigen Hauptstückes beurtheilet wird.

§ 1234. Die Gütergemeinschaft unter Ehegatten wird in der Regel nur auf den Todesfall verstanden. Sie gibt dem Ehegatten das Recht auf die Hälfte dessen, was von den der Gemeinschaft wechselseitig unterzogenen Gütern nach Ableben des andern Ehegatten noch vorhanden seyn wird.

§ 1235. Bey einer Gemeinschaft, die sich auf das ganze Vermögen bezieht, sind vor der Theilung alle Schulden ohne Ausnahme; bey einer Gemeinschaft aber, die bloß das gegenwärtige, oder bloß das künftige Vermögen zum Gegenstande hat, nur diejenigen Schulden abzuziehen, die zum Nutzen des gemeinschaftlichen Gutes verwendet worden sind.

§ 1236. Besitzt ein Ehegatte ein unbewegliches Gut, und wird das Recht des andern Ehegatten zur Gemeinschaft in die öffentlichen Bücher eingetragen; so erhält dieser durch die Eintragung auf die Hälfte der Substanz des Gutes ein dingliches Recht, vermöge dessen der eine Ehegatte über diese Hälfte keine Anordnung machen kann; auf die Nutzungen aber während der Ehe erhält er durch die Einverleibung keinen Anspruch. Nach dem Tode des Ehegatten gebührt dem überlebenden Theile sogleich das freye Eigenthum seines Antheiles. Doch kann eine solche Einverleibung den auf das Gut früher eingetragenen Gläubigern nicht zum Nachtheile gereichen.

Gesetzlicher ehelicher Güterstand

§ 1237. Haben Eheleute über die Verwendung ihres Vermögens keine besondere Uebereinkunft getroffen, so behält jeder Ehegatte sein voriges Eigenthumsrecht, und auf das, was ein jeder Theil während der Ehe erwirbt, und auf was immer für eine Art überkommt, hat der andere, solange die Ehe besteht, keinen Anspruch.

Schenkungen unter Ehegatten und Verlobten;

§ 1246. Die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Schenkungen zwischen Ehegatten wird nach den für die Schenkungen überhaupt bestehenden Gesetzen beurtheilt.

§ 1247. Was ein Mann seiner Ehegattinn an Schmuck, Edelsteinen und andern Kostbarkeiten zum Putze gegeben hat, wird im Zweifel nicht für gelehnt; sondern für geschenkt angesehen. Wenn aber ein verlobter Theil dem andern; oder auch ein Dritter dem einen oder andern Theile in Rücksicht auf die künftige Ehe etwas zusichert oder schenket; so kann, wenn die Ehe ohne Verschulden des Geschenkgebers nicht erfolgt, die Schenkung widerrufen werden.

Erbverträge

§ 1249. Zwischen Ehegatten kann auch ein Erbvertrag, wodurch die künftige Erbschaft oder ein Teil derselben versprochen und das Versprechen angenommen wird, geschlossen werden (§ 602). Ein solcher Vertrag muss als Notariatsakt und mit allen Erfordernissen eines schriftlichen Testamentes errichtet werden.

Bedingungen

§ 1251. Die Bestimmungen über Bedingungen bei Verträgen sind auch auf Erbverträge anzuwenden.

Wirkungen des Erbvertrags

§ 1252. Ein Erbvertrag hindert einen Vertragspartner nicht, zu Lebzeiten über sein Vermögen nach Belieben zu verfügen. Aus dem Erbvertrag entstehende Rechte setzen den Tod eines Vertragsteils voraus und können vor Erbanfall nicht auf andere übertragen werden. Aufgrund der künftigen Erbschaft kann keine Sicherstellung gefordert werden.

§ 1253. Durch den Erbvertrag kann ein Vertragspartner auf das Recht zu testieren nicht gänzlich verzichten. Ein reines Viertel, das weder durch Pflichtteile noch durch andere Forderungen belastet sein darf, muss zur freien letztwilligen Verfügung stehen. Hat der Verstorbene darüber nicht verfügt, so fällt dieses Viertel nicht dem Vertragserben, auch wenn ihm im Erbvertrag die ganze Verlassenschaft versprochen wurde, sondern den gesetzlichen Erben zu.

§ 1254. Ein Erbvertrag kann nicht einseitig widerrufen, aber aus vertragsrechtlichen Gründen entkräftet werden. Die Rechte von Pflichtteilsberechtigten bleiben vom Erbvertrag unberührt.

§ 1262. Ist zwischen den Ehegatten eine Gemeinschaft der Güter bedungen; so hört dieselbe durch den Concurs des einen oder des andern Ehegatten auf, und das zwischen ihnen gemeinschaftliche Vermögen wird, wie bey dem Tode, getheilt.

Nichtigerklärung der Ehe

§ 1265. Wird eine Ehe für ungültig erklärt; so zerfallen auch die Ehe-Pacte; das Vermögen kommt, in so fern es vorhanden ist, in den vorigen Stand zurück. Der schuldtragende Theil hat aber den schuldlosen Theile Entschädigung zu leisten.

Scheidung oder Aufhebung der Ehe

§ 1266. Im Fall einer Scheidung oder Aufhebung der Ehe mit gleichteiligem oder ohne Verschulden oder einer Scheidung im Einvernehmen sind die Ehepakte für beide Teile erloschen, sofern keine andere Vereinbarung getroffen wurde. Ansonsten gebührt dem schuldlosen oder minderschuldigen Ehegatten nicht nur volle Genugtuung, sondern ab dem Zeitpunkt der Scheidung alles dasjenige, was ihm in den Ehepakten auf den Fall des Überlebens bedungen worden ist. Das Vermögen, worüber eine Gütergemeinschaft bestanden hat, wird wie im Falle des Todes geteilt, und das Recht aus einem Erbvertrag bleibt dem Schuldlosen oder Minderschuldigen auf den Todesfall vorbehalten.

Neun u. zwanzigstes Hauptstück.

Von den Glücksverträgen.

Glücksverträge.

§ 1267. Ein Vertrag, wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vortheiles versprochen und angenommen wird, ist ein Glücksvertrag. Er gehört, je nachdem etwas dagegen versprochen wird oder nicht, zu den entgeltlichen oder unentgeldlichen Verträgen.

§ 1268. Bey Glücksverträgen findet das Rechtmittel wegen Verkürzung über die Hälfte des Werthes nicht Statt.

Arten der Glücksverträge;

§ 1269. Glücksverträge sind: die Wette; das Spiel und das Los; alle über gehoffte Rechte, oder über künftige noch unbestimmte Sachen errichtete Kauf- und andere Verträge; ferner, die Leibrenten; die gesellschaftlichen Versorgungsanstalten; endlich die Versicherungs- und Bodmereyverträge.

1) die Wette;

§ 1270. Wenn über ein beyden Theilen noch unbekanntes Ereigniß ein bestimmter Preis zwischen ihnen für denjenigen, dessen Behauptung der Erfolg entspricht, verabredet wird: so entsteht eine Wette. Hatte der gewinnende Theil von dem Ausgange Gewißheit, und verheimlichte er sie dem andern Theile; so macht er sich einer Arglist schuldig, und die Wette ist ungültig.Dder verlierende Theil aber, dem der Ausgang vorher bekannt war, ist als ein Geschenkgeber anzusehen.

§ 1271. Redliche und sonst erlaubte Wetten sind in so weit verbindlich, als der bedungene Preis nicht bloß versprochen; sondern wirklich entrichtet, oder hinterlegt worden ist. Gerichtlich kann der Preis nicht gefordert werden.

2) das Spiel;

§ 1272. Jedes Spiel ist eine Art von Wette. Die für Wetten festgesetzten Rechte gelten auch für Spiele. Welche Spiele überhaupt, oder für besondere Classen verbothen; wie Personen, die verbothene Spiele treiben, und diejenigen, die ihnen dazu Unterschleif geben, zu bestrafen sind, bestimmen die politischen Gesetze.

3) Los;

§ 1273. Ein zwischen Privat-Personen auf eine Wette oder auf ein Spiel abzielendes Los wird nach den für Wetten und Spiele festgesetzten Vorschriften beurtheilet. Soll aber eine Theilung, eine Wahl, oder eine Streitigkeit durch das Los entschieden werden; so treten dabey die Rechte der übrigen Verträge ein.

§ 1274. Staats-Lotterien sind nicht nach der Eigenschaft der Wette und des Spieles; sondern nach den jedes Mahl darüber kundgemachten Plänen, zu beurtheilen.

4) Hoffnungskauf.

§ 1275. Wer für ein bestimmtes Maß von einem künftigen Erträgnisse einen verhältnißmäßigen Preis verspricht, schließt einen ordentlichen Kaufvertrag.

§ 1276. Wer die künftigen Nutzungen einer Sache in Pausch und Bogen; oder wer die Hoffnung derselben in einem bestimmten Preise kauft, errichtet einen Glücksvertrag; er trägt die Gefahr der ganz vereitelten Erwartung; es gebühren ihm aber auch alle ordentliche erzielte Nutzungen.

insbesondere eines Kuxes;

§ 1277. Der Antheil an einem Bergwerke heißt Kux. Der Kauf eines Kuxes gehört zu den gewagten Verträgen. Der Verkäufer haftet nur für die Richtigkeit des Kuxes, und der Käufer hat sich nach den Gesetzen über den Bergbau zu benehmen.

Erbschaftskauf

§ 1278. (1) Der Käufer einer vom Verkäufer angetretenen oder ihm wenigstens angefallenen Erbschaft tritt nicht allein in die Rechte, sondern auch in die Verbindlichkeiten des Verkäufers als Erben ein, soweit diese nicht höchstpersönlich sind. Wenn dem Kauf kein Inventar zugrunde gelegt wird, ist auch der Erbschaftskauf ein Glücksvertrag.

(2) Der Erbschaftskauf bedarf zu seiner Gültigkeit eines Notariatsakts oder der Beurkundung durch gerichtliches Protokoll.

§ 1279. Auf Sachen, die dem Verkäufer nicht als Erben, sondern aus einem anderen Grund, etwa als Vorausvermächtnis, als Ersatz- oder Nacherbschaft oder als Schuldforderung aus der Verlassenschaft gebühren und ihm auch ohne Erbrecht gebührt hätten, hat der Erbschaftskäufer keinen Anspruch. Dagegen erhält er alles, was der Erbschaft selbst zuwächst, insbesondere durch den Ausfall eines Vermächtnisnehmers, eines Miterben oder auf was immer für eine andere Art, soweit der Verkäufer darauf Anspruch gehabt hätte.

§ 1280. Alles, was der Erbe aus dem Erbrecht erhält, wie etwa die bezogenen Früchte und Forderungen, zählt zur Verlassenschaft. Alle Aufwendungen, die er selbst für den Antritt der Erbschaft oder für die Verlassenschaft gemacht hat, werden hingegen von der Verlassenschaft abgezogen. Dazu gehören die bezahlten Schulden, die schon abgeführten Vermächtnisse, Steuern, Abgaben und Gerichtsgebühren und, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde, auch die Begräbniskosten.

§ 1281. Sofern der Verkäufer die Verlassenschaft vor der Übergabe verwaltet hat, haftet er dem Käufer dafür wie ein anderer Verwalter.

§ 1282. Die Erbschaftsgläubiger und Vermächtnisnehmer können sich mit ihren Ansprüchen sowohl an den Käufer der Erbschaft als auch an den Erben selbst halten. Ihre Rechte werden so wie jene der Erbschaftsschuldner durch den Verkauf der Erbschaft nicht geändert. Die Erbantrittserklärung des Verkäufers gilt auch für den Käufer.

§ 1283. Wurde dem Verkauf der Erbschaft ein Inventar zugrunde gelegt, so haftet der Verkäufer für dasselbe. Andernfalls haftet er für die Richtigkeit seines Erbrechts, wie er es angegeben hat, und für jeden dem Käufer durch sein Verschulden zugefügten Schaden.

5) Leibrente;

§ 1284. Wird jemanden für Geld, oder gegen eine für Geld geschätzte Sache auf die Lebensdauer einer gewissen Person eine bestimmte jährliche Entrichtung versprochen; so ist es ein Leibrentenvertrag.

§ 1285. Die Dauer der Leibrente kann von dem Leben des einen oder andern Theiles, oder auch eines Dritten abhängen. Sie wird im Zweifel vierteljährig vorhinein entrichtet; und nimmt in allen Fällen mit dem Leben desjenigen, auf dessen Kopf sie beruht, ihr Ende.

§ 1286. Weder die Gläubiger, noch die Kinder desjenigen, welcher sich eine Leibrente bedingt, sind berechtiget, den Vertrag umzustoßen. Doch steht den Erstern frey, ihre Befriedigung aus den Leibrenten zu suchen; den Letztern aber, die Hinterlegung eines entbehrlichen Theiles der Rente zu fordern, um sich den ihnen nach dem Gesetze gebührenden Unterhalt darauf versichern zu lassen.

6) gesellschaftliche Versorgungsanstalten;

§ 1287. Der Vertrag, wodurch vermittelst einer Einlage ein gemeinschaftlicher Versorgungsfond für die Mitglieder, ihre Gattinnen oder Waisen errichtet wird, ist aus der Natur und dem Zwecke einer solchen Anstalt, und den darüber festgesetzten Bedingungen, zu beurtheilen.

7) Versicherungsvertrag;

§ 1288. Wenn jemand die Gefahr des Schadens, welcher einen Andern ohne dessen Verschulden treffen könnte, auf sich nimmt, und ihm gegen einen gewissen Preis den bedungenen Ersatz zu leisten verspricht; so entsteht der Versicherungsvertrag. Der Versicherer haftet dabey für den zufälligen Schaden, und der Versicherte für den versprochenen Preis.

§ 1289. Der gewöhnliche Gegenstand dieses Vertrages sind Waaren, die zu Wasser oder zu Lande verführt werden. Es können aber auch andere Sachen, z. B. Häuser und Grundstücke gegen Feuer- Wasser- und andere Gefahren versichert werden.

§ 1290. Ereignet sich der zufällige Schade, wofür die Entschädigung versichert worden ist; so muß der Versicherte, wenn kein unüberwindliches Hinderniß dazwischen kommt, oder nichts anderes verabredet worden ist, dem Versicherer, wenn sie sich im nähmlichen Orte befinden, binnen drey Tagen, sonst aber in derjenigen Zeitfrist davon Nachricht geben, welche zur Bekanntmachung der Annahme eines von einem Abwesenden gemachten Versprechens bestimmt worden ist (§. 862). Unterläßt er die Anzeige; kann er den Unfall nicht erweisen; oder kann der Versicherer beweisen, daß der Schade aus Verschulden des Versicherten entstanden ist; so hat dieser auch keinen Anspruch auf die versicherte Summe.

§ 1291. Wenn der Untergang der Sache dem Versicherten; oder der gefahrlose Zustand derselben dem Versicherer zur Zeit des geschlossenen Vertrages schon bekannt war; so ist der Vertrag ungültig.

8) Bodmerey- und See-Assecuranzen.

§ 1292. Die Bestimmungen in Rücksicht der Versicherungen zur See; so wie die Vorschriften über den Bodmerey-Vertrag sind ein Gegenstand der Seegesetze.

Dreyßigstes Hauptstück.

Von dem Rechte des Schadensersatzes und der Genugthuung.

Schade.

§ 1293. Schade heißt jeder Nachtheil, welcher jemanden an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefüget worden ist. Davon unterscheidet sich der Entgang des Gewinnes, den jemand nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge zu erwarten hat.

Quellen der Beschädigung.

§ 1294. Der Schade entspringt entweder aus einer widerrechtlichen Handlung, oder Unterlassung eines Anderen; oder aus einem Zufalle. Die widerrechtliche Beschädigung wird entweder willkührlich, oder unwillkührlich zugefügt. Die willkührliche Beschädigung aber gründet sich theils in einer bösen Absicht, wenn der Schade mit Wissen und Willen; theils in einem Versehen, wenn er aus schuldbarer Unwissenheit, oder aus Mangel der gehörigen Aufmerksamkeit, oder des gehörigen Fleißes verursachet worden ist. Beydes wird ein Verschulden genannt.

Von der Verbindlichkeit zum Schadenersatze:

1) von dem Schaden aus Verschulden;

§ 1295. (1) Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der Schaden mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein.

(2) Auch wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt, ist dafür verantwortlich, jedoch falls dies in Ausübung eines Rechtes geschah, nur dann, wenn die Ausübung des Rechtes offenbar den Zweck hatte, den anderen zu schädigen.

§ 1296. Im Zweifel gilt die Vermuthung, daß ein Schade ohne Verschulden eines Anderen entstanden sey.

§ 1297. Es wird aber auch vermuthet, daß jeder welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sey, welcher bey gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Wer bey Handlungen, woraus eine Verkürzung der Rechte eines Anderen entsteht, diesen Grad des Fleißes oder der Aufmerksamkeit unterläßt, macht sich eines Versehens schuldig.

§ 1298. Wer vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen oder gesetzlichen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sey, dem liegt der Beweis ob. Soweit er auf Grund vertraglicher Vereinbarung nur für grobe Fahrlässigkeit haftet, muß er auch beweisen, daß es an dieser Voraussetzung fehlt.

insbesondere: a) der Sachverständigen;

§ 1299. Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerke öffentlich bekennet; oder wer ohne Noth freywillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, daß er sich den nothwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zutraue; er muß daher den Mangel derselben vertreten. Hat aber derjenige, welcher ihm das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit desselben gewußt; oder, bey gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können; so fällt zugleich dem Letzteren ein Versehen zur Last.

§ 1300. Ein Sachverständiger ist auch dann verantwortlich, wenn er gegen Belohnung in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen nachtheiligen Rath ertheilet. Außer diesem Falle haftet ein Rathgeber nur für den Schaden, welchen er wissentlich durch Ertheilung des Rathes dem Anderen verursachet hat.

oder b) mehrere Theilnehmer;

§ 1301. Für einen widerrechtlich zugefügten Schaden können mehrere Personen verantwortlich werden, indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen u. dgl.; oder, auch nur durch Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit, das Uebel zu verhindern, dazu beygetragen haben.

§ 1302. In einem solchen Falle verantwortet, wenn die Beschädigung in einem Versehen gegründet ist, und die Antheile sich bestimmen lassen, jeder nur den durch sein Versehen verursachten Schaden. Wenn aber der Schade vorsätzlich zugefügt worden ist; oder, wenn die Antheile der Einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen, so haften Alle für Einen, und Einer für Alle; doch bleibt demjenigen, welcher den Schaden ersetzt hat, der Rückersatz gegen die Uebrigen vorbehalten.

§ 1303. In wie weit mehrere Mitschuldner bloß aus der unterlassenen Erfüllung ihrer Verbindlichkeit zu haften haben, ist aus der Beschaffenheit des Vertrages zu beurtheilen.

§ 1304. Wenn bey einer Beschädigung zugleich ein Verschulden von Seite des Beschädigten eintritt; so trägt er mit dem Beschädiger den Schaden verhältnißmäßig; und, wenn sich das Verhältniß nicht bestimmen läßt, zu gleichen Theilen.

2) aus dem Gebrauche des Rechtes;

§ 1305. Wer von seinem Rechte innerhalb der rechtlichen Schranken (§ 1295, Absatz 2) Gebrauch macht, hat den für einen anderen daraus entspringenden Nachteil nicht zu verantworten.

3. aus einer schuldlosen oder unwillkührlichen Handlung;

§ 1306. Den Schaden, welchen jemand ohne Verschulden oder durch eine unwillkührliche Handlung verursachet hat, ist er in der Regel zu ersetzen nicht schuldig.

§ 1306a. Wenn jemand im Notstand einen Schaden verursacht, um eine unmittelbar drohende Gefahr von sich oder anderen abzuwenden, hat der Richter unter Erwägung, ob der Beschädigte die Abwehr aus Rücksicht auf die dem anderen drohende Gefahr unterlassen hat, sowie des Verhältnisses der Größe der Beschädigung zu dieser Gefahr oder endlich des Vermögens des Beschädigers und des Beschädigten zu erkennen, ob und in welchem Umfange der Schaden zu ersetzen ist.

§ 1307. Wenn sich jemand aus eigenem Verschulden in einen Zustand der Sinnesverwirrung oder in einen Notstand versetzt hat, so ist auch der in demselben verursachte Schade seinem Verschulden zuzuschreiben. Eben dieses gilt auch von einem Dritten, der durch sein Verschulden diese Lage bei dem Beschädiger veranlaßt hat.

§ 1308. Wenn Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, oder Unmündige jemanden beschädigen, der durch irgendein Verschulden hierzu selbst Veranlassung gegeben hat, so kann er keinen Ersatz ansprechen.

§ 1309. Außer diesem Falle gebührt ihm der Ersatz von denjenigen Personen, denen der Schade wegen Vernachlässigung der ihnen über solche Personen anvertrauten Obsorge beygemessen werden kann.

§ 1310. Kann der Beschädigte auf solche Art den Ersatz nicht erhalten, so soll der Richter mit Erwägung des Umstandes, ob dem Beschädiger, ungeachtet er gewöhnlich seines Verstandes nicht mächtig ist, in dem bestimmten Falle nicht dennoch ein Verschulden zur Last liege; oder, ob der Beschädigte aus Schonung des Beschädigers die Vertheidigung unterlassen habe; oder endlich, mit Rücksicht auf das Vermögen des Beschädigers und des Beschädigten, auf den ganzen Ersatz, oder doch einen billigen Theil desselben erkennen.

4. durch Zufall;

§ 1311. Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet. Hat aber jemand den Zufall durch ein Verschulden veranlaßt; hat er ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, übertreten; oder sich ohne Noth in fremde Geschäfte gemengt, so haftet er für allen Nachtheil, welcher außer dem nicht erfolgt wäre.

§ 1312. Wer in einem Nothfalle jemanden einen Dienst geleistet hat, dem wird der Schade, welchen er nicht verhüthet hat, nicht zugerechnet; es wäre denn, daß er einen Anderen, der noch mehr geleistet haben würde, durch seine Schuld daran verhindert hätte. Aber auch in diesem Falle kann er den sicher verschafften Nutzen gegen den verursachten Schaden in Rechnung bringen.

5) durch fremde Handlungen;

§ 1313. Für fremde, widerrechtliche Handlungen, woran jemand keinen Theil genommen hat, ist er in der Regel auch nicht verantwortlich. Selbst in den Fällen, wo die Gesetze das Gegentheil anordnen, bleibt ihm der Rückersatz gegen den Schuldtragenden vorbehalten.

§ 1313a. Wer einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes.

§ 1314. Wer eine Dienstperson ohne Zeugnis aufnimmt oder wissentlich eine durch ihre Leibes- oder Gemütsbeschaffenheit gefährliche Person im Dienste behält oder ihr Aufenthalt gibt, haftet dem Hausherrn und den Hausgenossen für den Ersatz des durch die gefährliche Beschaffenheit dieser Personen verursachten Schadens.

§ 1315. Überhaupt haftet derjenige, welcher sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung seiner Angelegenheiten bedient, für den Schaden, den sie in dieser Eigenschaft einem Dritten zufügt.

§ 1316. Gastwirte, die Fremde beherbergen, sowie die anderen in § 970 bezeichneten Personen, ferner Fuhrleute haften für den Schaden, welchen ihre eigenen oder die von ihnen zugewiesenen Dienstpersonen an den eingebrachten oder übernommenen Sachen einem Gast oder Reisenden in ihrem Hause, ihrer Anstalt oder ihrem Fahrzeuge verursachen.

§ 1317. In wie fern bey öffentlichen Versendungsanstalten für den Schaden eine Haftung übernommen werde, bestimmen die besonderen Vorschriften.

§ 1318. Wird jemand durch das Herabfallen einer gefährlich aufgehängten oder gestellten Sache, oder durch Herauswerfen oder Herausgießen aus einer Wohnung beschädiget; so haftet derjenige, aus dessen Wohnung geworfen oder gegossen worden, oder die Sache herabgefallen ist, für den Schaden.

6. Durch ein Bauwerk

§ 1319. Wird durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes jemand verletzt oder sonst ein Schaden verursacht, so ist der Besitzer des Gebäudes oder Werkes zum Ersatze verpflichtet, wenn die Ereignung die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, daß er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe.

6a. durch einen Weg;

§ 1319a. (1) Wird durch den mangelhaften Zustand eines Weges ein Mensch getötet, an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so haftet derjenige für den Ersatz des Schadens, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich ist, sofern er oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grobfahrlässig verschuldet hat. Ist der Schaden bei einer unerlaubten, besonders auch widmungswidrigen, Benützung des Weges entstanden und ist die Unerlaubtheit dem Benützer entweder nach der Art des Weges oder durch entsprechende Verbotszeichen, eine Abschrankung oder eine sonstige Absperrung des Weges erkennbar gewesen, so kann sich der Geschädigte auf den mangelhaften Zustand des Weges nicht berufen.

(2) Ein Weg im Sinn des Abs. 1 ist eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehres benützt werden darf, auch wenn sie nur für einen eingeschränkten Benützerkreis bestimmt ist; zu einem Weg gehören auch die in seinem Zug befindlichen und dem Verkehr dienenden Anlagen, wie besonders Brücken, Stützmauern, Futtermauern, Durchlässe, Gräben und Pflanzungen. Ob der Zustand eines Weges mangelhaft ist, richtet sich danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist.

(3) Ist der mangelhafte Zustand durch Leute des Haftpflichtigen verschuldet worden, so haften auch sie nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

7. Durch ein Tier

§ 1320. (1) Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte.

(2) In der Alm- und Weidewirtschaft kann der Halter bei Beurteilung der Frage, welche Verwahrung erforderlich ist, auf anerkannte Standards der Tierhaltung zurückgreifen. Andernfalls hat er die im Hinblick auf die ihm bekannte Gefährlichkeit der Tiere, die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Vermeidung solcher Gefahren und die erwartbare Eigenverantwortung anderer Personen gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Die erwartbare Eigenverantwortung der Besucher von Almen und Weiden richtet sich nach den durch die Alm- und Weidewirtschaft drohenden Gefahren, der Verkehrsübung und anwendbaren Verhaltensregeln.

§ 1321. Wer auf seinem Grund und Boden fremdes Vieh antrifft, ist deßwegen noch nicht berechtiget, es zu töten. Er kann es durch anpassende Gewalt verjagen, oder wenn er dadurch Schaden gelitten hat, das Recht der Privat-Pfändung über so viele Stücke Viehes ausüben, als zu seiner Entschädigung hinreichet. Doch muß er binnen acht Tagen sich mit dem Eigenthümer abfinden, oder seine Klage vor den Richter bringen; widrigen Falls aber das gepfändete Vieh zurückstellen.

§ 1322. Das gepfändete Vieh muß auch zurückgestellet werden, wenn der Eigenthümer eine andere angemessene Sicherheit leistet.

Arten des Schadenersatzes.

§ 1323. Um den Ersatz eines verursachten Schadens zu leisten, muß Alles in den vorigen Stand zurückversetzt, oder, wenn dieses nicht thunlich ist, der Schätzungswerth vergütet werden. Betrifft der Ersatz nur den erlittenen Schaden, so wird er eigentlich eine Schadloshaltung; wofern er sich aber auch auf den entgangenen Gewinn und die Tilgung der verursachten Beleidigung erstreckt, volle Genugthuung genannt.

§ 1324. In dem Falle eines aus böser Absicht oder aus einer auffallenden Sorglosigkeit verursachten Schadens ist der Beschädigte volle Genugthung (Anm.: richtig: Genugthuung); in den übrigen Fällen aber nur die eigentliche Schadloshaltung zu fordern berechtiget. Hiernach ist in den Fällen, wo im Gesetze der allgemeine Ausdruck: Ersatz, vorkommt, zu beurtheilen, welche Art des Ersatzes zu leisten sey.

Insbesondere

1) bey Verletzungen an dem Körper;

§ 1325. Wer jemanden an seinem Körper verletzet, bestreitet die Heilungskosten des Verletzten; ersetzet ihm den entgangenen, oder wenn der Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst und bezahlt ihm auf Verlangen überdieß ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld.

§ 1326. Ist die verletzte Person durch die Mißhandlung verunstaltet worden; so muß, zumahl wenn sie weiblichen Geschlechtes ist, in so fern auf diesen Umstand Rücksicht genommen werden, als ihr besseres Fortkommen dadurch verhindert werden kann.

§ 1327. Erfolgt aus einer körperlichen Verletzung der Tod, so müssen nicht nur alle Kosten, sondern auch den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetze zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden.

1a. an der geschlechtlichen Selbstbestimmung

§ 1328. Wer jemanden durch eine strafbare Handlung oder sonst durch Hinterlist, Drohung oder Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnisses zur Beiwohnung oder sonst zu geschlechtlichen Handlungen mißbraucht, hat ihm den erlittenen Schaden und den entgangenen Gewinn zu ersetzen sowie eine angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten.

1b. am Recht auf Wahrung der Privatsphäre

§ 1328a. (1) Wer rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre eines Menschen eingreift oder Umstände aus der Privatsphäre eines Menschen offenbart oder verwertet, hat ihm den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Bei erheblichen Verletzungen der Privatsphäre, etwa wenn Umstände daraus in einer Weise verwertet werden, die geeignet ist, den Menschen in der Öffentlichkeit bloßzustellen, umfasst der Ersatzanspruch auch eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

(2) Abs. 1 ist nicht anzuwenden, sofern eine Verletzung der Privatsphäre nach besonderen Bestimmungen zu beurteilen ist. Die Verantwortung für Verletzungen der Privatsphäre durch Medien richtet sich bei Dazwischentreten eines medienrechtlich Verantwortlichen allein nach den Bestimmungen des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981, in der jeweils geltenden Fassung.

2) an der persönlichen Freyheit;

§ 1329. Wer jemanden durch gewaltsame Entführung, durch Privatgefangennehmung oder vorsätzlich durch einen widerrechtlichen Arrest seiner Freiheit beraubt, ist verpflichtet, dem Verletzten die vorige Freiheit zu verschaffen und volle Genugtuung zu leisten. Kann er ihm die Freiheit nicht mehr verschaffen, so muß er den Hinterbliebenen, wie bei der Tötung, Ersatz leisten.

3) an der Ehre;

§ 1330. (1) Wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schade oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist, so ist er berechtigt, den Ersatz zu fordern.

(2) Dies gilt auch, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte. In diesem Falle kann auch der Widerruf und die Veröffentlichung desselben verlangt werden. Für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kennt, haftet er nicht, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte.

4) an dem Vermögen.

§ 1331. Wird jemand an seinem Vermögen vorsätzlich oder durch auffallende Sorglosigkeit eines Anderen beschädiget; so ist er auch den entgangenen Gewinn, und, wen der Schade vermittelst einer durch ein Strafgesetz verbothenen Handlung oder aus Muthwillen und Schadenfreude verursachet worden ist, den Werth der besonderen Vorliebe zu fordern berechtiget.

§ 1332. Der Schade, welcher aus einem minderen Grade des Versehens oder der Nachlässigkeit verursachet worden ist, wird nach dem gemeinen Werthe, den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte, ersetzet.

§ 1332a. Wird ein Tier verletzt, so gebühren die tatsächlich aufgewendeten Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung auch dann, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen, soweit auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten diese Kosten aufgewendet hätte.

Besonders durch die Verzögerung der Zahlung.

Gesetzliche Zinsen und weitere Schäden

§ 1333. (1) Der Schaden, den der Schuldner seinem Gläubiger durch die Verzögerung der Zahlung einer Geldforderung zugefügt hat, wird durch die gesetzlichen Zinsen (§ 1000 Abs. 1) vergütet.

(2) Der Gläubiger kann außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.

§ 1334. Eine Verzögerung fällt einem Schuldner zur Last, wenn er den durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag nicht einhält. Sofern die Parteien nicht anderes vereinbart haben, hat der Schuldner seine Leistung bei vertragsgemäßer Erbringung der Gegenleistung ohne unnötigen Aufschub nach der Erfüllung durch den Gläubiger oder, wenn die Parteien ein solches Verfahren vereinbart haben, nach der Abnahme oder Überprüfung der Leistung des Gläubigers oder, wenn die Forderung der Höhe nach noch nicht feststeht, nach dem Eingang der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung zu erbringen. Ist die Zahlungszeit sonst nicht bestimmt, so trägt der Schuldner die Folgen der Zahlungsverzögerung, wenn er sich nach dem Tag der gerichtlichen oder außergerichtlichen Einmahnung nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat.

§ 1335. Hat der Gläubiger die Zinsen ohne gerichtliche Einmahnung bis auf den Betrag der Hauptschuld steigen lassen, so erlischt das Recht, vom Kapital weitere Zinsen zu fordern. Vom Tag der Streitanhängigkeit an können jedoch neuerdings Zinsen verlangt werden.

Bedingung des Vergütungsvertrages (Conventional-Strafe).

§ 1336. (1) Die vertragschließenden Teile können eine besondere Übereinkunft treffen, daß auf den Fall des entweder gar nicht oder nicht auf gehörige Art oder zu spät erfüllten Versprechens ein bestimmter Geld- oder anderer Betrag entrichtet werden solle (§ 912). Der Schuldner erlangt mangels besonderer Vereinbarung nicht das Recht, sich durch Bezahlung des Vergütungsbetrages von der Erfüllung zu befreien. Wurde die Konventionalstrafe für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsortes versprochen, so kann sie neben der Erfüllung gefordert werden.

(2) In allen Fällen ist der Vergütungsbetrag, wenn er vom Schuldner als übermäßig erwiesen wird, von dem Richter, allenfalls nach Einvernehmung von Sachverständigen, zu mäßigen.

(3) Der Gläubiger kann neben einer Konventionalstrafe den Ersatz eines diese übersteigenden Schadens geltend machen. Ist der Schuldner ein Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 KSchG, so muss dies im Einzelnen ausgehandelt werden.

Verbindlichkeit der Erben des Beschädigers.

§ 1337. Die Verbindlichkeit zum Ersatze des Schadens und des entgangenen Gewinnes, oder zur Entrichtung des bedungenen Vergütungsbetrages haftet auf dem Vermögen, und geht auf die Erben über.

Rechtsmittel der Entschädigung.

§ 1338. Das Recht zum Schadenersatze muß in der Regel, wie jedes andere Privat-Recht, bey dem ordentlichen Richter angebracht werden. Hat der Beschädiger zugleich ein Strafgesetz übertreten; so trifft ihn auch die verhängte Strafe. Die Verhandlung über den Schadensersatz aber gehöret auch in diesem Falle, in sofern sie nicht durch die Strafgesetze dem Strafgerichte oder der politischen Behörde aufgetragen ist, zu dem Civil-Gerichte.

§ 1340. Diese Behörden haben in dem Falle, daß sich die Entschädigung unmittelbar bestimmen läßt, sogleich darüber nach den in diesem Hauptstücke ertheilten Vorschriften zu erkennen. Wenn aber der Ersatz des Schadens nicht unmittelbar bestimmt werden kann, ist in dem Erkenntnisse überhaupt auszudrücken, daß dem Beschädigtem die Entschädigung im Wege Rechtens zu suchen vorbehalten bleibe. Dieser Weg ist auch in Criminal-Fällen dem Beschädigten, und in anderen Fällen beyden Theilen dann vorbehalten, wenn sie mit der von der Strafbehörde erfolgten Bestimmung des Ersatzes sich nicht befriedigen wollten.

§ 1341. Gegen das Verschulden eines Richters beschwert man sich bey der höheren Behörde. Diese untersuchet und beurtheilet die Beschwerde von Amts wegen.

Dritter Theil

des

bürgerlichen Gesetzbuches.

Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte.

Erstes Hauptstück.

Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten.

Gemeinschaftliche Bestimmungen der Rechte.

§ 1342. Sowohl Personenrechte als Sachenrechte, und daraus entspringende Verbindlichkeiten können gleichförmig befestiget, umgeändert und aufgehoben werden.

Arten der Befestigung eines Rechtes:

§ 1343. Die rechtlichen Arten der Sicherstellung einer Verbindlichkeit und der Befestigung eines Rechtes, durch welche dem Berechtigten ein neues Recht eingeräumt wird, sind: die Verpflichtung ein Drittes für den Schuldner, und die Verpfändung.

I) durch Verpflichtung eines Dritten.

§ 1344. Ein Dritter kann sich dem Gläubiger für den Schuldner auf dreyerley Art verpflichten: ein Mahl, wenn er mit Einwilligung des Gläubigers die Schuld als Alleinzahler übernimmt; dann, wenn er der Verbindlichkeit als Mitschuldner beytritt; endlich, wenn er sich für die Befriedigung des Gläubigers auf den Fall verbindet, daß der erste Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle.

§ 1345. Wenn jemand mit Einwilligung des Gläubigers die ganze Schuld eines Andern übernimmt; so geschieht keine Befestigung, sondern eine Umänderung der Verbindlichkeit, wovon in dem folgenden Hauptstücke gehandelt wird.

a) Als Bürge;

§ 1346. (1) Wer sich zur Befriedigung des Gläubigers auf den Fall verpflichtet, daß der erste Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle, wird ein Bürge, und das zwischen ihm und dem Gläubiger getroffene Uebereinkommen ein Bürgschaftsvertrag genannt. Hier bleibt der erste Schuldner noch immer der Hauptschuldner, und der Bürge kommt nur als Nachschuldner hinzu.

(2) Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages ist erforderlich, daß die Verpflichtungserklärung des Bürgen schriftlich abgegeben wird.

b) Als Mitschuldner;

§ 1347. Wenn jemand, ohne die den Bürgen zu Statten kommende Bedingung, einer Verbindlichkeit als Mitschuldner beytritt; so entsteht eine Gemeinschaft mehrerer Mitschuldner; deren rechtliche Folgen nach den in dem Hauptstücke von Verträgen überhaupt gegebenen Vorschriften zu beurtheilen sind (§§. 888 – 896).

Entschädigungsbürge.

§ 1348. Wer dem Bürgen auf den Fall, daß derselbe durch seine Bürgschaft zu Schaden kommen sollte, Entschädigung zusagt, heißt Entschädigungsbürge.

Wer sich verbürgen könne.

§ 1349. Fremde Verbindlichkeiten kann ohne Unterschied des Geschlechtes jedermann auf sich nehmen, dem die freye Verwaltung seines Vermögens zusteht.

Für welche Verbindlichkeiten.

§ 1350. Ein Bürgschaft kann nicht nur über Summen und Sachen, sondern auch über erlaubte Handlungen und Unterlassungen in Beziehung auf den Vortheil oder Nachtheil, welcher aus denselben für den Sichergestellten entstehen kann, geleistet werden.

§ 1351. Verbindlichkeiten, welche nie zu Recht bestanden haben, oder schon aufgehoben sind, können weder übernommen, noch bekräftiget werden.

§ 1352. Wer sich für eine Person verbürgt, die sich vermöge ihrer persönlichen Eigenschaft nicht verbinden kann, ist, obschon ihm diese Eigenschaft unbekannt war, gleich einem ungetheilten Mitschuldner verpflichtet (§. 896).

Umfang der Bürgschaft

§ 1353. Die Bürgschaft kann nicht weiter ausgedehnt werden, als sich der Bürge ausdrücklich erkläret hat. Wer sich für ein zinsbares Capital verbürget, haftet nur für jene rückständigen Zinsen, welche der Gläubiger noch nicht einzutreiben berechtiget war.

§ 1354. Von der Einwendung, wodurch ein Schuldner nach Vorschrift der Gesetze die Beybehaltung eines Theiles seines Vermögens zu seinem Unterhalte zu fordern berechtiget ist, kann der Bürge nicht Gebrauch machen.

Wirkung.

§ 1355. Der Bürge kann in der Regel erst dann belanget werden, wenn der Hauptschuldner auf des Gläubigers gerichtliche oder außergerichtliche Einmahnung seine Verbindlichkeit nicht erfüllet hat.

§ 1356. Der Bürge kann aber, selbst wenn er sich ausdrücklich nur für den Fall verbürget hat, daß der Hauptschuldner zu zahlen unvermögend sey, zuerst belanget werden, wenn über das Vermögen des Hauptschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder wenn der Hauptschuldner zu der Zeit, als die Zahlung geleistet werden sollte, unbekannten Aufenthaltes, und der Gläubiger keiner Nachlässigkeit zu beschuldigen ist.

§ 1357. Wer sich als Bürge und Zahler verpflichtet hat, haftet als ungetheilter Mitschuldner für die ganze Schuld; es hängt von der Willkühr des Gläubigers ab, ob er zuerst den Hauptschuldner, oder den Bürgen oder beyde zugleich belangen wolle (§. 891).

§ 1358. Wer eine fremde Schuld bezahlt, für die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet, tritt in die Rechte des Gläubigers und ist befugt, von dem Schuldner den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern. Zu diesem Ende ist der befriedigte Gläubiger verbunden, dem Zahler alle vorhandenen Rechtsbehelfe und Sicherungsmittel auszuliefern.

§ 1359. Haben für den nähmlichen ganzen Betrag mehrere Personen Bürgschaft geleistet; so haftet jede für den ganzen Betrag. Hat aber Eine von ihnen die ganze Schuld abgetragen; so gebührt ihr gleich dem Mitschuldner (§. 896) das Recht des Rückersatzes gegen die übrigen.

§ 1360. Wenn dem Gläubiger vor, oder bey Leistung der Bürgschaft noch außer derselben von dem Hauptschuldner, oder einem Dritten ein Pfand gegeben wird; so steht ihm zwar noch immer frey, den Bürgen der Ordnung nach (§. 1355) zu belangen; aber er ist nicht befugt, zu dessen Nachtheil sich des Pfandes zu begeben.

§ 1361. Hat der Bürge oder Zahler den Gläubiger befriediget, ohne sich mit dem Hauptschuldner einzuverstehen; so kann dieser Alles gegen jene einwenden, was er gegen den Gläubiger hätte einwenden können.

§ 1362. Der Bürge kann von dem Entschädigungsbürgen nur dann Entschädigung verlangen, wenn er sich den Schaden nicht durch sein eigenes Verschulden zugezogen hat.

Arten der Erlöschung der Bürgschaft.

§ 1363. Die Verbindlichkeit des Bürgen hört verhältnißmäßig mit der Verbindlichkeit des Schuldners auf. Hat sich der Bürge nur auf eine gewisse Zeit verpflichtet; so haftet er nur für diesen Zeitraum. Die Entlassung eines Mitbürgen kommt diesem zwar gegen den Gläubiger; aber nicht gegen die übrigen Mitbürgen zu Statten (§. 896).

§ 1364. Durch den Verlauf der Zeit, binnen welcher der Schuldner hätte zahlen sollen, wird der Bürge, wenn auch der Gläubiger auf die Befriedigung nicht gedrungen hat, noch nicht von seiner Bürgschaft befreyet, allein er ist befugt, von dem Schuldner, wenn er mit dessen Einwilligung Bürgschaft geleistet hat, zu verlangen, daß er ihm Sicherheit verschaffe. Auch der Gläubiger ist dem Bürgen in so weit verantwortlich, als dieser wegen dessen Saumseligkeit in Eintreibung der Schuld an Erhohlung des Ersatzes zu Schaden kommt.

§ 1365. Wenn gegen den Schuldner ein gegründetes Besorgniß der Zahlungsunfähigkeit oder der Entfernung aus den Erbländern, für welche dieses Gesetzbuch vorgeschrieben ist, eintritt; so steht dem Bürgen das Recht zu, von dem Schuldner die Sicherstellung der verbürgten Schuld zu verlangen.

§ 1366. Wenn das verbürgte Geschäft beendiget ist; so kann die Abrechnung und die Aufhebung der Bürgschaft gefordert werden.

§ 1367. Ist der Bürgschaftsvertrag weder durch eine Hypothek, noch durch ein Faustpfand befestiget; so erlischt er binnen drey Jahren nach dem Tode des Bürgen, wenn der Gläubiger in der Zwischenzeit unterlassen hat, von dem Erben die verfallene Schuld gerichtlich oder außergerichtlich einzumahnen.

II.) Durch Pfandvertrag.

§ 1368. Pfandvertrag heißt derjenige Vertrag, wodurch der Schuldner, oder ein Anderer anstatt seiner auf eine Sache dem Gläubiger das Pfandrecht wirklich einräumet, folglich ihm das bewegliche Pfandstück übergibt, oder das unbewegliche durch die Pfandbücher verschreibt. Der Vertrag, ein Pfand übergeben zu wollen, ist noch kein Pfandvertrag.

Wirkung des Pfandvertrages.

§ 1369. Was bey Verträgen überhaupt Rechtens ist, gilt auch bey dem Pfandvertrage; er ist zweyseitig verbindlich. Der Pfandnehmer muß das Handpfand wohl verwahren und es dem Verpfänder, so bald dieser die Befriedigung leistet, zurück geben. Betrifft es eine Hypothek; so muß der befriedigte Gläubiger den Verpfänder in den Stand setzen, die Löschung der Verbindlichkeit aus den Hypotheken-Büchern bewirken zu können. Die mit dem Pfandbesitze verknüpften Rechte und Verbindlichkeiten des Pfandgebers und Pfandnehmers sind im sechsten Hauptstücke des zweyten Theiles bestimmt worden.

§ 1370. Der Handpfandnehmer ist verbunden, dem Pfandgeber einen Pfandschein auszustellen, und darin die unterscheidenden Kennzeichen des Pfandes zu beschreiben. Auch können die wesentlichen Bedingungen des Pfandvertrages in dem Pfandscheine angeführet werden.

Unerlaubte Bedingungen.

§ 1371. Alle der Natur des Pfand- und Darleihensvertrages entgegen stehende Bedingungen und Nebenverträge sind ungültig. Dahin gehören die Verabredungen: daß nach der Verfallzeit der Schuldforderung das Pfandstück dem Gläubiger zufalle; daß er es nach Willkühr, oder in einem schon im voraus bestimmten Preise veräußern, oder für sich behalten könne; daß der Schuldner das Pfand niemahls einlösen, oder ein liegendes Gut keinem Andern verschreiben, oder daß der Gläubiger nach der Verfallzeit die Veräußerung des Pfandes nicht verlangen dürfe.

§ 1372. Der Nebenvertrag, daß dem Gläubiger die Fruchtnießung der verpfändeten Sache zustehen solle, ist ohne rechtliche Wirkung. Ist dem Gläubiger der bloße Gebrauch eines beweglichen Pfandstückes eingeräumt worden (§. 459), so muß diese Benützung auf eine dem Schuldner unschädliche Art geschehen.

Auf welche Art in der Regel Sicherstellung zu leisten ist.

§ 1373. Wer verbunden ist, eine Sicherstellung zu leisten, muß diese Verbindlichkeit durch ein Handpfand, oder durch eine Hypothek erfüllen. Nur in dem Falle, daß er ein Pfand zu geben außer Stande ist, werden taugliche Bürgen angenommen.

§ 1374. Niemand ist verpflichtet, eine Sache, die zur Sicherstellung dienen soll, in einem höheren Wert als der Hälfte ihres Verkehrswertes zum Pfand anzunehmen. Wer ein angemessenes Vermögen besitzt und im Inland geklagt werden kann, ist ein tauglicher Bürge.

Zweytes Hauptstück.

Von Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten.

Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten;

§ 1375. Es hängt von dem Willen des Gläubigers und des Schuldners ab, ihre gegenseitigen willkührlichen Rechte und Verbindlichkeiten umzuändern. Die Umänderung kann ohne, oder mit Hinzukunft einer dritten Person, und zwar entweder eines neuen Gläubigers, oder eines neuen Schuldners geschehen.

1) durch Novation;

§ 1376. Die Umänderung ohne Hinzukunft einer dritten Person findet Statt, wenn der Rechtsgrund, oder wenn der Hauptgegenstand einer Forderung verwechselt wird, folglich die alte Verbindlichkeit in eine neue übergeht.

§ 1377. Eine solche Umänderung heißt Neuerungsvertrag (Novation). Vermöge dieses Vertrages hört die vorige Hauptverbindlichkeit auf, und die neue nimmt zugleich ihren Anfang.

§ 1378. Die mit der vorigen Hauptverbindlichkeit verknüpften Bürgschafts- Pfand- und anderen Rechte erlöschen durch den Neuerungsvertrag, wenn die Theilnehmer nicht durch ein besonderes Einverständniß hierüber etwas Anderes festgesetzt haben.

§ 1379. Die näheren Bestimmungen, wo, wann und wie eine schon vorhandene Verbindlichkeit erfüllet werden soll, und andere Nebenbestimmungen, wodurch in Rücksicht auf den Hauptgegenstand oder Rechtsgrund keine Umänderungen geschieht, sind eben so wenig als ein Neuerungsvertrag anzusehen, als die bloße Ausstellung eines neuen Schuldscheines, oder einer andern dahin gehörigen Urkunde. Auch kann eine solche Abänderung in den Nebenbestimmungen einem Dritten, welcher derselben nicht beygezogen worden ist, keine neue Last auflegen. Im Zweifel wird die alte Verbindlichkeit nicht für aufgelöst gehalten, so lange sie mit der neuen noch wohl bestehen kann.

2) Vergleich.

§ 1380. Ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige, oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, daß jede Partey sich wechselseitig etwas zu geben, zu thun, oder zu unterlassen verbindet, heißt Vergleich. Der Vergleich gehört zu den zweyseitig verbindlichen Verträgen, und wird nach eben denselben Grundsätzen beurtheilet.

§ 1381. Wer dem Verpflichteten mit dessen Einwilligung ein unstreitiges oder zweifelhaftes Recht unentgeldlich erläßt, macht eine Schenkung (§. 939).

Ungültigkeit eines Vergleiches in Rücksicht des Gegenstandes;

§ 1382. Es gibt zweifelhafte Fälle, welche durch einen Vergleich nicht beygelegt werden dürfen. Dahin gehört der zwischen Eheleuten über die Gültigkeit ihrer Ehe entstandene Streit. Diesen kann nur der durch das Gesetz bestimmte Gerichtsstand entscheiden.

§ 1383. Ueber den Inhalt einer letzten Anordnung kann vor deren Bekanntmachung kein Vergleich errichtet werden. Die hierüber entstandene Wette wird nach den Grundsätzen von Glücksverträgen beurtheilt.

§ 1384. Vergleiche über Gesetzübertretungen sind nur in Hinsicht auf die Privat-Genugthuung gültig; die gesetzmäßige Untersuchung und Bestrafung kann dadurch bloß dann abgewendet werden, wenn die Uebertretungen von der Art sind, daß die Behörde nur auf Verlangen der Parteyen ihr Amt zu handeln angewiesen ist.

oder anderer Mängel.

§ 1385. Ein Irrthum kann den Vergleich nur in so weit ungültig machen, als er die Wesenheit der Person, oder des Gegenstandes betrifft.

§ 1386. Aus dem Grunde einer Verletzung über die Hälfte kann ein redlich errichteter Vergleich nicht angefochten werden.

§ 1387. Eben so wenig können neu gefundene Urkunden, wenn sie auch den gänzlichen Mangel eines Rechtes auf Seite einer Partey entdeckten, einen redlich eingegangenen Vergleich entkräften.

§ 1388. Ein offenbarer Rechnungsverstoß, oder ein Fehler, welcher bey dem Abschlusse eines Vergleiches in dem Summiren oder Abziehen begangen wird, schadet keinem der vertragmachenden Theile.

Umfang des Vergleiches.

§ 1389. Ein Vergleich, welcher über eine besondere Streitigkeit geschlossen worden ist, erstreckt sich nicht auf andere Fälle. Selbst allgemeine, auf alle Streitigkeiten überhaupt lautende Vergleiche sind auf solche Rechte nicht anwendbar, die geflissentlich verheimlichet worden sind, oder auf welche die sich vergleichenden Parteyen nicht denken konnten.

Wirkung in Rücksicht der Nebenverbindlichkeiten.

§ 1390. Bürgen und Pfänder, welche zur Sicherheit des ganzen noch streitigen Rechtes gegeben worden sind, haften auch für den Theil, der durch den Vergleich bestimmt worden ist. Doch bleiben dem Bürgen und einem dritten Verpfänder, welche dem Vergleiche nicht beygestimmt haben, alle Einwendungen gegen den Gläubiger vorbehalten, welche ohne geschlossenen Vergleich der Forderung hätten entgegengesetzt werden können.

§ 1391. Der Vertrag, wodurch Parteyen zur Entscheidung streitiger Rechte einen Schiedsrichter bestellen, erhält seine Bestimmung in der Gerichtsordnung.

3) Cession.

§ 1392. Wenn eine Forderung von einer Person an die andere übertragen, und von dieser angenommen wird; so entsteht die Umänderung des Rechtes mit Hinzukunft eines neuen Gläubigers. Eine solche Handlung heißt Abtretung (Cession), und kann mit, oder ohne Entgeld geschlossen werden.

Gegenstände der Cession.

§ 1393. Alle veräußerliche Rechte sind ein Gegenstand der Abtretung. Rechte, die der Person ankleben, folglich mit ihr erlöschen, können nicht abgetreten werden. Schuldscheine, die auf den Ueberbringer lauten, werden schon durch die Uebergabe abgetreten, und bedürfen nebst dem Besitze keines andern Beweises der Abtretung.

Wirkung.

§ 1394. Die Rechte des Uebernehmers sind mit den Rechten des Ueberträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung eben dieselben.

§ 1395. Durch den Abtretungsvertrag entsteht nur zwischen dem Ueberträger (Cedent) und dem Uebernehmer der Forderung (Cessionar); nicht aber zwischen dem Letzten und dem übernommenen Schuldner (Cessus) eine neue Verbindlichkeit. Daher ist der Schuldner, so lange ihm der Uebernehmer nicht bekannt wird, berechtiget, den ersten Gläubiger zu bezahlen, oder sich sonst mit ihm abzufinden.

§ 1396. Dieses kann der Schuldner nicht mehr, so bald ihm der Uebernehmer bekannt gemacht worden ist; allein es bleibt ihm das Recht, seine Einwendungen gegen die Forderung anzubringen. Hat er die Forderung gegen den redlichen Uebernehmer für richtig erkannt; so ist er verbunden, denselben als seinen Gläubiger zu befriedigen.

Zessionsverbot

§ 1396a. (1) Eine Vereinbarung, dass eine Geldforderung zwischen Unternehmern aus unternehmerischen Geschäften nicht abgetreten werden darf (Zessionsverbot), ist nur verbindlich, wenn sie im Einzelnen ausgehandelt worden ist und den Gläubiger unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles nicht gröblich benachteiligt. Auch ein solches Zessionsverbot steht der Wirksamkeit einer Abtretung aber nicht entgegen; sobald die Abtretung und der Übernehmer dem Schuldner bekannt gemacht worden sind, kann dieser nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung an den Überträger leisten, es sei denn, dass ihm dabei nur leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt.

(2) Rechte des Schuldners gegen den Überträger wegen der Verletzung eines verbindlichen Zessionsverbots bleiben unberührt, sie können aber gegen die Forderung nicht eingewendet werden. Der Übernehmer haftet dem Schuldner nicht allein deshalb, weil er das Zessionsverbot gekannt hat.

(3) Die Abs. 1 und 2 gelten nicht für Zessionsverbote, die zwischen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer von dieser gegründeten Einrichtung und einem Förderungswerber vereinbart werden.

Haftung des Cedenten.

§ 1397. Wer eine Forderung ohne Entgeld abtritt, also verschenkt, haftet nicht weiter für dieselbe. Kommt aber die Abtretung auf eine entgeldliche Art zu Stande; so haftet der Ueberträger dem Uebernehmer sowohl für die Richtigkeit, als für die Einbringlichkeit der Forderung, jedoch nie für mehr, als er von dem Uebernehmer erhalten hat.

§ 1398. In so fern der Uebernehmer über die Einbringlichkeit der Forderung aus den öffentlichen Pfandbüchern sich belehren konnte, gebührt ihm in Rücksicht der Uneinbringlichkeit keine Entschädigung. Auch für eine zur Zeit der Abtretung einbringliche, und durch einen bloßen Zufall oder durch Versehen des Uebernehmers uneinbringlich gewordene Forderung haftet der Ueberträger nicht.

§ 1399. Ein Versehen dieser Art begeht der Uebernehmer, wenn er die Forderung zur Zeit, als sie aufgekündiget werden kann, nicht aufkündiget, oder nach verfallener Zahlungsfrist nicht eintreibt; wenn er dem Schuldner nachsieht; wenn er die noch mögliche Sicherheit zu rechter Zeit sich zu verschaffen versäumt, oder die gerichtliche Execution zu betreiben unterläßt.

4) Anweisung (Assignation).

§ 1400. Durch die Anweisung auf eine Leistung eines Dritten wird der Empfänger der Anweisung (Assignatar) zur Einhebung der Leistung bei dem Angewiesenen (Assignat) und der letztere zur Leistung an ersteren für Rechnung des Anweisenden (Assignant) ermächtigt. Einen unmittelbaren Anspruch erlangt der Anweisungsempfänger gegen den Angewiesenen erst, wenn die Erklärung des Angewiesenen über die Annahme der Anweisung ihm zugekommen ist.

§ 1401. (1) Insoweit der Angewiesene das zu Leistende dem Anweisenden bereits schuldet, ist er diesem gegenüber verpflichtet, der Anweisung Folge zu leisten. Wenn durch die Anweisung eine Schuld des Anweisenden bei dem Empfänger, der die Anweisung angenommen hat, getilgt werden soll, ist der Empfänger verpflichtet, den Angewiesenen zur Leistung aufzufordern.

(2) Will der Empfänger von der Anweisung keinen Gebrauch machen oder verweigert der Angewiesene die Annahme oder die Leistung, so hat der Empfänger dies dem Anweisenden ohne Verzug anzuzeigen.

(3) Die Tilgung der Schuld erfolgt, wenn nichts anderes vereinbart ist, erst durch die Leistung.

§ 1402. Hat der Angewiesene die Anweisung dem Empfänger gegenüber angenommen, so kann er diesem nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit der Annahme betreffen oder sich aus dem Inhalte der Anweisung oder aus seinen persönlichen Beziehungen zum Empfänger ergeben.

§ 1403. (1) Solange der Angewiesene die Anweisung noch nicht dem Empfänger gegenüber angenommen hat, kann sie der Anweisende widerrufen. Besteht zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen kein anderer Rechtsgrund, so gelten für das Rechtsverhältnis zwischen beiden die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag; die Anweisung erlischt jedoch nicht durch den Tod des Anweisenden oder Angewiesenen. Inwiefern die Aufhebung der Anweisung auch gegenüber dem Empfänger rechtswirksam ist, bestimmt sich nach dem zwischen diesem und dem Anweisenden obwaltenden Rechtsverhältnis.

(2) Der Anspruch des Empfängers gegen den Angewiesenen verjährt in drei Jahren.

5. Schuldübernahme

§ 1404. Wer einem Schuldner verspricht, die Leistung an dessen Gläubiger zu bewirken (Erfüllungsübernahme), haftet dem Schuldner dafür, daß der Gläubiger ihn nicht in Anspruch nehme. Dem Gläubiger erwächst daraus unmittelbar kein Recht.

§ 1405. Wer einem Schuldner erklärt, seine Schuld zu übernehmen (Schuldübernahme), tritt als Schuldner an dessen Stelle, wenn der Gläubiger einwilligt. Bis diese Einwilligung erfolgt oder falls sie verweigert wird, haftet er wie bei Erfüllungsübernahme (§ 1404). Die Einwilligung des Gläubigers kann entweder dem Schuldner oder dem Übernehmer erklärt werden.

§ 1406. (1) Auch ohne Vereinbarung mit dem Schuldner kann ein Dritter durch Vertrag mit dem Gläubiger die Schuld übernehmen.

(2) Im Zweifel ist aber die dem Gläubiger erklärte Übernahme als Haftung neben dem bisherigen Schuldner, nicht an dessen Stelle zu verstehen.

§ 1407. (1) Die Verbindlichkeiten des Übernehmers sind mit den Verbindlichkeiten des bisherigen Schuldners in Rücksicht auf die übernommene Schuld ebendieselben. Der Übernehmer kann dem Gläubiger die aus dem Rechtsverhältnis zwischen diesem und dem bisherigen Schuldner entspringenden Einwendungen entgegensetzen.

(2) Die Nebenrechte der Forderung werden durch den Schuldnerwechsel nicht berührt. Bürgen und von dritten Personen bestellte Pfänder haften jedoch nur dann fort, wenn der Bürge oder Verpfänder dem Schuldnerwechsel zugestimmt hat.

§ 1408. Übernimmt bei Veräußerung einer Liegenschaft der Erwerber ein auf ihr haftendes Pfandrecht, so ist dies im Zweifel als Schuldübernahme zu verstehen. Der Veräußerer kann, nach vollzogener Übertragung des Eigentums, den Gläubiger zur Annahme des neuen Schuldners an seiner Stelle schriftlich mit der Wirkung auffordern, daß die Einwilligung als erteilt gilt, wenn sie nicht binnen sechs Monaten versagt wird. Auf diese Wirkung muß in der Aufforderung ausdrücklich hingewiesen sein.

§ 1409. (1) Übernimmt jemand ein Vermögen oder ein Unternehmen, so ist er unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen mußte, unmittelbar verpflichtet. Er wird aber von der Haftung insoweit frei, als er an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt.

(2) Ist jedoch ein naher Angehöriger des Veräußerers (§ 32 IO) der Übernehmer, so trifft ihn diese Verpflichtung, soweit er nicht beweist, daß ihm die Schulden bei der Übergabe weder bekannt waren noch bekannt sein mußten.

(3) Entgegenstehende Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Übernehmer zum Nachteile der Gläubiger sind diesen gegenüber unwirksam.

§ 1409a. Wer ein Vermögen oder ein Unternehmen im Weg eines Zwangsvollstreckungsverfahrens, eines Insolvenzverfahrens oder einer Überwachung des Schuldners durch einen Treuhänder der Gläubiger erwirbt, haftet nicht nach § 1409 Abs. 1 und 2.

§ 1410. Wird der Eintritt des neuen Schuldners an Stelle des bisherigen Schuldners in der Weise verabredet, daß an die Stelle des aufgehobenen Schuldverhältnisses eine Verpflichtung des neuen Schuldners aus selbständigem Rechtsgrunde oder unter Änderung des Hauptgegenstandes der Forderung gesetzt wird, so treten nicht die Wirkungen der Schuldübernahme, sondern eines Neuerungsvertrages (§§ 1377, 1378) ein.

Drittes Hauptstück.

Von Aufhebung der Rechte u. Verbindlichkeiten.

Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten.

§ 1411. Rechte und Verbindlichkeiten stehen in einem solchen Zusammenhange, daß mit Erlöschung des Rechtes die Verbindlichkeit, und mit Erlöschung der letzteren das Recht aufgehoben wird.

1) Durch die Zahlung.

§ 1412. Die Verbindlichkeit wird vorzüglich durch die Zahlung, das ist, durch die Leistung dessen, was man zu leisten schuldig ist, aufgelöset (§. 469).

Wie die Zahlung zu leisten.

§ 1413. Gegen seinen Willen kann weder der Gläubiger gezwungen werden, etwas anderes anzunehmen, als er zu fordern hat, noch der Schuldner, etwas anders zu leisten, als er zu leisten verbunden ist. Dieses gilt auch von der Zeit, dem Orte und der Art, die Verbindlichkeit zu erfüllen.

§ 1414. Wird, weil der Gläubiger und der Schuldner einverstanden sind, oder weil die Zahlung selbst unmöglich ist, etwas anderes an Zahlungs Statt gegeben; so ist die Handlung als ein entgeldliches Geschäft zu betrachten.

§ 1415. Der Gläubiger ist nicht schuldig, die Zahlung einer Schuldpost theilweise, oder auf Abschlag anzunehmen. Sind aber verschiedene Posten zu zahlen; so wird diejenige für abgetragen gehalten, welche der Schuldner, mit Einwilligung des Gläubigers tilgen zu wollen, sich ausdrücklich erkläret hat.

§ 1416. Wird die Willensmeinung des Schuldners bezweifelt, oder von dem Gläubiger widersprochen; so sollen zuerst die Zinsen, dann das Capital, von mehreren Capitalien aber dasjenige, welches schon eingefordert, oder wenigstens fällig ist, und nach diesem dasjenige, welches schuldig zu bleiben dem Schuldner am meisten beschwerlich fällt, abgerechnet werden.

wann;

§ 1417. Wenn die Zahlungsfrist auf keine Art bestimmt ist; so tritt die Verbindlichkeit, die Schuld zu zahlen, erst mit dem Tage ein, an welchem die Einmahnung geschehen ist (§. 904). Für die Zahlungsfrist bei Erfüllung einer Geldschuld durch Banküberweisung gilt § 907a Abs. 2.

§ 1418. In gewissen Fällen wird die Zahlungsfrist durch die Natur der Sache bestimmt. Alimente werden wenigstens auf einen Monath voraus bezahlt. Stirbt der Verpflegte während dieser Zeit; so sind dessen Erben nicht schuldig, etwas von der Vorausbezahlung zurück zu geben.

§ 1419. Hat der Gläubiger gezögert, die Zahlung anzunehmen; so fallen die widrigen Folgen auf ihn.

§ 1420. Wenn der Ort und die Art der Leistung nicht bestimmt sind, so müssen die oben (§ 905 Abs. 1 und 2, § 906, § 907a Abs. 1, § 907b) aufgestellten Vorschriften angewendet werden.

von wem;

§ 1421. Auch eine Person, die sonst unfähig ist, ihr Vermögen zu verwalten, kann eine richtige und verfallene Schuld rechtmäßig abtragen, und sich ihrer Verbindlichkeit entledigen. Hätte sie aber eine noch ungewisse, oder nicht verfallene Schuld abgetragen, so ist ihr gesetzlicher Vertreter berechtigt, das Geleistete zurückzufordern.

§ 1422. Wer die Schuld eines anderen, für die er nicht haftet (§ 1358), bezahlt, kann vor oder bei der Zahlung vom Gläubiger die Abtretung seiner Rechte verlangen; hat er dies getan, so wirkt die Zahlung als Einlösung der Forderung.

§ 1423. Wird die Einlösung mit Einverständnis des Schuldners angeboten, so muß der Gläubiger die Zahlung annehmen; doch hat er außer dem Falle des Betruges für die Einbringlichkeit und Richtigkeit der Forderung nicht zu haften. Ohne Einwilligung des Schuldners kann dem Gläubiger von einem Dritten in der Regel (§ 462) die Zahlung nicht aufgedrängt werden.

an wen;

§ 1424. Der Schuldbetrag muß dem Gläubiger oder dessen zum Empfange geeigneten Machthaber, oder demjenigen geleistet werden, den das Gericht als Eigenthümer der Forderung erkannt hat. Was jemand an eine Person bezahlt hat, die ihr Vermögen nicht selbst verwalten darf, ist er in so weit wieder zu zahlen verbunden, als das Bezahlte nicht wirklich vorhanden, oder zum Nutzen des Empfängers verwendet worden ist.

Gerichtliche Hinterlegung der Schuld.

§ 1425. Kann eine Schuld aus dem Grunde, weil der Gläubiger unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebothenen unzufrieden ist, oder aus andern wichtigen Gründen nicht bezahlet werden; so steht dem Schuldner bevor, die abzutragende Sache bey dem Gerichte zu hinterlegen; oder, wenn sie dazu nicht geeignet ist, die gerichtliche Einleitung zu deren Verwahrung anzusuchen. Jede dieser Handlungen; wenn sie rechtmäßig geschehen und dem Gläubiger bekannt gemacht worden ist, befreyt den Schuldner von seiner Verbindlichkeit, und wälzt die Gefahr der geleisteten Sache auf den Gläubiger.

Quittungen.

§ 1426. Der Zahler ist in allen Fällen berechtiget, von dem Befriedigten eine Quittung, nähmlich ein schriftliches Zeugniß der erfüllten Verbindlichkeit, zu verlangen. In der Quittung muß der Nahme des Schuldners und des Gläubigers, so wie der Ort, die Zeit und der Gegenstand der getilgten Schuld ausgedrückt, und sie muß von dem Gläubiger, oder dessen Machthaber unterschrieben werden. Die Kosten der Quittung hat, wenn nichts anderes vereinbart ist, der Gläubiger zu tragen.

§ 1427. Eine Quittung über das bezahlte Capital gründet die Vermuthung, daß auch die Zinsen davon bezahlt worden seyn.

§ 1428. Besitzt der Gläubiger von dem Schuldner einen Schuldschein; so ist er nebst Ausstellung einer Quittung verbunden, denselben zurück zu geben, oder die allenfalls geleistete Abschlagszahlung auf dem Schuldscheine selbst abschreiben zu lassen. Der zurück erhaltene Schuldschein ohne Quittung gründet für den Schuldner die rechtliche Vermuthung der geleisteten Zahlung; er schließt aber den Gegenbeweis nicht aus. Ist der Schuldschein, welcher zurück gegeben werden soll, in Verlust gerathen; so ist der Zahlende berechtiget, Sicherstellung zu fordern, oder den Betrag gerichtlich zu hinterlegen, und zu verlangen, daß der Gläubiger die Tödtung des Schuldscheines der Gerichtsordnung gemäß bewirke.

§ 1429. Eine Quittung, die der Gläubiger dem Schuldner für eine abgetragene neuere Schuldpost ausgestellt hat, beweiset zwar nicht, daß auch andere ältere Posten abgetragen worden seyn: wenn es aber gewisse Gefälle, Renten, oder solche Zahlungen betrifft, welche, wie Geld- Grund- Haus- oder Capitals-Zinsen, aus eben demselben Titel und zu einer gewissen Zeit geleistet werden sollen; so wird vermuthet, daß derjenige, welcher sich mit der Quittung des letzt verfallenen Termines ausweiset, auch die früher verfallenen berichtiget habe.

§ 1430. Eben so wird von Handels- und Gewerbsleuten, welche mit ihren Abnehmern (Kunden) zu gewissen Fristen die Rechnungen abzuschließen pflegen, vermuthet, daß ihnen, wenn sie über die Rechnung aus einer späteren Frist quittirt haben, auch die früheren Rechnungen bezahlt seyn.

Zahlung einer Nichtschuld.

§ 1431. Wenn jemanden aus einem Irrthume, wäre es auch ein Rechtsirrthum, eine Sache oder eine Handlung geleistet worden, wozu er gegen den Leistenden kein Recht hat; so kann in der Regel im ersten Falle die Sache zurückgefordert, im zweyten aber ein dem verschafften Nutzen angemessener Lohn verlangt werden.

§ 1432. Doch können Zahlungen einer verjährten, oder einer solchen Schuld, welche nur aus Mangel der Förmlichkeiten ungültig ist, oder zu deren Eintreibung das Gesetz bloß das Klagerecht versagt, eben so wenig zurückgefordert werden, als wenn jemand eine Zahlung leistet, von der er weiß, daß er sie nicht schuldig ist.

§ 1433. Diese Vorschrift (§ 1432) kann aber auf den Fall, in dem eine minderjährige, eine nicht geschäftsfähige volljährige oder eine andere Person bezahlt hat, die nicht frei über ihr Eigentum verfügen kann, nicht angewendet werden.

§ 1434. Die Zurückstellung des Bezahlten kann auch dann begehret werden, wenn die Schuldforderung auf was immer für eine Art noch ungewiß ist; oder wenn sie noch von der Erfüllung einer beygesetzten Bedingung abhängt. Die Bezahlung einer richtigen und unbedingten Schuld kann aber deßwegen nicht zurückgefordert werden, weil die Zahlungsfrist noch nicht verfallen ist.

§ 1435. Auch Sachen, die als eine wahre Schuldigkeit gegeben worden sind, kann der Geber von dem Empfänger zurück fordern, wenn der rechtliche Grund, sie zu behalten, aufgehört hat.

§ 1436. War jemand verbunden, aus zwey Sachen nur Eine nach seiner Willkühr zu geben, und hat er aus Irrthum beyde gegeben; so hängt es von ihm ab, die eine oder die andere zurück zu fordern.

§ 1437. Der Empfänger einer bezahlten Nichtschuld wird als ein redlicher oder unredlicher Besitzer angesehen, je nachdem er den Irrthum des Gebers gewußt hat, oder aus den Umständen vermuthen mußte, oder nicht. Von einem minderjährigen oder nicht geschäftsfähigen volljährigen Empfänger kann der Geber das irrtümlich Bezahlte (§ 1431) nur insoweit zurückfordern, als es beim Empfänger wirklich vorhanden oder zum Nutzen des Empfängers verwendet worden ist.

2) Compensation.

§ 1438. Wenn Forderungen gegenseitig zusammentreffen, die richtig, gleichartig, und so beschaffen sind, daß eine Sache, die dem Einen als Gläubiger gebührt, von diesem auch als Schuldner dem Andern entrichtet werden kann; so entsteht, in so weit die Forderungen sich gegen einander ausgleichen, eine gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeiten (Compensation), welche schon für sich die gegenseitige Zahlung bewirket.

§ 1439. Zwischen einer richtigen und nicht richtigen, so wie zwischen einer fälligen und noch nicht fälligen Forderung findet die Compensation nicht Statt. In wie fern gegen eine Insolvenzmasse die Compensation Statt finde, wird in der Insolvenzordnung bestimmt.

§ 1440. Ebenso lassen sich Forderungen, welche ungleichartige oder bestimmte und unbestimmte Sachen zum Gegenstande haben, gegeneinander nicht aufheben. Eigenmächtig oder listig entzogene, entlehnte, in Verwahrung oder in Bestand genommene Stücke sind überhaupt kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder der Kompensation.

§ 1441. Ein Schuldner kann seinem Gläubiger dasjenige nicht in Aufrechnung bringen, was dieser einem Dritten und der Dritte dem Schuldner zu zahlen hat. Selbst eine Summe, die jemand an eine Staats-Casse zu fordern hat, kann gegen eine Zahlung, die er an eine andere Staats-Casse leisten muß, nicht abgerechnet werden.

§ 1442. Wenn eine Forderung allmählich auf mehrere übertragen wird; so kann der Schuldner zwar die Forderung, welche er zur Zeit der Abtretung an den ersten Inhaber derselben hatte, so wie auch jene, die ihm gegen den letzten Inhaber zusteht, in Abrechnung bringen; nicht aber auch diejenige, welche ihm an einen der Zwischeninhaber zustand.

§ 1443. Gegen eine den öffentlichen Büchern einverleibte Forderung kann die Einwendung der Compensation einem Cessionar nur dann entgegen gesetzt werden, wenn die Gegenforderung ebenfalls und zwar bey der Forderung selbst eingetragen, oder dem Cessionar bey Uebernehmung der letztern bekannt gemacht worden ist.

3) Entsagung.

§ 1444. In allen Fällen, in welchen der Gläubiger berechtiget ist, sich seines Rechtes zu begeben, kann er demselben auch zum Vortheile seines Schuldners entsagen, und hierdurch die Verbindlichkeit des Schuldners aufheben.

4) Vereinigung.

§ 1445. So oft auf was immer für eine Art das Recht mit der Verbindlichkeit in Einer Person vereiniget wird, erlöschen beyde; außer, wenn es dem Gläubiger noch frey steht, eine Absonderung seiner Rechte zu verlangen, (§§. 802 und 812), oder wenn Verhältnisse von ganz verschiedener Art eintreten. Daher wird durch die Nachfolge des Schuldners in die Verlassenschaft seines Gläubigers in den Rechten der Erbschaftsgläubiger, der Miterben oder Vermächtnisnehmer, und durch die Beerbung des Schuldners und Bürgen in den Rechten des Gläubigers nichts geändert.

§ 1446. Rechte und Verbindlichkeiten, welche den öffentlichen Büchern einverleibt sind, werden durch die Vereinigung nicht aufgehoben, bis die Löschung aus den öffentlichen Büchern erfolgt ist (§ 526). Bis dahin kann das eingetragene Pfandrecht vom Eigentümer oder im Wege der Zwangsvollstreckung auf einen Dritten übertragen werden (§§ 469 bis 470).

5) Untergang der Sache.

§ 1447. Der zufällige gänzliche Untergang einer bestimmten Sache hebt alle Verbindlichkeit, selbst die, den Werth derselben zu vergüten, auf. Dieser Grundsatz gilt auch für diejenigen Fälle, in welchen die Erfüllung der Verbindlichkeit, oder die Zahlung einer Schuld durch einen andern Zufall unmöglich wird. In jedem Falle muß aber der Schuldner das, was er um die Verbindlichkeit in Erfüllung zu bringen, erhalten hat, zwar gleich einem redlichen Besitzer, jedoch auf solche Art zurückstellen oder vergüten, daß er aus dem Schaden des Andern keinen Gewinn zieht.

6) Tod.

§ 1448. Durch den Tod erlöschen nur solche Rechte und Verbindlichkeiten, welche auf die Person eingeschränkt sind, oder die bloß persönliche Handlungen des Verstorbenen betreffen.

7) Verlauf der Zeit.

§ 1449. Rechte und Verbindlichkeiten erlöschen auch durch den Verlauf der Zeit, worauf sie durch einen letzten Willen, Vertrag, richterlichen Ausspruch, oder durch das Gesetz beschränkt sind. Auf welche Art sie durch die von dem Gesetze bestimmte Verjährung aufgehoben werden, wird in dem folgenden Hauptstücke festgesetzt.

Von der Einsetzung in den vorigen Stand.

§ 1450. Die bürgerlichen Gesetze, nach welchen widerrechtliche Handlungen und Geschäfte, wenn die Verjährung nicht im Wege steht, unmittelbar bestritten werden können, gestatten keine Einsetzung in den vorigen Stand. Die zum gerichtlichen Verfahren gehörigen Fälle der Einsetzung in den vorigen Stand, sind in der Gerichtsordnung bestimmt.

Viertes Hauptstück.

Von der Verjährung und Ersitzung.

Verjährung.

§ 1451. Die Verjährung ist der Verlust eines Rechtes, welches während der von dem Gesetze bestimmten Zeit nicht ausgeübt worden ist.

Ersitzung.

§ 1452. Wird das verjährte Recht vermöge des gesetzlichen Besitzes zugleich auf jemand Andern übertragen; so heißt es ein ersessenes Recht, und die Erwerbungsart Ersitzung.

Wer verjähren und ersitzen kann.

§ 1453. Jeder, der sonst zu erwerben fähig ist, kann auch ein Eigenthum oder andere Rechte durch Ersitzung erwerben.

Gegen wen;

§ 1454. Die Verjährung und Ersitzung kann gegen alle Privat-Personen, welche ihre Rechte selbst auszuüben fähig sind, Statt finden. Gegen Minderjährige und volljährige Personen, wenn diese aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit an der Durchsetzung ihrer Rechte gehindert sind; gegen Kirchen, Gemeinden und andere moralische Körper; gegen Verwalter des öffentlichen Vermögens und gegen diejenigen, welche ohne ihr Verschulden abwesend sind, wird sie nur unter den unten (§§. 1494, 1472 und 1475) folgenden Beschränkungen gestattet.

Welche Gegenstände.

§ 1455. Was sich erwerben läßt, kann auch ersessen werden. Sachen hingegen, welche man vermöge ihrer wesentlichen Beschaffenheit, oder vermöge der Gesetze nicht besitzen kann; ferner Sachen und Rechte, welche schlechterdings unveräußerlich sind, sind kein Gegenstand der Ersitzung.

§ 1456. Aus diesem Grunde können weder die dem Staatsoberhaupte als solchem allein zukommenden Rechte, z. B. das Recht, Zölle anzulegen, Münzen zu prägen, Steuern auszuschreiben, und andere Hoheitsrechte (Regalien) durch Ersitzung erworben, noch die diesen Rechten entsprechenden Schuldigkeiten verjährt werden.

§ 1457. Andere dem Staatsoberhaupte zukommende, doch nicht ausschließend vorbehaltene Rechte, z. B. auf Waldungen, Jagden, Fischereyen u. d.gl., können zwar überhaupt von andern Staatsbürgern, doch nur binnen einem längern als dem gewöhnlichen Zeitraume (§. 1472) ersessen werden.

§ 1458. Die Rechte eines Ehegatten, eines eingetragenen Partners, der Eltern, eines Kindes und andere Personenrechte sind kein Gegenstand der Ersitzung. Doch kommt denjenigen, welche dergleichen Rechte redlicher Weise ausüben, die schuldlose Unwissenheit zur einstweiligen Behauptung und Ausübung ihrer vermeinten Rechte zustatten.

§ 1459. Die Rechte eines Menschen über seine Handlungen und über sein Eigenthum, z. B. eine Waare da oder dort zu kaufen, seine Wiesen oder sein Wasser zu benutzen, unterliegen, außer dem Falle, daß das Gesetz mit der binnen einem Zeitraume unterlassenen Ausübung ausdrücklich den Verlust derselben verknüpfet, keiner Verjährung. Hat aber eine Person der andern die Ausübung eines solchen Rechtes untersagt, oder sie daran verhindert; so fängt der Besitz des Untersagungsrechtes von Seite der Einen gegen die Freyheit der Andern von dem Augenblicke an, als sich diese dem Verbothe, oder der Verhinderung gefüget hat, und es wird dadurch, wenn alle übrige Erfordernisse eintreffen, die Verjährung oder die Ersitzung bewirket (§§.. 313 u. 351).

Erfordernisse zur Ersitzung:

1) Besitz;

§ 1460. Zur Ersitzung wird nebst der Fähigkeit der Person und des Gegenstandes erfordert: daß jemand die Sache oder das Recht, die auf diese Art erworben werden sollen, wirklich besitze; daß sein Besitz rechtmäßig, redlich und echt sey, und durch die ganze von dem Gesetze bestimmte Zeit fortgesetzt werde. (§. 309, 316, 326 und 345).

Und zwar a) ein rechtmäßiger;

§ 1461. Jeder Besitz, der sich auf einen solchen Titel gründet, welcher zur Uebernahme des Eigenthumes, wenn solches dem Uebergeber gebührt hätte, hinlänglich gewesen wäre, ist rechtmäßig und zur Ersitzung hinreichend. Dergleichen sind, z. B. das Vermächtniß, die Schenkung, das Darleihen, der Kauf und Verkauf, der Tausch, die Zahlung, u.s.w.

§ 1462. Verpfändete, geliehene, in Verwahrung, oder zur Fruchtnießung gegebene Sachen können von Gläubigern, Entlehnern und Verwahrern oder Fruchtnießern, aus Mangel eines rechtmäßigen Titels, niemahls ersessen werden. Ihre Erben stellen die Verstorbenen vor, und haben nicht mehr Titel als dieselben. Nur dem dritten rechtmäßigen Besitzer kann die Ersitzungszeit zu Statten kommen.

b) redlicher,

§ 1463. Der Besitz muß redlich seyn. Die Unredlichkeit des vorigen Besitzers hindert aber einen redlichen Nachfolger oder Erben nicht, die Ersitzung von dem Tage seines Besitzes anzufangen (§. 1493).

c) echter.

§ 1464. Der Besitz muß auch echt seyn. Wenn jemand sich einer Sache mit Gewalt oder List bemächtiget, oder in den Besitz heimlich einschleicht, oder eine Sache nur bittweise besitzt; so kann weder er selbst, noch können seine Erben dieselbe verjähren.

2) Verlauf der Zeit.

§ 1465. Zur Ersitzung und Verjährung ist auch der in dem Gesetze vorgeschriebene Verlauf der Zeit nothwendig. Außer dem durch die Gesetze für einige besondere Fälle festgesetzten Zeitraume, wird hier das in allen übrigen Fällen zur Ersitzung oder Verjährung nöthige Zeitmaß überhaupt bestimmt. Es kommt dabey sowohl auf die Verschiedenheit der Rechte und der Sachen, als der Personen an.

Ersitzungszeit. Ordentliche;

§ 1466. Das Eigenthumsrecht, dessen Gegenstand eine bewegliche Sache ist, wird durch einen dreyjährigen rechtlichen Besitz ersessen.

§ 1468. Wo noch keine ordentlichen öffentlichen Bücher eingeführt sind, und die Erwerbung unbeweglicher Sachen aus den Gerichts-Acten und andern Urkunden zu erweisen ist, oder wenn die Sache auf den Nahmen desjenigen, der die Besitzrechte darüber ausübet, nicht eingetragen ist; wird die Ersitzung erst nach dreyßig Jahren vollendet.

§ 1470. Wo noch keine ordentlichen öffentlichen Bücher bestehen, oder ein solches Recht denselben nicht einverleibt ist, kann es der redliche Inhaber erst nach dreyßig Jahren ersitzen.

§ 1471. Bey Rechten, die selten ausgeübt werden können, z. B. bey dem Rechte, eine Pfründe zu vergeben, oder jemanden bey Herstellung einer Brücke zum Beytrage anzuhalten, muß derjenige, welcher die Ersitzung behauptet, nebst einem Verlaufe von dreyßig Jahren, zugleich erweisen, daß der Fall zur Ausübung binnen dieser Zeit wenigstens drey Mahl sich ergeben, und er jedes Mahl dieses Recht ausgeübt habe.

Außerordentliche.

§ 1472. Gegen den Fiscus, das ist: gegen die Verwalter der Staatsgüter und des Staatsvermögens, in so weit die Verjährung Platz greift (§§. 287, 289 u. 1456 – 1457), ferner gegen die Verwalter der Güter der Kirchen, Gemeinden und anderer erlaubten Körper, reicht die gemeine ordentliche Ersitzungszeit nicht zu. Der Besitz beweglicher Sachen, so wie auch der Besitz der unbeweglichen, oder der darauf ausgeübten Dienstbarkeiten und anderer Rechte, wenn sie auf den Nahmen des Besitzers den öffentlichen Büchern einverleibt sind, muß durch sechs Jahre fortgesetzt werden. Rechte solcher Art, die auf den Nahmen des Besitzers in die öffentlichen Bücher nicht einverleibt sind, und alle übrige Rechte lassen sich gegen den Fiscus und die hier angeführten begünstigten Personen nur durch den Besitz von vierzig Jahren erwerben.

§ 1473. Wer mit einer von dem Gesetze in Ansehung der Verjährungszeit begünstigten Person in Gemeinschaft steht, dem kommt die nähmliche Begünstigung zu Statten. Begünstigungen der längeren Verjährungsfrist haben auch gegen andere, darin ebenfalls begünstigte Personen ihre Wirkung.

§ 1475. Der Aufenthalt des Eigenthümers außer der Provinz, in welcher sich die Sache befindet, steht der ordentliche Ersitzung und Verjährung in so weit entgegen, daß die Zeit einer willkührlichen und schuldlosen Abwesenheit nur zur Hälfte, folglich ein Jahr nur für sechs Monathe gerechnet wird. Doch soll auf kurze Zeiträume der Abwesenheit, welche durch kein volles Jahr ununterbrochen gedauert haben, nicht Bedacht genommen, und überhaupt die Zeit nie weiter als bis auf dreyßig Jahre zusammen ausgedehnet werden. Schuldbare Abwesenheit genießt keine Ausnahme von der ordentlichen Verjährungszeit.

§ 1476. Auch derjenige, welcher eine bewegliche Sache unmittelbar von einem unechten oder von einem unredlichen Besitzer an sich gebracht hat, oder seinen Vormann anzugeben nicht vermag; muß den Verlauf der sonst ordentlichen Ersitzungszeit doppelt abwarten.

§ 1477. Wer die Ersitzung auf einen Zeitraum von dreyßig oder vierzig Jahren stützt, bedarf keiner Angabe des rechtmäßigen Titels. Die gegen ihn erwiesene Unredlichkeit des Besitzes schließt aber auch in diesem längeren Zeitraume die Ersitzung aus.

Verjährungszeit. Allgemeine.

§ 1478. In so fern jede Ersitzung eine Verjährung in sich begreift, werden beyde mit den vorgeschriebenen Erfordernissen in Einem Zeitraume vollendet. Zur eigentlichen Verjährung aber ist der bloße Nichtgebrauch eines Rechtes, das an sich schon hätte ausgeübt werden können, durch dreyßig Jahre hinlänglich.

§ 1479. Alle Rechte gegen einen Dritten, sie mögen den öffentlichen Büchern einverleibt seyn oder nicht, erlöschen also in der Regel längstens durch den dreyßigjährigen Nichtgebrauch, oder durch ein so lange Zeit beobachtetes Stillschweigen.

§ 1480. Forderungen von rückständigen jährlichen Leistungen, insbesondere Zinsen, Renten, Unterhaltsbeiträgen, Ausgedingsleistungen, sowie zur Kapitalstilgung vereinbarten Annuitäten erlöschen in drei Jahren; das Recht selbst wird durch einen Nichtgebrauch von dreißig Jahren verjährt.

Ausnahmen:

§ 1481. Die in dem Familien- und überhaupt in dem Personen-Rechte gegründeten Verbindlichkeiten, z. B. den Kindern den unentbehrlichen Unterhalt zu verschaffen, so wie diejenigen, welche dem oben (§. 1459) angeführten Rechte, mit seinem Eigenthume frey zu schalten, zusagen, z. B. die Verbindlichkeit, die Theilung einer gemeinschaftlichen Sache oder die Gränzbestimmung vornehmen zu lassen, können nicht verjährt werden.

§ 1482. Auf gleiche Weise wird derjenige, welcher ein Recht auf einem fremden Grunde in Ansehung des Ganzen oder auf verschiedene beliebige Arten ausüben konnte, bloß dadurch, daß er es durch noch so lange Zeit nur auf einem Theile des Grundes oder nur auf eine bestimmte Weise ausübte, in seinem Rechte nicht eingeschränkt; sondern die Beschränkung muß durch Erwerbung oder Ersitzung des Untersagungs- oder Hinderungsrechtes bewirkt werden (§. 351). Eben dieses ist auch auf den Fall anzuwenden, wenn jemand ein gegen alle Mitglieder einer Gemeinde zustehendes Recht bisher nur gegen gewisse Mitglieder derselben ausgeübt hat.

§ 1483. So lange der Gläubiger das Pfand in Händen hat, kann ihm die unterlassene Ausübung des Pfandrechtes nicht eingewendet und das Pfandrecht nicht verjährt werden. Auch das Recht des Schuldners, sein Pfand einzulösen, bleibt unverjährt. In so fern aber die Forderung den Werth des Pfandes übersteigt, kann sie inzwischen durch Verjährung erlöschen.

§ 1484. Zur Verjährung solcher Rechte, die nur selten ausgeübt werden können, wird erfordert, daß während der Verjährungszeit von dreyßig Jahren von drey Gelegenheiten, ein solches Recht auszuüben, kein Gebrauch gemacht worden sey (§. 1471).

§ 1485. (1) In Rücksicht der in dem § 1472 begünstigten Personen werden, wie zur Ersitzung, also auch zur Verjährung, vierzig Jahre erfordert.

(2) Die allgemeine Regel, daß ein Recht wegen des Nichtgebrauches erst nach Verlauf von dreißig oder vierzig Jahren verloren gehe, ist nur auf diejenigen Fälle anwendbar, für welche das Gesetz nicht einen kürzeren Zeitraum ausgemessen hat (§ 1465).

Besondere Verjährungszeit

§ 1486. In drei Jahren sind verjährt: die Forderungen

1.

für Lieferung von Sachen oder Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betriebe;

2.

für Lieferung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse in einem Betriebe der Land- und Forstwirtschaft;

3.

für die Übernahme zur Beköstigung, Pflege, Heilung, zur Erziehung oder zum Unterricht durch Personen, die sich damit befassen, oder in Anstalten, die diesem Zwecke dienen;

4.

von Miet- und Pachtzinsen;

5.

der Dienstnehmer wegen des Entgelts und des Auslagenersatzes aus den Dienstverträgen von Hilfsarbeitern, Taglöhnern, Dienstboten und allen Privatbediensteten, sowie der Dienstgeber wegen der auf solche Forderungen gewährten Vorschüsse;

6.

der Ärzte, Tierärzte, Hebammen, der Privatlehrer, der Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte und aller anderen zur Besorgung gewisser Angelegenheiten öffentlich bestellten Personen wegen Entlohnung ihrer Leistungen und Ersatzes ihrer Auslagen, sowie der Parteien wegen der Vorschüsse an diese Personen;

7.

von Ausstattungen.

§ 1486a. Der Anspruch eines Ehegatten auf Abgeltung seiner Mitwirkung im Erwerb des anderen (§ 98) verjährt in sechs Jahren vom Ende des Monats, in dem die Leistung erbracht worden ist.

§ 1487. Die Rechte, eine Schenkung wegen Undankbarkeit des Beschenkten zu widerrufen einen entgeltlichen Vertrag wegen Verletzung über die Hälfte aufzuheben, oder die vorgenommene Teilung eines gemeinschaftlichen Gutes zu bestreiten; und die Forderung wegen einer bei dem Vertrage unterlaufenen Furcht oder eines Irrtums, wobei sich der andere vertragmachende Teil keiner List schuldig gemacht hat, müssen binnen drei Jahren geltend gemacht werden. Nach Verlauf dieser Zeit sind sie verjährt.

Verjährung erbrechtlicher Ansprüche

§ 1487a. (1) Das Recht, eine Erklärung des letzten Willens umzustoßen, den Geldpflichtteil zu fordern, letztwillige Bedingungen oder Belastungen von Zuwendungen anzufechten, nach erfolgter Einantwortung ein besseres oder gleiches Recht geltend zu machen, den Geschenknehmer wegen Verkürzung des Pflichtteils in Anspruch zu nehmen oder sonstige Rechte aus einem Geschäft von Todes wegen zu fordern, muss binnen drei Jahren ab Kenntnis der für das Bestehen des Anspruchs maßgebenden Tatsachen gerichtlich geltend gemacht werden. Unabhängig von dieser Kenntnis verjähren diese Rechte dreißig Jahre nach dem Tod des Verstorbenen.

(2) Abs. 1 gilt sinngemäß für die Aneignung durch den Bund.

§ 1488. Das Recht der Dienstbarkeit wird durch den Nichtgebrauch verjährt, wenn sich der verpflichtete Theil der Ausübung der Servitut widersetzt, und der Berechtigte durch drey auf einander folgende Jahre sein Recht nicht geltend gemacht hat.

§ 1489. Jede Entschädigungsklage ist in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde, der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein. Ist dem Beschädigten der Schade oder die Person des Beschädigers nicht bekannt geworden oder ist der Schade aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, entstanden, so erlischt das Klagerecht nur nach dreißig Jahren.

§ 1490. (1) Klagen über Ehrenbeleidigungen, die lediglich in Beschimpfungen durch Worte, Schriften oder Geberden bestehen, können nach Verlauf eines Jahres nicht mehr erhoben werden. Besteht aber die Beleidigung in Tätlichkeiten, so dauert das Klagerecht auf Genugtuung durch drei Jahre.

(2) Auf Schadenersatzklagen wegen Gefährdung des Kredits, des Erwerbes oder des Fortkommens eines andern durch Verbreitung unwahrer Tatsachen sind die Vorschriften des § 1489 anzuwenden.

§ 1491. Einige Rechte sind von den Gesetzen auf eine noch kürzere Zeit eingeschränkt. Hierüber kommen die Vorschriften an den Orten, wo diese Rechte abgehandelt werden, vor.

§ 1492. Wie lange das Wechselrecht einem Wechselbriefe zu Statten komme, ist in der Wechselordnung bestimmt.

Einrechnung der Verjährungszeit des Vorfahrers.

§ 1493. Wer eine Sache von einem rechtmäßigen und redlichen Besitzer redlich übernimmt, der ist als Nachfolger berechtiget, die Ersitzungszeit seines Vorfahrers mit einzurechnen (§. 1463). Eben dieses gilt auch von der Verjährungszeit. Bey einer Ersitzung von dreyßig oder vierzig Jahren findet diese Einrechnung auch ohne einen rechtmäßigen Titel, und bey der eigentlichen Verjährung selbst ohne guten Glauben, oder schuldlose Unwissenheit Statt.

Hemmung der Verjährung.

§ 1494. (1) Ist eine volljährige Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit an der Durchsetzung ihrer Rechte gehindert, so beginnt die Ersitzungs- oder Verjährungszeit erst zu laufen, wenn sie die Entscheidungsfähigkeit wieder erlangt oder ein gesetzlicher Vertreter die Rechte wahrnehmen kann.

(2) Gegen eine minderjährige Person beginnt die Ersitzungs- und Verjährungszeit so lange nicht zu laufen, als sie keinen gesetzlichen Vertreter hat oder ihr gesetzlicher Vertreter an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert ist. Unabhängig davon beginnt die Frist nach § 1489 Satz 2 zweiter Fall vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres des Geschädigten nicht zu laufen.

(3) Die einmal angefangene Ersitzungs- oder Verjährungszeit läuft zwar fort; sie kann aber nie früher als zwei Jahre nach Wegfall der Hindernisse enden.

§ 1495. Auch zwischen Ehegatten oder eingetragenen Partnern sowie zwischen gesetzlichen Vertretern (§ 1034) und den von ihnen Vertretenen kann, solange die Ehe, die eingetragene Partnerschaft oder das Vertretungsverhältnis andauert, die Ersitzung oder Verjährung weder anfangen noch fortgesetzt werden. Das gilt nicht für die Ansprüche eines Ehegatten oder eines eingetragenen Partners auf Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen Teils, doch wird die Verjährung so lange gehemmt, als zwischen den Ehegatten oder eingetragenen Partnern ein gerichtliches Verfahren zur Entscheidung über einen Anspruch auf Abgeltung anhängig ist und gehörig fortgesetzt wird.

§ 1496. Durch Abwesenheit in Civil- oder Kriegsdiensten, oder durch gänzlichen Stillstand der Rechtspflege, z. B. in Pest- oder Kriegszeiten, wird nicht nur der Anfang, sondern so lange dieses Hinderniß dauert, auch die Fortsetzung der Ersitzung oder Verjährung gehemmet.

Unterbrechung der Verjährung.

§ 1497. Die Ersitzung sowohl, als die Verjährung wird unterbrochen, wenn derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen will, vor dem Verlaufe der Verjährungszeit entweder ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des Andern anerkannt hat; oder wenn er von dem Berechtigten belangt, und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Wird aber die Klage durch einen rechtskräftigen Spruch für unstatthaft erklärt; so ist die Verjährung für ununterbrochen zu halten.

Wirkung der Ersitzung oder Verjährung.

§ 1498. Wer eine Sache oder ein Recht ersessen hat, kann gegen den bisherigen Eigenthümer bey dem Gerichte die Zuerkennung des Eigenthumes ansuchen, und das zuerkannte Recht, wofern es einen Gegenstand der öffentlichen Bücher ausmacht, den letzteren einverleiben lassen.

§ 1499. Auf gleiche Art kann nach Verlauf der Verjährung der Verpflichtete die Löschung seiner in den öffentlichen Büchern eingetragenen Verbindlichkeit, oder die Nichtigerklärung des dem Berechtigten bisher zugestandenen Rechtes und der darüber ausgestellten Urkunden erwirken.

§ 1500. Das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht kann aber demjenigen, welcher im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu keinem Nachtheile gereichen.

§ 1501. Auf die Verjährung ist, ohne Einwendung der Parteyen, von Amts wegen kein Bedacht zu nehmen.

Entsagung oder Verlängerung der Verjährung.

§ 1502. Der Verjährung kann weder im voraus entsagt, noch kann eine längere Verjährungsfrist, als durch die Gesetze bestimmt ist, bedungen werden.

Fünftes Hauptstück

Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen ab 1. Februar 2013

§ 1503. (1) Für das Inkrafttreten des Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetzes 2013, BGBl. I 15/2013, gilt Folgendes:

1.

Das Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetzes 2013 tritt, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, mit 1. Februar 2013 in Kraft.

2.

Die §§ 93 bis 93c in der Fassung dieses Bundesgesetzes sind auf Ehegatten anzuwenden, die die Ehe nach dem 31. März 2013 schließen.

3.

Die §§ 148 Abs. 3 und 152 in der Fassung dieses Bundesgesetzes sind auf zu gerichtlichem Protokoll erklärte Zustimmungen entsprechend anzuwenden.

4.

Die §§ 155 bis 157 in der Fassung dieses Bundesgesetzes sind auf Kinder anzuwenden, deren Geburt oder Annahme an Kindesstatt nach dem 31. März 2013 beurkundet wird. § 139 in der Fassung des NamRÄG 1995, BGBl. Nr. 25/1995, ist auf Kinder anzuwenden, deren Geburt vor dem 1. April 2013 beurkundet wird.

5.

Ehegatten, die die Ehe vor dem 1. April 2013 geschlossen haben, können ihre Namen ab dem 1. September 2013 nach den Regeln dieses Bundesgesetzes bestimmen. Gleichermaßen können für Kinder, deren Geburt oder Annahme an Kindesstatt vor diesem Zeitpunkt beurkundet worden ist, die Namen ab dem 1. September 2013 nach den Regeln dieses Bundesgesetzes bestimmt werden.

6.

Unbeschadet der Z 6 sind die §§ 93 Abs. 2 und 155 Abs. 2 in der Fassung dieses Bundesgesetzes anzuwenden, wenn die Änderung des Familiennamens des Ehegatten oder der Eltern oder eines Elternteils nach dem 31. März 2013 beurkundet wird.

7.

Rechte und Pflichten zum Gebrauch eines Namens, die auf Grund eines vor dem 1. April 2013 erfolgten namensrechtlich bedeutsamen Ereignisses erworben oder entstanden sind, bleiben unberührt.

8.

§ 142 samt Überschrift in der Fassung dieses Bundesgesetzes ist, außer in vor dem auf die Kundmachung folgenden Tag anhängig gemachten gerichtlichen Verfahren auch auf Anerkenntnisse anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten des § 142 erklärt worden sind. § 142 tritt mit dem auf die Kundmachung dieses Bundesgesetzes im Bundesgesetzblatt folgenden Tag in Kraft.

9.

Verordnungen zur Durchführung dieses Bundesgesetzes können ab dem auf die Kundmachung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag an erlassen werden; sie treten frühestens mit 1. Februar 2013 in Kraft.

(2) 1.

Die §§ 905, 907a, 1417 und 1420 in der Fassung des Zahlungsverzugsgesetzes, BGBl. I Nr. 50/2013, sowie die Änderung der Paragraphenbezeichnung des bisherigen § 905a in § 907b und des bisherigen § 905b in § 905a durch dieses Bundesgesetz treten mit 16. März 2013 in Kraft. Die genannten Bestimmungen sind in der Fassung des Zahlungsverzugsgesetzes auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die ab dem 16. März 2013 begründet werden. Auf Rechtsverhältnisse, die vor dem 16. März 2013 begründet wurden, sind die bisherigen Bestimmungen weiter anzuwenden; wenn solche früher begründeten Rechtsverhältnisse jedoch wiederholte Geldleistungen vorsehen, gelten die neuen Bestimmungen für diejenigen Zahlungen, die ab dem 16. März 2013 fällig werden.

2.

§ 1100 in der Fassung des Zahlungsverzugsgesetzes, BGBl. I Nr. 50/2013, tritt mit 16. März 2013 in Kraft und ist in dieser Fassung auch auf Verträge anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurden.

(3) §§ 197, 199 und 201 in der Fassung des Adoptionsrechts-Änderungsgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 179/2013, treten mit 1. August 2013 in Kraft. Sie sind in dieser Fassung auch auf Annahmen an Kindes statt anzuwenden, bei denen der schriftliche Vertrag vor dem 31. Juli 2013 geschlossen wurde.

(4) Die §§ 429, 905 und 1420 in der Fassung des Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2014, treten mit 13. Juni 2014 in Kraft.

(5) Für das Inkrafttreten des GesbR-Reformgesetzes, BGBl. I Nr. 83/2014, gilt Folgendes:

1.

§ 826 und die§§ 1175 bis 1216e in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes treten mit 1. Jänner 2015 in Kraft. Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, sind auf Sachverhalte, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben, die bisher geltenden Bestimmungen des 27. Hauptstücks des zweiten Teils weiter anzuwenden.

2.

Unbeschadet des Vorrangs gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen (§ 1181 in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes) gelten die §§ 1182 bis 1196, die §§ 1203 bis 1205, die §§ 1208 bis 1211, § 1213 und § 1214 Abs. 1 in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes ab 1. Juli 2016 für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die vor dem 1. Jänner 2015 gebildet wurden, wenn bis zum Ablauf des 30. Juni 2016 keiner der Gesellschafter gegenüber den übrigen Gesellschaftern erklärt, die Anwendung des zuvor geltenden Rechts beibehalten zu wollen.

3.

Ab 1. Jänner 2022 gelten die §§ 1182 bis 1196, die §§ 1203 bis 1205, die §§ 1208 bis 1211, § 1213 und § 1214 Abs. 1 in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes unbeschadet des Vorrangs gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen (§ 1181 in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes) jedenfalls auch für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die vor dem 1. Jänner 2015 gebildet wurden.

(6) §§ 144 und 145 Abs. 1 in der Fassung des Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetzes 2015, BGBl. I Nr. 35/2015, treten mit 1. Jänner 2015 in Kraft und sind auf ab dem 1. Jänner 2015 geborene und im Wege medizinisch unterstützter Fortpflanzung gezeugte Kinder anzuwenden.

(7) Für das Inkrafttreten des Erbrechts-Änderungsgesetzes 2015, BGBl. I Nr. 87/2015 (ErbRÄG 2015), gilt Folgendes:

1.

Die §§ 199, 233, 269, 308, 531 bis 543, 546 bis 560, 563 bis 572, 575 bis 591, 601 bis 617, 647 bis 654, 656 bis 667, 672 bis 678, 681 bis 699, 701 bis 703, 705 bis 719, 721 bis 749, 750 Abs. 1, die §§ 751 bis 792, 797 bis 809, die Überschriften vor § 810, die §§ 811 bis 817, 819 bis 821, 823, 824, 1205, 1249, 1251 bis 1254, 1278 bis 1283, 1462, 1487 und 1487a samt Überschriften in der Fassung des ErbRÄG 2015 und der Entfall der §§ 544, 545, 561, 562, 573, 594 bis 597, 646, 655, 668, 679, 680, 700, 704, 720, 793 bis 796, 818, 822, 951, 952, 956, 1248, 1250 und 1266 letzter Satz samt Überschriften treten mit 1. Jänner 2017 in Kraft.

2.

Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, sind die nach Z 1 mit 1. Jänner 2017 in Kraft tretenden Bestimmungen anzuwenden, wenn der Verstorbene nach dem 31. Dezember 2016 verstorben ist.

3.

§ 551 Abs. 1 in der Fassung des ErbRÄG 2015 ist auf nach dem 31. Dezember 2016 vorgenommene Aufhebungen von Erbverzichten anzuwenden.

4. a)

Anordnungen der Gerichte nach § 568 in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, wonach eine Person unter Sachwalterschaft nur mündlich vor Gericht oder Notar testieren kann, verlieren mit 1. Jänner 2017 ihre Gültigkeit.

b)

Gleiches gilt insoweit für die vor dem 1. Jänner 2005 erlassenen gerichtlichen Beschlüsse über die Bestellung eines Sachwalters, mit denen die Einschränkung der Testierfreiheit der behinderten Person verbunden war. Art. IV § 8 Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 58/2004, wird mit Ablauf des 31. Dezember 2016 aufgehoben.

c)

Die auf Grundlage der in lit. a und b genannten Bestimmungen errichteten letztwilligen Verfügungen bleiben aufrecht.

5.

Die §§ 577 bis 591 und 603 in der Fassung des ErbRÄG 2015 sind auf letztwillige Verfügungen und Schenkungen auf den Todesfall anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2016 errichtet wurden.

6.

§ 750 Abs. 2 in der Fassung des ErbRÄG 2015 tritt mit 17. August 2015 in Kraft und ist anzuwenden, wenn der Verstorbene an oder nach diesem Tag gestorben ist.

7.

Die §§ 752 und 753 sowie § 785 in der Fassung des ErbRÄG 2015 sind auf nach dem 31. Dezember 2016 vorgenommene Anrechnungsvereinbarungen und Anrechnungsaufhebungen anzuwenden.

8.

Die §§ 797 bis 809, 811 bis 817, 819 bis 821, 823, 824 in der Fassung des ErbRÄG 2015 sind anzuwenden, wenn das Verlassenschaftsverfahren nach dem 31. Dezember 2016 anhängig gemacht worden ist.

9.

§ 1487a in der Fassung des ErbRÄG 2015 ist ab dem 1. Jänner 2017 auf das Recht, eine Erklärung des letzten Willens umzustoßen, den Geldpflichtteil zu fordern, letztwillige Bedingungen oder Belastungen von Zuwendungen anzufechten, nach erfolgter Einantwortung ein besseres oder gleichwertiges Recht geltend zu machen, den Geschenknehmer wegen Verkürzung des Pflichtteils in Anspruch zu nehmen oder sonstige Rechte aus einem Geschäft von Todes wegen zu fordern, anzuwenden, wenn dieses Recht am 1. Jänner 2017 nach dem bis dahin geltenden Recht nicht bereits verjährt ist. Der Lauf der in § 1487a vorgesehenen kenntnisabhängigen Frist beginnt in solchen Fällen mit dem 1. Jänner 2017.

(8) § 1209 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 43/2016 tritt mit 1. Juli 2016 in Kraft Abs. 5 ist auch auf dessen nunmehrige Fassung anzuwenden.

(9) Für das Inkrafttreten des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes, BGBl. I Nr. 59/2017 (2. ErwSchG), gilt Folgendes:

1.

Die §§ 21, 24, 141, 146, 147 Abs. 1 bis 3, 153, 154, 156, 158, 164, 172, 173, 176, 191, 192, 194 bis 196 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 200 bis 202, 205, 207 zweiter Satz, 213 bis 216, 218, 220 bis 224, 228 bis 230, 239 bis 284, 310, 865, 1034, 1421, 1433, 1437, 1454, 1494 und 1495 samt Überschriften und die Überschriften vor §§ 142, 217, 218 und 219 in der Fassung des 2. ErwSchG sowie der Entfall des § 175 und der §§ 284a bis 284h samt Überschriften treten mit 1. Juli 2018 in Kraft.

2.

Die §§ 147 Abs. 4, 149, 181, 185, 188, 196 Abs. 1 Z 4, 207 erster Satz bis 212 und 225 in der Fassung des Art. 1 Z 8 treten mit dem auf die Kundmachung dieses Bundesgesetzes folgenden Tag in Kraft.

3.

Die §§ 705, 752, 758 und 1445 in der Fassung des 2. ErwSchG treten mit 2. 1. 2017 in Kraft; Abs. 7 in der Fassung des Erbrechts-Änderungsgesetzes 2015, BGBl. I Nr. 87/2015, bleibt ansonsten unberührt.

4.

Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, sind die nach Z 1 mit 1. Juli 2018 in Kraft tretenden Bestimmungen auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach dem 30. Juni 2018 ereignen oder über diesen Zeitpunkt hinaus andauern.

5.

Die §§ 158 und 207 in der Fassung des 2. ErwSchG sind auf die Ausübung und Betrauung mit der Obsorge nach dem 30. Juni 2018 anzuwenden.

6.

Die §§ 164, 214 bis 224 sowie 228 und 229 in der Fassung des 2. ErwSchG sind nach dem 30. Juni 2018 auf die Verwaltung von Vermögen anzuwenden.

7.

Die Aufhebung des § 175 in der Fassung des 2. ErwSchG ist auch in gerichtlichen Verfahren anzuwenden, die am 1. Juli 2018 noch anhängig sind; Anordnungen der Gerichte nach § 175 in der bis 30. Juni 2018 geltenden Fassung verlieren mit 1. Juli 2018 ihre Gültigkeit.

8.

Die §§ 252 bis 256 in der Fassung des 2. ErwSchG sind auf medizinische Behandlungen, Sterilisationen und Forschungen anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2018 begonnen oder abgebrochen werden. § 257 in der Fassung des 2. ErwSchG ist anzuwenden, wenn die Wohnortänderung nach dem 30. Juni 2018 erfolgt.

9.

Bei der Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters ist auf Sachwalterverfügungen im Sinn des § 279 Abs. 1 in der bis zum 2. ErwSchG geltenden Fassung auch nach dem 30. Juni 2018 Bedacht zu nehmen.

10.

Sachwalter, die vor dem 1. Juli 2018 bestellt wurden, sind nach dem 30. Juni 2018 gerichtliche Erwachsenenvertreter. Für sie gelten die Vorschriften des sechsten Hauptstücks des ersten Teils in der Fassung des 2. ErwSchG, soweit in den Z 11 bis 14 nichts anderes bestimmt ist.

11.

Die §§ 274 und 275 in der Fassung des 2. ErwSchG sind – außer in einem Erneuerungsverfahren nach Z 14 – auf gerichtliche Erwachsenenvertreter im Sinn der Z 10 nicht anzuwenden.

12.

Bis zum 30. Juni 2019 besteht im Fall einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung im Sinn der Z 10 auch ohne gerichtliche Anordnung im gesamten Wirkungsbereich des ehemaligen Sachwalters und nunmehrigen gerichtlichen Erwachsenenvertreters ein Genehmigungsvorbehalt im Sinn des § 242 Abs. 2 in der Fassung des 2. ErwSchG. Nach dem 30. Juni 2019 besteht für Personen, für die vor dem 1. Juli 2018 ein Sachwalter bestellt worden ist, nur ein Genehmigungsvorbehalt, wenn und soweit er gerichtlich angeordnet wird.

13.

Stellen gerichtliche Erwachsenenvertreter im Sinn der Z 10 nach dem 30. Juni 2018 einen Antrag auf Gewährung von Entgelt, Entschädigung oder Aufwandersatz, so ist dieser Anspruch nach § 276 in der Fassung des 2. ErwSchG zu beurteilen, wenn zumindest die Hälfte des Abrechnungszeitraumes nach dem 30. Juni 2018 liegt. Liegt mehr als die Hälfte des Abrechnungszeitraumes vor dem 30. Juni 2018, so ist § 276 in der Fassung bis zum 30. Juni 2018 anzuwenden.

14.

Das Gericht hat nach dem 30. Juni 2018 unter sinngemäßer Anwendung des § 278 Abs. 3 in der bis zum 2. ErwSchG geltenden Fassung für alle gerichtlichen Erwachsenenvertretungen im Sinn der Z 10 von Amts wegen ein Erneuerungsverfahren einzuleiten. Eine gerichtliche Erwachsenenvertretung im Sinn der Z 10 endet jedenfalls mit 1. Jänner 2024, es sei denn, es wurde davor ein Erneuerungsverfahren eingeleitet; diesfalls bleibt die Erwachsenenvertretung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Erneuerung aufrecht.

15.

Vorsorgevollmachten, die vor dem 1. Juli 2018 wirksam errichtet worden sind, behalten ihre Gültigkeit. Der Eintritt des Vorsorgefalls kann für diese nach dem 30. Juni 2018 nur nach Maßgabe des § 263 in der Fassung des 2. ErwSchG im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen werden. Auf solche Vorsorgevollmachten sind die Vorschriften des sechsten Hauptstücks des ersten Teils in der Fassung des 2. ErwSchG anzuwenden. Vorsorgevollmachten, deren Wirksamwerden vor dem 1. Juli 2018 im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis registriert wurden, sind so zu behandeln, als wäre die Registrierung nach diesem Zeitpunkt erfolgt.

16.

Als gesetzlicher Erwachsenenvertreter kommt eine Person nicht in Betracht, gegen die sich ein vor dem 1. Juli 2018 im Österreichischen Vertretungsverzeichnis eingetragener Widerspruch gegen die Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger richtet. Personen, die in vor dem 1. Juli 2018 errichteten Sachwalterverfügungen genannt wurden, gelten nicht als nächste Angehörige im Sinn des § 268 Abs. 2 letzter Fall in der Fassung des 2. ErwSchG.

17.

Vertretungsbefugnisse nächster Angehöriger, die vor dem 1. Juli 2018 registriert worden sind, bleiben bestehen und enden spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2021. Auf solche Angehörigenvertretungen sind nach dem 30. Juni 2018 weiterhin die §§ 284b bis 284e in der bis zum 2. ErwSchG geltenden Fassung sowie zusätzlich § 246 Abs. 3 in der Fassung des 2. ErwSchG anzuwenden.

18.

Die §§ 277 bis 284 in der Fassung des 2. ErwSchG sind anzuwenden, wenn ein Kurator nach dem 30. Juni 2018 bestellt wird.

19.

Kuratoren, die vor dem 1. Juli 2018 bestellt worden sind, bleiben wirksam bestellt. Auf ihre Rechte und Pflichten sind nach dem 30. Juni 2018 die §§ 281 bis 284 in der Fassung des 2. ErwSchG anzuwenden. Z 13 gilt sinngemäß.

20.

Die §§ 1494 und 1495 in der Fassung des 2. ErwSchG sind anzuwenden, wenn eine Ersitzungs- und Verjährungszeit am 1. Juli 2018 noch nicht geendet hat oder nach dem 30. Juni 2018 zu laufen beginnt.

(10) § 1164 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 153/2017, tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft. Mit Ablauf des 30. Juni 2018 tritt § 1154b Abs. 6 außer Kraft. § 1159 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 153/2017, tritt mit 1. Jänner 2021 in Kraft und ist auf Beendigungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2020 ausgesprochen werden. Mit diesem Zeitpunkt treten auch § 1158 Abs. 4 und § 1159a bis § 1159c dieses Bundesgesetzes sowie § 77 der Gewerbeordnung 1859, RGBl. Nr. 227/1859, außer Kraft. Sie sind jedoch weiterhin auf Beendigungen anzuwenden, die vor dem 1. Jänner 2021 ausgesprochen wurden.

(11) §§ 165, 214, 249, 256 und 588 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2018, treten mit 1. August 2018 in Kraft.

(12) § 1320 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 69/2019 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Die Bestimmung ist in dieser Fassung auf schädigende Ereignisse anzuwenden, die nach diesem Zeitpunkt eintreten. Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hat dem Nationalrat drei Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Regelung einen Bericht über deren Auswirkungen vorzulegen.

(12) Die §§ 1154b Abs. 6 und 1164 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 74/2019 treten mit 1. September 2019 in Kraft.

(13) § 211 Abs. 2 in der Fassung des Gewaltschutzgesetzes 2019, BGBl. I Nr. 105/2019, tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. § 1494 Abs. 2 in der Fassung dieses Bundesgesetzes tritt mit 01.01.2020 in Kraft und ist auf alle Schadenersatzansprüche anzuwenden, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt sind.

(14) § 1155 Abs. 3 und 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2020, treten rückwirkend mit dem 15. März 2020 in Kraft und mit 31. Dezember 2020 außer Kraft.

(15) Abweichend von Abs. 10 tritt § 1159 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 153/2017, mit 1. Juli 2021 in Kraft und ist auf Beendigungen anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2021 ausgesprochen werden. Mit diesem Zeitpunkt treten auch § 1158 Abs. 4 und § 1159a bis § 1159c dieses Bundesgesetzes sowie § 77 der Gewerbeordnung 1859, RGBl. Nr. 227/1859, außer Kraft. Sie sind jedoch weiterhin auf Beendigungen anzuwenden, die vor dem 1. Juli 2021 ausgesprochen wurden. Dies gilt auch für die Verlängerung der Kündigungsfristen in den Landarbeitsordnungen der Bundesländer und in Vorarlberg im Land- und Forstarbeitsgesetz, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes in Kraft sind, soweit in diesen die Änderung der Kündigungsfristen durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 153/2017 nachvollzogen wurde.

(16) § 17a, § 20 und § 1328a Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 148/2020, treten mit 1. Jänner 2021 in Kraft. § 20 Abs. 2 und § 1328a Abs. 2 sind auf Fälle anzuwenden, in denen die verletzende Handlung nach dem 31. Dezember 2020 gesetzt wurde.

1.2. MRG
1.2. MRG

Mietrechtsgesetz

Bundesgesetz vom 12. November 1981 über das Mietrecht (Mietrechtsgesetz – MRG)
StF: BGBl. Nr. 520/1981 idF BGBl. I Nr. 58/2018 (MRG)

Inhaltsverzeichnis

Stichwortverzeichnis

  • Abgabenrechtliche Vorschriften 57

  • Ablöse 10

  • Abstellfläche 1, 31

  • Abtretung des Mietrechts 12

  • Allgemeine Grundsätze 43

  • Altenheim 1

  • Amtsraum 1

  • Änderungsarbeit 8, 37

  • Anerkennung 2

  • Anrufung des Gerichtes 40

  • Anteil an besonderen Aufwendungen 24

  • Anteil an den Gesamtkosten; Nutzfläche 17

  • Antrag und Entscheidung 19

  • Anzeigepflicht 12, 12a

  • Assanierung 30

  • Aufbau 16, 18c, 49

  • Aufwendungen für die Hausbetreuung 23

  • Ausbildungsmietvertrag 29

  • Ausgestaltung 46c

  • Auslagen für die Verwaltung 22

  • Ausstattungszustand 16, 46c

  • Befristung 29

  • Befristungsabschlag 16

  • Befristungsabschläge 16

  • Beheizungsanlage 3, 4, 8, 9, 10

  • Beherbergungsbetrieb 1

  • Beherbergungsunternehmen 1

  • Benachrichtigung der Gemeinde 33a

  • Beweislastumkehr 2, 12a

  • Branchenberücksichtigung 12a, 46a

  • Dachbodenraum 18c

  • Dachfläche 20

  • Dachgeschoßwohnung 1

  • Darlehensbetrag 52a

  • Darlehensvertrag 52

  • Dienstwohnung 1

  • Duldungspflicht 18c

  • Einbau 16, 18c, 49

  • Einfamilienhaus 1

  • Entscheidung der Gemeinde 39

  • Erfordernisse eines Anhebungsbegehrens 46b

  • Erhaltung 3

  • Erhaltungsarbeit 6, 8, 20, 27, 37, 38, 45

  • Erhaltungsbeitrag 20, 37, 45

  • Erhöhung der Hauptmietzinse 18

  • Errichtungsarbeit 8

  • Ersatzbeschaffung 32

  • Ersatz des Ausmietungsschadens 36

  • Exekutionsbeschränkung 42

  • Exerzierplatz 49

  • Fahrnisexekution 41

  • Ferienwohnung 1

  • Fernwärme 4, 9, 10

  • Flughafenbetriebsunternehmen 1

  • Garagenbetrieb 1

  • Garagierungsunternehmen 1

  • Gasleitung 3, 4, 8, 9, 10

  • Gasleitungsanlage 3, 4, 8, 9, 10

  • Gaszähler 3

  • Gebührenfreiheit 39

  • Geltungsbereich 1

  • Gemeinschaftsanlagen 3

  • Gemeinschaftsräume 3

  • Generalmieter 2

  • Generalpächter 2

  • genossenschaftlicher Nutzungsvertrag 1

  • Gerichtliche Kündigung 33

  • gespaltenesMietverhältnis 46a

  • Halbjahresvertrag 1

  • Hauptmietvertrag 29

  • Hauptmietzinsabrechnung 20

  • Haupt- und Untermiete 2

  • Hausfläche 1

  • Hörfunkempfang 9

  • ideeller Schaden 8

  • immaterieller Schaden 8

  • Inkrafttreten 58

  • In- und Außerkrafttreten 58

  • Investitionen 10

  • Kanalanschluß 3

  • Kanalisationsanlage 3, 4

  • Kaution 16b

  • Keller 31

  • Kellerraum 16, 17

  • Kellerräume 31

  • Kosten von Sanierungsmaßnahmen 18b

  • Kündigungsbeschränkungen 30

  • Kündigungsrechtliche Übergangsregelung 49

  • Kündigungsverfahren 41

  • Kundmachung gemäß § 39 Abs. 2 50

  • Kur 30

  • Kurzwecke 30

  • Ladefläche 1

  • Lagezuschlag 16

  • Ledigenheim 1

  • Lehrlingsheim 1

  • Lichtleitung 3, 4, 8, 9, 10

  • Lichtleitungsanlage 3, 4, 8, 9, 10

  • Lift 4

  • Miete 1

  • Mietrecht im Todesfall 14

  • Mietzinsbestandteile 15

  • Mietzinserhöhung 12a, 46a

  • Mietzins für Hauptmiete 15

  • Naturalwohnung 1

  • Neubau 49

  • Nichtigkeit 16, 16a, 26

  • Parkfläche 1

  • Pauschalmietzins 15

  • Pfandrechtliche Übergangsregelungen 52a

  • Präklusion 16, 26

  • Präklusivfrist 16, 26

  • Radioempfang 9

  • Räumungsschutz des Scheinuntermieters 34a

  • Rechtskrafterstreckung 37

  • Richtwertmietzins 16

  • Rügeobliegenheit 16

  • Rügepflicht 16

  • Sanierungsvereinbarung 16

  • Schallisolierung 4

  • Schießplatz 49

  • Schülerheim 1

  • Spedition 1

  • Speditionsunternehmen 1

  • Stempelgebühr 39

  • Stromzähler 3

  • Studentenheim 1

  • Studentenmietvertrag 29

  • Teilkündigung 31

  • Teilnichtigkeit 16, 26

  • Übersiedlung 32

  • Umbau 16, 18c, 49

  • Umfang des Benützungsrechts 8

  • Untermietverbote 11

  • Untermietzins 26

  • Urkategorie 15a

  • Valorisierung 16

  • Verbesserungsarbeit 8, 37, 38

  • Verkehrsunternehmen 1

  • Verlängerungsoption 29

  • Verpachtungsverbot 12a

  • Verwaltungshonorar 22

  • Verwendungspflicht 52

  • Vollziehung 59

  • Vorname 19

  • Wasserleitung 3, 4, 8, 9, 10

  • Wasserleitungsanlage 3, 4, 8, 9, 10

  • Wasserleitungsanschluß 3

  • Wasserschaden 21

  • Wertbeständigkeit des Mietzinses 45

  • Wiederherstellungspflicht 7

  • Wirksamkeit früherer Befristungen 49a

  • Wohnungseigentumsbewerber 2

  • Wohnungstausch 13

  • Wohnzweck 17

  • Zeitmietvertrag 29

  • Zweifamilienhaus 1

1.2. MRG |
| 1.2. MRG

I. Hauptstück

Miete

Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Miete von Wohnungen, einzelnen Wohnungsteilen oder Geschäftsräumlichkeiten aller Art (wie im besonderen von Geschäftsräumen, Magazinen, Werkstätten, Arbeitsräumen, Amts- oder Kanzleiräumen) samt den etwa mitgemieteten (§ 1091 ABGB) Haus- oder Grundflächen (wie im besonderen von Hausgärten, Abstell-, Lade- oder Parkflächen) und für die genossenschaftlichen Nutzungsverträge über derartige Objekte (im folgenden Mietgegenstände genannt); in diesem Bundesgesetz wird unter Mietvertrag auch der genossenschaftliche Nutzungsvertrag, unter Mietzins auch das auf Grund eines genossenschaftlichen Nutzungsvertrages zu bezahlende Nutzungsentgelt verstanden.

(2) In den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallen nicht

1.

Mietgegenstände, die im Rahmen des Betriebes eines Beherbergungs-, Garagierungs-, Verkehrs-, Flughafenbetriebs-, Speditions- oder Lagerhausunternehmens oder eines hiefür besonders eingerichteten Heimes für ledige oder betagte Menschen, Lehrlinge, jugendliche Arbeitnehmer, Schüler oder Studenten vermietet werden,

1a.

Wohnungen oder Wohnräume, die von einer karitativen oder humanitären Organisation im Rahmen sozialpädagogisch betreuten Wohnens vermietet werden,

2.

Wohnungen, die auf Grund eines Dienstverhältnisses oder im Zusammenhang mit einem solchen als Dienst-, Natural- oder Werkswohnung überlassen werden,

3.

Mietverträge, die durch Ablauf der Zeit ohne Kündigung erlöschen, sofern die ursprüngliche oder verlängerte vertragsmäßige Dauer ein halbes Jahr nicht übersteigt und der Mietgegenstand

a)

eine Geschäftsräumlichkeit oder

b)

eine Wohnung der Ausstattungskategorie A oder B (§ 15a Abs. 1 Z 1 und 2) ist und der Mieter diese nur zum schriftlich vereinbarten Zweck der Nutzung als Zweitwohnung wegen eines durch Erwerbstätigkeit verursachten vorübergehenden Ortswechsels mietet,

4.

Wohnungen oder Wohnräume, die vom Mieter bloß als Zweitwohnung zu Zwecken der Erholung oder der Freizeitgestaltung gemietet werden; eine Zweitwohnung im Sinne der Z 3 und 4 liegt vor, wenn daneben ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des § 66 JN besteht,

5.

Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten, wobei Räume, die nachträglich durch einen Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurden oder werden, nicht zählen.

(3) Für Mietgegenstände in Gebäuden, die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung im eigenen Namen errichtet worden sind, gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nach Maßgabe des § 20 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes.

(4) Die §§ 14, 16b, 29 bis 36, 45, 46 und 49, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des I. und II. Hauptstückes, gelten für

1.

Mietgegenstände, die in Gebäuden gelegen sind, die ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel auf Grund einer nach dem 30. Juni 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind,

2.

Mietgegenstände, die durch den Ausbau eines Dachbodens oder einen Aufbau auf Grund einer nach dem 31. Dezember 2001 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind, sowie unausgebaute Dachbodenräumlichkeiten, die mit der Abrede vermietet werden, dass – wenn auch zum Teil oder zur Gänze durch den Hauptmieter – entweder in ihnen oder in einem an ihrer Stelle durchgeführten Aufbau eine Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit errichtet werde,

2a.

Mietgegenstände, die durch einen Zubau auf Grund einer nach dem 30. September 2006 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind,

3.

Mietgegenstände, die im Wohnungseigentum stehen, sofern der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, das auf Grund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist.

(5) Die §§ 14 und 29 bis 36, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des I. und II. Hauptstückes, gelten für Mietgegenstände in einem Wirtschaftspark, das ist eine wirtschaftliche Einheit von ausschließlich zu Geschäftszwecken genutzten Gebäuden und Liegenschaften (Anm.: richtig: Liegenschaften,) in (auf) denen jedoch nicht überwiegend Handelsgewerbe im Sinne der Gewerbeordnung 1973 betrieben werden.

Haupt- und Untermiete

§ 2. (1) Hauptmiete liegt vor, wenn der Mietvertrag mit dem Eigentümer oder dem dinglich oder obligatorisch berechtigten Fruchtnießer der Liegenschaft oder mit dem Mieter oder Pächter eines ganzen Hauses geschlossen wird. Steht der Mietgegenstand im Wohnungseigentum, so wird Hauptmiete durch den Mietvertrag mit dem Wohnungseigentümer begründet. Wenn am Mietgegenstand Wohnungseigentum erst begründet werden soll, kommt durch den mit dem Wohnungseigentumsbewerber geschlossenen Mietvertrag Hauptmiete mit dem Eigentümer oder den Eigentümern der Liegenschaft zustande, doch geht mit der Begründung von Wohnungseigentum am Mietgegenstand die Rechtsstellung des Vermieters auf den Wohnungseigentümer über. An den wirksam geschlossenen Hauptmietvertrag sind ab der Übergabe des Mietgegenstandes an den Hauptmieter die Rechtsnachfolger des Vermieters auch dann gebunden, wenn der Vertrag nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist. Enthält ein Hauptmietvertrag Nebenabreden ungewöhnlichen Inhalts, so ist der Rechtsnachfolger des Vermieters an diese Nebenabreden nur gebunden, wenn er sie kannte oder kennen mußte. Soweit das Mietverhältnis zwischen dem Mieter oder Pächter eines ganzen Hauses und dessen Vermieter aufgelöst wird, tritt der Vermieter in den Hauptmietvertrag zwischen dem Mieter oder Pächter des ganzen Hauses und dessen Mieter ein.

(2) Untermiete liegt vor, wenn der Mietvertrag mit einer Person geschlossen wird, die in Abs. 1 nicht genannt ist. Wird das Benützungsrecht des Untervermieters aufgelöst, so hat der Untervermieter den Untermieter hievon unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(3) Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln, daß ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach diesem Bundesgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde, so kann der Mieter, mit dem der Untermietvertrag geschlossen wurde, begehren, als Hauptmieter des Mietgegenstands mit den sich aus diesem Bundesgesetz ergebenden Rechten und Pflichten anerkannt zu werden. Liegen konkrete Anhaltspunkte für eine solche Umgehungshandlung vor - dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Hauptmieter mehr als eine Wohnung im selben Gebäude zur Gänze untervermietet oder bei Vorliegen eines befristeten Hauptmietvertrags die Wohnung zur Gänze untervermietet -, so obliegt es dem Antragsgegner, das Fehlen der Umgehungsabsicht zu beweisen.

Erhaltung

§ 3. (1) Der Vermieter hat nach Maßgabe der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass das Haus, die Mietgegenstände und die der gemeinsamen Benützung der Bewohner des Hauses dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard erhalten und erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner beseitigt werden. Im übrigen bleibt § 1096 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt.

(2) Die Erhaltung im Sinn des Abs. 1 umfaßt:

1.

die Arbeiten, die zur Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses erforderlich sind,

2.

die Arbeiten, die zur Erhaltung der Mietgegenstände des Hauses erforderlich sind; diese Arbeiten jedoch nur dann, wenn es sich um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses oder um die Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung handelt oder wenn sie erforderlich sind, um einen zu vermietenden Mietgegenstand in brauchbarem Zustand zu übergeben;

2a.

die Arbeiten, die zur Erhaltung von mitvermieteten Heizthermen, mitvermieteten Warmwasserboilern und sonstigen mitvermieteten Wärmebereitungsgeräten in den Mietgegenständen des Hauses erforderlich sind;

3.

die Arbeiten, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes von bestehenden, der gemeinsamen Benützung der Bewohner dienenden Anlagen, wie im besonderen von zentralen Wärmeversorgungsanlagen, Personenaufzügen oder zentralen Waschküchen erforderlich sind, es sei denn, daß alle Mieter des Hauses für die gesamte Dauer ihres Mietvertrages auf die Benützung der Anlage verzichten; ist die Erhaltung einer bestehenden Anlage unter Bedachtnahme auf die Kosten der Errichtung und des Betriebes einer vergleichbaren neuen Anlage wirtschaftlich nicht vertretbar, so ist anstelle der Erhaltung der bestehenden Anlage eine vergleichbare neue Anlage zu errichten,

4.

die Neueinführungen oder Umgestaltungen, die kraft öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen vorzunehmen sind, wie etwa der Anschluß an eine Wasserleitung oder an eine Kanalisierung, die Installation von geeigneten Schutzvorrichtungen für die Energieversorgung oder von Geräten zur Feststellung des individuellen Energieverbrauchs;

5.

die Installation von technisch geeigneten Gemeinschaftseinrichtungen zur Senkung des Energieverbrauchs oder die der Senkung des Energieverbrauchs sonst dienenden Ausgestaltungen des Hauses, von einzelnen Teilen des Hauses oder von einzelnen Mietgegenständen, wenn und insoweit die hiefür erforderlichen Kosten in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum allgemeinen Erhaltungszustand des Hauses und den zu erwartenden Einsparungen stehen;

6.

bei Vorliegen einer nach § 17 Abs. 1a zulässigen Vereinbarung die Installation und die Miete von technisch geeigneten Meßvorrichtungen zur Verbrauchsermittlung im Sinn dieser Bestimmung.

(3) Die Kosten von Erhaltungsarbeiten sind aus den in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren erzielten Mietzinsreserven einschließlich der Zuschüsse, die aus Anlaß der Durchführung einer Erhaltungsarbeit gewährt werden, zu decken. Reichen diese Beträge zur Deckung der Kosten aller unmittelbar heranstehenden Erhaltungsarbeiten nicht aus, so gilt folgendes:

1.

Zur Bedeckung der Kosten einer Erhaltungsarbeit sind auch die während des Zeitraums, in dem sich solche oder ähnliche Arbeiten unter Zugrundelegung regelmäßiger Bestandsdauer erfahrungsgemäß wiederholen, zu erwartenden oder anrechenbaren Hauptmietzinse, somit einschließlich der zur Deckung eines erhöhten Aufwandes zulässigen Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses, für alle vermieteten, vermietbaren oder vom Vermieter benutzten Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten des Hauses heranzuziehen; insoweit hiedurch Deckung geboten ist, hat der Vermieter zur Finanzierung der nach Abzug der erzielten Mietzinsreserven ungedeckten Kosten der Erhaltungsarbeit eigenes oder fremdes Kapital aufzuwenden; die mit der Aufnahme fremden Kapitals verbundenen notwendigen Geldbeschaffungskosten und angemessenen Sollzinsen sowie die durch den Einsatz eigenen Kapitals entgangenen angemessenen Habenzinsen (Kapitalmarktzinsen) sind in diesen Fällen Kosten der Erhaltungsarbeiten.

2.

Können die Kosten aller Erhaltungsarbeiten auch auf diese Weise nicht gedeckt werden, so sind die Erhaltungsarbeiten nach Maßgabe ihrer bautechnischen Dringlichkeit zu reihen und durchzuführen; jedenfalls sind aber die Arbeiten,

a)

die kraft eines öffentlich-rechtlichen Auftrages vorzunehmen sind,

b)

die der Behebung von Baugebrechen, die die Sicherheit von Personen oder Sachen gefährden, dienen oder

c)

die zur Aufrechterhaltung des Betriebes von bestehenden Wasserleitungs-, Lichtleitungs-, Gasleitungs-, Beheizungs- (einschließlich der zentralen Wärmeversorgungsanlagen), Kanalisations- und sanitären Anlagen erforderlich sind,

vorweg durchzuführen.

Nützliche Verbesserung durch bautechnische Maßnahmen

§ 4. (1) Der Vermieter hat nützliche Verbesserungen des Hauses oder einzelner Mietgegenstände nach Maßgabe der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten durchzuführen, soweit dies im Hinblick auf den allgemeinen Erhaltungszustand des Hauses zweckmäßig ist; hiebei ist nützlichen Verbesserungen des Hauses gegenüber nützlichen Verbesserungen einzelner Mietgegenstände der Vorrang einzuräumen.

(2) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 sind nützliche Verbesserungen:

1.

die den Erfordernissen der Haushaltsführung der Bewohner dienende Neuerrichtung oder Umgestaltung von Wasserleitungs-, Lichtleitungs-, Gasleitungs-, Beheizungs- (einschließlich von zentralen Wärmeversorgungsanlagen), Kanalisations- und sanitären Anlagen in normaler Ausstattung,

2.

die Errichtung oder Ausgestaltung von der gemeinsamen Benützung der Bewohner dienenden, einer zeitgemäßen Wohnkultur entsprechenden sonstigen Anlagen in normaler Ausstattung, wie etwa von Personenaufzügen, zentralen Waschküchen oder Schutzräumen vom Typ Grundschutz,

3.

Maßnahmen, die eine dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Erhöhung der Schalldämmung bewirken, wie die Verbesserung der Schalldämmung von Fenstern, Außentüren, Außenwänden, Dächern, Kellerdecken und obersten Geschoßdecken,

3a.

die Errichtung einer Anlage, die den Anschluß des Hauses (samt den einzelnen Mietgegenständen) an eine Einrichtung zur Fernwärmeversorgung bewirkt,

4.

die Installation einer Wasserentnahmestelle oder eines Klosettes im Inneren eines Mietgegenstandes,

5.

die bautechnische Umgestaltung eines Mietgegenstandes, im besonderen einer Mietwohnung der Ausstattungskategorie D oder C in eine Mietwohnung der Ausstattungskategorie C, B oder A.

(3) Nützliche Verbesserungen sind vom Vermieter durchzuführen

1.

wenn und soweit die Kosten aus den in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren erzielten Mietzinsreserven einschließlich der Zuschüsse, die zur Finanzierung der nützlichen Verbesserung gewährt werden, gedeckt werden können und Erhaltungsarbeiten nicht erforderlich sind oder sichergestellt ist, daß hiemit auch die erforderlichen Erhaltungsarbeiten in einem Zug durchgeführt werden, oder

2.

wenn und soweit sich der Vermieter und die Mehrheit der Mieter - berechnet nach der Anzahl der im Zeitpunkt der Vereinbarung vermieteten Mietgegenstände - des Hauses über ihre Durchführung und die Finanzierung des durch die in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren erzielten Mietzinsreserven nicht gedeckten Teiles der Kosten schriftlich einigen sowie überdies sichergestellt ist, daß die übrigen Mieter des Hauses durch die Verbesserungsarbeiten finanziell nicht belastet und auch sonst nicht übermäßig beeinträchtigt werden.

(4) Nützliche Verbesserungen im Inneren eines Mietgegenstandes bedürfen der Zustimmung des Hauptmieters; es gilt jedoch § 30 Abs. 2 Z 16, sofern der Hauptmieter einer mangelhaft ausgestatteten Wohnung im Sinn des § 3 Z 10 des Stadterneuerungsgesetzes, die zur Anhebung des Standards nach Abs. 2 Z 4 geeignet ist, das vom Vermieter gestellte Anbot, die zur Abwendung eines Enteignungsantrags nach § 14 des Stadterneuerungsgesetzes erforderlichen bautechnischen Maßnahmen gegen Entrichtung des für die so verbesserte Wohnung nach § 15a Abs. 3 Z 3 berechneten Hauptmietzinses durchzuführen, ablehnt und auch nicht bereit ist, diese bautechnischen Maßnahmen selbst durchzuführen.

(5) Auf Antrag auch nur eines Mieters hat der Vermieter im Miethaus einen dem Stand der Technik entsprechenden Behindertenaufzug zu errichten, wenn und soweit eine solche Maßnahme bei billiger Abwägung aller Interessen dem Vermieter auch zumutbar ist; die Kosten der Herstellung und Erhaltung dieser Anlage hat der Mieter, der den Antrag gestellt hat, dem Vermieter zu ersetzen.

Nützliche Verbesserung durch Vereinigung von Wohnungen; Anbotspflicht

§ 5. (1) Als nützliche Verbesserung gilt auch die Vereinigung und bautechnische Umgestaltung zweier oder mehrerer Wohnungen, im besonderen von Mietwohnungen der Ausstattungskategorie D oder C in eine oder mehrere Mietwohnungen der Ausstattungskategorie C, B oder A.

(2) Wird eine Wohnung der Ausstattungskategorie D durch Beendigung des Mietverhältnisses frei und ist es baurechtlich zulässig und bautechnisch möglich und zweckmäßig, diese Wohnung mit einer Nachbarwohnung der Ausstattungskategorie D zu einer Wohnung der Ausstattungskategorie C mit einer Nutzfläche bis zu 90 m2 zu vereinigen und umzugestalten, so hat der Vermieter die frei gewordene Wohnung vor der Vermietung an einen Dritten dem Hauptmieter einer zur Anhebung des Standards geeigneten Nachbarwohnung der Ausstattungskategorie D zur Zumietung und Umgestaltung in eine Wohnung der Ausstattungskategorie C gegen Entrichtung des für die so vergrößerte Wohnung nach § 15a Abs. 3 Z 3 berechenbaren Hauptmietzinses anzubieten, es sei denn, daß der Vermieter die durch Beendigung des Mietverhältnisses frei gewordene Wohnung der Ausstattungskategorie D durch sonstige bautechnische Maßnahmen (§ 4 Abs. 2 Z 4 oder 5) in eine Wohnung der Ausstattungskategorie C verbessert. Zur Abgabe des Anbots genügt die Absendung eines eingeschriebenen Briefes. Der Hauptmieter der Nachbarwohnung muß das vom Vermieter gestellte Anbot binnen 30 Tagen annehmen, widrigenfalls sein Recht auf Zumietung erloschen ist.

(3) Hat der Vermieter eine durch Beendigung des Mietverhältnisses frei gewordene Wohnung der Ausstattungskategorie D allen hiefür in Betracht kommenden Hauptmietern der Nachbarwohnungen der Ausstattungskategorie D im Sinn des Abs. 2 erfolglos zur Zumietung und Umgestaltung angeboten, so kann der Vermieter die frei gewordene Wohnung der Ausstattungskategorie D an einen Dritten vermieten; mit diesem Hauptmieter darf vereinbart werden, daß sich der Hauptmieter im Fall des Freiwerdens einer zur Anhebung des Standards geeigneten Nachbarwohnung der Ausstattungskategorie D zur Zumietung und Umgestaltung in eine Wohnung der Ausstattungskategorie C gegen Entrichtung des für die so vergrößerte Wohnung nach § 15a Abs. 3 Z 3 berechenbaren Hauptmietzinses verpflichtet und daß für den Fall, in dem er dieser Pflicht nicht nachkommen sollte, das Freiwerden einer solchen Nachbarwohnung der Ausstattungskategorie D einen Kündigungsgrund darstellt, der im Sinn des § 30 Abs. 2 Z 13 als wichtig und bedeutsam anzusehen ist.

Auftrag zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten

§ 6. (1) Unterläßt der Vermieter durchzuführende Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten, so hat ihm das Gericht (die Gemeinde, § 39) auf Antrag die Vornahme der Arbeiten binnen angemessener, ein Jahr nicht übersteigender Frist aufzutragen. Sind darunter Arbeiten, die nach § 3 Abs. 3 Z 2 lit. a bis c vorweg durchzuführen sind, so ist die Durchführung dieser Arbeiten vorweg aufzutragen; hinsichtlich solcher Arbeiten gilt Abs. 4 nicht. Zur Antragstellung sind berechtigt

1.

die Gemeinde, in der das Haus gelegen ist, im eigenen Wirkungsbereich und jeder Hauptmieter des Hauses hinsichtlich der im § 3 Abs. 2 Z 1 bis 4 und 6 genannten Erhaltungsarbeiten,

2.

die Mehrheit der Hauptmieter - berechnet nach der Anzahl der Mietgegenstände - des Hauses hinsichtlich der im § 3 Abs. 2 Z 5 genannten Erhaltungsarbeiten und der nützlichen Verbesserungen nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 und 2.

(1a) Dem Vermieter können Erhaltungsarbeiten zur Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung im Sinn des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 nur aufgetragen werden, wenn sich die Gesundheitsgefährdung nicht durch andere, den Bewohnern des Hauses zumutbare Maßnahmen abwenden lässt.

(2) Der in Rechtskraft erwachsene Auftrag zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten nach Abs. 1 ist ein Exekutionstitel, der nach dem fruchtlosen Ablauf der zur Vornahme der Arbeiten bestimmten Frist jeden Mieter des Hauses und die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich als betreibende Partei zum Antrag berechtigt, zum Zweck der Durchführung der aufgetragenen Arbeiten, der Aufnahme und Tilgung des erforderlichen Kapitals und der ordnungsgemäßen Erhaltung und Verwaltung des Hauses bis zur Tilgung des Kapitals für das Haus einen Verwalter zu bestellen. Zum Verwalter können, wenn sie sich dazu bereit erklären, bestellt werden: die Gemeinde, ein von der Gemeinde vorgeschlagener oder ein hiezu sonst geeigneter Dritter. Der bestellte Verwalter ist im besonderen befugt, zur Finanzierung der aufgetragenen Arbeiten namens des Vermieters ein auf inländische Währung lautendes Hypothekardarlehen gegen angemessene Verzinsung und Abtretung der Hauptmietzinse aufzunehmen, die Übernahme einer Bürgschaft durch eine Gebietskörperschaft, anzustreben, die erforderlichen Urkunden zu fertigen und die grundbücherliche Sicherstellung auf der Liegenschaft, an der die Arbeit vorgenommen werden soll, durchzuführen. Auf Antrag ist ihm auch die Befugnis zur Verwaltung der in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren erzielten Mietzinsreserven zu erteilen und demjenigen, der über diese Mietzinsreserven verfügt, aufzutragen, diese Mietzinsreserven binnen 14 Tagen bei Exekution an den bestellten Verwalter herauszugeben. Im übrigen sind hierauf die §§ 98, 99, 103, 108 - 121, 130 und 132 der Exekutionsordnung sinngemäß anzuwenden. Über den Exekutionsantrag entscheidet das im § 37 Abs. 1 bestimmte Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen, es sei denn, daß für das Haus bereits eine Zwangsverwaltung nach §§ 97 ff. der Exekutionsordnung anhängig ist. Ist für das Haus bereits ein Zwangsverwalter nach §§ 97 ff. der Exekutionsordnung bestellt, so hat das Exekutionsgericht dem bestellten Zwangsverwalter aufzutragen, die aufgetragenen Arbeiten vordringlich durchzuführen, und ihm die vorstehend genannten Ermächtigungen zu erteilen.

(3) Die Zwangsverwaltung nach Abs. 2 ist nach Einvernehmung der Parteien einzustellen, wenn

1.

die aufgetragenen Arbeiten durchgeführt und das hiezu aufgenommene Kapital getilgt ist,

2.

sich erweist, daß die aufgetragenen Arbeiten wegen mangelnder Finanzierbarkeit oder aus sonst unüberwindbaren Hindernissen nicht durchgeführt werden können,

3.

der verpflichtete Vermieter vor der Aufnahme des zur Finanzierung der aufgetragenen Arbeiten erforderlichen Kapitals und der Inangriffnahme der Arbeiten durch den Zwangsverwalter erweist, daß er die aufgetragenen Arbeiten selbst durchführen und finanzieren wird, oder

4.

nach der Durchführung der aufgetragenen Arbeiten und Aufnahme des erforderlichen Kapitals durch den Zwangsverwalter der Kreditgeber und, falls eine Gebietskörperschaft die Bürgschaft übernommen hat, diese zustimmen.

(4) Ist zur Finanzierung der Kosten einer nach Abs. 1 beantragten Erhaltungsarbeit, die nicht vorweg aufzutragen ist, die Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses (§§ 18, 19) erforderlich, so ist der Antrag abzuweisen, wenn die Mehrheit der Hauptmieter - berechnet nach der Anzahl der im Zeitpunkt des Widerspruchs vermieteten Mietgegenstände - des Hauses und der Vermieter der Vornahme der beantragten Arbeit widersprechen. Wird ein solcher Widerspruch nicht erhoben, so hat in diesem Fall sowie auch dann, wenn der Vermieter neben der beantragten Erhaltungsarbeit, die nicht vorweg aufzutragen ist, noch andere unmittelbar heranstehende Erhaltungsarbeiten durchführen will, zu deren Finanzierung die Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses (§§ 18, 19) erforderlich ist, das Gericht (die Gemeinde, § 39) auf Antrag des Vermieters, des von ihm oder des nach Abs. 2 bestellten Verwalters mit der Entscheidung nach Abs. 1 auch die Entscheidung über die Bewilligung zur Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses (§§ 18, 19) zu verbinden.

Wiederherstellungspflicht

§ 7. (1) Wird ein Mietgegenstand durch Zufall zur Gänze oder zum Teil unbrauchbar, so ist der Vermieter zur baurechtlich zulässigen und bautechnisch möglichen Wiederherstellung des Mietgegenstandes in dem Maß verpflichtet, als die Leistungen aus einer bestehenden Versicherung ausreichen. Im übrigen gilt der § 1104 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Zur Durchsetzung des Anspruchs auf Wiederherstellung gilt der § 6. Zur Antragstellung sind die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich und jeder Mieter berechtigt, dessen Mietgegenstand unbrauchbar geworden ist.

Umfang des Benützungsrechts

§ 8. (1) Der Hauptmieter ist berechtigt, den Mietgegenstand dem Vertrag gemäß zu gebrauchen und zu benützen. Er hat den Mietgegenstand und die für den Mietgegenstand bestimmten Einrichtungen, wie im besonderen die Lichtleitungs-, Gasleitungs-, Wasserleitungs-, Beheizungs- (einschließlich von zentralen Wärmeversorgungsanlagen) und sanitären Anlagen so zu warten und, soweit es sich nicht um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses oder um die Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung handelt, so instand zu halten, daß dem Vermieter und den anderen Mietern des Hauses kein Nachteil erwächst. Wird die Behebung von ernsten Schäden des Hauses nötig, so ist der Hauptmieter bei sonstigem Schadenersatz verpflichtet, dem Vermieter ohne Verzug Anzeige zu machen.

(2) Der Hauptmieter hat das Betreten des Mietgegenstandes durch den Vermieter oder die von diesem beauftragten Personen aus wichtigen Gründen zu gestatten, wobei die berechtigten Interessen des Mieters nach Maßgabe der Wichtigkeit des Grundes angemessen zu berücksichtigen sind; er hat die vorübergehende Benützung und die Veränderung seines Mietgegenstandes bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen zuzulassen:

1.

wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Miethauses oder zur Behebung ernster Schäden des Hauses oder zur Erhaltung einer mitvermieteten Heiztherme, eines mitvermieteten Warmwasserboilers oder eines sonstigen mitvermieteten Wärmebereitungsgeräts in seinem oder in einem anderen Mietgegenstand notwendig oder zweckmäßig ist;

2.

wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Beseitigung einer von seinem oder einem anderen Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung oder zur Durchführung von Veränderungen (Verbesserungen) in einem anderen Mietgegenstand notwendig, zweckmäßig und bei billiger Abwägung aller Interessen auch zumutbar ist; die Zumutbarkeit ist im besonderen anzunehmen, wenn die Beseitigungsmaßnahme oder die Veränderung keine wesentliche oder dauernde Beeinträchtigung des Mietrechts zur Folge hat.

(3) Alle Erhaltungs-, Verbesserungs-, Änderungs- und Errichtungsarbeiten, die ein Mieter hienach zuzulassen hat, sind so durchzuführen, daß eine möglichste Schonung des Mietrechts des betroffenen Mieters gewährleistet ist; für wesentliche Beeinträchtigungen hat der Vermieter, sofern aber die Arbeiten ein Mieter durchführt, dieser Mieter den Mieter, der hiedurch in seinen Rechten beeinträchtigt wird, angemessen zu entschädigen, wobei im Fall eines zumindest grob fahrlässigen Verstoßes gegen die Pflicht zur möglichsten Schonung des Mietrechts auch auf erlittenes Ungemach Bedacht zu nehmen ist.

Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes

§ 9. (1) Der Hauptmieter hat eine von ihm beabsichtigte wesentliche Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes dem Vermieter anzuzeigen. Lehnt der Vermieter nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Anzeige die beabsichtigte Veränderung ab, so gilt seine Zustimmung als erteilt. Der Vermieter kann seine Zustimmung und eine erforderliche Antragstellung bei der Baubehörde nicht verweigern wenn,

1.

die Veränderung dem jeweiligen Stand der Technik entspricht,

2.

die Veränderung der Übung des Verkehrs entspricht und einem wichtigen Interesse des Hauptmieters dient,

3.

die einwandfreie Ausführung der Veränderung gewährleistet ist,

4.

der Hauptmieter die Kosten trägt,

5.

durch die Veränderung keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Vermieters oder eines anderen Mieters zu besorgen ist,

6.

durch die Veränderung keine Schädigung des Hauses, im besonderen keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, erfolgt,

7.

die Veränderung keine Gefahr für die Sicherheit von Personen und Sachen bewirkt.

(2) Die Voraussetzung des Abs. 1 Z 2 ist jedenfalls gegeben, wenn es sich handelt um

1.

die Errichtung oder die den Erfordernissen der Haushaltsführung dienende Umgestaltung von Wasserleitungs-, Lichtleitungs-, Gasleitungs-, Beheizungs- (einschließlich der Einrichtung von zentralen Wärmeversorgungsanlagen) oder sanitären Anlagen,

2.

die der Senkung des Energieverbrauchs dienende Ausgestaltung eines Mietgegenstandes,

3.

die Verbesserungen, die von einer Gebietskörperschaft aus öffentlichen Mitteln gefördert werden,

4.

die Einleitung eines Fernsprechanschlusses oder

5.

die Anbringung der nach dem Stand der Technik notwendigen Antennen und sonstigen Einrichtungen für den Hörfunk- und Fernsehempfang sowie für Multimediadienste, sofern der Anschluß an eine bestehende Einrichtung nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

(3) Handelt es sich um eine wesentliche Veränderung (Verbesserung), die nicht im Abs. 2 angeführt ist, so kann der Vermieter seine Zustimmung von der Verpflichtung des Hauptmieters zur Wiederherstellung des früheren Zustandes bei der Zurückstellung des Mietgegenstandes abhängig machen.

Ersatz von Aufwendungen auf eine Wohnung

§ 10. (1) Der Hauptmieter einer Wohnung, der in den letzten zwanzig Jahren vor der Beendigung des Mietverhältnisses in der gemieteten Wohnung Aufwendungen zur wesentlichen Verbesserung (§ 9) gemacht hat, die über seine Mietdauer hinaus wirksam und von Nutzen sind, oder der solche Aufwendungen dem Vormieter oder dem Vermieter abgegolten hat (Abs. 6 erster und zweiter Satz), hat bei der Beendigung des Mietverhältnisses Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen vermindert um eine jährliche Abschreibung. Das Ausmaß dieser Abschreibung beträgt für jedes vollendete Jahr

1.

bei den in Abs. 3 Z 1 und 3 genannten Aufwendungen ein Zehntel,

2.

bei den von einer Gebietskörperschaft aus öffentlichen Mitteln geförderten Aufwendungen jenen Bruchteil, der sich aus der Laufzeit der Förderung errechnet,

3.

sonst ein Zwanzigstel.

(2) Der Abs. 1 gilt nicht, wenn der Vermieter berechtigterweise seine Zustimmung verweigert oder an die Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren Zustandes gebunden hat oder wenn er deswegen, weil ihm der Hauptmieter die beabsichtigte wesentliche Veränderung nicht angezeigt hat, verhindert war, das eine oder das andere zu tun.

(3) Die im Abs. 1 genannten Aufwendungen sind:

1.

die Errichtung oder die den Erfordernissen der Haushaltsführung dienende Umgestaltung von Wasserleitungs-, Lichtleitungs-, Gasleitungs-, Beheizungs- (einschließlich der Errichtung von zentralen Wärmeversorgungsanlagen) oder sanitären Anlagen in normaler und dem jeweiligen Stand der Technik entsprechender Ausstattung sowie die Erneuerung einer bei Beginn des Mietverhältnisses vorhandenen, aber schadhaft gewordenen Heiztherme oder eines solchen Warmwasserboilers,

2.

die Vereinigung und die Umgestaltung der Wohnung mit der zur Zumietung angebotenen Nachbarwohnung (§ 5 Abs. 2) in normaler Ausstattung,

3.

die gänzliche Erneuerung eines schadhaft gewordenen Fußbodens in einer dem sonstigen Ausstattungszustand der Wohnung entsprechenden Ausführung und

4.

andere gleich wesentliche Verbesserungen, insbesondere solche, die von einer Gebietskörperschaft aus öffentlichen Mitteln gefördert worden sind.

(4) Der Anspruch auf Ersatz ist bei sonstigem Verlust des Anspruches dem Vermieter vom Hauptmieter unter Vorlage von Rechnungen schriftlich anzuzeigen:

1.

bei einvernehmlicher Auflösung des Mietverhältnisses spätestens 14 Tage nach Abschluss der Auflösungsvereinbarung,

2.

bei Aufkündigung des Mietverhältnisses durch den Hauptmieter spätestens 14 Tage nach Zustellung der Aufkündigung an den Vermieter,

3.

in allen übrigen Fällen binnen einer Frist von zwei Monaten ab Eintritt der Rechtskraft des Räumungstitels, bei früherer Zurückstellung des Mietgegenstandes jedoch spätestens mit der Zurückstellung.

(4a) Entspricht eine rechtzeitig erstattete Anzeige des Ersatzanspruchs in Form oder Inhalt nicht der Regelung des Abs. 4, so hat der Vermieter den Mieter zur Verbesserung des Mangels binnen einer Frist von mindestens 14 Tagen aufzufordern. Der Verlust des Ersatzanspruchs tritt nur ein, wenn der Mieter einer solchen Aufforderung nicht fristgerecht nachkommt.

(5) Der Hauptmieter einer Wohnung kann den Ersatzanspruch nach Abs. 1 überdies nur gerichtlich geltend machen,

1.

wenn er innerhalb von sechs Monaten nach der Zurückstellung des Mietgegenstandes dem Vermieter einen Mieter namhaft macht, der zur Befriedigung des Ersatzanspruches nach Abs. 1 bereit ist, oder

2.

sobald der Vermieter den Mietgegenstand sonst vermietet oder verwertet.

(6) Befriedigt der neue Mieter den berechtigten Ersatzanspruch des früheren Mieters, so ist die dadurch abgegoltene Aufwendung bei der Bestimmung der Höhe des zulässigen Hauptmietzinses als nicht getätigt zu behandeln. Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter die Ansprüche des früheren Mieters befriedigt hat und den Ersatz des von ihm geleisteten Betrags nun vom neuen Mieter begehrt. Verlangt der Vermieter vom neuen Mieter keinen Ersatz, so sind die Bestimmungen über den höchstzulässigen Hauptmietzins (§ 16) uneingeschränkt anzuwenden; der Vermieter kann diesfalls den von ihm an den früheren Mieter geleisteten Betrag insoweit als Ausgabe in der Hauptmietzinsabrechnung ausweisen (§ 20 Abs. 1 Z 2), als dieser Betrag unter Annahme einer zehnjährigen gleichmäßigen Mietzinszahlung den Unterschiedsbetrag zwischen dem ohne die abgegoltene Aufwendung zulässigen Hauptmietzins und dem auf Grund dieser Aufwendung zulässigen Hauptmietzins nicht übersteigt.

(7) Auf den Ersatzanspruch kann der Hauptmieter im voraus nicht rechtswirksam verzichten.

(8) Weitergehende Ansprüche nach den §§ 1097, 1036, 1037 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs bleiben hiedurch unberührt.

Untermietverbote

§ 11. (1) Auf ein vertragliches Verbot der Untervermietung kann sich der Vermieter nur berufen, wenn ein wichtiger Grund gegen die Untervermietung vorliegt. Ein wichtiger Grund gegen die Untervermietung liegt insbesondere vor, wenn

1.

der Mietgegenstand zur Gänze untervermietet werden soll,

2.

der in Aussicht genommene Untermietzins eine im Vergleich zu dem vom Untervermieter zu entrichtenden Mietzins und etwaigen sonstigen Leistungen des Untervermieters unverhältnismäßig hohe Gegenleistung darstellt,

3.

die Anzahl der Bewohner einer gemieteten Wohnung die Anzahl der Wohnräume übersteigt oder nach der Aufnahme des Untermieters übersteigen würde, oder

4.

wenn mit Grund zu besorgen ist, daß der Untermieter den Frieden der Hausgemeinschaft stören wird.

(2) Abs. 1 gilt nicht für eine von einer gemeinnützigen Bauvereinigung, die auf Grund ihrer Satzung oder zufolge ihres tatsächlichen Geschäftsbetriebes ihre Tätigkeit auf einen bestimmten Personenkreis im Sinn des § 8 Abs. 2 Z 1 oder 2 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes eingeschränkt hat, gemietete Wohnung.

Abtretung des Mietrechts

§ 12. (1) Der Hauptmieter einer Wohnung, der die Wohnung verläßt, darf seine Hauptmietrechte an der Wohnung seinem Ehegatten oder Verwandten in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder oder Geschwister abtreten, falls der Ehegatte oder die Verwandten in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder mindestens die letzten zwei Jahre, die Geschwister mindestens die letzten fünf Jahre mit dem Hauptmieter im gemeinsamen Haushalt in der Wohnung gewohnt haben. Dem mehrjährigen Aufenthalt in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn der Angehörige die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat, beim Ehegatten auch, wenn er seit der Verehelichung, und bei Kindern auch, wenn sie seit ihrer Geburt in der Wohnung gewohnt haben, mag auch ihr Aufenthalt in der Wohnung noch nicht die vorgeschriebene Zeit gedauert haben. Der Eintritt in das Hauptmietrecht nach §§ 87 und 88 des Ehegesetzes wird dadurch nicht berührt.

(2) Sowohl der bisherige Hauptmieter als auch der Angehörige (die Angehörigen) sind verpflichtet, die Abtretung der Hauptmietrechte dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Der Vermieter kann die Rechtsfolgen des durch die Abtretung herbeigeführten Eintritts des (der) Angehörigen in das Hauptmietverhältnis ab dem der Abtretung folgenden Zinstermin geltend machen. Mehrere Angehörige, die in das Hauptmietverhältnis eintreten, sind für den Mietzins zur ungeteilten Hand zahlungspflichtig.

(3) Ist der Mietgegenstand eine Seniorenwohnung, wurde im Mietvertrag die Bereitstellung einer Grundversorgung des Hauptmieters mit sozialen Diensten der Altenhilfe vereinbart und hatte der Hauptmieter bei Abschluss des Mietvertrags das 60. Lebensjahr bereits vollendet, so steht ihm das Recht der Abtretung der Hauptmietrechte an Verwandte in absteigender Linie einschließlich der Wahlkinder nicht zu. Eine Seniorenwohnung liegt vor, wenn sowohl die Wohnung als auch die allgemeinen Teile des Hauses, über die sie erreicht werden kann, eigens – etwa durch barrierefreie Zugänge, besondere sanitäre Einrichtungen oder besondere Sicherheitseinrichtungen – für ein altengerechtes Wohnen ausgestattet sind.

Veräußerung und Verpachtung eines Unternehmens

§ 12a. (1) Veräußert der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zur Fortführung in diesen Räumen, so tritt der Erwerber des Unternehmens anstelle des bisherigen Hauptmieters in das Hauptmietverhältnis ein. Sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber sind verpflichtet, die Unternehmensveräußerung dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Der Vermieter kann die Rechtsfolgen des durch die Unternehmensveräußerung herbeigeführten Eintritts des Erwerbers in das Hauptmietverhältnis ab dem der Unternehmensveräußerung folgenden Zinstermin geltend machen.

(2) Ist der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs. 1, so darf der Vermieter bis spätestens sechs Monate nach Anzeige der Unternehmensveräußerung die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach § 16 Abs. 1 zulässigen Betrag, jedoch unter Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit, verlangen. Ändert der neue Hauptmieter in der Folge die Art dieser Geschäftstätigkeit, so darf der Vermieter ab diesem Zeitpunkt den nach § 16 Abs. 1 zulässigen Hauptmietzins ohne Berücksichtigung der Art der Geschäftstätigkeit verlangen. Eine sich aus der Anhebung ergebende Unwirksamkeit des Hauptmietzinses ist innerhalb der in § 16 Abs. 8 genannten Fristen ab dem Anhebungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen.

(3) Ist eine juristische Person oder eine unternehmerisch tätige eingetragene Personengesellschaft Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit und ändern sich in ihr die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten entscheidend, wie etwa durch Veräußerung der Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft, so ist Abs. 2 anzuwenden, auch wenn die entscheidende Änderung nicht auf einmal geschieht. Die vertretungsbefugten Organe der juristischen Person oder unternehmerisch tätigen eingetragenen Personengesellschaft sind verpflichtet, solche Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsgeschäft zur Umgehung des dem Vermieter zustehenden Rechtes auf Anhebung des Hauptmietzinses geschlossen wurde, so obliegt es dem Hauptmieter, das Fehlen der Umgehungsabsicht zu beweisen.

(4) Die Anhebung ist entsprechend der Anhebungsregel des § 46a Abs. 2 vorzunehmen, wenn der neue Hauptmieter im Zeitpunkt des Eintritts gesetzlicher Erbe des bisherigen Hauptmieters wäre oder ist.

(5) Der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit darf das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen verpachten. Sowohl der Hauptmieter als auch der Pächter sind verpflichtet, die Verpachtung unter Angabe der dafür vorgesehenen Dauer dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Der Vermieter kann die Rechtsfolgen der Verpachtung ab dem der Verpachtung folgenden Zinstermin geltend machen. Ist der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs. 1, so darf der Vermieter für die Dauer der Verpachtung die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach § 16 Abs. 1 zulässigen Betrag, jedoch unter Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit, verlangen. Ändert der Pächter in der Folge die Art dieser Geschäftstätigkeit, so darf der Vermieter ab diesem Zeitpunkt den nach § 16 Abs. 1 zulässigen Hauptmietzins ohne Berücksichtigung der Art der Geschäftstätigkeit verlangen.

(6) Wird das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen vom Hauptmieter aus wichtigen, in seiner Person gelegenen Gründen, wie insbesondere Krankheit, für einen Zeitraum von insgesamt höchstens fünf Jahren verpachtet, so findet eine Anhebung des Hauptmietzinses nach Abs. 5 für diesen Zeitraum nicht statt.

(7) Bei Ermittlung des nach § 16 Abs. 1 zulässigen Hauptmietzinses sind im Fall des Abs. 2 die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Unternehmensveräußerung, im Fall des Abs. 3 jene zum Zeitpunkt der entscheidenden Änderung und im Fall des Abs. 5 jene bei Beginn des Pachtverhältnisses zugrunde zu legen. Zuvor vom Hauptmieter getätigte Aufwendungen zur Verbesserung des Mietgegenstandes sind aber angemessen zu berücksichtigen, soweit sie über den maßgeblichen Zeitpunkt hinaus von objektivem Nutzen sind.

(8) Auf Antrag des Hauptmieters einer Geschäftsräumlichkeit, der beabsichtigt, das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zu veräußern oder zu verpachten, hat das Gericht (die Gemeinde, § 39) die Höhe des nach § 16 Abs. 1 und § 12a Abs. 2 und 5 zulässigen Hauptmietzinses zu bestimmen. Diese Entscheidung ist auch für den Erwerber oder den Pächter des Unternehmens bindend; sie ist gegenüber dem Vermieter aber nur dann rechtswirksam, wenn das Unternehmen innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung veräußert oder verpachtet wird.

Wohnungstausch

§ 13. (1) Stimmt der Vermieter dem von seinem Hauptmieter, der die Wohnung vor mehr als fünf Jahren gemietet hat, aus wichtigen, besonders sozialen, gesundheitlichen oder beruflichen Gründen mit einem Dritten geschlossenen Vertrag über den Tausch ihrer im selben Gemeindegebiet befindlichen Mietwohnungen zur angemessenen Befriedigung des beiderseitigen Wohnbedürfnisses nicht zu, obwohl ihm der Eintritt des Dritten in den Mietvertrag nach Lage der Verhältnisse zugemutet werden kann, so hat das Gericht (die Gemeinde, § 39) auf Antrag des Hauptmieters die zum Eintritt des Dritten in den Mietvertrag erforderliche Zustimmung des Vermieters zu ersetzen, sofern im Zeitpunkt der Antragstellung gegen den Hauptmieter weder eine gerichtliche Kündigung noch eine Klage auf Räumung der Wohnung anhängig ist.

(2) Gibt das Gericht dem Antrag Folge, so gilt der Eintritt des neuen Mieters in den Mietvertrag in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem er dem Vermieter den Bezug der Wohnung anzeigt. Die Entscheidung verliert ihre Rechtswirksamkeit, wenn

1.

der Mieter vor dem Eintritt des Dritten in den Mietvertrag rechtskräftig zur Räumung der Wohnung verurteilt wird,

2.

der Dritte die Einwilligung seines Vermieters zum Wohnungstausch nicht unverzüglich einholt oder

3.

der von ihm gestellte Antrag rechtskräftig abgewiesen wird

(3) Wird der Eintritt des Dritten in den Mietvertrag vollzogen, so haften für die Verbindlichkeiten, die während der Mietzeit des bisherigen Mieters entstanden sind, der bisherige Mieter und der neue Mieter zur ungeteilten Hand. Ist der Hauptmietzins, den der tauschende Hauptmieter bisher für die Wohnung entrichtet hat, niedriger als der Betrag, der sich für die Wohnung bei Zugrundelegung des § 16 Abs. 2 und der Ausstattungskategorie im Zeitpunkt des Wohnungstausches errechnet, so darf der Vermieter ab dem auf den Eintritt des Tauschpartners folgenden Zinstermin eine Erhöhung des Hauptmietzinses auf den so berechneten Betrag begehren. Aus Anlaß des Wohnungstausches kann gegen den Vermieter ein Ersatz von Aufwendungen auf die Wohnung nach § 10 nicht geltend gemacht werden.

(4) Die vorstehenden Absätze gelten nicht für eine Wohnung, die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung oder einer Gemeinde zum Zweck der Wohnraumversorgung von Flüchtlingen oder Heimatvertriebenen errichtet und an einen Flüchtling oder Heimatvertriebenen vermietet oder zur Nutzung überlassen worden ist. Sie gelten für eine von einer gemeinnützigen Bauvereinigung, die auf Grund ihrer Satzung oder zufolge ihres tatsächlichen Geschäftsbetriebes ihre Tätigkeit auf einen bestimmten Personenkreis im Sinn des § 8 Abs. 2 Z 1 oder 2 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes eingeschränkt hat, gemietete Wohnung mit der Einschränkung, daß auch der Tauschpartner diesem Personenkreis angehören muß.

Mietrecht im Todesfall

§ 14. (1) Durch den Tod des Vermieters oder des Mieters wird der Mietvertrag nicht aufgehoben.

(2) Nach dem Tod des Hauptmieters einer Wohnung treten in den Mietvertrag mit Ausschluß anderer zur Erbfolge berufenen Personen die im Abs. 3 genannten eintrittsberechtigten Personen ein, sofern sie nicht binnen 14 Tagen nach dem Tod des Hauptmieters dem Vermieter bekanntgeben, daß sie das Mietverhältnis nicht fortsetzen wollen. Mit dem Eintritt haften die eintretenden Personen für den Mietzins und die Verbindlichkeiten, die während der Mietzeit des verstorbenen Hauptmieters entstanden sind. Sind mehrere Personen eintrittsberechtigt, so treten sie gemeinsam in den Mietvertrag ein und haften zur ungeteilten Hand.

(3) Eintrittsberechtigt nach Abs. 2 sind der Ehegatte, der Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder und die Geschwister des bisherigen Mieters, sofern diese Personen ein dringendes Wohnbedürfnis haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben. Lebensgefährte im Sinne dieser Bestimmung ist, wer mit dem bisherigen Mieter bis zu dessen Tod durch mindestens drei Jahre hindurch in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt hat; einem dreijährigen Aufenthalt des Lebensgefährten in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn er die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat. In dem in § 12 Abs. 3 genannten Fall sind Verwandte in absteigender Linie einschließlich der Wahlkinder nicht eintrittsberechtigt.

(4) (Anm.: Aufgehoben durch Art. II Z 9, BGBl. Nr. 68/1991.)

Mietzins für Hauptmiete

§ 15. (1) Der vom Mieter für die Überlassung eines Mietgegenstandes in Hauptmiete zu entrichtende Mietzins besteht aus

1.

dem Hauptmietzins,

2.

dem auf den Mietgegenstand entfallenden Anteil an den Betriebskosten und den von der Liegenschaft zu entrichtenden laufenden öffentlichen Abgaben,

3.

dem auf den Mietgegenstand entfallenden Anteil für allfällige besondere Aufwendungen,

4.

dem angemessenen Entgelt für mitvermietete Einrichtungsgegenstände oder sonstige Leistungen, die der Vermieter über die Überlassung des Mietgegenstandes hinaus erbringt.

(2) Der Vermieter ist ferner berechtigt, vom Mieter die Umsatzsteuer zu begehren, die vom Mietzins zu entrichten ist. Begehrt der Vermieter die Zahlung der Umsatzsteuer, so muß er aber seinerseits alle Aufwendungen, die er dem Mieter auf- oder verrechnet, um die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge entlasten.

(3) Der Mieter hat den Mietzins, sofern kein späterer Zahlungstermin vereinbart ist, am Fünften eines jeden Kalendermonats im Vorhinein zu entrichten. Der Vermieter hat ihm dafür ein verkehrsübliches Bankkonto bekanntzugeben.

(4) Auf Antrag des Vermieters oder des Hauptmieters hat das Gericht (die Gemeinde, § 39) mit Beschluß auszusprechen, daß anstelle eines pauschal vereinbarten Mietzinses ab dem auf den Antragstag folgenden Zinstermin ein nach Abs. 1 aufgegliederter Mietzins zu entrichten ist. Dabei sind zur Errechnung des auf den Hauptmietzins entfallenden Betrags die Betriebskosten des Jahres zugrunde zu legen, in dem der Mietzins vereinbart wurde. Soweit die zugrunde zu legenden Beträge nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ermittelt werden können, ist die Aufgliederung des Mietzinses nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) vorzunehmen. Der so ermittelte Hauptmietzins valorisiert sich entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 6, sofern ursprünglich eine Wertsicherung vereinbart war; § 16 Abs. 8 und 9 sind anzuwenden.

Ausstattungskategorien und Kategoriebeträge

§ 15a. (1) Eine Wohnung hat die Ausstattungskategorie

1.

A, wenn sie in brauchbarem Zustand ist, ihre Nutzfläche mindestens 30 m2 beträgt, die Wohnung zumindest aus Zimmer, Küche (Kochnische), Vorraum, Klosett und einer dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Badegelegenheit (Baderaum oder Badenische) besteht und über eine gemeinsame Wärmeversorgungsanlage oder eine Etagenheizung oder eine gleichwertige stationäre Heizung und über eine Warmwasseraufbereitung verfügt;

2.

B, wenn sie in brauchbarem Zustand ist, zumindest aus Zimmer, Küche (Kochnische), Vorraum, Klosett und einer dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Badegelegenheit (Baderaum oder Badenische) besteht;

3.

C, wenn sie in brauchbarem Zustand ist und zumindest über eine Wasserentnahmestelle und ein Klosett im Inneren verfügt;

4.

D, wenn sie entweder über keine Wasserentnahmestelle oder über kein Klosett im Inneren verfügt oder wenn bei ihr eine dieser beiden Einrichtungen nicht brauchbar ist.

(2) Die Ausstattungskategorie nach Abs. 1 richtet sich nach dem Ausstattungszustand der Wohnung im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags. Eine Wohnung ist in eine Ausstattungskategorie auch bei Fehlen eines Ausstattungsmerkmals einzuordnen, wenn das fehlende Ausstattungsmerkmal, nicht jedoch eine Badegelegenheit, durch ein oder mehrere Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie aufgewogen wird. Ist im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags die Wohnung oder ein Ausstattungsmerkmal nicht brauchbar oder entspricht eine Badegelegenheit nicht dem zeitgemäßen Standard, so ist dies für die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem nur zu berücksichtigen, wenn der Mieter die Unbrauchbarkeit oder das Fehlen des zeitgemäßen Standards dem Vermieter angezeigt und dieser den Mangel nicht in angemessener Frist, höchstens aber binnen dreier Monate ab Zugang der Anzeige, behoben hat.

(3) Der Kategoriebetrag je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat wird für die Ausstattungskategorie

1.

A mit 2,91 Euro (Anm. 1),

2.

B mit 2,19 Euro (Anm. 2),

3.

C mit 1,46 Euro (Anm. 3),

4.

D mit 0,73 Euro (Anm. 4)

festgesetzt und entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 6 valorisiert.

(4) Der Bundesminister für Justiz hat die durch die Valorisierung geänderten Beträge und den Zeitpunkt, in dem deren Änderung mietrechtlich wirksam wird, im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Die Kundmachung hat auch einen Hinweis auf die in § 16 Abs. 9 zweiter Satz angeführten weiteren Voraussetzungen für eine Erhöhung des Hauptmietzinses zu enthalten.

________________________

(Anm. 1: gemäß BGBl. II Nr. 296/2006 ab 1.9.2006: 2,91 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 295/2008 ab 1.9.2008: 3,08 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 218/2011 ab 1.8.2011: 3,25 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 62/2014 ab 1.4.2014: 3,43 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 10/2018 ab 1.2.2018: 3,60 Euro

Anm. 2: ab 1.9.2006: 2,19 Euro

ab 1.9.2008: 2,31 Euro

ab 1.8.2011: 2,44 Euro

ab 1.4.2014: 2,57 Euro

ab 1.2.2018: 2,70 Euro

Anm. 3: ab 1.9.2006: 1,46 Euro

ab 1.9.2008: 1,54 Euro

ab 1.8.2011: 1,62 Euro

ab 1.4.2014: 1,71 Euro

ab 1.2.2018: 1,80 Euro

Anm. 4: ab 1.9.2006: 0,73 Euro

ab 1.9.2008: 0,77 Euro

ab 1.8.2011: 0,81 Euro

ab 1.4.2014: 0,86 Euro

ab 1.2.2018: 0,90 Euro)

Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses

§ 16. (1) Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Hauptmietzinses für einen in Hauptmiete gemieteten Mietgegenstand sind ohne die Beschränkungen der Abs. 2 bis 5 bis zu dem für den Mietgegenstand im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag zulässig, wenn

1.

der Mietgegenstand nicht zu Wohnzwecken dient; wird ein Mietgegenstand teils als Wohnung, teils als Geschäftsräumlichkeit verwendet, so darf nur der für Wohnungen zulässige Hauptmietzins angerechnet werden, es sei denn, daß die Verwendung zu Geschäftszwecken die Verwendung zu Wohnzwecken bedeutend überwiegt; ein Unternehmer, der eine Geschäftsräumlichkeit mietet, kann sich auf die Überschreitung des zulässigen Höchstmaßes nach Abs. 8 erster Satz nur berufen, wenn er die Überschreitung unverzüglich, spätestens jedoch bei Übergabe des Mietgegenstandes, gerügt hat;

2.

der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, das auf Grund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist, oder der Mietgegenstand auf Grund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung durch Um-, Auf-, Ein- oder Zubau neu geschaffen worden ist;

3.

der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, an dessen Erhaltung aus Gründen des Denkmalschutzes öffentliches Interesse besteht, sofern der Vermieter unbeschadet der Gewährung öffentlicher Mittel zu dessen Erhaltung nach dem 8. Mai 1945 erhebliche Eigenmittel aufgewendet hat;

4.

der Mietgegenstand eine Wohnung der Ausstattungskategorie A oder B ist und seine Nutzfläche 130 m2 übersteigt, sofern der Vermieter eine solche Wohnung innerhalb von sechs Monaten nach der Räumung durch den früheren Mieter oder Inhaber an einen nicht zum Eintritt in die Mietrechte des früheren Mieters Berechtigten vermietet; bei Durchführung von Verbesserungsarbeiten verlängert sich diese Frist um ein Jahr;

5.

ein unbefristetes Mietverhältnis vorliegt, seit Übergabe des Mietgegenstandes mehr als ein Jahr verstrichen ist und die Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses in Schriftform getroffen wird.

(2) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, so darf der zwischen dem Vermieter und dem Mieter für eine gemietete Wohnung der Ausstattungskategorien A, B oder C vereinbarte Hauptmietzins je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat den angemessenen Betrag nicht übersteigen, der ausgehend vom Richtwert (§ 1 RichtWG) unter Berücksichtigung allfälliger Zuschläge und Abstriche zu berechnen ist. Für die Berechnung des demnach höchstzulässigen Hauptmietzinses sind im Vergleich zur mietrechtlichen Normwohnung (§ 2 Abs. 1 RichtWG) entsprechende Zuschläge zum oder Abstriche vom Richtwert für werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen vom Standard der mietrechtlichen Normwohnung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens vorzunehmen, wobei die folgenden, für die Bewertung einer Wohnung bedeutsamen Umstände im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zu berücksichtigen sind:

1.

die Zweckbestimmung der Wohnung, ihre Stockwerkslage, ihre Lage innerhalb eines Stockwerks, ihre über oder unter dem Durchschnitt liegende Ausstattung mit anderen Teilen der Liegenschaft, beispielsweise mit Balkonen, Terrassen, Keller- oder Dachbodenräumen, Hausgärten oder Abstellplätzen, ihre sonstige Ausstattung oder Grundrißgestaltung, eine gegenüber der mietrechtlichen Normwohnung bessere Ausstattung oder Grundrißgestaltung jedoch nur, wenn sie nicht allein auf Kosten des Hauptmieters vorgenommen wurde,

2.

die Ausstattung der Wohnung (des Gebäudes) mit den in § 3 Abs. 4 RichtWG angeführten Anlagen, Garagen, Flächen und Räumen, wobei die jeweiligen Zuschläge mit den bei der Ermittlung des Richtwerts abgezogenen Baukostenanteilen begrenzt sind,

3.

die Lage (Wohnumgebung) des Hauses,

4.

der Erhaltungszustand des Hauses,

5.

die gegenüber der mietrechtlichen Normwohnung niedrigere Ausstattungskategorie bei einer Wohnung der Ausstattungskategorie B und bei einer Wohnung der Ausstattungskategorie C durch entsprechende Abstriche.

(3) Für werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen gemäß Abs. 2 Z 3 sind je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat Zuschläge oder Abstriche bis zur Höhe von 0,33 vH der Differenz zwischen dem der Richtwertermittlung zugrunde gelegten Grundkostenanteil (§ 3 Abs. 2 und 5 und § 6 RichtWG) und den der Lage des Hauses entsprechenden Grundkostenanteilen je Quadratmeter der Nutzfläche zulässig, die unter Berücksichtigung der nach der Bauordnung zulässigen Bebaubarkeit für die Anschaffung von bebauten Liegenschaften, die überwiegend Wohnzwecken dienen, in dieser Lage (Wohnumgebung) üblicherweise aufgewendet werden.

(4) Ein Zuschlag nach Abs. 3 ist nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 2 Abs. 3 RichtWG), und wenn die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände dem Mieter in Schriftform bis spätestens bei Zustandekommen des Mietvertrages ausdrücklich bekanntgegeben worden sind.

(5) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, so darf der für eine Wohnung der Ausstattungskategorie D vereinbarte Hauptmietzins je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat 0,66 Euro (Anm.: gemäß BGBl. II Nr. 62/2014 ab 1.4.2014: 0,86 Euro und gemäß BGBl. II Nr. 10/2018 ab 1.2.2018: 0,90 Euro) nicht übersteigen; befindet sich diese Wohnung jedoch in brauchbarem Zustand, so darf ein Hauptmietzins bis zu einem Betrag von 1,32 Euro (Anm.: ab 1.4.2014: 1,71 Euro und ab 1.2.2018: 1,80 Euro) je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat vereinbart werden.

(6) Die in Abs. 5 genannten Beträge vermindern oder erhöhen sich in dem Maß, das sich aus der Veränderung des von der Bundesanstalt Statistik Österreich verlautbarten Verbraucherpreisindex 2000 oder des an seine Stelle tretenden Index gegenüber der für Februar 2001 verlautbarten Indexzahl ergibt, wobei Änderungen solange nicht zu berücksichtigen sind, als sie 5 vH dieser Indexzahl und in der Folge 5 vH der zuletzt für die Valorisierung maßgebenden Indexzahl nicht übersteigen. Bei der Berechnung der neuen Beträge sind Beträge, die einen halben Cent nicht übersteigen, auf den nächstniedrigeren ganzen Cent abzurunden und Beträge, die einen halben Cent übersteigen, auf den nächsthöheren ganzen Cent aufzurunden. Die neuen Beträge gelten ab dem der Verlautbarung der Indexveränderung durch die Bundesanstalt Statistik Österreich folgenden übernächsten Monatsersten. Der Bundesminister für Justiz hat die durch die Valorisierung geänderten Beträge und den Zeitpunkt, in dem deren Änderung mietrechtlich wirksam wird, im Bundesgesetzblatt kundzumachen; die Kundmachung hat in den Fällen einer Erhöhung auch einen Hinweis auf die in Abs. 9 zweiter Satz angeführten weiteren Voraussetzungen für eine Erhöhung des Hauptmietzinses zu enthalten.

(7) Der nach Abs. 1 bis 6 höchstzulässige Hauptmietzins vermindert sich im Fall eines befristeten Hauptmietvertrags (§ 29 Abs. 1 Z 3) um 25 vH. Wird der befristete Hauptmietvertrag in einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit umgewandelt, so gilt die Verminderung des nach Abs. 1 bis 6 höchstzulässigen Hauptmietzinses ab dem Zeitpunkt der Umwandlung nicht mehr, sofern sie im Hauptmietvertrag ziffernmäßig durch Gegenüberstellung des für ein unbefristetes Mietverhältnis zulässigen und des tatsächlich vereinbarten Hauptmietzinses schriftlich ausgewiesen wurde.

(Anm.: Abs. 7a und 7b aufgehoben durch BGBl. I Nr. 36/2000)

(8) Mietzinsvereinbarungen sind insoweit unwirksam, als der vereinbarte Hauptmietzins den nach Abs. 1 bis 7 zulässigen Höchstbetrag überschreitet. Die Unwirksamkeit ist binnen drei Jahren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen. Bei befristeten Hauptmietverhältnissen (§ 29 Abs. 1 Z 3) endet diese Frist frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis; die Verjährungsfrist beträgt in diesem Fall zehn Jahre.

(9) Ergibt sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ein höherer Hauptmietzins (Anm.: richtig: Hauptmietzins,) als nach Abs. 1 bis 7 zu diesem Zeitpunkt zulässig ist, so ist der übersteigende Teil unwirksam. Berechtigt eine Wertsicherungsvereinbarung den Vermieter zu einer Erhöhung des Hauptmietzinses, so hat der Hauptmieter dem Vermieter den erhöhten Hauptmietzins von dem auf das Wirksamwerden der Indexveränderung (Abs. 6 dritter Satz) folgenden Zinstermin an zu entrichten, wenn der Vermieter dem Hauptmieter in einem nach Wirksamwerden der Indexveränderung ergehenden Schreiben, jedoch spätestens 14 Tage vor dem Termin, sein darauf gerichtetes Erhöhungsbegehren bekanntgibt. Eine sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ergebende Unwirksamkeit des erhöhten Hauptmietzinses ist innerhalb der in Abs. 8 genannten Fristen ab dem Erhöhungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen.

(10) Die Beschränkungen der Abs. 2 bis 7 gelten nicht für Vereinbarungen über die zeitlich begrenzte Erhöhung des Hauptmietzinses zur Deckung der Kosten der Erhaltung und von nützlichen Verbesserungen im Sinn der §§ 3 und 4 sowie zur Deckung der Kosten von geförderten Sanierungsmaßnahmen. Solche Vereinbarungen sind nur in Schriftform und frühestens ein halbes Jahr nach Abschluß des Mietvertrags zulässig; das Ausmaß der Erhöhung und der Erhöhungszeitraum sind ausdrücklich zu vereinbaren. Bei befristeten Mietverträgen sind solche Vereinbarungen überdies nur zulässig, sofern der Erhöhungszeitraum vor dem Ablauf des Mietverhältnisses endet.

(11) Vereinbarungen gemäß Abs. 10 sind auch für spätere Mieter rechtswirksam, sofern ihnen bei Abschluß des Mietvertrages das Ausmaß der Erhöhung und der Erhöhungszeitraum schriftlich bekanntgegeben wurde und bei einem befristeten Mietvertrag der Erhöhungszeitraum vor dem Ablauf des Mietverhältnisses endet.

(12) Mietzinsvorschriften in förderungsrechtlichen Bestimmungen bleiben unberührt.

Unwirksamkeit von Zinsanpassungsklauseln und Mietzinsvereinbarungen

§ 16a. (1) Vereinbarungen, die eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses vorsehen, sind rechtsunwirksam. Darunter sind auch Vereinbarungen zu verstehen, in denen sich der Mieter für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses zum Abschluß einer neuen Mietzinsvereinbarung verpflichtet hat.

(2) Ist oder war das Vorliegen einer Zinsanpassungsklausel im Sinn des Abs. 1 Beweggrund für den Abschluß einer Mietzinsvereinbarung, so ist diese Vereinbarung rechtsunwirksam; in diesem Fall gilt eine frühere Mietzinsvereinbarung weiter.

Kaution

§ 16b. (1) Für die dem Vermieter aus dem Mietvertrag künftig entstehenden Ansprüche gegen den Mieter kann die Übergabe einer Kaution an den Vermieter vereinbart werden. Wenn die Kaution dem Vermieter nicht ohnehin bereits in Gestalt eines Sparbuchs, sondern als Geldbetrag übergeben wird, hat sie der Vermieter auf einem Sparbuch fruchtbringend zu veranlagen und den Mieter darüber auf Verlangen schriftlich zu informieren. Andere Arten der Kautionsveranlagung sind zulässig, wenn sie eine gleich gute Verzinsung und - insbesondere durch Anwendbarkeit der gesetzlichen Einlagensicherung - eine gleich hohe Sicherheit wie eine Spareinlage bieten und wenn sie eine eindeutige Abgrenzung vom Vermögen des Vermieters und bei dessen Insolvenz eine Absonderung ermöglichen.

(2) Nach Ende des Mietvertrags hat der Vermieter dem Mieter die Kaution samt den aus ihrer Veranlagung erzielten Zinsen unverzüglich zurückzustellen, soweit sie nicht zur Tilgung von berechtigten Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis herangezogen wird.

(3) Wird über das Vermögen des Vermieters ein Insolvenzverfahren eröffnet, so darf darin die Kaution für Ansprüche, die nicht im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis stehen, nicht herangezogen werden. Nach Ende des Mietvertrags kann der Mieter wegen des Rückforderungsanspruchs nach Abs. 2 - soweit ihm nicht ohnehin weitergehende Rechte zukommen - abgesonderte Befriedigung aus dem Kautionssparbuch verlangen (§ 48 IO).

(4) Über die Höhe des Rückforderungsanspruchs nach Abs. 2 ist auch dann im Verfahren nach §§ 37 bis 41 zu entscheiden, wenn es sich um einen der in § 1 Abs. 4 genannten Mietgegenstände handelt.

Anteil an den Gesamtkosten; Nutzfläche

§ 17. (1) Insoweit nicht zwischen dem Vermieter und allen Mietern des Hauses für einzelne Aufwendungen des Hauses schriftlich ein anderer Verteilungsschlüssel vereinbart worden ist oder sich aus den folgenden Bestimmungen ein solcher Verteilungsschlüssel ergibt, bestimmt sich der Anteil eines Mietgegenstandes an den Gesamtkosten des Hauses nach dem Verhältnis der Nutzfläche des Mietgegenstandes zur Nutzfläche aller vermieteten, vom Vermieter benutzten oder trotz ihrer Vermietbarkeit nicht vermieteten Wohnungen oder sonstigen Mietgegenstände des Hauses.

(1a) Wenn einzelne Aufwendungen vom Verbrauch abhängig sind und die Anteile der Wohnungen oder sonstigen Mietgegenstände des Hauses am Gesamtverbrauch mit wirtschaftlich vernünftigem Kostenaufwand durch Meßvorrichtungen ermittelt werden können, kann durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Vermieter und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der Mieter - berechnet nach der Anzahl der vermieteten Mietgegenstände - des Hauses eine Aufteilung dieser Aufwendungen nach den Verbrauchsanteilen festgelegt werden. Bei Vorliegen einer solchen Vereinbarung hat jeder Mieter die Erfassung der Verbrauchsanteile in seinem Mietgegenstand zu dulden. Konnten trotz zumutbarer Bemühungen Verbrauchsanteile nicht erfaßt werden, so sind sie, sofern dies dem Stand der Technik entspricht, durch rechnerische Verfahren zu ermitteln; die Nutzfläche, für die auf diese Weise die Verbrauchsanteile ermittelt werden, darf 20 vH nicht übersteigen. Der Teil der Aufwendungen, der dem auf die allgemeinen Teile des Hauses entfallenden Verbrauchsanteil zuzuordnen ist, ist nach dem Verhältnis der Nutzflächen im Sinn des Abs. 1 aufzuteilen. Der Vermieter kann für diese Aufwendungen eine vom Kalenderjahr abweichende Abrechnungsperiode in der Dauer von zwölf Monaten vorsehen.

(2) Die Nutzfläche, die in Quadratmetern auszudrücken ist, ist die gesamte Bodenfläche einer Wohnung oder eines sonstigen Mietgegenstandes abzüglich der Wandstärken und der im Verlauf der Wände befindlichen Durchbrechungen (Ausnehmungen). Keller- und Dachbodenräume, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn- oder Geschäftszwecke geeignet sind, sowie Treppen, offene Balkone und Terrassen sind bei der Berechnung der Nutzfläche nicht zu berücksichtigen. Veränderungen der Nutzfläche auf Grund baulicher Maßnahmen des Mieters oder sonstigen Nutzers im Inneren der Wohnung oder des sonstigen Mietgegenstandes einschließlich der Verglasung von Balkonen bleiben bis zur Beendigung seines Miet- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses unberücksichtigt.

(3) Die Nutzfläche ist nach dem Naturmaß zu berechnen. Bei Gebäuden, für die die Baubewilligung nach dem 1. Jänner 1985 erteilt wurde, ist sie jedoch auf Grund des behördlich genehmigten Bauplans zu berechnen, es sei denn, daß dies nicht möglich ist oder eine Abweichung vom behördlich genehmigten Bauplan um mehr als 3 vH erwiesen wird.

Erhöhung der Hauptmietzinse

§ 18. (1) Finden die Kosten einer vom Vermieter durchzuführenden, unmittelbar heranstehenden größeren Erhaltungsarbeit einschließlich der nach § 3 Abs. 3 Z 1 anrechenbaren Verzinsung und Geldbeschaffungskosten in der Summe der sich in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren ergebenden Mietzinsreserven oder Mietzinsabgänge keine Deckung und übersteigen sie die während des Verteilungszeitraums zu erwartenden Hauptmietzinseinnahmen, so kann zur Deckung des Fehlbetrags eine Erhöhung des Hauptmietzinses begehrt werden. Zur Festsetzung des erforderlichen erhöhten Hauptmietzinses sind maßgebend:

1.

die Summe der sich in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren ergebenden Mietzinsreserven oder Mietzinsabgänge einschließlich eines allfälligen Zuschusses, der aus Anlaß der Durchführung der Arbeiten gewährt wird;

2.

die angemessenen Kosten der durch einen Kostenvoranschlag umschriebenen unmittelbar heranstehenden Erhaltungsarbeit einschließlich der angemessenen Kosten der Bauverwaltung und Bauüberwachung, soweit diese zusammen 5 vH der Baukosten nicht überschreiten; diese Kosten sind um den Unterschiedsbetrag nach Z 1 zu kürzen oder zu erhöhen (Deckungsfehlbetrag);

3.

ein zehn Jahre nicht übersteigender Verteilungszeitraum, der unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem sich solche oder ähnliche Arbeiten bei Zugrundelegung regelmäßiger Bestandsdauer erfahrungsgemäß wiederholen, sowie der wirtschaftlichen Lage des Vermieters und der Gesamtheit der Mieter des Hauses nach billigem Ermessen zu bestimmen ist;

4.

das zur Finanzierung des Deckungsfehlbetrags notwendige eigene oder fremde Kapital des Vermieters samt den mit der Aufnahme fremden Kapitals verbundenen Geldbeschaffungskosten sowie das auf den Kalendermonat umzurechnende Erfordernis zur Tilgung und angemessenen Verzinsung dieses Kapitals;

5.

ein nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) festzusetzender Pauschalbetrag zur Deckung der Kosten von laufend wiederkehrenden Erhaltungsarbeiten und der laufend fällig werdenden Aufwendungen für die mit dem Eigentum verbundene Vermögensteuer samt Zuschlägen zuzüglich des allfälligen Betrags, der zur Tilgung und Verzinsung einer nach § 3 Abs. 3 Z 1 finanzierten früheren Erhaltungsarbeit je Kalendermonat aufgebracht werden muß;

6.

die Gesamtsumme der für die vermieteten, vom Vermieter benützten oder trotz ihrer Vermietbarkeit leerstehenden Mietgegenstände des Hauses anrechenbaren monatlichen Hauptmietzinse, die sich gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 lit. b bis d errechnen;

7.

die Feststellung, ob oder inwieweit das nach Z 4 und 5 ermittelte monatliche Deckungserfordernis in der nach Z 6 ermittelten Gesamtsumme Deckung findet oder nicht.

(2) Ist der monatliche Hauptmietzins, den ein Hauptmieter für seinen Mietgegenstand entrichtet, niedriger als der bei der Berechnung der Gesamtsumme nach Abs. 1 Z 6 für den Mietgegenstand ausgewiesene Betrag, so hat das Gericht (die Gemeinde, § 39) dem Vermieter während des festgesetzten Verteilungszeitraums die Anhebung dieses Hauptmietzinses nach Maßgabe des Deckungserfordernisses (Abs. 1 Z 4 und 5) bis zu der im Abs. 1 Z 6 für den Mietgegenstand ausgewiesenen Höhe des Hauptmietzinses zu bewilligen.

(3) Findet das nach Abs. 1 Z 4 und 5 ermittelte Deckungserfordernis in der nach Abs. 1 Z 6 ermittelten Gesamtsumme nicht oder nicht zur Gänze Deckung, so hat das Gericht (die Gemeinde, § 39) neben der nach Abs. 2 allenfalls zu bewilligenden Anhebung der Hauptmietzinse die Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses während des festgesetzten Verteilungszeitraums in der Weise zu bewilligen, daß der Vermieter von jedem Hauptmieter eines Mietgegenstandes im Haus neben dem für den Mietgegenstand nach Abs. 1 Z 6 ausgewiesenen und allenfalls nach Abs. 2 angehobenen monatlichen Hauptmietzins den auf den Mietgegenstand nach dem Verhältnis der Nutzflächen (§ 17) entfallenden Anteil am nicht gedeckten Teil des Deckungserfordernisses begehren darf.

(4) Steht fest, daß eine Erhöhung der Hauptmietzinse auch dann erforderlich ist, wenn die von den Hauptmietern gegen die Hauptmietzinsabrechnung der vorausgegangenen zehn Kalenderjahre erhobenen Einwendungen berechtigt sind, und ist zu besorgen, daß durch die Überprüfung dieser Einwendungen der Hauptmieter die Durchführung der Erhaltungsarbeiten verzögert würde, so kann das Gericht (die Gemeinde, § 39) die Überprüfung dieser Einwendungen der Hauptmieter der Entscheidung nach § 19 Abs. 3 vorbehalten und zunächst die Höhe der anrechenbaren Mietzinsreserven oder Mietzinsabgänge nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) festsetzen.

(5) Der Vermieter kann eine Erhöhung der Hauptmietzinse für eine Wohnung nicht verlangen,

1.

wenn es sich um eine Wohnung der Ausstattungskategorie D handelt und für sie ein Hauptmietzins vereinbart wurde, der 0,66 Euro (Anm. 1) je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat übersteigt; dieser Betrag valorisiert sich entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 6;

2.

wenn bei einem befristeten Hauptmietvertrag (§ 29 Abs. 1 Z 3) die jeweils vereinbarte Vertragsdauer weniger als vier Jahre beträgt.

________________________

(Anm 1: gemäß BGBl. II Nr. 185/2004 ab 1.6.2004: 0,69 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 296/2006 ab 1.9.2006: 0,73 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 295/2008 ab 1.9.2008: 0,77 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 218/2011 ab 1.8.2011: 0,81 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 62/2014 ab 1.4.2014: 0,86 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 10/2018 ab 1.2.2018: 0,90 Euro)

Grundsatzentscheidung und vorläufige Erhöhung

§ 18a. (1) Wird vor der Durchführung einer Erhaltungsarbeit eine Erhöhung der Hauptmietzinse (§ 18) begehrt, so hat das Gericht (die Gemeinde, § 39) auf Antrag zunächst dem Grunde nach zu entscheiden, ob und inwieweit die bestimmt bezeichnete Erhaltungsarbeit die Erhöhung der Hauptmietzinse rechtfertigt und innerhalb welchen Zeitraumes, der zehn Jahre nicht übersteigen darf, die dafür erforderlichen Kosten aus den Hauptmietzinsen zu decken sind.

(2) Verpflichtet sich der Vermieter, die in der Grundsatzentscheidung (Abs. 1) genannten Erhaltungsarbeiten innerhalb einer angemessenen Frist in Angriff zu nehmen und durchzuführen, so kann das Gericht (die Gemeinde, § 39) auf Antrag aussprechen, daß eine vorläufige Erhöhung des Hauptmietzinses zulässig ist. Beginn und Ausmaß dieser vorläufigen Erhöhung (auch die zunächst zugrunde gelegten Ausstattungskategorien) sind unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse so festzusetzen, daß sie das in der endgültigen Erhöhung voraussichtlich ergebende Ausmaß nicht übersteigen. Werden der Entscheidung über die endgültige Mietzinserhöhung bei einzelnen Mietgegenständen andere Ausstattungskategorien zugrunde gelegt als in der vorläufigen Mietzinserhöhung, so hat der Hauptmieter den sich daraus ergebenden Differenzbetrag nachzuzahlen bzw. ist ihm ein übersteigender Betrag zurückzuerstatten. Hält der Vermieter seine Pflicht zur Durchführung der Arbeiten nicht ein, so hat er - unbeschadet der Bestimmungen des § 6 - die aus der vorläufigen Erhöhung der Hauptmietzinse sich ergebenden Mehrbeträge samt einer angemessenen Verzinsung zurückzuerstatten.

Kosten von Sanierungsmaßnahmen

§ 18b. Werden an einem Haus Sanierungsmaßnahmen (§ 11 des Wohnhaussanierungsgesetzes, BGBl. Nr. 483/1984) vorgenommen, die mit Mitteln gefördert werden, die auf Grund der Bestimmungen des Wohnhaussanierungsgesetzes gewährt worden sind, sind die zur Finanzierung erforderlichen Darlehen innerhalb eines Zeitraumes zurückzuzahlen, der zehn Jahre nicht übersteigt und ist außerdem zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen (Deckung des Fehlbetrages) eine Erhöhung der Hauptmietzinse notwendig, so gelten Sanierungsmaßnahmen in den Verfahren zur Erhöhung der Hauptmietzinse (§§ 18, 18a) als Erhaltungsarbeiten. Die Erhöhung der Hauptmietzinse darf jedoch nicht das Ausmaß übersteigen, das sich bei bloßer Durchführung von Erhaltungsarbeiten (§ 3) ohne Gewährung öffentlicher Förderungsmittel nach dem Wohnhaussanierungsgesetz ergeben würde.

Nachträgliche Neuerrichtung von Mietgegenständen

§ 18c. (1) Werden in einem Haus (auf einer Liegenschaft) oder in Häusern auf einer Liegenschaft, die hinsichtlich der Mietzinsbildung eine wirtschaftliche Einheit bilden, nachträglich weitere Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten durch Auf-, Ein-, Um- oder Zubau neu errichtet, sind diese hinsichtlich ihrer Errichtungskosten als eigene wirtschaftliche Einheit zu behandeln.

(2) Stünden den Baumaßnahmen Rechte zur Benützung von allgemeinen Teilen der Liegenschaft, wie etwa von Dachboden- oder Kellerräumen, Grünanlagen oder Hofflächen entgegen, so haben dennoch die bisherigen Benützungsberechtigten die Baumaßnahmen unter der Voraussetzung zu dulden, daß ihnen gleichwertige Benützungsrechte oder die sonstige Möglichkeit zur gleichwertigen Befriedigung ihrer Interessen eingeräumt werden, oder daß ihnen der Verlust des Benützungsrechtes unter Berücksichtigung der bisherigen Ausübung abgegolten wird.

(3) Die Kosten von Baumaßnahmen zur nachträglichen Neuerrichtung weiterer Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten durch Auf-, Ein-, Um- oder Zubau können, soweit diese Baumaßnahmen in absehbarer Zeit notwendig werdende Erhaltungsarbeiten ersetzen oder nützliche Verbesserungen sind, in der Hauptmietzinsabrechnung nach Maßgabe des § 4 als Ausgaben ausgewiesen werden.

(4) Werden Baumaßnahmen nach Abs. 1 durchgeführt, so hat das Gericht (die Gemeinde, § 39) auf Antrag des Vermieters über die Höhe der Kosten gemäß Abs. 3 zu entscheiden, die aus der Mietzinsreserve zu decken sind. Reicht die Mietzinsreserve zur Deckung der Kosten für die jeweils erkennbaren und in absehbarer Zeit notwendig werdenden Erhaltungsarbeiten sowie nützlichen Verbesserungsarbeiten nicht aus, so sind die Fehlbeträge unter Anwendung der §§ 18, 18a, 18b und 19 zu decken.

Antrag und Entscheidung

§ 19. (1) Die Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses ist nur auf Grund einer Entscheidung des Gerichtes (der Gemeinde, § 39) zulässig. Zur Antragstellung sind der Vermieter, die Gemeinde, in deren Sprengel das Haus gelegen ist, im eigenen Wirkungsbereich oder der nach § 6 Abs. 2 bestellte Verwalter berechtigt. Dem Antrag sind beizulegen:

1.

ein Kostenvoranschlag über die unmittelbar heranstehende Erhaltungsarbeit in dreifacher Ausfertigung;

2.

die Hauptmietzinsabrechnung über die der Antragstellung unmittelbar vorausgegangenen zehn Kalenderjahre;

3.

eine Aufstellung, die alle vermieteten, vermietbaren oder vom Vermieter benützten Mietgegenstände des Hauses enthält, wobei im besonderen von jedem Mietgegenstand die topographische Bezeichnung (Türnummer), die Nutzfläche, die Ausstattungskategorie bei Wohnungen, die Höhe des monatlichen Hauptmietzinses, die Höhe des nach § 18 Abs. 1 Z 6 anrechenbaren monatlichen Betrages, der Vor- und Zuname des Mieters (Benützers) anzuführen sind;

4.

eine Berechnung des Deckungsfehlbetrags und des monatlichen Deckungserfordernisses;

5.

ein Finanzierungsplan einschließlich allfälliger Kreditzusagen.

(2) Selbst wenn der Antrag auf Bewilligung der Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses nicht im Zuge eines Verfahrens zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten gestellt worden ist (§ 6 Abs. 3), ist mit der Bewilligung der Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses der Auftrag zur Vornahme der der Entscheidung zugrunde liegenden Erhaltungsarbeit binnen einer angemessenen, ein Jahr nicht übersteigenden Frist (§ 6 Abs. 1) zu erteilen. Stellt sich nach dem Ablauf der festgesetzten Frist heraus, daß die aufgetragenen Arbeiten nicht durchführbar sind, so ist auf Antrag eines Mieters die Bewilligung der Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses zu widerrufen und der Vermieter zu verpflichten, die von den Mietern des Hauses auf Grund der widerrufenen Entscheidung entrichteten erhöhten Hauptmietzinse zuzüglich einer angemessenen Verzinsung binnen 14 Tagen bei Exekution zurückzuerstatten.

(3) Hat das Gericht (die Gemeinde, § 39) die Überprüfung der von den Mietern gegen die Hauptmietzinsabrechnung der vorausgegangenen zehn Kalenderjahre erhobenen Einwendungen vorbehalten (§ 18 Abs. 3) oder stellt sich während oder nach der Durchführung der aufgetragenen Erhaltungsarbeit heraus, daß sich die veranschlagten Kosten geändert haben und daß daher die zur Finanzierung des Deckungserfordernisses bewilligte Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses zur Deckung eines erhöhten Aufwands nicht ausreicht oder überhöht ist, so ist auf Antrag des Vermieters, des nach § 6 Abs. 2 bestellten Verwalters oder eines Hauptmieters der zur Tilgung des Deckungserfordernisses notwendige erhöhte Hauptmietzins neu zu berechnen und für die restliche Dauer des Verteilungszeitraums dementsprechend zu erhöhen oder zu senken.

Hauptmietzinsabrechnung

§ 20. (1) Der Vermieter hat in übersichtlicher Form eine Abrechnung über die Einnahmen und Ausgaben eines jeden Kalenderjahres zu legen.

1.

Die Abrechnung hat als Einnahmen auszuweisen:

a)

die dem Vermieter für die vermieteten Mietgegenstände des Hauses als Hauptmietzins (erhöhter Hauptmietzins) entrichteten Beträge;

b)

für Objekte des Hauses, die der Vermieter benützt (Anm.: richtig: benützt,) je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat:

aa)

den jeweiligen Richtwert (§§ 3, 5 und 6 RichtWG), wenn es sich um eine Wohnung der Ausstattungskategorie A oder um eine Geschäftsräumlichkeit handelt; sofern aber bei Geschäftsräumlichkeiten erwiesen wird, daß dieser Betrag den für die Geschäftsräumlichkeit nach § 16 Abs. 1 angemessenen monatliche Hauptmietzins übersteigt, der nach § 16 Abs. 1 angemessene Hauptmietzins,

bb)

75 vH des jeweiligen Richtwerts, wenn es sich um eine Wohnung der Ausstattungskategorie B handelt,

cc)

50 vH des jeweiligen Richtwerts, wenn es sich um eine Wohnung der Ausstattungskategorie C handelt und

dd)

0,66 Euro (Anm. 1) valorisiert entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 6, wenn es sich um eine Wohnung der Ausstattungskategorie D handelt;

c)

für Objekte des Hauses, die ein Wohnungseigentümer benützt oder vermietet, die Kategoriebeträge gemäß § 15a Abs. 3 je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat;

d)

für die Objekte des Hauses, die der Vermieter trotz ihrer Vermietbarkeit mehr als sechs Monate leerstehen ließ, das Eineinhalbfache des jeweils nach lit. b anzusetzenden Betrages je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat; die sechsmonatige Frist erhöht sich um ein Jahr, wenn der Vermieter zur Anhebung des Standards eines Mietgegenstands nützliche Verbesserungen (§§ 4 oder 5 Abs. 1) durchführen ließ;

e)

25 vH der vom Vermieter aus der Vermietung oder Überlassung von Dach- oder Fassadenflächen des Hauses zu Werbezwecken erzielten Einnahmen;

f)

die Zuschüsse, die dem Vermieter aus Anlaß der Durchführung einer Erhaltungs- oder nützlichen Verbesserungsarbeit gewährt wurden;

g)

die im § 27 Abs. 4 genannten Beträge.

2.

In der Abrechnung dürfen als Ausgaben ausgewiesen werden:

a)

die Beträge, die aufgewendet wurden, um die durch Rechnungen und Zahlungsbelege (Quittungen) belegten Kosten der zur ordnungsgemäßen Erhaltung (§ 3) oder nützlichen Verbesserung (§§ 4, 5) des Hauses durchgeführten Arbeiten zu decken;

b)

20 vH von den durch Rechnungen und Zahlungsbelege (Quittungen) belegten Kosten der Arbeiten, die der Vermieter in Kalenderjahren, in denen von den Hauptmietern des Hauses kein gemäß § 18 Abs. 2 oder 3 erhöhter Hauptmietzins eingehoben wird, zur ordnungsgemäßen Erhaltung (§ 3) oder nützlichen Verbesserung (§§ 4, 5) des Hauses aufgewendet hat;

c)

die Beträge, die vom Vermieter für die mit dem Eigentum des Hauses verbundene Vermögensteuer samt Zuschlägen entrichtet wurden;

d)

die zur Tilgung und Verzinsung eines Förderungsdarlehens des Bundes, eines Landes oder eines öffentlich-rechtlichen Fonds oder eines von diesem geförderten Darlehens (Kredites) erforderlichen Beträge, soweit sich das Darlehen (der Kredit) nicht ausschließlich auf vom Vermieter benützte oder trotz ihrer Vermietbarkeit leerstehende Objekte beziehen;

e)

die in § 10 Abs. 6 dritter Satz genannten Beträge;

f)

die Beträge, die der Vermieter für die Erstellung eines Energieausweises nach § 2 Z 3 EAVG für das gesamte Gebäude aufgewendet hat;

g)

sofern der Vermieter in dem Kalenderjahr keine nach §§ 18 ff. erhöhten Hauptmietzinse vereinnahmt hat, vom Überschuss der Einnahmen (Z 1) über die Ausgaben (lit. a bis f) 35 vH bei Einkommensteuerpflicht oder 25 vH bei Körperschaftsteuerpflicht des Vermieters.

___________________________

(Anm. 1: gemäß BGBl. II Nr. 295/2008 ab 1.9.2008: 0,77 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 218/2011 ab 1.8.2011: 0,81 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 62/2014 ab 1.4.2014: 0,86 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 10/2018 ab 1.2.2018: 0,90 Euro)

(2) Der Unterschiedsbetrag, der sich aus der Gegenüberstellung der so ausgewiesenen Einnahmen und Ausgaben eines Kalenderjahres errechnet, ist die Mietzinsreserve oder der Mietzinsabgang des Kalenderjahres.

(3) Der Vermieter ist verpflichtet, spätestens zum 30. Juni eines jeden Kalenderjahres die Abrechnung über das vorausgegangene Kalenderjahr an einer geeigneten Stelle im Haus zur Einsicht durch die Hauptmieter aufzulegen und den Hauptmietern in geeigneter Weise Einsicht in die Belege – bei Belegen auf Datenträgern Einsicht in Ausdrucke der Belege – zu gewähren. Auf Verlangen eines Hauptmieters sind von der Abrechnung und (oder) den Belegen auf seine Kosten Abschriften (Ablichtungen, weitere Ausdrucke) anfertigen zu lassen.

(4) Kommt der Vermieter der in den Abs. 1 und 3 ausgesprochenen Verpflichtung zur Abrechnung und Einsichtgewährung nicht nach, so ist er auf Antrag eines Hauptmieters vom Gericht (der Gemeinde, § 39) dazu zu verhalten. Weigert er sich auch bei der mündlichen Verhandlung vor Gericht (der Gemeinde), die Mietzinsabrechnung zu legen oder die Einsicht in die Belege zu gewähren, oder erscheint er zur Verhandlung nicht, so hat das Gericht (die Gemeinde) auf Antrag eines Hauptmieters dem Vermieter unter Androhung einer Ordnungsstrafe bis zu 2 000 Euro aufzutragen, binnen einer angemessenen, 14 Tage nicht übersteigenden Frist die Abrechnung zu legen und (oder) die Einsicht in die Belege zu gewähren. Die Ordnungsstrafe ist zu verhängen, wenn dem Auftrag ungerechtfertigterweise nicht entsprochen wird; sie kann auch wiederholt verhängt werden.

(5) Wenn der Vermieter die Kosten für die Erstellung eines Energieausweises unter den Ausgaben nach Abs. 1 Z 2 verrechnet, hat er jedem Hauptmieter auf dessen Verlangen Einsicht in den Energieausweis zu gewähren und ihm gegen Ersatz der Kopierkosten eine Ablichtung desselben zur Verfügung zu stellen.

Betriebskosten und laufende öffentliche Abgaben

§ 21. (1) Als Betriebskosten gelten die vom Vermieter aufgewendeten Kosten für

1.

die Versorgung des Hauses mit Wasser aus einer öffentlichen Wasserleitung (Wassergebühren und Kosten, die durch die nach den Lieferbedingungen gebotenen Überprüfungen der Wasserleitungen erwachsen) oder die Erhaltung der bestehenden Wasserversorgung aus einem Hausbrunnen oder einer nicht öffentlichen Wasserleitung;

1a.

die Eichung, Wartung und Ablesung von Meßvorrichtungen zur Verbrauchsermittlung im Sinn des § 17 Abs. 1a;

2.

die auf Grund der Kehrordnung regelmäßig durchzuführende Rauchfangkehrung, die Kanalräumung, die Unratabfuhr und die Schädlingsbekämpfung;

3.

die entsprechende Beleuchtung der allgemein zugänglichen Teile des Hauses, erforderlichenfalls auch des Hofraums und des Durchgangs zu einem Hinterhaus;

4.

die angemessene Versicherung des Hauses gegen Brandschaden (Feuerversicherung), sofern und soweit die Versicherungssumme dem Betrag entspricht, der im Schadenfall zur Wiederherstellung (§ 7) ausreicht; bestehen für solche Versicherungen besondere Versicherungsbedingungen, die im Schadenfall den Einwand der Unterversicherung des Versicherers ausschließen, so sind die entsprechend solchen Versicherungsbedingungen ermittelten Versicherungswerte als angemessen anzusehen;

5.

die angemessene Versicherung des Hauses gegen die gesetzliche Haftpflicht des Hauseigentümers (Haftpflichtversicherung) und gegen Leitungswasserschäden einschließlich Korrosionsschäden;

6.

die angemessene Versicherung des Hauses gegen andere Schäden, wie besonders gegen Glasbruch hinsichtlich der Verglasung der der allgemeinen Benützung dienenden Räume des Hauses einschließlich aller Außenfenster oder gegen Sturmschäden, wenn und soweit die Mehrheit der Hauptmieter - diese berechnet nach der Anzahl der vermieteten Mietgegenstände - des Hauses dem Abschluß, der Erneuerung oder der Änderung des Versicherungsvertrags zugestimmt haben;

7.

die im § 22 bestimmten Auslagen für die Verwaltung;

8.

die im § 23 bestimmten angemessenen Aufwendungen für die Hausbetreuung.

(2) Die anteilig anrechenbaren öffentlichen Abgaben sind die von der Liegenschaft, auf die sich der Mietvertrag bezieht, zu entrichtenden laufenden öffentlichen Abgaben mit Ausnahme solcher, die nach landesgesetzlichen Bestimmungen auf die Mieter nicht überwälzt werden dürfen.

(3) Der Vermieter darf zur Deckung der im Lauf eines Kalenderjahres fällig werdenden Betriebskosten und öffentlichen Abgaben zu jedem Zinstermin einen gleichbleibenden Teilbetrag zur Anrechnung bringen (Jahrespauschalverrechnung), der vom Gesamtbetrag der Betriebskosten und der öffentlichen Abgaben des vorausgegangenen Kalenderjahres zu errechnen ist und im Fall einer zwischenzeitlichen Erhöhung von Betriebskosten oder den öffentlichen Abgaben um höchstens 10 vH überschritten werden darf. Der Vermieter hat die im Lauf des Kalenderjahres fällig gewordenen Betriebskosten und öffentlichen Abgaben spätestens zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres abzurechnen; er hat die Abrechnung an einer geeigneten Stelle im Haus zur Einsicht durch die Hauptmieter aufzulegen und den Hauptmietern in geeigneter Weise Einsicht in die Belege - bei Belegen auf Datenträgern Einsicht in Ausdrucke der Belege - zu gewähren. Auf Verlangen eines Hauptmieters sind von der Abrechnung und (oder) den Belegen auf seine Kosten Abschriften (Ablichtungen, weitere Ausdrucke) anfertigen zu lassen. In den Fällen einer Jahrespauschalverrechnung beginnt die einjährige Frist zur Geltendmachung der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die Betriebskosten und öffentlichen Abgaben gegenüber dem Vermieter fällig geworden sind. Ergibt sich aus der Abrechnung ein Überschuß zugunsten der Hauptmieter, so ist der Überschußbetrag zum übernächsten Zinstermin zurückzuerstatten. Ergibt sich aus der Abrechnung ein Fehlbetrag zu Lasten der Hauptmieter, so haben die Hauptmieter den Fehlbetrag zum übernächsten Zinstermin zu entrichten.

(4) Macht der Vermieter von der Jahrespauschalverrechnung nach Abs. 3 nicht Gebrauch, so hat der Mieter den auf seinen Mietgegenstand entfallenden Anteil an den Betriebskosten und den laufenden öffentlichen Abgaben an den Vermieter am 1. eines jeden Kalendermonats zu entrichten, wenn ihm dessen Höhe vorher unter Vorlage der Rechnungsbelege nachgewiesen wird; dabei kann der Vermieter jeweils die Betriebskosten und Abgaben in Anschlag bringen, die spätestens am genannten Tag fällig werden. In jedem dieser Fälle sind die Betriebskosten und Abgaben nur zu entrichten, wenn dem Mieter deren Höhe wenigstens drei Tage vorher unter Vorlage der Rechnungsbelege nachgewiesen wird. Betriebskosten und Abgaben,deren Fälligkeit vor mehr als einem Jahr eingetreten ist, können nicht mehr geltend gemacht werden.

(5) Kommt der Vermieter der im Abs. 3 ausgesprochenen Verpflichtung zur Legung der Abrechnung und Einsichtgewährung in die Belege nicht nach, so gilt § 20 Abs. 4.

(6) Der Bundesminister für Justiz kann durch Verordnung ÖNORMEN bezeichnen, die in besonderem Maß geeignet sind, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Abrechnung nach § 21 Abs. 3 festzustellen.

Auslagen für die Verwaltung

§ 22. Zur Deckung der Auslagen für die Verwaltung des Hauses einschließlich der Auslagen für Drucksorten, Buchungsgebühren u. dgl. darf der Vermieter je Kalenderjahr und Quadratmeter der Nutzfläche des Hauses den nach § 15a Abs. 3 Z 1 jeweils geltenden Betrag anrechnen, der auf zwölf gleiche Monatsbeträge zu verteilen ist.

Aufwendungen für die Hausbetreuung

§ 23. (1) Die Hausbetreuung umfaßt die Reinhaltung und Wartung jener Räume des Hauses, die von allen oder mehreren Hausbewohnern benützt werden können, solcher Flächen und Anlagen der Liegenschaft und der in die Betreuungspflicht des Liegenschaftseigentümers fallenden Gehsteige einschließlich der Schneeräumung sowie die Beaufsichtigung des Hauses und der Liegenschaft.

(2) Aufwendungen für die Hausbetreuung sind, soweit diese

a)

durch einen Dienstnehmer des Vermieters erfolgt, das diesem gebührende angemessene Entgelt zuzüglich des Dienstgeberanteils des Sozialversicherungsbeitrags und der sonstigen durch Gesetz bestimmten Belastungen oder Abgaben sowie die Kosten der erforderlichen Gerätschaften und Materialien,

b)

durch einen vom Vermieter bestellten Werkunternehmer erfolgt, der angemessene Werklohn,

c)

durch den Vermieter selbst erfolgt, der Betrag nach lit. a.

Anteil an besonderen Aufwendungen

§ 24. (1) Ist der Hauptmieter eines Mietgegenstandes auf Grund des Mietvertrags oder einer anderen Vereinbarung berechtigt, eine der gemeinsamen Benützung der Bewohner dienende Anlage des Hauses, wie einen Personenaufzug, eine gemeinsame Wärmeversorgungsanlage oder eine zentrale Waschküche zu benützen, so bestimmt sich sein Anteil an den Gesamtkosten des Betriebes dieser Anlage - soweit nicht das Heizkostenabrechnungsgesetz anzuwenden ist - nach den Grundsätzen des § 17.

(2) Zu den besonderen Aufwendungen im Sinn des Abs. 1 zählen auch die Kosten für die Betreuung von Grünanlagen sowie für den Betrieb von sonstigen Gemeinschaftsanlagen, die allen Mietern zur Verfügung stehen.

(2a) Können bei Gemeinschaftsanlagen die Energiekosten den Benützern zugeordnet werden, so dürfen diese Energiekosten in pauschalierter Form (zum Beispiel durch Münzautomaten) von den Benützern eingehoben werden. Diese Entgelte sind in der Abrechnung als Einnahmen auszuweisen.

(3) Im übrigen gilt § 21 Abs. 3 bis 5 sinngemäß.

Entgelt für mitvermietete Einrichtungsgegenstände oder sonstige Leistungen

§ 25. Stellt der Vermieter dem Hauptmieter eines Mietgegenstandes Einrichtungsgegenstände bei oder verpflichtet er sich auch zu anderen Leistungen, so darf hiefür nur ein angemessenes Entgelt vereinbart werden.

Untermietzins

§ 26. (1) Wird der Mietgegenstand zur Gänze untervermietet, darf der Untermietzins, abgesehen von der Überwälzung der Mietzinsbestandteile gemäß § 15 Abs. 1 Z 2 bis 4 und der Umsatzsteuer, den vom Untervermieter zulässigerweise zu entrichtenden Hauptmietzins um nicht mehr als 50 vH übersteigen. Darüber hinaus sind jedoch bei der Bestimmung des vom Untermieter zulässigerweise zu entrichtenden Mietzinses die vom Untervermieter getätigten Aufwendungen zur Verbesserung des Mietgegenstandes angemessen zu berücksichtigen, soweit sie für den Untermieter von objektivem Nutzen sind. § 25 gilt für das Verhältnis zwischen Untervermieter und Untermieter sinngemäß.

(2) Bei nur teilweiser Untervermietung des Mietgegenstandes darf der Untermietzins einen dem untervermieteten Teil entsprechenden angemessenen Betrag im Sinne des Abs. 1 nicht übersteigen.

(3) Im Fall eines befristeten Untermietvertrags (§ 29 Abs. 1 Z 3) vermindert sich der nach Abs. 1 und 2 höchstzulässige Untermietzins - mit Ausnahme der überwälzten Mietzinsbestandteile gemäß § 15 Abs. 1 Z 2 und 3 - um 25 vH. Wird der befristete Untermietvertrag in einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit umgewandelt, so gilt die Verminderung des höchstzulässigen Untermietzinses ab dem Zeitpunkt der Umwandlung nicht mehr, sofern sie im Untermietvertrag ziffernmäßig durch Gegenüberstellung des für ein unbefristetes Mietverhältnis zulässigen und des tatsächlich vereinbarten Untermietzinses schriftlich ausgewiesen wurde.

(4) Vereinbarungen über den Untermietzins sind insoweit unwirksam, als der vereinbarte Untermietzins den nach Abs. 1 bis 3 zulässigen Höchstbetrag überschreitet. Die Unwirksamkeit ist binnen drei Jahren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen. Bei befristeten Untermietverträgen endet diese Frist frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis; die Verjährungsfrist beträgt in diesem Fall zehn Jahre.

Verbotene Vereinbarungen und Strafbestimmungen

§ 27. (1) Ungültig und verboten sind

1.

Vereinbarungen, wonach der neue Mieter dafür, daß der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgibt oder sonst ohne gleichwertige Gegenleistung dem Vermieter, dem früheren Mieter oder einem anderen etwas zu leisten hat; unter dieses Verbot fallen aber nicht die Verpflichtung zum Ersatz der tatsächlichen Übersiedlungskosten oder zum Rückersatz des Aufwandes, den der Vermieter dem bisherigen Mieter nach § 10 zu ersetzen hat;

2.

Vereinbarungen, wonach der Mieter für den Verzicht des Vermieters auf die Geltendmachung eines Kündigungsgrundes dem Vermieter oder einem anderen etwas zu leisten hat;

3.

Vereinbarungen, wonach für die Vermittlung einer Miete ein offenbar übermäßiges Entgelt zu leisten ist;

4.

Vereinbarungen, wonach von demjenigen, der Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten im Hause durchführt, dem Vermieter, dem Verwalter, einem Mieter oder einer dritten Person, die von einer dieser Personen bestimmt wurde, ein Entgelt für die Erteilung oder Vermittlung des Auftrages zur Vornahme der Arbeiten zu leisten ist;

5.

Vereinbarungen, wonach der Vermieter oder der frühere Mieter sich oder einem anderen gegen die guten Sitten Leistungen versprechen läßt, die mit dem Mietvertrag in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen.

(2) Unter die Verbote des Abs. 1 fallen nicht

a)

Beträge, die nach § 14 Abs. 1 oder § 17 WGG geleistet werden;

b)

Beträge, die bei Abschluß des Mietvertrages vom Mieter für den Verzicht des Vermieters auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 4 und 6 gezahlt werden, sofern die konkreten Umstände, die für den Mieter schon damals den Abschluß des Mietvertrages ohne einen solchen Verzicht sinnlos gemacht hätten, nachgewiesen werden und der für den Verzicht gezahlte Betrag den Hauptmietzins für 10 Jahre nicht übersteigt.

(3) Was entgegen den Bestimmungen der §§ 15 bis 26 oder den Bestimmungen des Abs. 1 geleistet wird, kann samt gesetzlichen Zinsen zurückgefordert werden. Auf diesen Rückforderungsanspruch kann im voraus nicht rechtswirksam verzichtet werden. Der Anspruch auf Rückforderung der entgegen den Bestimmungen der §§ 15 bis 26 vereinnahmten Leistungen verjährt in drei Jahren; der Anspruch auf Rückforderung der entgegen den Bestimmungen des Abs. 1 vereinnahmten Leistungen verjährt in zehn Jahren. Die Verjährung des Rückforderungsanspruchs ist gehemmt, solange bei Gericht (bei der Gemeinde, § 39) ein Verfahren über die Höhe des Mietzinses anhängig ist.

(4) Ungeachtet einer Rückforderung nach Abs. 3 hat der Vermieter die entgegen den Regelungen des Abs. 1 an ihn geleisteten Beträge als Einnahmen im Sinn des § 20 Abs. 1 Z 1 lit. g auszuweisen.

(5) Wer für sich oder einen anderen Leistungen entgegennimmt oder sich versprechen läßt, die mit den Vorschriften des Abs. 1 im Widerspruch stehen, in den Fällen des Abs. 1 Z 4 auch wer eine solche Leistung erbringt oder verspricht, begeht, sofern die Tat nicht nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 15 000 Euro zu bestrafen. Die Geldstrafe ist unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit so zu bemessen, daß sie den Wert der nach Abs. 1 unzulässig vereinbarten Leistung, ist aber der Täter bereits zweimal wegen einer solchen Verwaltungsübertretung bestraft worden, das Zweifache dieses Wertes übersteigt; reicht das gesetzliche Höchstmaß nicht aus, so kann dieses um die Hälfte überschritten werden. Bei der Strafbemessung ist eine den Täter nach Abs. 4 treffende Ausweisungspflicht mildernd zu berücksichtigen. Würde eine so bemessene Geldstrafe zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Täters führen, so kann auch eine niedrigere Geldstrafe ausgesprochen werden, als es dem Wert oder zweifachen Wert der unzulässig vereinbarten Leistung entspräche. Die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe darf sechs Wochen nicht übersteigen.

(6) Ein Vermieter oder ein von diesem mit der Vermietung oder Verwaltung des Mietgegenstands Beauftragter, der dem Vermieter mit vollstreckbarer Entscheidung aufgetragene Erhaltungsarbeiten (§ 6 Abs. 1) nicht oder nur mit ungerechtfertigter Verzögerung durchführt oder durchführen läßt und dadurch den Mieter erheblich und nachhaltig im Gebrauch des Mietgegenstands beeinträchtigt, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(7) Ebenso ist ein Vermieter oder ein von diesem Beauftragter zu bestrafen, der - ungeachtet einer vollstreckbaren Entscheidung auf Unterlassung - eine der in § 8 Abs. 2 festgelegten Duldungspflichten des Hauptmieters in schikanöser und exzessiver Weise mißbraucht.

Anrechnung von Dienstleistungen auf den Hauptmietzins

§ 28. Besteht der vereinbarte Hauptmietzins ganz oder teilweise in Dienstleistungen des Hauptmieters, so kann der Hauptmieter verlangen, daß der Wert der Dienstleistungen in der Höhe veranschlagt werde, die dem jeweiligen ortsüblichen Entgelt für Dienstleistungen solcher Art entspricht. Ergibt sich dadurch für die Dienstleistungen des Hauptmieters ein erheblich höherer Betrag als der nach diesem Bundesgesetz zulässige Mietzins, so hat der Vermieter dem Hauptmieter für die Dienstleistungen das angemessene Entgelt zu bezahlen. Der Vermieter kann aber seinerseits vom Hauptmieter statt der Dienstleistungen die Entrichtung des nach diesem Bundesgesetz zulässigen Mietzinses in barem begehren; das gleiche gilt, wenn zwar das Dienstverhältnis, nicht aber das Hauptmietverhältnis beendet wird.

Auflösung und Erneuerung des Mietvertrages; Zurückstellung des Mietgegenstandes

§ 29. (1) Der Mietvertrag wird aufgelöst

1.

durch Aufkündigung,

2.

durch den Untergang des Mietgegenstandes, wenn und soweit eine Pflicht zur Wiederherstellung (§ 7) nicht besteht,

3.

durch Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer, jedoch nur wenn

a)

im Haupt- oder Untermietvertrag schriftlich vereinbart wurde, dass er durch den Ablauf der bedungenen Zeit erlischt, und

b)

bei Wohnungen die ursprünglich vereinbarte Vertragsdauer oder die Verlängerung der Vertragsdauer (Abs. 4) jeweils mindestens drei Jahre beträgt,

3a.

durch Ablauf des dreijährigen Erneuerungszeitraums im Fall des Abs. 3 lit. b erster Satz,

4.

wenn der Mieter vom Vertrag vor dem Ablauf der bedungenen Zeit aus den Gründen des § 1117 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs absteht,

5.

wenn der Vermieter wegen erheblich nachteiligen Gebrauches des Mietgegenstandes oder wegen Säumnis bei der Bezahlung des Mietzinses nach § 1118 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs die frühere Aufhebung des Vertrages fordert.

(2) Im Fall eines nach Abs. 1 Z 3 befristeten Haupt- oder Untermietvertrags über eine Wohnung hat der Mieter nach Ablauf eines Jahres der ursprünglich vereinbarten oder verlängerten Dauer des Mietverhältnisses das unverzichtbare und unbeschränkbare Recht, den Mietvertrag vor Ablauf der bedungenen Zeit jeweils zum Monatsletzten gerichtlich oder schriftlich unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu kündigen.

(3) a) Mietverträge auf bestimmte Zeit, deren Ablauf wegen eines Verstoßes gegen die Regelungen des Abs. 1 Z 3 oder des Abs. 4 nicht durchgesetzt werden kann, gelten als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen oder erneuert.

b) Mietverträge auf bestimmte Zeit, die nach Ablauf der wirksam vereinbarten oder verlängerten Vertragsdauer weder vertraglich verlängert noch aufgelöst werden, gelten einmalig als auf drei Jahre erneuert; der Mieter hat jedoch jederzeit das unverzichtbare und unbeschränkbare Recht, den erneuerten Mietvertrag jeweils zum Monatsletzten gerichtlich oder schriftlich unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu kündigen. Wird der Mietvertrag nach Ablauf dieser drei Jahre ein weiteres Mal nicht aufgelöst, gilt er als auf unbestimmte Zeit erneuert.

(4) Nach Abs. 1 Z 3 befristete Mietverträge können schriftlich beliebig oft um jede - bei Wohnungen jedoch drei Jahre jeweils nicht unterschreitende - Vertragsdauer erneuert werden. Nach Abs. 3 lit. b erster Satz befristete Mietverträge können schriftlich – bei Wohnungen um mindestens drei Jahre – erneuert werden.

(4a) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 36/2000)

(4b) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 36/2000)

(4c) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 36/2000)

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 22/1997)

(6) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 22/1997)

Kündigungsbeschränkungen

§ 30. (1) Der Vermieter kann nur aus wichtigen Gründen den Mietvertrag kündigen.

(2) Als ein wichtiger Grund ist es insbesondere anzusehen, wenn

1.

der Mieter trotz einer nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgten Mahnung mit der Bezahlung des Mietzinses über die übliche oder ihm bisher zugestandene Frist hinaus, mindestens aber acht Tage im Rückstand ist;

2.

der Mieter, dessen vereinbarter Mietzins ganz oder teilweise in eigenen Dienstleistungen besteht, die bedungenen Dienste vertragswidrig verweigert;

3.

der Mieter vom Mietgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch macht, namentlich den Mietgegenstand in arger Weise vernachlässigt oder durch sein rücksichtsloses, anstößiges oder sonst grob ungehöriges Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenwohnen verleidet oder sich gegenüber dem Vermieter oder einer im Haus wohnenden Person einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen das Eigentum, die Sittlichkeit oder die körperliche Sicherheit schuldig macht, sofern es sich nicht um Fälle handelt, die nach den Umständen als geringfügig zu bezeichnen sind; dem Verhalten des Mieters steht, soweit er es unterließ, die ihm mögliche Abhilfe zu schaffen, das Verhalten seines Ehegatten und der anderen mit ihm zusammenwohnenden Familienangehörigen sowie der von ihm sonst in die gemieteten Räume aufgenommenen Personen gleich;

4.

der Mieter den Mietgegenstand mit oder ohne Beistellung von Einrichtungsgegenständen ganz weitergegeben hat und ihn offenbar in naher Zeit nicht für sich oder die eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs. 3) dringend benötigt oder, wenngleich auch nur teilweise, durch Überlassung an einen Dritten gegen eine im Vergleich zu dem von ihm zu entrichtenden Mietzins und etwaigen eigenen Leistungen an den Dritten unverhältnismäßig hohe Gegenleistung verwertet. Die teilweise Weitergabe einer Wohnung kommt einer gänzlichen Weitergabe gleich, wenn die nicht weitergegebenen Teile der Wohnung nicht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen regelmäßig verwendet werden;

5.

die vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen (§ 14 Abs. 3) dienen;

6.

die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs. 3) regelmäßig verwendet wird, es sei denn, daß der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist;

7.

die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden, es sei denn, daß der Mieter nur vorübergehend wegen Urlaubs, Krankheit oder Kuraufenthalts abwesend ist;

8.

der Vermieter die gemieteten Wohnräume für sich selbst oder für Verwandte in absteigender Linie dringend benötigt und ihm oder der Person, für die der Mietgegenstand benötigt wird, aus der Aufrechterhaltung des Mietvertrags ein unverhältnismäßig größerer Nachteil erwüchse als dem Mieter aus der Kündigung; die Abwägung der beiderseitigen Interessen entfällt, wenn es sich um eine vom Wohnungseigentümer nach Wohnungseigentumsbegründung vermietete Eigentumswohnung handelt;

9.

der Vermieter den Mietgegenstand für sich selbst oder für Verwandte in gerader Linie dringend benötigt und dem Mieter Ersatz beschaffen wird;

10.

der Vermieter den Mietgegenstand, der schon vor der Kündigung zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten des eigenen Betriebes bestimmt war, für diesen Zweck dringend benötigt;

11.

ein dem Bund, einem Bundesland oder einer Gemeinde gehöriger Mietgegenstand auf eine Art verwendet werden soll, die in höherem Maß den Interessen der Verwaltung dient als die gegenwärtige Verwendung, und dem Mieter Ersatz beschafft wird;

12.

bei Untermietverhältnissen durch die Fortsetzung der Untermiete wichtige Interessen des Untervermieters verletzt würden, namentlich wenn der Untervermieter den Mietgegenstand für sich selbst oder für nahe Angehörige dringend benötigt oder wenn ihm nach den Umständen die Aufrechterhaltung der Wohnungsgemeinschaft mit dem Untermieter billigerweise nicht zugemutet werden kann;

13.

ein im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand eintritt, der in bezug auf die Kündigung oder die Auflösung des Mietverhältnisses für den Vermieter (Untervermieter), für seine nahen Angehörigen (§ 14 Abs. 3) oder für das Unternehmen, für das der Vermieter (Untervermieter) allein oder in Gemeinschaft mit anderen Personen vertretungsbefugt ist, als wichtig und bedeutsam anzusehen ist;

14.

die ordnungsgemäße Erhaltung des Miethauses, in dem sich der Mietgegenstand befindet, aus den Hauptmietzinsen einschließlich der zur Deckung eines erhöhten Erhaltungsaufwandes zulässigen erhöhten Hauptmietzinse weder derzeit, noch auf Dauer sichergestellt werden kann, die baubehördliche Bewilligung zur Abtragung des Miethauses erteilt worden ist und dem Mieter Ersatz beschafft wird;

15.

ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, daß selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter der geplante Neubau (Umbau) aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird;

16.

der Hauptmieter einer Wohnung der Ausstattungskategorie „D“ weder bereit ist, eine vom Vermieter im Sinn des § 4 Abs. 4 angebotene Standardverbesserung zuzulassen, noch die angebotene Standardverbesserung selbst durchzuführen, und dem Mieter Ersatz beschafft wird.

(3) Eine Vereinbarung, wonach dem Vermieter das Kündigungsrecht unbeschränkt oder in einem weiteren als dem vorstehend bestimmten Maß zustehen soll, ist rechtsunwirksam. Überdies kann der Vermieter, der das Miethaus durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, aus dem Grund des Abs. 2 Z 8 nur kündigen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Erwerbung und dem Kündigungstermin mindestens zehn Jahre liegen. Ein Miteigentümer kann die Kündigungsgründe des Abs. 2 Z 8 bis 11 überdies nur geltend machen, wenn er wenigstens Eigentümer zur Hälfte ist.

Teilkündigung

§ 31. (1) Benötigt der Vermieter oder ein Miteigentümer des Hauses, der wenigstens Eigentümer zur Hälfte ist, einzelne Teile eines Mietgegenstandes für sich oder für Verwandte in gerader Linie dringend, so kann er den Mietvertrag in Ansehung dieser Teile aufkündigen, wenn der restliche Teil des Mietgegenstandes abgesondert benutzbar ist oder ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten abgesondert benutzbar gemacht werden kann und zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Mieters und der schon bisher mit ihm im gemeinsamen Haushalt darin wohnenden eintrittsberechtigten Personen oder zur Besorgung seiner Geschäfte ausreicht. Die hiefür erforderlichen Kosten hat mangels anderweitiger Vereinbarung der Vermieter zu tragen.

(2) Im Rechtsstreit auf Grund von Einwendungen gegen eine Aufkündigung kann auf Antrag die Kündigung hinsichtlich einzelner Teile des ganz aufgekündigten Mietgegenstandes oder anderer als der vom Vermieter in Anspruch genommenen Teile als wirksam erkannt, hinsichtlich der übrigen aber aufgehoben werden, wenn der Kündigungsgrund nicht hinsichtlich des ganzen Mietgegenstandes gegeben ist und eine abgesonderte Benutzung der entstehenden Teile des Mietgegenstandes möglich ist oder ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten möglich gemacht werden kann. Die Bestimmung des Abs. 1 über die Kosten findet Anwendung.

(3) Wird eine Kündigung nur hinsichtlich eines Teiles des Mietgegenstandes als wirksam erkannt, so steht es dem Mieter frei zu erklären, daß er den Mietvertrag auch hinsichtlich des restlichen Teiles des Mietgegenstandes nicht fortsetzen will. Eine solche Erklärung ist, um rechtsgültig zu sein, ohne Verzug nach Rechtskraft des Urteils gegenüber dem Vermieter abzugeben; der Mietvertrag endet dann hinsichtlich des ganzen Mietgegenstandes an dem Tage, der sich für den wirksam gekündigten Teil aus dem Urteil ergibt. Muß der restliche Teil des Mietgegenstandes erst abgesondert benutzbar gemacht werden, so hat der Mieter dem Vermieter den diesem zugesprochenen Teil erst zu übergeben, wenn der ihm verbleibende Teil abgesondert benutzbar gemacht ist. Die erforderlichen Arbeiten hat der Mieter zu gestatten. Dies ist im Urteil auszusprechen

(4) In Fällen der in den vorhergehenden Absätzen bezeichneten Art hat der Mieter für den verbleibenden Teil des Mietgegenstandes einen Mietzins zu entrichten, der gegenüber dem bisher entrichteten Mietzins angemessen vermindert ist. Entsteht darüber Streit, so kann der Vermieter oder der Mieter bei Gericht den Antrag auf Entscheidung stellen.

(5) Die vorstehenden Bestimmungen gelten sinngemäß, wenn der Vermieter, der den Mietgegenstand mit Einrichtungsgegenständen vermietet hat, die Einrichtungsgegenstände oder einzelne von ihnen dringend benötigt, desgleichen für Nebenräume, wie Keller- oder Dachbodenräume, oder Nebenflächen, wie Terrassen, Hausgarten, Abstell- oder Ladeflächen, die mit einer Wohnung, einem Wohnraum oder einer sonstigen Räumlichkeit mitvermietet worden sind.

(6) Überdies kann auch der Mieter die Miete von mitgemieteten Nebenräumen oder Nebenflächen aufkündigen, wenn die aufgekündigten Nebenräume oder Nebenflächen abgesondert benutzbar sind oder ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten abgesondert benutzbar gemacht werden können. In diesen Fällen hat die für die Abtrennung erforderlichen Kosten mangels anderweitiger Vereinbarung der aufkündigende Mieter zu tragen.

Ersatzbeschaffung

§ 32. (1) Kündigt der Vermieter dem Mieter einen Mietgegenstand aus Gründen des § 30 Abs. 2 Z 9, 11, 14 bis 16 auf, so kann er sich in der Kündigung vorbehalten, die hiernach gebotenen Ersatzmietgegenstände erst im Zug des Verfahrens anzubieten. Erhebt der Mieter gegen diese Aufkündigung Einwendungen, so hat das Gericht vorab durch Zwischenurteil darüber zu entscheiden, ob der Kündigungsgrund - vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung - gegeben ist.

(2) Wird durch Zwischenurteil entschieden, daß der Kündigungsgrund gegeben ist, so hat der Vermieter binnen drei Monaten nach dem Eintritt der Rechtskraft des Zwischenurteils dem Mieter bei Geschäftsräumlichkeiten einen nach Lage und Beschaffenheit angemessenen, bei Wohnungen zwei entsprechende Wohnungen zur Auswahl mit Schriftsatz als Ersatz anzubieten. Eine Wohnung ist entsprechend, wenn sie dem Mieter nach der Größe, der Ausstattung, der Lage und der Höhe des Mietzinses unter Berücksichtigung seiner persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse zumutbar ist. Das gleiche gilt, wenn der Mieter gegen die Aufkündigung Einwendungen nicht erhebt oder ausdrücklich erklärt, gegen das Vorliegen des Kündigungsgrundes Einwendungen nicht zu erheben. Der Vermieter kann erst nach Ablauf von drei Monaten nach Zustellung des Anbots an den Mieter die Fortsetzung des Verfahrens beantragen. Bietet der Vermieter innerhalb der dreimonatigen Frist die Ersatzmietgegenstände nicht an oder entspricht der Ersatz nach Ansicht des Mieters nicht den Erfordernissen, so kann der Mieter die Fortsetzung des Verfahrens beantragen.

(3) Im Zug des fortgesetzten Verfahrens hat der Vermieter auf Begehren des Mieters überdies eine angemessene Entschädigung anzubieten. Kommt der Vermieter diesem Begehren nicht nach oder ist die Höhe der Entschädigung strittig, so hat das Gericht vor Schluß der Verhandlung die angemessene Entschädigung durch Beschluß festzusetzen und nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses über die Aufkündigung durch Endurteil zu entscheiden. Die Aufkündigung ist für rechtswirksam zu erklären, wenn der Mieter

1.

spätestens im Zug des Rechtsstreites erster Instanz das Anbot bezüglich einer der angebotenen Wohnungen, bezüglich des sonst angebotenen Ersatzmietgegenstandes oder bezüglich der angebotenen oder vom Gericht festgesetzten Entschädigung angenommen hat; im Urteil ist die Pflicht zur Räumung Zug um Zug gegen Leistung des angenommenen Ersatzmietgegenstandes oder der angenommenen Entschädigung und unter gegenseitiger Aufhebung der Verfahrenskosten auszusprechen, oder

2.

weder einen Ersatzmietgegenstand noch eine Entschädigung angenommen hat und sich erweist, daß das Anbot bezüglich einer der angebotenen Wohnungen oder bezüglich des sonst angebotenen Ersatzmietgegenstandes im Sinn des Abs. 2 angemessen oder entsprechend gewesen ist; in diesem Fall gebührt dem Mieter, unbeschadet seiner Pflicht zur Räumung, die angemessene Entschädigung.

(4) Eine Entschädigung ist angemessen, wenn sie die Kosten für die Beschaffung eines den Voraussetzungen des Abs. 2 angemessenen oder entsprechenden Ersatzmietgegenstandes deckt.

(5) Der Vermieter hat überdies dem Mieter nach der Räumung die für den Umzug in der Gemeinde erforderlichen Übersiedlungskosten zu ersetzten. Das gleiche gilt im Fall des Umzugs in eine angebotene Ersatzwohnung oder Geschäftsräumlichkeit, die außerhalb des Gemeindegebiets gelegen ist. Zieht der Betroffene in eine außerhalb des Gemeindegebiets gelegene Wohnung um, die nicht angeboten (Abs. 2) worden ist, so hat der Vermieter die Übersiedlungskosten in einer für den Umzug innerhalb der Gemeinde erforderlichen Höhe zu ersetzen. Dieser Anspruch auf Ersatz der Übersiedlungskosten besteht auch in den Fällen einer Kündigung aus den Gründen des § 30 Abs. 2 Z 8 oder in den Fällen einer Kündigung wegen Eigenbedarfs nach § 30 Abs. 2 Z 12.

Gerichtliche Kündigung

§ 33. (1) Mietverträge können vom Mieter gerichtlich oder schriftlich, vom Vermieter jedoch nur gerichtlich gekündigt werden. Geht dem Vermieter eine schriftliche Kündigung des Mieters erst nach Beginn der für den darin genannten Kündigungstermin einzuhaltenden Kündigungsfrist zu, so ist sie für den ersten späteren Kündigungstermin wirksam, für den die Frist zu diesem Zeitpunkt noch offen war; für die gerichtliche Kündigung des Mieters sowie für die Kündigung des Vermieters gilt § 563 ZPO. Der Vermieter hat in der Kündigung die Kündigungsgründe kurz anzuführen; andere Kündigungsgründe kann er in diesem Verfahren nicht mehr geltend machen. Werden gegen die Kündigung Einwendungen erhoben, so hat der Vermieter nachzuweisen, daß der von ihm geltend gemachte Kündigungsgrund gegeben ist. Gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung von Einwendungen ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den Bestimmungen der §§ 146 ff. ZPO zulässig.

(2) Wenn ein Mieter, dem aus dem Grund des § 30 Abs. 2 Z 1 gekündigt wurde und den an dem Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft, vor Schluß der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung den geschuldeten Betrag entrichtet, so ist die Kündigung aufzuheben; der Mieter hat jedoch dem Vermieter die Kosten zu ersetzen, soweit ihn ohne seine Zahlung eine Kostenersatzpflicht getroffen hätte. Ist die Höhe des geschuldeten Betrages strittig, so hat das Gericht vor Schluß der Verhandlung darüber durch Beschluß zu entscheiden.

(3) Abs. 2 gilt sinngemäß, wenn in einem Verfahren über eine Kündigung nach § 30 Abs. 2 Z 16 der Mieter sich vor Schluß der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung mit der Standardverbesserung einverstanden erklärt, sowie in Rechtsstreitigkeiten wegen Aufhebung der Miete und Räumung des Mietgegenstandes, wenn der Klagsanspruch darauf gegründet ist, daß der Mieter nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Mietzinses dergestalt säumig war, daß er mit dem Ablauf des Termines den rückständigen Mietzins nicht vollständig entrichtet hatte (§ 1118 ABGB).

Benachrichtigung der Gemeinde

§ 33a. Sobald gegen einen Mieter ein auf die Erwirkung eines Exekutionstitels auf Räumung von Wohnräumen abzielendes Verfahren eingeleitet oder mit einem Mieter von Wohnräumen ein Räumungsvergleich abgeschlossen wird, hat das Gericht davon die Gemeinde zu benachrichtigen, sofern sich der Mieter nicht gegen diese Benachrichtigung ausspricht; das Gericht hat dem Mieter Gelegenheit zu einer solchen Ablehnung zu geben. Die Gemeinde kann soziale Institutionen, die Hilfeleistungen bei drohendem Wohnungsverlust oder Obdachlosigkeit erbringen, von der Verfahrenseinleitung oder dem Vergleichsabschluß informieren.

Verlängerung der Räumungsfrist im Urteil

§ 34. (1) Das Gericht kann in Rechtssachen über die Kündigung oder Räumung gemieteter Wohnräume auf Antrag im Urteil eine längere als die gesetzliche Räumungsfrist festsetzen, wenn der Mieter wichtige Gründe dafür geltend macht und dem Vermieter aus der Verzögerung der Räumung kein unverhältnismäßiger Nachteil erwächst. Die Verlängerung darf nicht mehr als neun Monate betragen. Eine solche Entscheidung kann ohne gleichzeitige Anfechtung der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung nur mit Rekurs angefochten werden; gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz findet kein Rechtsmittel statt.

(2) Während der Dauer der verlängerten Räumungsfrist bleiben, unbeschadet gegenteiliger Vereinbarung und einer nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zulässigen Erhöhung des Mietzinses, die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis so wie bisher aufrecht.

(3) Hat der Mieter selbst den Mietgegenstand gekündigt, sind die Abs. 1 und 2 nicht anzuwenden.

(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 36/2000)

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 36/2000)

Räumungsschutz des Scheinuntermieters

§ 34a. (1) Mit der Räumung ist innezuhalten, wenn den zu räumenden Mietgegenstand ein Mieter nutzt, der glaubhaft macht, daß die Räumungsexekution zur Umgehung der Ansprüche des Mieters nach § 2 Abs. 3 auf Anerkennung als Hauptmieter vollzogen werden soll. Dies ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn der betreibende Gläubiger nachweist, daß er den Mieter gemäß § 2 Abs. 2 vor Entstehung des der Räumung zugrunde liegenden Exekutionstitels von der Endigung des Hauptmietverhältnisses schriftlich verständigt hat.

(2) Die Aufschiebung (Hemmung) der Exekution kann auf Antrag angeordnet werden, wenn ein Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter nach § 2 Abs. 3 gestellt und glaubhaft gemacht ist, daß die Räumungsexekution zur Umgehung der Ansprüche des Mieters nach § 2 Abs. 3 auf Anerkennung als Hauptmieter vollzogen werden soll. Im übrigen gelten die Bestimmungen der Exekutionsordnung über die Aufschiebung der Exekution; § 44 Abs. 2 Z 3 EO ist nicht anzuwenden.

(3) Die Exekution ist auf Antrag unter gleichzeitiger Aufhebung aller bis dahin vollzogenen Exekutionsakte einzustellen, wenn der in Abs. 1 angeführte Mieter rechtskräftig als Hauptmieter im Sinne des § 2 Abs. 3 anerkannt ist.

Außerkrafttreten des Exekutionstitels; Aufschiebung der Räumungsexekution

§ 35. (1) Ist ein Mieter, dem rechtskräftig gekündigt worden ist, im Fall der zwangsweisen Räumung der Wohnung oder eines Wohnraumes der Obdachlosigkeit ausgesetzt, so ist auf seinen Antrag die Räumungsexekution aufzuschieben (§ 42 EO), wenn die Aufschiebung dem betreibenden Vermieter nach Lage der Verhältnisse zugemutet werden kann. Die so bewilligte Verlängerung der Räumungsfrist soll drei Monate nicht übersteigen. Bei besonders berücksichtigungswürdigen Umständen darf darüber hinaus ein weiterer Aufschub, jedoch höchstens zweimal und jeweils nicht länger als um drei Monate, bewilligt werden. Wurde bereits im Urteil eine Verlängerung der Räumungsfrist nach § 34 Abs. 1 bewilligt, so darf eine weitere Verlängerung der Räumungsfrist nur bei Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände bewilligt werden, und es darf die Gesamtdauer der so bewilligten Räumungsaufschübe ein Jahr nicht übersteigen. Während der Dauer eines Aufschubes gilt der § 34 Abs. 2.

(2) Setzt der Mieter nach der Bewilligung des Aufschubes der Räumungsexekution einen neuen Kündigungsgrund, so ist auf Antrag des Vermieters nach Einvernehmung des Mieters (§ 56 EO) die Aufschiebung zu widerrufen und, wenn die ursprüngliche Räumungsfrist bereits abgelaufen ist, eine neue Räumungsfrist zu bestimmen, die auf das zur freiwilligen Räumung unbedingt erforderliche Maß zu beschränken ist.

(3) Im Verfahren über die Aufschiebung der Räumungsexekution findet ein Kostenersatz zwischen den Parteien nicht statt.

Ersatz des Ausmietungsschadens

§ 36. Der Vermieter, der aus Gründen des § 30 Abs. 2 Z 8, 9, 10, 11, 14, 15 oder 16, ebenso der Vermieter, der auf Grund einer Kündigung nach § 30 Abs. 2 Z 13 wegen des Eintritts eines bestimmten Bedarfes einen gerichtlichen Exekutionstitel auf Räumung des Mietgegenstandes erwirkt hat, der den Mietgegenstand aber nach dessen Räumung entweder gar nicht oder anderweitig verwertet, ohne durch eine mittlerweile eingetretene Änderung der Verhältnisse dazu veranlaßt zu sein, hat dem so ausgemieteten Mieter den durch die Ausmietung tatsächlich erlittenen Schaden zu ersetzen.

Entscheidungen im Verfahren außer Streitsachen

§ 37. (1) Über die Anträge in den im folgenden genannten Angelegenheiten entscheidet das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Miethaus gelegen ist:

1.

Anerkennung als Hauptmieter (§ 2 Abs. 3);

2.

Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten (§§ 3, 4 und 6);

3.

Durchsetzung der Anbotspflicht (§ 5 Abs. 2);

4.

Durchsetzung des Anspruchs auf Wiederherstellung (§ 7);

5.

Duldung von Eingriffen in das Mietrecht zur Durchführung von Erhaltungs-, Verbesserungs-, Änderungs- und Errichtungsarbeiten einschließlich des Anspruches auf angemessene Entschädigung (§ 8 Abs. 2 und 3 und § 18c Abs. 2);

6.

Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes (§ 9) sowie Feststellung der Höhe und Ersatz von Aufwendungen auf eine Wohnung (§ 10);

7.

Wohnungstausch (§ 13);

8.

Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses (§§ 12a, 16, 43, 44, 45, 46, 46a, 46c), Untermietzinses (§ 26) und Anrechnung von Dienstleistungen auf den Hauptmietzins (§ 28);

8a.

Aufgliederung eines Pauschalmietzinses (§ 15 Abs. 4);

8b.

Höhe des rückforderbaren Kautionsbetrags (§ 16b Abs. 2);

9.

Verteilung der Gesamtkosten und Anteil eines Mietgegenstandes an den Gesamtkosten (§ 17);

10.

Erhöhung der Hauptmietzinse (§§ 18, 18a, 18b, 19) sowie Höhe und Zuordnung der Kosten von Baumaßnahmen gemäß § 18c (§ 18c Abs. 4);

11.

Legung der Abrechnungen (§ 20 Abs. 3 und 4, § 21 Abs. 5, § 24 Abs. 3, § 45 Abs. 2) Vorlage und Kopie des Energieausweises (§ 20 Abs. 5);

12.

Betriebskosten und laufende öffentliche Abgaben, Auslagen für die Verwaltung, Aufwendungen für die Hausbetreuung, besondere Aufwendungen (§§ 21 bis 24);

12a.

Entgelt für mitvermietete Einrichtungsgegenstände und sonstige Leistungen (§ 25);

13.

Angemessenheit des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags und Rückzahlung sowie Bekanntgabe der Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten (§ 45);

14.

Rückzahlungen von verbotenen Leistungen und Entgelten (§ 27).

(2) Liegen im Falle eines Wohnungstausches (Abs. 1 Z 7, § 13) die Miethäuser in den Sprengeln verschiedener Bezirksgerichte, so ist, sofern der Antrag gemeinsam bei einem der Bezirksgerichte gestellt wird, dieses, sonst das zuerst angerufene der beiden Bezirksgerichte zuständig.

(2a) Gilt der Verteilungsschlüssel für die Gesamtkosten des Hauses (§ 17 Abs. 1) gemäß § 32 Abs. 1 zweiter Satz WEG 2002 auch für die Miteigentümer der Liegenschaft, so stehen jedem dieser Miteigentümer in den im Abs. 1 Z 9 angeführten Angelegenheiten die im Abs. 3 und 4 genannten Rechte und Pflichten in gleicher Weise wie einem Hauptmieter zu.

(3) Für das Verfahren über die in Abs. 1 genannten Angelegenheiten gelten die allgemeinen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen mit folgenden Besonderheiten:

1.

Kommt auf einer Seite mehr als sechs Personen Parteistellung zu, so kann im verfahrenseinleitenden Antrag die namentliche Nennung dieser Personen durch die allgemeine Bezeichnung ihrer Rechtsstellung und die Vorlage eines Verzeichnisses dieser Personen ersetzt werden.

2.

In einem Verfahren, das von einem oder mehreren Hauptmietern des Hauses gegen den oder die Vermieter eingeleitet wird, ist der verfahrenseinleitende Antrag auch jenen anderen Hauptmietern des Hauses zuzustellen, deren Interessen durch eine stattgebende Entscheidung darüber unmittelbar berührt werden könnten; diesen Hauptmietern ist Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren zu geben, wofür es genügt, wenn sie zu einem Zeitpunkt, zu dem dies noch zulässig ist, Sachvorbringen erstatten können.

3.

In einem Verfahren, das vom Vermieter gegen Hauptmieter des Hauses eingeleitet wird, kommt auch jenen anderen Hauptmietern des Hauses Parteistellung zu, deren Interessen durch eine stattgebende Entscheidung über den Antrag unmittelbar berührt werden könnten.

4.

Die Zustellung an die anderen, in ihren Interessen unmittelbar berührten Hauptmieter des Hauses nach Z 2 kann durch Anschlag an einer für alle Hausbewohner deutlich sichtbaren Stelle des Hauses (bei mehreren Stiegenhäusern an einer entsprechenden Mehrzahl solcher Stellen) vorgenommen werden. Der Anschlag darf frühestens nach 30 Tagen abgenommen werden. Die Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags gilt mit Ablauf dieser Frist als vollzogen, spätere Zustellungen hingegen schon mit dem Anschlag. Die Gültigkeit der Zustellung wird dadurch, dass der Anschlag noch vor Ablauf dieser Frist abgerissen oder beschädigt wurde, nicht berührt.

5.

Kommt in einem Verfahren nach Z 3 mehr als sechs Hauptmietern Parteistellung zu, so kann die Zustellung an diese Hauptmieter durch Anschlag nach Z 4 und damit verbundene individuelle Zustellung an einen dieser Hauptmieter, der vom Gericht zu bestimmen ist, vorgenommen werden.

6.

Mehreren Parteien, die durch einen gemeinsamen Antrag ein Verfahren eingeleitet haben, ist nur einmal zuzustellen, und zwar zu Handen des von ihnen namhaft gemachten Vertreters oder Zustellungsbevollmächtigten, sonst zu Handen der im Antrag zuerst genannten Partei. Überdies kann das Gericht für namentlich bestimmte Parteien, deren Interessen nicht offenbar widerstreiten, jederzeit auch von Amts wegen einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten bestellen; § 97 ZPO ist darauf entsprechend anzuwenden.

7.

Zustellungen an den oder die Vermieter können auch zu Handen des für das Haus bestellten Verwalters vorgenommen werden.

8.

Den für das Verfahren bestellten und dem Gericht ausgewiesenen Parteienvertretern ist jedenfalls zuzustellen.

9.

In erster und zweiter Instanz können die Parteien selbst vor Gericht handeln und sich durch jede Person vertreten lassen, die volljährig und geschäftsfähig ist und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist. In dritter Instanz müssen sich die Parteien entweder durch einen Rechtsanwalt oder Notar oder durch einen Interessenvertreter vertreten lassen. Interessenvertreter ist ein Funktionär oder Angestellter eines Vereins, zu dessen satzungsmäßigen Zwecken der Schutz und die Vertretung der Interessen der Vermieter oder der Mieter gehören und der sich regelmäßig mit der Beratung seiner Mitglieder in Mietangelegenheiten in mehr als zwei Bundesländern befasst; er ist zur Vertretung von Parteien in allen Instanzen befugt.

10.

Die Beweise sind in mündlicher Verhandlung vor dem erkennenden Gericht aufzunehmen, sofern nicht die Aufnahme eines Beweises durch einen ersuchten oder beauftragten Richter angeordnet wird.

11.

Jede Partei kann während des Verfahrens erster Instanz beantragen, dass ein im Verfahren strittiges Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über den Antrag ganz oder zum Teil abhängt, in dem über den Hauptantrag ergehenden Sachbeschluss (Z 13) oder in einem demselben vorausgehenden Zwischensachbeschluss festgestellt werde, sofern die Wirkung einer solchen Feststellungsentscheidung über jene der Entscheidung über den Hauptantrag hinausgeht und auch für die beantragte Feststellung das Verfahren nach § 37 zulässig ist.

12.

In den Fällen des § 25 Abs. 1 Z 1, 2 und 4 AußStrG wird das Verfahren nur unterbrochen, wenn der Unterbrechungsgrund bei einer Partei eintritt, der ungeachtet der Regelungen in Z 4 und 5 individuell zugestellt werden muss. Ein Verfahren kann, sofern dies zweckmäßig ist, mit einem anderen Verfahren nach Abs. 1, § 52 WEG 2002, § 22 WGG oder § 25 HeizKG verbunden werden.

13.

Die Entscheidung in der Sache ergeht mit Sachbeschluss. § 44 AußStrG ist nicht anzuwenden.

14.

Im Rekursverfahren sind abweichend von § 49 AußStrG neu vorgebrachte Tatsachen und neu angebotene Beweismittel - außer zur Dartuung oder Widerlegung der geltend gemachten Rekursgründe - nicht zu berücksichtigen. § 46 Abs. 3 und § 52 Abs. 2 letzter Halbsatz AußStrG sind nicht anzuwenden. § 47 Abs. 1 AußStrG gilt mit der Maßgabe, dass auch die Vertretung durch einen Interessenvertreter eine mündliche Rekurserhebung ausschließt.

15.

Die Frist für den Rekurs gegen einen Sachbeschluss und für die Rekursbeantwortung hiezu beträgt abweichend von § 46 Abs. 1 und § 48 Abs. 2 AußStrG vier Wochen. Für die Zustellung eines Rekurses sind die Z 4 und 5 schon bei der Zustellung an mehr als zwei Hauptmieter anzuwenden.

16.

Für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gelten die §§ 62 bis 64 AußStrG mit der Maßgabe, dass die in Abs. 1 genannten Entscheidungsgegenstände rein vermögensrechtlicher Natur sind und dass die gemäß § 59 Abs. 2, § 62 Abs. 3 und 5 und § 63 Abs. 1 AußStrG maßgebliche Wertgrenze 10 000 Euro beträgt. Die Frist für den Revisionsrekurs oder die Zulassungsvorstellung gegen einen Sachbeschluss und für den Revisionsrekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss (§ 64 AußStrG), mit dem ein Sachbeschluss aufgehoben wurde, sowie für die Revisionsrekursbeantwortung hiezu beträgt abweichend von § 63 Abs. 2, § 65 Abs. 1 und § 68 Abs. 1 AußStrG vier Wochen. Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung haben abweichend von § 65 Abs. 3 Z 5 und § 68 Abs. 1 AußStrG die Unterschrift eines Rechtsanwalts, eines Notars oder eines Interessenvertreters zu enthalten. Z 15 zweiter Satz gilt entsprechend.

17.

Die Verfahrenskosten einschließlich der Kosten der Vertretung durch einen Rechtsanwalt, Notar oder Interessenvertreter sind von den Parteien nach Billigkeit zu tragen, wofür zu berücksichtigen ist, in welchem Ausmaß die Parteien mit ihren Anträgen durchgedrungen sind, in wessen Interesse das Verfahren durchgeführt wurde, welcher nicht zweckentsprechende Verfahrensaufwand zumindest überwiegend durch das Verhalten einzelner Parteien verursacht wurde und ob eine Partei durch den Kostenersatz an eine Vielzahl von Verfahrensgegnern übermäßig belastet würde. Hat demnach eine durch einen Interessenvertreter vertretene Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Vertretungskosten, so beträgt dieser 400 Euro für das Verfahren erster Instanz und jeweils 180 Euro für das Verfahren zweiter und dritter Instanz. Werden mehrere Parteien eines Verfahrens durch ein und denselben Interessenvertreter vertreten, so erhöht sich ihr gemeinschaftlicher Kostenersatzanspruch bei zwei gemeinsam vertretenen Personen um 10 vH, bei drei Personen um 15 vH, bei vier Personen um 20 vH und bei fünf oder mehr Personen um 25 vH.

18.

In den in Z 2 genannten Verfahren erstreckt sich die Rechtskraft von antragsstattgebenden Sachbeschlüssen über Feststellungsbegehren auf alle Hauptmieter, denen der verfahrenseinleitende Antrag nach Z 2 zugestellt wurde.

19.

Die Bestimmung des § 79 AußStrG ist nicht anzuwenden.

20.

Zur Sicherung von Ansprüchen, die gemäß Abs. 1 in einem Verfahren nach Abs. 3 geltend zu machen sind, kann das Gericht einstweilige Verfügungen nach der Exekutionsordnung erlassen. Soll die einstweilige Verfügung der Sicherung eines Anspruchs auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten nach § 3 Abs. 3 Z 2 dienen, so kann ihre Bewilligung nicht von einer Sicherheitsleistung nach § 390 Abs. 2 der Exekutionsordnung abhängig gemacht werden. Wird ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bei Gericht gestellt, so kann ab diesem Zeitpunkt ein Verfahren vor der Gemeinde gemäß § 39 nicht mehr anhängig gemacht werden; für ein bereits vor der Gemeinde anhängiges Verfahren gilt § 40 Abs. 2 zweiter Satz sinngemäß. Der Antrag in der Hauptsache ist in diesen Fällen bei Gericht einzubringen.

(4) Ergibt sich in einem Verfahren nach Abs. 1 ein Anspruch des antragstellenden Mieters auf Rückforderung oder Ersatz, so ist sein Gegner auch zur Zahlung des hienach zustehenden Betrages samt Zinsen binnen 14 Tagen bei Exekution zu verhalten.

Stellungnahme der Gemeinde als Baubehörde

§ 38. Das Gericht (die Gemeinde, § 39) hat vor der Entscheidung über einen Antrag auf

1.

Durchführung von Erhaltungs-, Verbesserungs- oder Wiederherstellungsarbeiten,

2.

Bewilligung eines erhöhten Hauptmietzinses oder

3.

Vornahme von Verbesserungen oder Änderungen am Mietgegenstand der für die Baulichkeit als Baubehörde zuständigen Gemeinde die Gelegenheit zu geben, binnen angemessener Frist zu den beantragten Arbeiten und den damit in Zusammenhang stehenden Fragen, wie im besonderen deren Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit, Preisangemessenheit, Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses oder des Ausmaßes der Beeinträchtigung eines Mietgegenstandes, Stellung zu nehmen. Die Gemeinde kann auch einen Dritten zur Abgabe dieser Stellungnahme ermächtigen.

Entscheidung der Gemeinde

§ 39. (1) Verfügt eine Gemeinde über einen in Mietangelegenheiten fachlich geschulten Beamten oder Angestellten und rechtfertigt die Anzahl der dort nach § 37 Abs. 1 anfallenden Verfahren die Betrauung der Gemeinde zum Zwecke der Entlastung des Gerichtes, so kann ein Verfahren nach § 37 Abs. 1 bei Gericht hinsichtlich der in der Gemeinde gelegenen Mietgegenstände nur eingeleitet werden, wenn die Sache vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist.

(2) Auf welche Gemeinden die im Abs. 1 genannten Voraussetzungen zutreffen, stellt der Bundesminister für Justiz gemeinsam mit dem Bundesminister für Inneres durch Kundmachung fest.

(3) Die Gemeinde hat nach Vornahme der erforderlichen Ermittlungen, wenn der Versuch einer gütlichen Beilegung des Streites erfolglos geblieben ist, über den Antrag nach § 37 Abs. 1 zu entscheiden. Auf das Verfahren sind die Regelungen der § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 2, §§ 17, 25 bis 28, § 31 Abs. 1 bis 4 und §§ 32 bis 34 AußStrG sowie § 37 Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3 Z 1 bis 12 und 18 und Abs. 4 entsprechend anzuwenden; im Übrigen gilt für das Verfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991.

(4) Die Entscheidung der Gemeinde kann durch kein Rechtsmittel angefochten werden. Sie bildet, wenn die Frist zur Anrufung des Gerichtes nach § 40 Abs. 1 abgelaufen ist, einen Exekutionstitel im Sinn des § 1 der Exekutionsordnung.

(5) Die im Verfahren vor der Gemeinde erforderlichen Schriften, die vor ihr abgeschlossenen Vergleiche sowie die von ihr ausgestellten Rechtskraftbestätigungen und Bescheinigungen gemäß § 40 Abs. 3 sind von den Stempel- und Rechtsgebühren befreit.

Anrufung des Gerichtes

§ 40. (1) Die Partei, die sich mit der Entscheidung der Gemeinde über den Antrag nach § 37 Abs. 1 nicht zufriedengibt, kann die Sache innerhalb von vier Wochen ab Zustellung der Entscheidung bei Gericht anhängig machen. Durch die Anrufung des Gerichtes tritt die Entscheidung der Gemeinde außer Kraft. Sie tritt jedoch wieder in Kraft, wenn der Antrag auf Entscheidung des Gerichtes zurückgezogen wird. Die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Anrufungsfrist obliegt dem Gericht; der Wiedereinsetzungsantrag ist unmittelbar bei Gericht einzubringen.

(2) Das Gericht kann ferner von jeder Partei angerufen werden, wenn das Verfahren vor der Gemeinde nicht binnen drei Monaten zum Abschluß gelangt ist. Sobald ein solches Begehren bei Gericht eingebracht wurde, hat die Gemeinde das Verfahren einzustellen.

(3) Über den Tag, an dem das Verfahren bei der Gemeinde anhängig gemacht wurde, über den Inhalt der Entscheidung der Gemeinde oder, wenn es zu einer solchen nicht kommt, darüber, daß der Vergleichsversuch erfolglos geblieben ist, hat die Gemeinde der Partei auf Verlangen eine Bestätigung auszustellen. Begehrt die Partei die Entscheidung des Gerichtes, so hat sie diesem die Bestätigung vorzulegen. Die Gemeinde hat dem Gerichte auf Ersuchen die Akten zu übermitteln.

Aufhebung der Unterbrechung eines Kündigungs- oder Räumungsverfahrens

§ 41. Die wegen eines Verfahrens nach § 37 angeordnete Unterbrechung eines Rechtsstreits über eine Kündigung nach § 30 Abs. 2 Z 1 oder über eine Räumungsklage wegen Mietzinsrückstandes gemäß § 1118 ABGB ist auf Antrag des Vermieters wieder aufzuheben, wenn dem Mieter die Zahlung eines einstweiligen Mietzinses gemäß § 382f der Exekutionsordnung auferlegt wurde und der Vermieter den einstweiligen Mietzins auch durch Fahrnis- und Gehaltsexekution sowie durch Verwertung ihm zur Verfügung stehender Sicherheiten in angemessener Frist nicht hereinbringen konnte. Das Gericht kann von der Aufhebung der Unterbrechung jedoch absehen, wenn selbst unter Berücksichtigung der erfolglosen Versuche zur Hereinbringung des einstweiligen Mietzinses nach Lage des Falles nicht angenommen werden muss, dass durch die Einwendungen des Mieters gegen das Bestehen eines Mietzinsrückstandes der Rechtsstreit bloß verschleppt werden soll.

Exekutionsbeschränkung

§ 42. (1) Auf Mietzinse aus Mietverträgen, auf welche die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Anwendung finden, kann vom Tage des Wirksamkeitsbeginnes dieses Bundesgesetzes angefangen nur im Wege der Zwangsverwaltung Exekution geführt werden. Im Zuge der Zwangsverwaltung hat der Verwalter die Mietzinse in der von diesem Bundesgesetze vorgeschriebenen Weise zu verwenden.

(2) Jede Verfügung über Mietzinse für Mietgegenstände in Gebäuden durch Abtretung, Anweisung, Verpfändung oder durch ein anderes Rechtsgeschäft ist, sofern auf den Mietvertrag die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Anwendung finden, vom Tage des Wirksamkeitsbeginnes dieses Bundesgesetzes angefangen ohne rechtliche Wirkung. Die Abtretung (Verpfändung) von Hauptmietzinsen zur Sicherung eines zur ordnungsgemäßen Erhaltung oder notwendigen oder nützlichen Veränderung (Verbesserung) aufgenommenen Darlehens an den Gläubiger ist aber nicht ausgeschlossen. Die Abtretung (Verpfändung) ist unter Beibringung einer einverleibungsfähigen Urkunde auf Antrag im öffentlichen Buch anzumerken; erst von da an ist sie gegenüber dritten Personen rechtswirksam. Die Mietzinse eines Hauses, über die der Hauseigentümer sonach zur ordnungsgemäßen Erhaltung oder nützlichen Veränderung (Verbesserung) rechtsgültig verfügt hat, sind im Sinne der Exekutionsordnung nicht als Nutzungen und Einkünfte (§§ 97, 109 Abs. 3 EO), Erträgnisse (§§ 97 Abs. 3, 119 Abs. 1 EO) oder Früchte und Einkünfte (§ 156 Abs. 1 EO) der betreffenden Liegenschaft anzusehen.

(3) Den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unterliegende Mietrechte können vom Hauseigentümer zugunsten einer von ihm durch Abtretung erworbenen Forderung nicht in Exekution gezogen werden.

(4) Solche Mietrechte über Wohnungen sind gegenüber jedem Gläubiger der Exekution insoweit entzogen, als sie für den Mieter und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen unentbehrliche Wohnräume betreffen.

(5) Der Anspruch des Hauseigentümers gegen seinen Vertreter auf Ausfolgung vereinnahmter Mietzinse ist nur zugunsten der im zweiten Satz des Abs. 2 angeführten Forderungen pfändbar.

(6) Die Exekutionsbeschränkungen sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen.

Vorzugspfandrecht für Erhaltungsarbeiten

§ 42a. (1) An jeder Liegenschaft, auf der sich ein diesem Bundesgesetz unterliegender Mietgegenstand befindet, besteht ein gesetzliches Vorzugspfandrecht zugunsten von Forderungen der in § 6 Abs. 1 Z 1 genannten Personen, die aus der Finanzierung der in § 3 Abs. 3 Z 2 angeführten Erhaltungsarbeiten entstanden sind, sofern diese nach Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 37 Abs. 3 Z 20 durchgeführt wurden.

(2) Diese einstweilige Verfügung ist von Amts wegen im Grundbuch ersichtlich zu machen.

(3) Die durch das Vorzugspfandrecht besicherte Forderung ist im Fall einer Zwangsversteigerung der Liegenschaft durch Barzahlung zu berichtigen, soweit sie in der Verteilungsmasse (§ 215 EO) Deckung findet, ansonsten aber vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen.

II. Hauptstück

Bestimmungen über bestehende Mietverträge und Übergangsregelung

Allgemeine Grundsätze

§ 43. (1) Insoweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, gilt das I. Hauptstück auch für Mietverträge, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossen worden sind.

(2) Ist eine vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossene Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses nach den bisher in Geltung gestandenen Vorschriften rechtsunwirksam, so sind diesbezüglich die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften weiter anzuwenden.

Wertbeständigkeit des Mietzinses

§ 45. (1) Im Fall eines vor dem 1. März 1994 geschlossenen Hauptmietvertrags kann der Vermieter den Hauptmietzins für eine Wohnung der Ausstattungskategorie A oder eine Geschäftsräumlichkeit auf 1,75 Euro (Anm. 1), für eine Wohnung der Ausstattungskategorie B auf 1,32 Euro (Anm. 2), für eine Wohnung der Ausstattungskategorie C oder eine Wohnung der Ausstattungskategorie D in brauchbarem Zustand auf 0,88 Euro (Anm. 3) und für eine Wohnung der Ausstattungskategorie D in nicht brauchbarem Zustand auf 0,66 Euro (Anm. 4), jeweils je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat, anheben, wenn der bisherige Hauptmietzins unter dem jeweils anzuwendenden Betrag liegt. Die angeführten Beträge valorisieren sich entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 6. Die Anhebung ist aber nur dann zulässig, wenn sich der Mietgegenstand in einem Gebäude befindet, für das weder eine Abbruchbewilligung noch ein Abbruchauftrag der Baubehörde vorliegt. Eine sich aus der Anhebung ergebende Unwirksamkeit des Hauptmietzinses ist innerhalb der in § 16 Abs. 8 genannten Fristen ab dem Anhebungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen.

(2) Ist der nach § 16 Abs. 1 und 9 zulässige Hauptmietzins bei einer Geschäftsräumlichkeit niedriger als 2,64 Euro (Anm. 5) je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat, so kann der Vermieter abweichend von Abs. 1 den Hauptmietzins nur auf zwei Drittel des nach § 16 Abs. 1 und 9 zulässigen Betrags anheben. Der Betrag von 2,64 Euro (Anm. 5) valorisiert sich entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 6. Der letzte Satz des Abs. 1 gilt entsprechend.

(3) Der Vermieter hat sein Anhebungsbegehren dem Hauptmieter spätestens einen Monat vor dem Zinstermin, zu dem er die Anhebung fordert, schriftlich bekannt zu geben. Begehrt der Vermieter die Anhebung für einen in § 1 Abs. 4 Z 1 genannten Mietgegenstand, so gelten für die Mietgegenstände dieses Hauses ab diesem Zeitpunkt die Bestimmungen des I. Hauptstücks mit Ausnahme der Bestimmungen über die Mietzinsbildung nach § 16 Abs. 2 bis 7 und 10 und über die Richtwerte nach dem Richtwertgesetz. In diesen Fällen darf der Vermieter in der Hauptmietzinsabrechnung (§ 20) auch die Beträge als Ausgaben absetzen, die in den jeweiligen Verrechnungsjahren zur Amortisation der seinerzeit aufgewendeten Bau-, Grund- oder Aufschließungskosten zu entrichten sind.

__________________________

(Anm. 1: gemäß BGBl. II Nr. 296/2006 ab 1.9.2006: 1,93 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 295/2008 ab 1.9.2008: 2,04 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 218/2011 ab 1.8.2011: 2,15 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 62/2014 ab 1.4.2014: 2,27 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 10/2018 ab 1.2.2018: 2,39 Euro

Anm. 2: ab 1.9.2006: 1,46 Euro

ab 1.9.2008: 1,54 Euro

ab 1.8.2011: 1,62 Euro

ab 1.4.2014: 1,71 Euro

ab 1.2.2018: 1,80 Euro

Anm. 3: ab 1.9.2006: 0,97 Euro

ab 1.9.2008: 1,03 Euro

ab 1.8.2011: 1,08 Euro

ab 1.4.2014: 1,14 Euro

ab 1.2.2018: 1,20 Euro

Anm. 4: ab 1.9.2006: 0,73 Euro

ab 1.9.2008: 0,77 Euro

ab 1.8.2011: 0,81 Euro

ab 1.4.2014: 0,86 Euro

ab 1.2.2018: 0,90 Euro

Anm. 5: ab 1.9.2006: 2,91 Euro

ab 1.9.2008: 3,08 Euro

ab 1.8.2011: 3,25 Euro

ab 1.4.2014: 3,43 Euro

ab 1.2.2018: 3,60 Euro)

Hauptmietzins bei Eintritt in einen bestehenden Mietvertrag über eine Wohnung

§ 46. (1) Treten in einen am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrag über eine Wohnung der Ehegatte, der Lebensgefährte oder minderjährige Kinder (§ 42 ABGB) des bisherigen Hauptmieters allein oder gemeinsam mit anderen Angehörigen ein (§ 12 Abs. 1 und 2, § 14), so darf der Vermieter vom (von den) in das Hauptmietrecht Eintretenden weiterhin nur den Hauptmietzins begehren, den er ohne den Eintritt begehren dürfte. Das gleiche gilt für den Eintritt auf Grund einer gerichtlichen Anordnung nach § 87 Abs. 2 des Ehegesetzes.

(2) Treten in einen am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrag über eine Wohnung ausschließlich Personen ein, die in Abs. 1 nicht genannt sind, so darf der Vermieter vom (von den) in das Hauptmietrecht Eintretenden ab dem auf den Eintritt folgenden Zinstermin eine Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Wohnung nach § 16 Abs. 2 bis 6 im Zeitpunkt des Eintritts zulässigen Betrag, höchstens aber 2,64 Euro (Anm. 1) je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat, verlangen, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger ist. Dieser Höchstbetrag von 2,64 Euro (Anm. 1) valorisiert sich entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 6. In den Fällen des Abs. 1 darf der Vermieter diese Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses ab dem Zinstermin begehren, zu dem alle in Abs. 1 genannten Eintretenden auf Dauer die Wohnung verlassen haben oder volljährig geworden sind. Gleiches gilt, wenn Personen, die in Abs. 1 in dessen bis 28. Februar 1994 in Geltung gestandener Fassung genannt waren, nach dem 31. Dezember 1981 und vor dem 1. März 1994 in den Hauptmietvertrag eingetreten sind, aber erst nach dem 28. Februar 1994 die Wohnung auf Dauer verlassen haben oder volljährig geworden sind. Die Anhebung des Hauptmietzinses ist aber solange nicht zulässig, als dem Hauptmieter – unter der Annahme einer sofortigen Beendigung des Mietverhältnisses – für vor dem 1. März 1994 getätigte Aufwendungen noch Ersatzansprüche nach § 10 zustünden, die der Mieter geltend macht und der Vermieter zu befriedigen nicht bereit ist. Eine sich aus der Anhebung ergebende Unwirksamkeit des Hauptmietzinses ist innerhalb der in § 16 Abs. 8 genannten Fristen ab dem Anhebungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen.

___________________________

(Anm 1: gemäß BGBl. II Nr. 296/2006 ab 1.9.2006: 2,91 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 295/2008 ab 1.9.2008: 3,08 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 218/2011 ab 1.8.2011: 3,25 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 62/2014 ab 1.4.2014: 3,43 Euro

gemäß BGBl. II Nr. 10/2018 ab 1.2.2018: 3,60 Euro)

Hauptmietzins bei bestehenden Mietverträgen über Geschäftsräumlichkeiten

§ 46a. (1) Im Fall eines am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrags über eine Geschäftsräumlichkeit ist § 12a Abs. 3 mit der Maßgabe anzuwenden, daß solche Änderungen unberücksichtigt bleiben, die vor dem 1. Oktober 1993 eingetreten sind.

(2) Im Fall eines am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrags über eine Geschäftsräumlichkeit darf der Vermieter, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs. 1 ist, nach dem Tod des Hauptmieters von dessen Rechtsnachfolgern ab dem auf den Todesfall folgenden 1. Jänner die schrittweise Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Geschäftsräumlichkeit nach § 16 Abs. 1 zulässigen Betrag innerhalb von 15 Jahren in der Weise verlangen, daß der Hauptmietzins für jedes Kalenderjahr nach dem Todestag um jeweils ein Fünfzehntel des bis zum angemessenen Hauptmietzins nach § 16 Abs. 1 fehlenden Betrages angehoben wird, wobei eine Valorisierung dieses Betrages entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 6 zu erfolgen hat, ein Überschreiten der Indexschwelle aber erst ab dem jeweils folgenden Kalenderjahr zu berücksichtigen ist. Solange der Rechtsnachfolger des verstorbenen Hauptmieters das Unternehmen ohne Änderung der Art der Geschäftstätigkeit fortführt, ist bei Ermittlung des nach § 16 Abs. 1 angemessenen Hauptmietzinses die Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen.

(3) § 12a Abs. 5 ist anzuwenden, wenn der Pachtvertrag nach dem 28. Februar 1994 abgeschlossen wurde. Wenn der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit sein darin betriebenes Unternehmen vor dem 1. März 1994 verpachtet hat und das Pachtverhältnis nach dem 28. Februar 1994 noch aufrecht ist, darf der Vermieter, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs. 1 ist, ab dem auf das Anhebungsbegehren folgenden 1. Jänner die schrittweise Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Geschäftsräumlichkeit nach § 16 Abs. 1 zulässigen Betrag innerhalb von 15 Jahren in der in Abs. 2 angeführten Weise verlangen. Das Recht des Vermieters, die Entrichtung eines schrittweise angehobenen Hauptmietzinses zu verlangen, besteht nur für die Dauer des Pachtverhältnisses.

(4) Hat eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts vor dem 1. Jänner 1968 eine Geschäftsräumlichkeit als Hauptmieter gemietet und war bei Vertragsabschluß eine freie Mietzinsvereinbarung nicht möglich, darf der Vermieter ab dem auf das Anhebungsbegehren folgenden 1. Jänner die schrittweise Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für Geschäftsräumlichkeiten nach § 16 Abs. 1 zulässigen Betrag innerhalb von 15 Jahren in der in Abs. 2 angeführten Weise verlangen, wenn der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs. 1 ist und

1.

eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten im Sinne des § 12a Abs. 3 erfolgt ist und

2.

keine Mietzinsvereinbarung im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 7 in der Stammfassung des Mietrechtsgesetzes oder anderer gleichartiger (zB § 38 WSG, § 16 Abs. 1 Z 4 MRG (Anm.: richtig: MG)) mietrechtlicher Regelungen erfolgte oder

3.

keine Vereinbarung im Sinne der Z 2 geschlossen wurde, obwohl eine solche wegen einer Änderung des Vertrages über den Mietgegenstand möglich gewesen wäre.

(5) Entstand durch die Veräußerung des in einer gemieteten Geschäftsräumlichkeit betriebenen Unternehmens ohne Übergang der Hauptmietrechte vor dem 1. Jänner 1982 ein Mietverhältnis, bei dem im Innenverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Unternehmens die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis an den Erwerber übertragen wurden, so darf der Vermieter, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs. 1 ist, die schrittweise Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Geschäftsräumlichkeit nach § 16 Abs. 1 zulässigen Betrag innerhalb von 15 Jahren in der in Abs. 2 angeführten Weise ab dem auf das schriftliche Anhebungsbegehren folgenden 1. Jänner verlangen, wenn er mit dem Anhebungsbegehren den Erwerber des Unternehmens als neuen Hauptmieter anerkennt. Mit dieser Anerkennung erlischt das Hauptmietverhältnis zum Veräußerer.

(6) Im übrigen ist § 12a Abs. 7 auf die in Abs. 2 bis 5 geregelten Fälle sinngemäß anzuwenden. Eine sich aus einer Anhebung nach Abs. 2 bis 5 ergebende Unwirksamkeit des Hauptmietzinses ist innerhalb der in § 16 Abs. 8 genannten Fristen ab dem jeweiligen Anhebungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen.

Erfordernisse eines Anhebungsbegehrens

§ 46b. In allen Fällen, in denen der Vermieter nach §§ 46 und 46a die Anhebung des Hauptmietzinses verlangen darf, hat der Vermieter sein Anhebungsbegehren dem Hauptmieter spätestens einen Monat vor dem Zinstermin, zu dem er die Entrichtung des angehobenen Mietzinses fordert, schriftlich bekanntzugeben; im Fall einer schrittweisen Anhebung nach § 46a Abs. 2 bis 4 (Anm.: richtig: 5) bewirkt ein verspätetes Anhebungsbegehren aber nicht den Verlust des Anhebungsrechts für das gesamte Kalenderjahr. Die schriftliche Aufforderung hat die Höhe des angehobenen Hauptmietzinses und die Nutzfläche des Mietgegenstands sowie gegebenenfalls die der Anhebung für das jeweilige Jahr zugrunde liegende Berechnung zu enthalten. Bei der Berechnung des angehobenen Hauptmietzinses sind Beträge, die einen halben Cent nicht übersteigen, auf den nächstniedrigeren ganzen Cent abzurunden und Beträge, die einen halben Cent übersteigen, auf den nächsthöheren ganzen Cent aufzurunden.

Hauptmietzins bei früherer Standardanhebung

§ 46c. Wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 nicht vorliegen, sind dennoch Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses für eine Wohnung ohne die Beschränkungen des § 16 Abs. 2 bis 4 und 6 bis zu dem für die Wohnung nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag auch weiterhin zulässig, wenn der Mietgegenstand eine Wohnung der Ausstattungskategorie A oder B in ordnungsgemäßem Zustand ist, deren Standard vom Vermieter nach dem 31. Dezember 1967 durch Zusammenlegung von Wohnungen der Ausstattungskategorie B, C oder D, durch eine andere bautechnische Aus- oder Umgestaltung größeren Ausmaßes einer Wohnung oder mehrerer Wohnungen der Ausstattungskategorien B, C oder D oder sonst unter Aufwendungen erheblicher Mittel angehoben wurde, oder wenn der Mietgegenstand eine Wohnung der Ausstattungskategorie C in ordnungsgemäßem Zustand ist, deren Standard vom Vermieter nach dem 31. Dezember 1967 durch Zusammenlegung von Wohnungen der Ausstattungskategorie D, durch eine andere bautechnische Aus- oder Umgestaltung größeren Ausmaßes einer Wohnung oder mehrerer Wohnungen der Ausstattungskategorie D oder sonst unter Aufwendung erheblicher Mittel angehoben wurde, sofern der Vermieter die Arbeiten zur Standardanhebung vor dem 1. Oktober 1993 tatsächlich begonnen hat. Die Beschränkungen des § 16 Abs. 2 bis 4 und 6 werden jedoch sowohl für bestehende, nach dem 28. Februar 1994 geschlossene als auch für neue Mietverträge wieder wirksam, sobald nach dem Abschluß der Arbeiten zur Standardanhebung ein Zeitraum von zwanzig Jahren verstrichen ist. Bei Ermittlung des nach Ablauf dieses zwanzigjährigen Zeitraums zulässigen Hauptmietzinses sind die Verhältnisse am Ende dieses Zeitraums zugrunde zu legen; zuvor vom Hauptmieter getätigte Aufwendungen zur Verbesserung des Mietgegenstands sind aber angemessen zu berücksichtigen, soweit sie über diesen Zeitpunkt hinaus von objektivem Nutzen sind.

Betriebskosten; Umstellung der Verteilungsschlüssel

§ 47. (1) Die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes auf Grund der bisherigen Vorschriften fällig gewordenen Betriebskosten dürfen nach Maßgabe der bisherigen Vorschriften eingehoben werden.

(2) Die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes für die Berechnung des Anteiles an den Betriebskosten oder besonderen Aufwendungen maßgebenden Verteilungsschlüssel darf der Vermieter bis 31. Dezember 1983 anwenden. Eine frühere Umstellung auf die in § 17 geregelte Verteilung hat jedenfalls zu erfolgen, wenn vor diesem Zeitpunkt

1.

eine Erhöhung der Hauptmietzinse nach den §§ 18 und 19 bewilligt oder

2.

ein Erhaltungsbeitrag nach § 45 eingehoben wird.

Anhängiges Verfahren; bewilligte Mietzinserhöhungen

§ 48. (1) Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bei Gericht (der Gemeinde, § 39) anhängigen Verfahren sind nach den bisher in Geltung gestandenen Vorschriften durchzuführen. Wird auf Grund einer Entscheidung über eine Mietzinserhöhung nach § 7, § 28 Abs. 2 des Mietengesetzes innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bei Gericht (der Gemeinde, § 39) das Verfahren über die Mietzinserhöhung der Höhe nach eingeleitet, so ist auch dieses Verfahren nach den bisherigen Vorschriften durchzuführen.

(2) Der Vermieter ist berechtigt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes nach § 7, § 28 Abs. 2 oder 3 des Mietengesetzes oder § 2 des Zinsstoppgesetzes erhöhten Hauptmietzinse bis zum Ablauf der seinerzeit bewilligten Laufzeit einzuheben. Das gleiche gilt für die Mietzinserhöhungen, die nach Abs. 1 bewilligt werden.

Kündigungsrechtliche Übergangsregelung

§ 49.(1) Für die Mietverträge über die Exerzier-, Schieß- und sonstigen Übungsplätze des Bundesheeres, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bereits bestanden haben, gelten die Kündigungsbeschränkungen des § 30. Insoweit für andere Mietverträge, die dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes (§ 1) nicht unterliegen, vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes die Kündigungsbeschränkungen des § 19 des Mietengesetzes anzuwenden waren, gelten die §§ 19 bis 23 des Mietengesetzes bis zum 31. Dezember 1988 weiter.

Für solche Mietverhältnisse gilt:

1.

Der Bundesminister für Justiz kann für bestimmte Bundesländer für die Zeit bis längstens 31. Dezember 1990 durch Verordnung für gemietete Grundflächen, die als Sportstätten, Kinderspielplätze oder Verkehrsübungsplätze für Kinder verwendet werden, Regelungen treffen, die den §§ 19 bis 23 des Mietengesetzes entsprechen, wenn nach Anhörung des Landeshauptmannes feststeht, daß im Land Maßnahmen der Raumordnung zur Erhaltung der Widmung von Grundflächen als Sportstätten, Kinderspielplätze oder Verkehrsübungsplätze für Kinder vorbereitet oder getroffen werden.

2.

Endet ein Mietverhältnis, für das nach dem zweiten Satz dieses Absatzes die §§ 19 bis 23 des Mietengesetzes bis zum 31. Dezember 1988 weiter gelten oder für das eine Verordnung nach Z 1 gilt, mit oder nach dem 31. Dezember 1988 durch Kündigung des Vermieters oder durch Zeitablauf, so hat der Mieter, der während der Dauer des Mietverhältnisses auf den Mietgegenstand bauliche Aufwendungen gemacht hat, die über die Mietdauer hinaus wirksam und von Nutzen sind, bei Beendigung des Mietverhältnisses Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen durch den Vermieter nach ihrem gegenwärtigen Wert, soweit dieser den wirklich gemachten Aufwand nicht übersteigt. Dieser Anspruch besteht nicht, wenn der Vermieter seine Zustimmung zu den Aufwendungen verweigert oder an die Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren Zustandes gebunden hat oder wenn der Vermieter verhindert war, das eine oder das andere zu tun, weil ihm der Mieter die beabsichtigten Aufwendungen nicht angezeigt hat. Der Wert ist objektiv unter der Annahme zu ermitteln, daß der Mietgegenstand weiter zu dem Zweck verwendet wird, zu dem ihn der Mieter vertragsgemäß verwendet hat.

(2) Wurde in einem vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossenen Hauptmietvertrag über einen Mietgegenstand, der nach dem 31. Dezember 1967 durch Neu-, Um-, Auf-, Ein- oder Zubau ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu geschaffen worden ist, weder die Anwendbarkeit der Kündigungsbeschränkungen des § 19 des Mietengesetzes, noch eine Bestandsdauer vereinbart, die über den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes hinaus wirksam ist, so gelten für diesen Hauptmietvertrag die Kündigungsbeschränkungen des § 30, sofern es der Vermieter bis 30. Juni 1982 unterläßt, dem Hauptmieter einen befristeten Hauptmietvertrag nach § 29 Abs. 1 Z 3 lit. a in der Stammfassung dieses Gesetzes anzubieten, der zumindest bis 31. Dezember 1984 wirksam ist. Nimmt der Hauptmieter ein diesbezügliches Anbot des Vermieters binnen sechs Monaten nach dem Zugang des Anbotes nicht an und wird auch keine andere Vereinbarung über die Bestandsdauer geschlossen, so gelten für dieses Hauptmietverhältnis die Kündigungsbeschränkungen des § 30 nicht.

(3) Haben für einen vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossenen Untermietvertrag die Kündigungsbeschränkungen des § 19 des Mietengesetzes nicht gegolten, so gelten hiefür auch nicht die Kündigungsbeschränkungen des § 30.

Wirksamkeit früherer Befristungen

§ 49a. (1) Eine vor dem 1. März 1994 geschlossene und nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame Vereinbarung über die Befristung eines Mietvertrages behält ihre Rechtswirksamkeit. Eine nach den damaligen Bestimmungen rechtsunwirksame Befristung bleibt rechtsunwirksam.

(2) Wird ein vor dem 1. März 1994 geschlossener und nach den damaligen Bestimmungen des § 1 Abs. 2 Z 3 oder des § 29 Abs. 1 Z 3 lit. c rechtswirksam befristeter Mietvertrag nach dem 28. Februar 1994 erneuert, so gilt diese Erneuerung als Abschluß eines neuen Mietvertrages.

Übergangsregelung für Befristungen und Abrechnungsbestimmungen

§ 49b. (1) Die Änderungen der § 16 Abs. 7 bis 8, § 17 Abs. 3, § 20 Abs. 1 Z 2, § 21 Abs. 6, § 29 Abs. 1 Z 3 lit. b und c, Abs. 4 bis Abs. 6, § 34 Abs. 5, § 37 Abs. 1 Z 12 und 12a, Abs. 3 Z 2 und Z 20a durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 22/1997 treten mit 1. März 1997 in Kraft.

(2) § 10 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 22/1997 gilt für Aufwendungen, die nach dem 28. Februar 1997 vorgenommen werden.

(3) § 16 Abs. 7 und 7a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 22/1997 gilt für

1.

Mietverhältnisse, die nach dem 28. Februar 1997 beginnen, und

2.

Verlängerung früherer Mietverhältnisse für einen nach dem 28. Februar 1997 beginnenden Zeitraum.

(4) § 16 Abs. 7b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 22/1997 gilt für Umwandlungen von Mietverhältnissen in ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, die für einen nach dem 28. Februar 1997 liegenden Zeitraum vereinbart werden. Bei der Berechnung der Differenz ist für den Zeitraum vor dem 1. März 1997 § 16 Abs. 7 in der damaligen Fassung zugrunde zu legen.

(5) § 18 Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 22/1997 gilt für

1.

Mietverhältnisse, die nach dem 28. Februar 1997 beginnen, und

2.

Verlängerung früherer Mietverhältnisse für einen nach dem 28. Februar 1997 beginnenden Zeitraum.

(6) (Anm.: aufgehoben durch VfGH, BGBl. I Nr. 2/2004)

(7) Eine vor dem 1. März 1997 geschlossene und nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame Vereinbarung über die Befristung eines Mietvertrages bleibt rechtswirksam. Eine nach den damaligen Bestimmungen rechtsunwirksame Befristung bleibt rechtsunwirksam.

(8) Wird ein vor dem 1. März 1997 geschlossener und nach den damaligen Bestimmungen des § 29 Abs. 1 Z 3 lit. b oder c in der Fassung des 3. Wohnrechtsänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 800/1993, rechtswirksam befristeter Mietvertrag für einen Zeitraum nach dem 28. Februar 1997 verlängert, so ist § 29 Abs. 1 Z 3 lit. b oder c in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 22/1997 anzuwenden.

(9) § 29 Abs. 4a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 22/1997 ist auch auf Mietverhältnisse anzuwenden, die vor dem 1. März 1997 begonnen haben. Endet das Mietverhältnis jedoch bereits vor dem 1. September 1997, so kann der Vermieter diese Verlängerung nur in sinngemäßer Anwendung des § 569 ZPO verhindern.

(10) § 29 Abs. 4b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 22/1997 ist nur auf Mietverhältnisse anzuwenden, die nach dem 28. Februar 1997 begonnen haben oder nach diesem Zeitpunkt schon einmal rechtswirksam verlängert worden sind.

(11) § 37 Abs. 1 Z 12 und 12a, Abs. 2a sowie Abs. 3 Z 2 erster Satz und Abs. 3 Z 20a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 22/1997 sind auf Verfahren anzuwenden, die nach dem 28. Februar 1997 anhängig gemacht worden sind; auf Verfahren, die zu diesem Zeitpunkt anhängig sind, sind die bisherigen Vorschriften anzuwenden.

(12) § 37 Abs. 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 22/1997 ist für Abrechnungsperioden anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1997 beginnen.

(13) Im übrigen ist das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 22/1997 ab dem 1. März 1997 auch auf Mietverträge anzuwenden, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen worden sind.

Übergangsregelung zur Wohnrechtsnovelle 2000

§ 49c. (1) Die Änderungen der §§ 3, 16, 17, 18, 20, 21, 23, 26, 29, 34, 37, 45 und 49 sowie die Aufhebung der §§ 29a und 44 durch die Wohnrechtsnovelle 2000, BGBl. I Nr. 36/2000, treten mit 1. Juli 2000 in Kraft.

(2) Solange auf Grund eines vor dem 1. Juli 2000 eingegangenen und nach dem 30. Juni 2000 weiter aufrechten Dienstverhältnisses nach dem Hausbesorgergesetz eine Wohnung des Hauses als Hausbesorgerdienstwohnung benützt wird, zählt diese Wohnung zu den allgemeinen Teilen des Hauses im Sinn des § 3 Abs. 2 Z 1 und des § 17 Abs. 1a vierter Satz und hat die Nutzfläche dieser Wohnung im Sinn des § 17 Abs. 1 außer Betracht zu bleiben. Die diesbezüglich durch die Beendigung des Dienstverhältnisses eintretende Änderung ist erst ab der dieser Beendigung nachfolgenden Abrechnungsperiode wirksam.

(3) § 16 Abs. 7 und § 26 Abs. 3 jeweils in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2000, BGBl. I Nr. 36/2000, gelten für Mietverhältnisse, die nach dem 30. Juni 2000 beginnen, sowie für die Verlängerung früherer Mietverhältnisse für einen nach dem 30. Juni 2000 beginnenden Zeitraum. Bei einem befristeten Mietverhältnis, das vor dem 1. Juli 2000 begonnen hat, gilt eine allfällige Verminderung des höchstzulässigen Mietzinses ab dem Zeitpunkt der Umwandlung in einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit nicht mehr, ohne dass dies von einer schriftlichen Ausweisung der Verminderung im ursprünglichen Mietvertrag oder in einer Verlängerungsvereinbarung abhängig wäre.

(4) § 16 Abs. 7b in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Wohnrechtsnovelle 2000, BGBl. I Nr. 36/2000, ist auf Mietverhältnisse weiter anzuwenden, die vor dem 1. Juli 2000 begonnen haben oder verlängert wurden, bei Verlängerung jedoch nur hinsichtlich jenes Verlängerungszeitraums, der vor dem 1. Juli 2000 begonnen hat.

(5) Solange ein vor dem 1. Juli 2000 eingegangenes Dienstverhältnis nach dem Hausbesorgergesetz nach dem 30. Juni 2000 weiter aufrecht ist, gilt anstelle von § 23 Abs. 2 der § 23 Abs. 1 in seiner vor dem Inkrafttreten der Wohnrechtsnovelle 2000, BGBl. I Nr. 36/2000, geltenden Fassung und sind § 21 Abs. 1 Z 8 und § 37 Abs. 1 Z 12 weiterhin in ihrer vor dem Inkrafttreten der Wohnrechtsnovelle 2000, BGBl. I Nr. 36/2000, geltenden Fassung anzuwenden.

(6) Eine vor dem 1. Juli 2000 geschlossene und nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame Vereinbarung über die Befristung eines Mietverhältnisses - einschließlich einer befristeten Erneuerung - bleibt rechtswirksam. Eine nach den damaligen Bestimmungen rechtsunwirksame Befristung bleibt rechtsunwirksam.

(7) § 29 Abs. 4a, 4b und 4c und § 34 Abs. 5 jeweils in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Wohnrechtsnovelle 2000, BGBl. I Nr. 36/2000, sind auf Mietverhältnisse weiter anzuwenden, die vor dem 1. Juli 2000 begonnen haben oder verlängert wurden, bei Verlängerung jedoch nur hinsichtlich jenes Verlängerungszeitraums, der vor dem 1. Juli 2000 begonnen hat.

(8) § 44 MRG in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 1999, BGBl. I Nr. 147/1999, ist auf Verfahren über die Unwirksamkeit von Mietzinsvereinbarungen, die vor dem 1. Juli 2000 bei Gericht (bei der Gemeinde, § 39) anhängig gemacht worden sind, weiter anzuwenden.

(9) Im übrigen ist die Wohnrechtsnovelle 2000, BGBl. I Nr. 36/2000, ab dem 1. Juli 2000 auch auf Mietverträge anzuwenden, die vor ihrem Inkrafttreten geschlossen worden sind.

Übergangsregelung zur Mietrechtsnovelle 2001

§ 49d. (1) Die Änderungen der §§ 1, 2, 9, 16, 20, 30, 37 und 45 durch die Mietrechtsnovelle 2001, BGBl. I Nr. 161/2001, treten mit 1. Jänner 2002 in Kraft.

(2) § 1 Abs. 2 und 4, § 16 und § 30 Abs. 2 jeweils in der Fassung der Mietrechtsnovelle 2001, BGBl. I Nr. 161/2001, gelten für Mietverträge, die nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen wurden.

(3) Ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag, der vor dem 1. Jänner 2002 eingehoben wurde, ist bei der Anhebung des Hauptmietzinses gemäß § 45 in der Fassung der Mietrechtsnovelle 2001, BGBl. I Nr. 161/2001, durch Hinzurechnung zum bisherigen Hauptmietzins zu berücksichtigen, sodass eine Anhebung nur zulässig ist, soweit die Summe aus dem bisherigen Hauptmietzins und dem Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag unter dem jeweils anzuwendenden Betrag nach § 45 Abs. 1 liegt. Ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag, der nach dem 28. Februar 1994 und vor dem 1. Jänner 2002 eingehoben wurde, gilt ab 1. Jänner 2002 als Teil des Hauptmietzinses; ein nach dem 28. Februar 1994 und vor dem 1. Jänner 2002 gestelltes Verlangen des Vermieters nach Entrichtung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags gilt ab 1. Jänner 2002 als Anhebungsbegehren gemäß § 45 in der Fassung der Mietrechtsnovelle 2001, BGBl. I Nr. 161/2001.

(4) Im Übrigen ist die Mietrechtsnovelle 2001, BGBl. I Nr. 161/2001, ab dem 1. Jänner 2002 auch auf Mietverträge anzuwenden, die vor ihrem In-Kraft-Treten geschlossen worden sind.

Übergangsregelung zur Wohnrechtsnovelle 2006

§ 49e. (1) Die Änderungen der §§ 1, 3, 6, 8, 10, 12, 12a, 14, 15a, 16, 20, 29, 33, 37, 45, 46 und 46a durch die Wohnrechtsnovelle 2006, BGBl. I Nr. 124, treten mit 1. Oktober 2006 in Kraft.

(2) § 1 Abs. 4 Z 2 in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2006 gilt

1.

in Ansehung von Mietgegenständen, die durch einen nicht mit einem Dachbodenausbau verbundenen Aufbau neu errichtet worden sind, für Mietverträge, die nach dem 30. September 2006 geschlossen wurden,

2.

im Übrigen jedoch für Mietverträge, die nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen wurden.

(3) § 1 Abs. 4 Z 2a, § 12 Abs. 3, § 14 Abs. 3 und § 15a Abs. 1 und 2 jeweils in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2006 gelten für Mietverträge, die nach dem 30. September 2006 geschlossen wurden.

(4) § 10 Abs. 4 und 4a in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2006 ist anzuwenden, wenn der Mietvertrag nach dem 30. September 2006 aufgelöst wird.

(5) § 12a Abs. 2, § 16 Abs. 9, § 45 Abs. 1 und 2, § 46 Abs. 2 und § 46a Abs. 6 jeweils in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2006 sind auch anzuwenden, wenn die Anhebung vor dem 1. Oktober 2006 stattgefunden hat, doch beginnt die dreijährige Frist in diesen Fällen – ausgenommen jene nach § 16 Abs. 9 – erst mit 1. Oktober 2006 zu laufen.

(6) § 20 Abs. 1 Z 2 lit. f in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2006 ist auf die die Kalenderjahre nach 2004 betreffenden Hauptmietzinsabrechnungen anzuwenden. Auf die die Kalenderjahre vor 2005 betreffenden Hauptmietzinsabrechnungen ist § 20 Abs. 1 Z 2 lit. f in der Fassung vor der Aufhebung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2003, kundgemacht in BGBl. I Nr. 2/2004, anzuwenden.

(7) § 29 Abs. 3 in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2006 ist anzuwenden, wenn die wirksam vereinbarte oder durch Vereinbarung verlängerte Vertragsdauer nach dem 30. September 2006 endet. § 29 Abs. 4a, 4b und 4c sowie § 34 Abs. 5 jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 22/1997 sind nicht mehr anzuwenden, wenn die wirksam vereinbarte oder durch Vereinbarung verlängerte Vertragsdauer nach dem 30. September 2006 endet.

(8) § 33 Abs. 1 in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2006 ist auf Kündigungserklärungen anzuwenden, die nach dem 30. September 2006 abgegeben werden.

(9) Im Übrigen ist die Wohnrechtsnovelle 2006 ab dem 1. Oktober 2006 auch auf Mietverträge anzuwenden, die vor dem 1. Oktober 2006 geschlossen worden sind.

Übergangsregelung zur Wohnrechtsnovelle 2009

§ 49f. (1) § 16b sowie die Änderungen der §§ 1, 29 und 37 durch die Wohnrechtsnovelle 2009, BGBl. I Nr. 25/2009, treten mit 1. April 2009 in Kraft; die Änderung des § 20 durch diese Novelle tritt mit 1. Jänner 2009 in Kraft.

(2) Die Wohnrechtsnovelle 2009 ist ab dem 1. April 2009 auch auf Mietverträge anzuwenden, die vor dem 1. April 2009 geschlossen worden sind. Hat im Fall eines vor dem 1. April 2009 geschlossenen Mietvertrags der Vermieter die von ihm entgegengenommene Kaution nicht in der in § 16b Abs. 1 vorgesehenen Weise veranlagt, so hat er dies bis 30. September 2009 nachzuholen.

(3) § 16b Abs. 4 und § 37 Abs. 1 in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2009, BGBl. I Nr. 25/2009, sind anzuwenden, wenn die Sache nach dem 31. März 2009 anhängig geworden ist. Alle vorher anhängig gewordenen Verfahren sind im streitigen Verfahren weiterzuführen.

Übergangsregelung zur Wohnrechtsnovelle 2015

§ 49g. (1) Die Änderungen der §§ 3, 8, und 16 durch die Wohnrechtsnovelle 2015, BGBl. I Nr. 100/2014, treten mit 1. Jänner 2015 in Kraft.

(2) § 3 Abs. 2 und § 8 Abs. 2 jeweils in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2015 sind auch in gerichtlichen Verfahren anzuwenden, die am 1. Jänner 2015 bereits anhängig geworden, aber noch nicht rechtskräftig entschieden worden sind.

(3) Im Übrigen ist die Wohnrechtsnovelle 2015 ab ihrem Inkrafttreten auch auf Mietverträge anzuwenden, die vor dem 1. Jänner 2015 geschlossen wurden.

Übergangsregelung zum Bundesgesetz BGBl I Nr. 58/2018

§ 49h. § 37 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2018, tritt mit 1. August 2018 in Kraft und ist auf Verfahren anzuwenden, die nach dem 31. Juli 2018 anhängig sind oder anhängig werden.

Kundmachung gemäß § 39 Abs. 2

§ 50. Die Gemeinden, auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 zutreffen, sind durch die Kundmachung der Bundesminister für Justiz und für Inneres, BGBl. Nr. 299/1979, bestimmt.

Übergangsregelung für die Mietzinsreserve

§ 51. Für die Anwendung des für die Mietzinsreserve bestimmten Verrechnungszeitraums von zehn Jahren gilt für die Übergangszeit von drei Jahren die Beschränkung, daß dieser Verrechnungszeitraum nicht vor dem 1. Jänner 1975 beginnt. Die Verrechnung der Mietzinsreserve aus der Zeit vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes richtet sich nach den bisherigen Vorschriften des Mietengesetzes.

Übergangsregelung für Darlehens- und Kreditverträge

§ 52. Die in einem vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossenen Darlehens- oder Kreditvertrag rechtswirksam vereinbarte Abtretung oder Verpfändung der Teilbeträge der Hauptmietzinse, die nach den bisherigen Vorschriften des Mietengesetzes von der Verwendungs- und Verrechnungspflicht ausgenommen waren, wird von der Exekutionsbeschränkung nach § 42 nicht erfaßt.

Pfandrechtliche Übergangsregelungen

§ 52a. Ein vor dem 1. März 1994 zugunsten eines Darlehens oder Kredits zur Finanzierung von Erhaltungsarbeiten an einer Liegenschaft begründetes Pfandrecht geht dem Vorzugspfandrecht nach § 42a im Rang vor, soweit der Darlehens- oder Kreditbetrag tatsächlich für Erhaltungsarbeiten verwendet wurde.

III. Hauptstück

Änderung des Rückzahlungsbegünstigungsgesetzes

§ 53. (Anm.: Änderung des Rückzahlungsbegünstigungsgesetzes, BGBl. Nr. 336/1971.)

IV. Hauptstück

Änderung des Wohnbauförderungsgesetzes 1968

§ 54. (Anm.: Änderung des Wohnbauförderungsgesetzes 1968, BGBl. Nr. 280/1967.)

V. Hauptstück

Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes

§ 55. (Anm.: Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, BGBl. Nr. 139/1979.)

VI. Hauptstück

Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes 1975

§ 56. (Anm.: Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 417/1975.)

VII. Hauptstück

Abgabenrechtliche Vorschriften

§ 57. (1) Die Beträge, die der Nachmieter dem Vermieter im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 1 des Mietrechtsgesetzes zur teilweisen oder gänzlichen Deckung des vom Vermieter dem Vormieter geleisteten Ersatzes von Aufwendungen nach § 10 des Mietrechtsgesetzes leistet, gelten nicht als Entgelt im Sinne des Umsatzsteuergesetzes 1972.

(2) (Anm.: Änderung des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 440/1972.)

VIII. Hauptstück

In- und Außerkrafttreten

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 1982 in Kraft.

(2) Die Bestimmungen des Abs. 2 Z 1 bis 4 des § 57 sind erstmalig bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1982, die Bestimmungen des Abs. 2 Z 5 des § 57 erstmalig für die Zeit ab 1. Jänner 1982 anzuwenden.

(3) Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes treten vorbehaltlich der Regelungen im II. Hauptstück außer Kraft:

1.

das Bundesgesetz über die Miete von Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten (Mietengesetz), BGBl. Nr. 210/1929, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 91/1976;

2.

das Bundesgesetz vom 29. Juni 1954, BGBl. Nr. 132, womit Bestimmungen über die Mietzinsbildung für nicht dem Mietengesetz unterliegende Räume getroffen werden;

3.

der Art. II des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1967, BGBl. Nr. 281, über die Änderung mietrechtlicher Vorschriften (Mietrechtsänderungsgesetz);

4.

die Art. XII Z 2 und XIII Z 2 des Einführungsgesetzes zum Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 224;

5.

der Art. 6 der Verordnung vom 4. Dezember 1943 über Maßnahmen auf dem Gebiete des bürgerlichen Streitverfahrens und der Zwangsvollstreckung (Schutzverordnung), RGBl. I S 666.

(4) Insoweit in anderen bundesgesetzlichen Rechtsvorschriften auf eine durch den Abs. 3 aufgehobene Rechtsvorschrift verwiesen wird, tritt an deren Stelle die entsprechende Bestimmung dieses Bundesgesetzes.

IX. Hauptstück

Vollziehung

§ 59. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind betraut:

1.

der Bundesminister für Finanzen hinsichtlich des § 39 Abs. 5, des § 57 und des § 58 Abs. 2;

2.

der Bundesminister für Inneres hinsichtlich der im § 30 Abs. 2 Z 15 geregelten Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde, der § 27 Abs. 5, § 38, § 39 Abs. 3 und 4 sowie § 40 Abs. 3;

3.

der Bundesminister für Justiz gemeinsam mit dem Bundesminister für Inneres hinsichtlich des § 39 Abs. 2;

4.

die Landesregierungen hinsichtlich des § 29a und des § 54, wobei der Bundesminister für Bauten und Technik mit der Wahrnehmung der Rechte des Bundes nach Art. 15 Abs. 8 B-VG betraut ist;

5.

der Bundesminister für Justiz für alle übrigen Bestimmungen.

1.3. VersVG
1.3. VersVG

Versicherungsvertragsgesetz

Bundesgesetz vom 2. Dezember 1958 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VersVG)
StF: BGBl. Nr. 2/1959 idF BGBl. I Nr. 51/2018 (VersVG)

Inhaltsverzeichnis

Stichwortverzeichnis

  • Abschlußagent 45

  • Abschlußvertreter 45

  • Adressenänderung 10, 107a

  • Allgemeine Vorschriften 1

  • Anerkenntnis 158e

  • Anpassungsklausel 178f

  • Anzeigepflicht 121, 158d

  • Anzeigepflicht. Erhöhung der Gefahr 16

  • Anzeigepflichtverletzung 41, 163, 178k

  • Auskunftspflicht 34

  • Belehrung über das Rücktrittsrecht Anl. A

  • Direktanspruch 178a

  • Doppelversicherung 58

  • Eintrittsrecht 178j, 178m

  • Elektronische Kommunikation 5a

  • Empfangsvollmacht 43

  • Ersatzvertrag 178f

  • Erstprämie 38

  • Faksimile 3

  • Fälligkeit 11

  • Feuerversicherung 81

  • Folgeprämie 39

  • Fortsetzungsrecht 178j

  • Fragenkatalog 18

  • Fragenliste 18

  • freie Anwaltswahl 158k

  • Fruchtgenußrecht 107b, 115, 151

  • Gefahrenerhöhung 16, 18, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 32, 41a, 142, 143, 164

  • Gefahrerhöhung 16, 18, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 32, 41a, 142, 143, 164

  • Geisteskrankheit 169

  • Genehmigungsfiktion 5

  • Gerichtsbehörde 158k

  • Gerichtsverfahren 158k

  • Geschädigter 158c

  • Gesetzliche Vollmacht 45

  • Gewinnentgang 53

  • Haftpflichtversicherung 149

  • Hagelversicherung 109

  • Haushaltsgegenstand 86

  • Informationspflicht 34, 44

  • Inhaberschein 4

  • Inländische Gerichtsbarkeit 15b

  • Insolvenz 13, 14, 77, 157, 177

  • Interessewegfall 68

  • Jugendprämie 178f

  • Kapitalbetrag 173

  • Kinderprämie 178f

  • Konkursverfahren 191c

  • Kostenvorschuß 150

  • Krankenhauslisten 178c

  • Krankenhaustagegeldversicherung 178d

  • Krankenversicherung 178a

  • Krankheitskostenversicherung 178d

  • Kündigung 8, 41

  • Kündigungserklärung 43, 45

  • Kündigungsverbot 178i

  • Lebensversicherung 159

  • Legalzession 67, 158f

  • Leistungsfreiheit 25, 38, 39, 61, 130, 131, 132, 152, 158c, 170, 178l, 181

  • Mehrfachversicherung 58, 59, 60

  • Mindestrechnungssumme 158c

  • Obliegenheitsverletzung 5b, 6

  • Orderschein 4

  • Pensionierung 178m

  • Pflichthaftpflichtversicherung 158b

  • Polizze 3, 4, 5

  • Prämie 35

  • Prämienänderung 5c, Anl. A

  • Prämienerhöhung 178f

  • Prämienrabatt 8

  • Prämienrücklage 173, 174, 176

  • Rechtsschutzversicherung 158j

  • Regress 67

  • Regreß 158f

  • Risikoerhöhung 16, 18, 21, 25, 27, 28, 164

  • Rücktritt 21, 163

  • Rücktrittsrecht 5c

  • Rückwärtversicherung 2

  • Schadenmeldung 33, 92, 110, 153, 182, 183

  • Schadenminderung 62, 63, 144, 145

  • Schadenregulierungsunternehmen 158j

  • Schadensmeldung 92, 110, 153, 182, 183

  • Schadensminderung 62, 63, 144, 145

  • Schadensversicherung 49

  • Schiedsgutachterverfahren 64, 184

  • Schlußvorschriften 186

  • Selbsttötung 169

  • Spitalslisten 178c

  • substitutive Krankenversicherung 178e

  • Teilrücktritt 31

  • Teilverzug 39a

  • Tierversicherung 116

  • Transportversicherung 129

  • Überversicherung 55

  • Unfallversicherung 179

  • Unteilbarkeit (der Prämie) 40

  • Unterlassungsklage 178g

  • Veräußerungsanzeige 71

  • Verbandsklage 178g

  • Verfahrenskosten 150

  • Vermittlungsagent 44

  • Vermittlungsvertreter 44

  • Versicherungsbeginn 1a

  • Versicherungsbestätigung 158i

  • Versicherungstätigkeit 191d

  • Versicherungsvertreter 43

  • Verteidigungskosten 150

  • Vertreter 43

  • Verzug 38

  • Vollmacht 19, 45

  • Vollmachtsbeschränkung 47

  • Vollmachtsumfang 43

  • Vollversicherung 178e

  • Vorsatz 61, 130, 131, 152, 170, 178l, 181

  • Vorschuß 150

  • Wiederbeschaffungswert 86

  • Zahlungsort 36

  • Zahlungsverzug 38, 39

  • Zusatzversicherung 178a

1.3. VersVG |
| 1.3. VersVG

ERSTER ABSCHNITT

Vorschriften für sämtliche Versicherungszweige.

Erstes Kapitel.

Allgemeine Vorschriften.

§ 1. (1) Bei der Schadensversicherung ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer den durch den Eintritt des Versicherungsfalles verursachten Vermögensschaden nach Maßgabe des Vertrages zu ersetzen. Bei der Lebensversicherung und der Unfallversicherung sowie bei anderen Arten der Personenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, nach dem Eintritt des Versicherungsfalles den vereinbarten Betrag an Kapital oder Rente zu zahlen oder die sonst vereinbarte Leistung zu bewirken.

(2) Der Versicherungsnehmer hat die vereinbarte Prämie zu entrichten. Als Prämien im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die bei Versicherungsunternehmungen auf Gegenseitigkeit zu entrichtenden Beiträge.

§ 1a. (1) Stellt der Versicherungsnehmer seinen Antrag auf Schließung eines Versicherungsvertrags auf einem vom Versicherer verwendeten Formblatt, so ist eine Erklärung, während einer bestimmten Frist an den Antrag gebunden zu bleiben, insoweit unwirksam, als diese Frist sechs Wochen übersteigt. Die Vereinbarung einer längeren Bindungsfrist ist nur rechtswirksam, wenn sie im einzelnen ausgehandelt worden ist.

(2) Stellt der Versicherungsnehmer seinen Antrag auf Schließung eines Versicherungsvertrags auf einem vom Versicherer verwendeten Formblatt, so ist er - soweit nicht vorläufige Deckung gewährt worden ist - darauf hinzuweisen, daß der Versicherungsvertrag erst mit Zugang des Versicherungsscheins oder einer gesonderten Annahmeerklärung zustandekommt und vor diesem Zeitpunkt kein Versicherungsschutz besteht. Kann der Versicherer einen solchen Hinweis nicht beweisen, so hat er den beantragten Versicherungsschutz ab Zugang des Antrags an ihn selbst oder an seinen Versicherungsagenten bis zum Zustandekommen des Vertrags zu gewähren, es sei denn, daß er dieses Risiko nach den für seinen Geschäftsbetrieb maßgebenden Grundsätzen überhaupt nicht versichert; ist ein späterer Beginn der Versicherung beantragt, so besteht diese Deckungspflicht frühestens ab diesem Zeitpunkt. Kommt der Vertrag nicht zustande, so endet die Deckungspflicht, sobald der Versicherungsnehmer nicht mehr an seinen Antrag gebunden ist. Dem Versicherer gebührt für diese Deckungspflicht die ihrer Dauer entsprechende Prämie.

§ 1b. (1) Soweit dieses Bundesgesetz für Erklärungen die Schriftform (Schriftlichkeit) verlangt, sind § 886 ABGB und § 4 SVG anzuwenden. Soweit dieses Bundesgesetz die geschriebene Form verlangt, ist keine Unterschrift oder qualifizierte elektronische Signatur erforderlich, wenn aus der Erklärung die Person des Erklärenden hervorgeht.

(2) Wenn sich der Versicherer auf die Unwirksamkeit einer nicht in Schriftform abgegebenen Erklärung berufen will, so hat er dies dem Erklärenden unverzüglich nach dem Zugang der Erklärung mitzuteilen. Dem Empfänger steht es frei, das Formgebrechen sodann binnen 14 Tagen durch Absendung einer schriftlichen Erklärung fristwahrend zu beseitigen.

§ 1c. Der Faktor Geschlecht darf – vorbehaltlich des § 93 Abs. 7 des Versicherungsaufsichtsgesetzes 2016 (VAG 2016), BGBl. I Nr. 34/2015 – nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen für Frauen und Männer führen.

Versicherung für Menschen mit Behinderung

§ 1d. (1) Ein Versicherungsverhältnis darf in Ansehung eines versicherbaren Risikos nicht deswegen abgelehnt oder gekündigt werden oder deshalb von einer höheren Prämie abhängig gemacht werden, weil der Versicherungsnehmer oder der Versicherte behindert (§ 3 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, BGBl. I Nr 82/2005) ist.

(2) Ein Prämienzuschlag darf nur dann vorgesehen werden, wenn der Gesundheitszustand einen bestimmenden Faktor für die Risikokalkulation in dem betreffenden Versicherungszweig darstellt und der individuelle Gesundheitszustand der versicherten Person eine wesentliche Erhöhung der Gefahr bewirkt. Ein Prämienzuschlag darf nur in dem Ausmaß erfolgen, das sich anhand der Risikokalkulation in dem konkreten Versicherungszweig aufgrund der Gefahrenerhöhung errechnet.

(3) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer gegenüber offenzulegen, aufgrund welcher (insbesondere statistischer) Daten er zu einer wesentlichen Erhöhung der Gefahr kommt und aufgrund welcher Änderung in der versicherungsmathematischen Berechnung sich der Prämienzuschlag oder die mangelnde Versicherbarkeit des Risikos nach Abs. 1 ergibt. Fehlen statistische Daten oder sind die Daten unzureichend, so ist die Gefahrenerhöhung auf der Grundlage von für den individuellen Gesundheitszustand der versicherten Person relevantem und verlässlichem medizinischen Wissen darzulegen, wenn der Versicherungsnehmer dies verlangt. Die Gründe für die konkrete Gefahrenerhöhung und den Prämienzuschlag sind in einer gesonderten Urkunde auszuweisen; diese ist dem Versicherungsnehmer spätestens mit dem Versicherungsschein zu übermitteln.

(4) Die vorstehenden Absätze lassen die Bestimmungen des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes unberührt und gelten sinngemäß auch für den Fall, dass der mit oder für eine behinderte Person abgeschlossene Versicherungsvertrag Wartefristen, einen Risikoausschluss oder Verminderungen des Leistungsumfangs aufweist.

§ 2. (1) Die Versicherung kann in der Weise genommen werden, daß sie in einem vor dem Abschluß des Vertrages liegenden Zeitpunkt beginnt.

(2) Weiß in diesem Fall der Versicherer beim Abschluß des Vertrages, daß die Möglichkeit des Eintrittes des Versicherungsfalles schon ausgeschlossen ist, so hat er keinen Anspruch auf die Prämie. Weiß der Versicherungsnehmer beim Abschluß des Vertrages, daß der Versicherungsfall schon eingetreten ist, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei.

(3) Wird der Vertrag durch einen Bevollmächtigten oder einen Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossen, so kommt in den Fällen des Abs. 2 nicht nur die Kenntnis des Vertreters, sondern auch die des Vertretenen in Betracht.

§ 3. (1) Der Versicherer hat eine von ihm unterzeichnete Urkunde über den Versicherungsvertrag (Versicherungsschein) dem Versicherungsnehmer auf Papier oder in Folge einer Vereinbarung der elektronischen Kommunikation (§ 5a) elektronisch zu übermitteln. Eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift genügt. Bezieht sich der Versicherungsvertrag auf eine Lebens-, Berufsunfähigkeits- oder Pensionsversicherung, so ist der Versicherungsschein trotz der Vereinbarung der elektronischen Kommunikation zusätzlich auch auf Papier zu übermitteln. Ist der Versicherungsschein auf den Inhaber ausgestellt (§ 4 Abs. 1), so darf er nur auf Papier übermittelt werden.

(2) Ist ein Versicherungsschein abhanden gekommen oder vernichtet, so kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer die Ausstellung einer Ersatzurkunde verlangen. Unterliegt der Versicherungsschein der Kraftloserklärung, so ist der Versicherer erst nach der Kraftloserklärung zur Ausstellung verpflichtet.

(3) Der Versicherungsnehmer kann jederzeit Abschriften der Erklärungen fordern, die er mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Der Versicherer hat ihn bei der Übermittlung des Versicherungsscheins auf dieses Recht aufmerksam zu machen. Braucht der Versicherungsnehmer die Abschriften für die Vornahme von Handlungen gegenüber dem Versicherer, die an eine bestimmte Frist gebunden sind, und sind sie ihm nicht schon früher vom Versicherer ausgehändigt worden, so ist der Lauf der Frist von der Stellung des Begehrens bis zum Einlangen der Abschriften gehemmt.

(4) Die Kosten der Ersatzurkunde und der Abschriften hat der Versicherungsnehmer zu tragen und auf Verlangen vorzuschießen.

§ 4. (1) Wird ein Versicherungsschein auf den Inhaber ausgestellt, so kann der Versicherer gleichwohl die Leistung an den Inhaber verweigern, wenn dessen Berechtigung nicht nachgewiesen ist. Der gutgläubige Versicherer wird durch die Leistung an den Inhaber oder Überbringer befreit. Der Versicherer ist nur gegen Aushändigung der Urkunde auf Papier zur Leistung verpflichtet.

(2) Ist im Vertrag bestimmt, daß der Versicherer nur gegen Rückgabe des Versicherungsscheines zu leisten hat, so genügt, wenn der Versicherungsnehmer behauptet, zur Rückgabe außerstande zu sein, das gerichtlich oder notariell beglaubigte Anerkenntnis, daß die Schuld erloschen sei. Diese Vorschrift ist nicht anzuwenden, wenn der Versicherungsschein auf den Inhaber oder an Order lautet.

§ 5. (1) Weicht der Inhalt des Versicherungsscheines vom Antrag oder den getroffenen Vereinbarungen ab, so gilt die Abweichung als genehmigt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monates nach Empfang des Versicherungsscheines in geschriebener Form widerspricht.

(2) Diese Genehmigung ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer bei Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hingewiesen hat, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monates nach Empfang des Versicherungsscheins in geschriebener Form widerspricht. Der Hinweis hat durch besondere Mitteilung in geschriebener Form oder durch einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein, der aus dem übrigen Inhalt des Versicherungsscheins hervorzuheben ist, zu geschehen; auf die einzelnen Abweichungen ist besonders aufmerksam zu machen.

(3) Hat der Versicherer den Vorschriften des Abs. 2 nicht entsprochen, so ist die Abweichung für den Versicherungsnehmer unverbindlich und der Inhalt des Versicherungsantrages insoweit als vereinbart anzusehen.

(4) Eine Vereinbarung, durch welche der Versicherungsnehmer darauf verzichtet, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten, ist unwirksam.

Elektronische Kommunikation

§ 5a. (1) Die Vereinbarung der elektronischen Kommunikation bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Versicherungsnehmers, die gesondert erklärt werden muss. Sie kann von jeder der Vertragsparteien jederzeit widerrufen werden. Auf dieses Recht ist der Versicherungsnehmer vor Einholung seiner Zustimmung hinzuweisen.

(2) Bei Vereinbarung der elektronischen Kommunikation können sich die Vertragsparteien die Schriftform nur für Erklärungen, die Bestand oder Inhalt des Versicherungsverhältnisses betreffen, ausbedingen, sofern dies aus Gründen der Rechtssicherheit sachlich gerechtfertigt und für den Versicherungsnehmer nicht gröblich benachteiligend ist. Eine solche Vereinbarung der Schriftform bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Versicherungsnehmers, die gesondert erklärt werden muss. Die Vereinbarung der Schriftform für Rücktrittserklärungen nach § 5c ist unzulässig.

(3) Bei Vereinbarung der elektronischen Kommunikation kann der Versicherer Versicherungsbedingungen, Versicherungsscheine nach Maßgabe des § 3 Abs. 1, Erklärungen und andere Informationen, der Versicherungsnehmer Erklärungen und andere Informationen elektronisch übermitteln. Die elektronische Übermittlung durch den Versicherer kann auf einem anderen dauerhaften Datenträger als Papier oder über eine Website (Abs. 9) erfolgen, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 128a Abs. 2 Z 1 und Z 2 VAG 2016 erfüllt sind.

(4) Auch bei Vereinbarung der elektronischen Kommunikation haben die Vertragsparteien das Recht, ihre Erklärungen und Informationen auf Papier zu übermitteln. Macht der Versicherer davon oder vom Recht des Widerrufs dieser Vereinbarung Gebrauch, so muss er den Versicherungsnehmer rechtzeitig elektronisch davon verständigen und ihn dabei auf die Rechtsfolgen des § 10 hinweisen.

(5) Hat der Versicherungsnehmer Versicherungsbedingungen, Versicherungsscheine, Erklärungen oder andere Informationen nur elektronisch erhalten, so ist ihm auf Verlangen unentgeltlich eine Papierfassung zu überlassen. Auf dieses Recht ist der Versicherungsnehmer vor Einholung seiner Zustimmung zur elektronischen Kommunikation hinzuweisen.

(Anm.: Abs. 6 aufgehoben durch Art. 2 Z 4, BGBl. I Nr. 16/2018)

(7) Bei elektronischer Übermittlung von vertragsrelevanten Inhalten ist der Versicherungsnehmer klar und deutlich darauf hinzuweisen, dass die Sendung einen Versicherungsschein oder eine bestimmte andere vertragsrelevante Information betrifft.

(Anm.: Abs. 8 aufgehoben durch Art. 2 Z 5, BGBl. I Nr. 16/2018)

(9) Bei Übermittlung von vertragsrelevanten Inhalten über eine Website muss der Versicherer Versicherungsbedingungen während der gesamten Vertragslaufzeit, Erklärungen und andere Informationen während der Zeit, in der sie bedeutend sind, unverändert auf der bekanntgegebenen Stelle dieser Website dauerhaft zur Abfrage bereitstellen und es dem Versicherungsnehmer auch ermöglichen, die Versicherungsbedingungen dauerhaft zu speichern und laufend wiederzugeben.

(10) Sind die Erfordernisse der Abs. 3 und 9 erfüllt und bei der Übermittlung auch beachtet worden, so wird vermutet, dass die Sendung dem Empfänger elektronisch zugegangen ist.

(11) Die Abs. 1 bis 10 gelten auch für die elektronische Kommunikation zwischen dem Versicherer und einem Versicherten oder einem sonstigen Dritten.

§ 5b. (1) Gibt der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung dem Versicherer oder seinem Beauftragten persönlich ab, so hat dieser ihm unverzüglich eine Kopie dieser Vertragserklärung auszuhändigen.

(Anm.: Abs. 2 bis 6 aufgehoben durch Art. 1 Z 2, BGBl. I Nr. 51/2018)

Rücktrittsrecht

§ 5c. (1) Der Versicherungsnehmer kann vom Versicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen, bei Lebensversicherungen innerhalb von 30 Tagen, ohne Angabe von Gründen zurücktreten.

(2) Die Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts beginnt mit dem Tag, an dem der Versicherungsvertrag zustande gekommen ist und der Versicherungsnehmer darüber informiert worden ist, jedoch nicht bevor der Versicherungsnehmer folgende Informationen erhalten hat:

1.

den Versicherungsschein (§ 3),

2.

die Versicherungsbedingungen,

3.

die Bestimmungen über die Festsetzung der Prämie, soweit diese nicht im Antrag bestimmt ist, und über vorgesehene Änderungen der Prämie sowie

4.

eine Belehrung über das Rücktrittsrecht (Abs. 3).

(3) Die nach Abs. 2 Z 4 zu erteilende Rücktrittsbelehrung muss enthalten:

1.

Informationen über die Rücktrittsfrist und deren Beginn,

2.

die Anschrift des Adressaten der Rücktrittserklärung,

3.

einen Hinweis auf die Regelungen der Abs. 4 bis 6.

Die Rücktrittsbelehrung genügt jedenfalls diesen Anforderungen, wenn das Muster gemäß Anlage A verwendet wird.

(4) Der Rücktritt ist in geschriebener Form gegenüber dem Versicherer zu erklären. § 45 Abs. 1 Z 2 bleibt unberührt. Die Rücktrittsfrist ist gewahrt, wenn die Rücktrittserklärung innerhalb der Frist abgesendet wird.

(5) Das Rücktrittsrecht erlischt spätestens einen Monat nach Zugang des Versicherungsscheins einschließlich einer Belehrung über das Rücktrittsrecht.

(6) Hat der Versicherer vorläufige Deckung gewährt, so gebührt ihm die der Dauer der Deckung entsprechende Prämie.

(7) Die vorstehenden Absätze gelten nicht für Versicherungsverträge über Großrisiken gemäß § 5 Z 34 VAG 2016.

§ 6. (1) Ist im Vertrag bestimmt, daß bei Verletzung einer Obliegenheit, die vor dem Eintritt des Versicherungsfalles dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei sein soll, so tritt die vereinbarte Rechtsfolge nicht ein, wenn die Verletzung als eine unverschuldete anzusehen ist. Der Versicherer kann den Vertrag innerhalb eines Monates, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, es sei denn, daß die Verletzung als eine unverschuldete anzusehen ist. Kündigt der Versicherer innerhalb eines Monates nicht, so kann er sich auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen.

(1a) Bei der Verletzung einer Obliegenheit, die die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegende Äquivalenz zwischen Risiko und Prämie aufrechterhalten soll, tritt die vereinbarte Leistungsfreiheit außerdem nur in dem Verhältnis ein, in dem die vereinbarte hinter der für das höhere Risiko tarifmäßig vorgesehenen Prämie zurückbleibt. Bei der Verletzung von Obliegenheiten zu sonstigen bloßen Meldungen und Anzeigen, die keinen Einfluß auf die Beurteilung des Risikos durch den Versicherer haben, tritt Leistungsfreiheit nur ein, wenn die Obliegenheit vorsätzlich verletzt worden ist.

(2) Ist eine Obliegenheit verletzt, die vom Versicherungsnehmer zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr dem Versicherer gegenüber - unabhängig von der Anwendbarkeit des Abs. 1a - zu erfüllen ist, so kann sich der Versicherer auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen, wenn die Verletzung keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit sie keinen Einfluß auf den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat.

(3) Ist die Leistungsfreiheit für den Fall vereinbart, daß eine Obliegenheit verletzt wird, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalles dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, so tritt die vereinbarte Rechtsfolge nicht ein, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Wird die Obliegenheit nicht mit dem Vorsatz verletzt, die Leistungspflicht des Versicherers zu beeinflussen oder die Feststellung solcher Umstände zu beeinträchtigen, die erkennbar für die Leistungspflicht des Versicherers bedeutsam sind, so bleibt der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung Einfluß gehabt hat.

(4) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt sein soll, ist unwirksam.

(5) Der Versicherer kann aus der fahrlässigen Verletzung einer vereinbarten Obliegenheit Rechte nur ableiten, wenn dem Versicherungsnehmer vorher die Versicherungsbedingungen oder eine andere Urkunde zugegangen sind, in der die Obliegenheit mitgeteilt wird.

§ 7. Ist die Dauer der Versicherung nach Tagen, Wochen, Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum bestimmt, so beginnt die Haftung des Versicherers am Mittag des Tages, an welchem der Vertrag abgeschlossen wird. Sie endet am Mittag des letzten Tages der Frist.

§ 8. (1) Eine Vereinbarung, nach welcher ein Versicherungsverhältnis als stillschweigend verlängert gilt, wenn es nicht vor dem Ablauf der Vertragszeit gekündigt wird, ist insoweit nichtig, als sich die jedesmalige Verlängerung auf mehr als ein Jahr erstreckt.

(2) Ist ein Versicherungsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen (dauernde Versicherung), so kann es von beiden Teilen nur für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode gekündigt werden. Die Kündigungsfrist muß für beide Teile gleich sein und darf nicht weniger als einen Monat, nicht mehr als drei Monate betragen. Auf das Kündigungsrecht können die Parteien einverständlich bis zur Dauer von zwei Jahren verzichten.

(3) Ist der Versicherungsnehmer Verbraucher (§ 1 Abs. 1 Z 2 KSchG), so kann er ein Versicherungsverhältnis, das er für eine Dauer von mehr als drei Jahren eingegangen ist, zum Ende des dritten Jahres oder jedes darauffolgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen. Eine allfällige Verpflichtung des Versicherungsnehmers zum Ersatz von Vorteilen, besonders Prämiennachlässen, die ihm wegen einer vorgesehenen längeren Laufzeit des Vertrags gewährt worden sind, bleibt unberührt.

§ 9. Als Versicherungsperiode im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.

§ 10. (1) Hat der Versicherungsnehmer seine Wohnung geändert, die Änderung aber dem Versicherer nicht mitgeteilt, so genügt für eine Willenserklärung, die dem Versicherungsnehmer gegenüber abzugeben ist, die Absendung eines eingeschriebenen Briefes nach der letzten dem Versicherer bekannten Wohnung. Die Erklärung wird in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ohne die Wohnungsänderung bei regelmäßiger Beförderung dem Versicherungsnehmer zugegangen wäre.

(2) Hat der Versicherungsnehmer die Versicherung in seinem Gewerbebetrieb genommen, so sind bei einer Verlegung der gewerblichen Niederlassung die Vorschriften des Abs. 1 entsprechend anzuwenden.

§ 11. (1) Geldleistungen des Versicherers sind mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen fällig. Die Fälligkeit tritt jedoch unabhängig davon ein, wenn der Versicherungsnehmer nach Ablauf zweier Monate seit dem Begehren nach einer Geldleistung eine Erklärung des Versicherers verlangt, aus welchen Gründen die Erhebungen noch nicht beendet werden konnten, und der Versicherer diesem Verlangen nicht binnen eines Monats entspricht.

(2) Sind diese Erhebungen bis zum Ablauf eines Monates seit der Anzeige des Versicherungsfalles nicht beendet, so kann der Versicherungsnehmer in Anrechnung auf die Gesamtforderung Abschlagszahlungen in der Höhe des Betrages verlangen, den der Versicherer nach Lage der Sache mindestens zu zahlen hat.

(3) Der Lauf der Frist des Abs. 2 ist gehemmt, solange die Beendigung der Erhebungen infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers gehindert ist.

(4) Eine Vereinbarung, durch welche der Versicherer von der Verpflichtung, Verzugszinsen zu zahlen, befreit wird, ist unwirksam.

§ 11a. (1) Der Versicherer darf im Zusammenhang mit Versicherungsverhältnissen, bei welchen der Gesundheitszustand des Versicherten oder eines Geschädigten erheblich ist, personenbezogene Gesundheitsdaten verarbeiten, soweit dies

1.

zur Beurteilung, ob und zu welchen Bedingungen ein Versicherungsvertrag abgeschlossen oder geändert wird, oder

2.

zur Verwaltung bestehender Versicherungsverträge oder

3.

zur Beurteilung und Erfüllung von Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag

unerläßlich ist. Das Verbot der Verarbeitung von Daten aus genetischen Analysen gemäß § 67 Gentechnikgesetz bleibt unberührt.

(2) Versicherer dürfen personenbezogene Gesundheitsdaten für die in Abs. 1 genannten Zwecke nur auf folgende Art ermitteln:

1.

durch Befragung der Person, die versichert werden soll oder bereits versichert ist, beziehungsweise durch Befragung des Geschädigten oder

2.

anhand der vom Versicherungsnehmer oder vom Geschädigten beigebrachten Unterlagen oder

3.

durch Auskünfte von Dritten bei Vorliegen einer für den Einzelfall erteilten ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen (Art. 7 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 4. 5. 2016 S. 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 314 vom 22. 11. 2016 S. 72) oder

4.

zur Beurteilung und Erfüllung von Ansprüchen aus einem konkreten Versicherungsfall durch Auskünfte von untersuchenden oder behandelnden Ärzten, Krankenanstalten oder sonstigen Einrichtungen der Krankenversorgung oder Gesundheitsvorsorge (Gesundheitsdienstleister) über Diagnose sowie Art und Dauer der Behandlung, sofern der Betroffene seine Einwilligung zu der Ermittlung ausdrücklich und in einer gesonderten Erklärung, die er jederzeit widerrufen kann, in geschriebener Form gegeben hat, nachdem ihn der Versicherer auf die Möglichkeit einer Einwilligung im Einzelfall (Z 3) aufmerksam machte und ihn klar und verständlich über die Folgen der Einwilligung sowie die Verweigerung der Einwilligung und über sein Widerrufsrecht im Falle der Einwilligung belehrte; solche Auskünfte dürfen erst eingeholt werden, nachdem der Betroffene von der beabsichtigten Auskunftserhebung unter Bekanntgabe der konkret nachgefragten Daten sowie des Zweckes der Datenermittlung verständigt und dabei über sein Widerspruchsrecht sowie die Folgen des Widerspruchs klar und verständlich belehrt wurde, und der Datenermittlung nicht binnen 14 Tagen (Einlangen des Widerspruchs) widersprochen hat; oder

5.

durch Heranziehung sonstiger, dem Versicherer rechtmäßigerweise bekanntgewordener Daten; diese sind dem Betroffenen mitzuteilen; es steht ihm das Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 der Verordnung (EU) 2016/679 zu.

(Anm.: Abs. 3 bis 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 34/2012)

§ 11b. (1) Soweit in der Krankheitskostenversicherung Leistungen direkt zwischen dem Versicherer und dem Gesundheitsdienstleister (§ 11a Abs. 2 Z 4) verrechnet werden sollen, bedarf dies eines Auftrags des betroffenen Versicherungsnehmers oder Versicherten. Der Arzt oder der Träger der Einrichtung, dessen oder deren Leistung abgerechnet werden soll, hat den Betroffenen vor Erteilung des Auftrags zur Direktverrechnung darüber zu informieren, dass die in Abs. 2 genannten Daten für Zwecke der Direktverrechnung an den Versicherer zu übermitteln sind. Dabei ist er auch darüber zu belehren, dass er diese Datenübermittlung jederzeit untersagen kann, was zur Folge haben könnte, dass der Versicherer zumindest vorerst die Deckung verweigert und er für diejenigen Leistungen zahlungspflichtig bleibt, die sonst gedeckt wären.

(2) Erteilt der betroffene Versicherungsnehmer oder Versicherte nach Belehrung (Abs. 1) einen Auftrag zur Direktverrechnung, so darf der Versicherer für Zwecke der Direktverrechnung folgende personenbezogene Gesundheitsdaten des Betroffenen ohne dessen ausdrückliche Einwilligung durch Auskünfte des Gesundheitsdienstleisters ermitteln:

1.

zwecks Einholung der Deckungszusage des Versicherers Daten über die Identität des Betroffenen, das Versicherungsverhältnis und die Aufnahmediagnose (Daten zum Grund der stationären Aufnahme oder der ambulanten Behandlung sowie zu der Frage, ob der Behandlung ein Unfall zugrunde liegt);

2.

zwecks Abrechung und Überprüfung der Leistungen

a.

Daten über die erbrachten Behandlungsleistungen (Daten zum Grund einer Behandlung und zu deren Ausmaß) einschließlich des Operationsberichts;

b.

Daten über die Dauer des stationären Aufenthalts oder der Behandlung;

c.

Daten über die Entlassung oder die Beendigung der Behandlung.

(3) Über das Recht, die Datenermittlung nach Abs. 2 jederzeit zu untersagen, ist der Versicherungsnehmer bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrags zu belehren. Die Belehrung ist besonders hervorzuheben.

§ 11c. (1) Soweit eine ausdrückliche, den einzelnen Übermittlungsfall betreffende Einwilligung des Betroffenen nach § 11a Abs. 2 Z 3 nicht vorliegt, dürfen Versicherer Gesundheitsdaten für die in § 11a Abs. 1 genannten Zwecke nur an folgende Empfänger übermitteln:

1.

Gesundheitsdienstleister (§ 11a Abs. 2 Z 4),

2.

Sozialversicherungsträger, Rückversicherer oder Mitversicherer,

3.

andere Versicherer, die bei Abwicklung von Ansprüchen aus einem Versicherungsfall mitwirken,

4.

vom Versicherer herangezogene befugte Sachverständige,

5.

gewillkürte oder gesetzliche Vertreter des Betroffenen,

6.

Gerichte, Staatsanwaltschaften, Verwaltungsbehörden, Schlichtungsstellen und sonstige Einrichtungen der Streitbeilegung und ihre Organe, einschließlich der von ihnen bestellten Sachverständigen.

(2) Der Versicherer hat auf Verlangen des Versicherungsnehmers oder jedes Versicherten Auskunft über und Einsicht in Gutachten zu geben, die auf Grund einer ärztlichen Untersuchung eines Versicherten erstattet worden sind, wenn die untersuchte Person in die Auskunftserteilung oder Einsichtgewährung einwilligt. Auf Verlangen sind den auskunftsberechtigten Personen gegen Aufwandersatz auch Abschriften dieser Gutachten zur Verfügung zu stellen.

§ 11d. Nach den §§ 11a und 11b erhobene Gesundheitsdaten unterliegen dem besonderen Geheimnisschutz des § 321 VAG 2016 mit der Maßgabe, dass das Vorliegen eines berechtigten privaten Interesses an der Weitergabe außerhalb der Fälle der §§ 11a und 11c ausgeschlossen ist. Derartige Daten sind umgehend zu löschen, sobald sie nicht mehr für einen rechtlich zulässigen Zweck aufbewahrt werden; dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit Gesundheitsdaten, die in Vorbereitung eines nicht zustande gekommenen Versicherungsvertrags erhoben wurden.

§ 12. (1) Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren in drei Jahren. Steht der Anspruch einem Dritten zu, so beginnt die Verjährung zu laufen, sobald diesem sein Recht auf die Leistung des Versicherers bekanntgeworden ist; ist dem Dritten dieses Recht nicht bekanntgeworden, so verjähren seine Ansprüche erst nach zehn Jahren.

(2) Ist ein Anspruch des Versicherungsnehmers beim Versicherer angemeldet worden, so ist die Verjährung bis zum Einlangen einer in geschriebener Form übermittelten Entscheidung des Versicherers gehemmt, die zumindest mit der Anführung einer der Ablehnung derzeit zugrunde gelegten Tatsache und gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung begründet ist. Nach zehn Jahren tritt jedoch die Verjährung jedenfalls ein.

(3) Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb eines Jahres gerichtlich geltend gemacht wird. Die Frist beginnt erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch in einer dem Abs. 2 entsprechenden Weise sowie unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge abgelehnt hat; sie ist für die Dauer von Vergleichsverhandlungen über den erhobenen Anspruch und für die Zeit, in der der Versicherungsnehmer ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs gehindert ist, gehemmt.

§ 13. Wird über das Vermögen des Versicherers der Konkurs eröffnet, so endet das Versicherungsverhältnis mit dem Ablauf eines Monates seit der Konkurseröffnung; bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es der Konkursmasse gegenüber wirksam. Soweit die gesetzlichen Bestimmungen über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen besondere Vorschriften über die Wirkungen der Konkurseröffnung enthalten, hat es bei diesen Vorschriften sein Bewenden.

§ 14. (1) Der Versicherer kann sich für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers die Befugnis ausbedingen, das Versicherungsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zu kündigen.

(2) Das gleiche gilt für den Fall, daß die Zwangsverwaltung der versicherten Liegenschaft bewilligt wird.

§ 15. Soweit sich die Versicherung auf unpfändbare Sachen bezieht, kann die Forderung aus der Versicherung nur an solche Gläubiger des Versicherungsnehmers übertragen werden, die diesem zum Ersatz der zerstörten oder beschädigten Sachen andere Sachen geliefert haben. Die Zwangsvollstreckung in die Forderung aus der Versicherung unterliegt denselben Beschränkungen.

§ 15a. (1) Auf eine Vereinbarung, die von den Vorschriften der § 1a, § 1b, § 1c, § 1d, § 3, § 5 Abs. 1 bis 3, § 5a, § 5b, § 5c, § 6 Abs. 1 bis 3 und Abs. 5, § 8 Abs. 2 und 3, § 11, § 11a, § 11b, § 11c, § 11d, § 12 und § 14 zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen.

(2) Wenn die Vertragsparteien nicht die elektronische Kommunikation (§ 5a) vereinbart haben, können sie die Schriftform ausbedingen, sofern dies aus Gründen der Rechtssicherheit sachlich gerechtfertigt und für den Versicherungsnehmer nicht gröblich benachteiligend ist. Eine solche Vereinbarung der Schriftform bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Versicherungsnehmers, die gesondert erklärt werden muss. Die Vereinbarung der Schriftform für Rücktrittserklärungen nach § 5c ist unzulässig.

Inländische Gerichtsbarkeit

§ 15b. (1) Eine Vereinbarung der inländischen Gerichtsbarkeit nach § 104 Abs. 1 JN ist nur für bereits entstandene Streitigkeiten wirksam; das Fehlen der inländischen Gerichtsbarkeit heilt jedoch nach § 104 Abs. 3 JN.

(2) Der Abs. 1 ist insoweit zur Gänze oder zum Teil nicht anzuwenden, als nach Völkerrecht oder besonderen gesetzlichen Anordnungen ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Zweites Kapitel.

Anzeigepflicht. Erhöhung der Gefahr.

§ 16. (1) Der Versicherungsnehmer hat beim Abschluß des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind jene Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluß des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bestimmungen abzuschließen, einen Einfluß auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und in geschriebener Form gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich.

(2) Ist dieser Vorschrift zuwider die Anzeige eines erheblichen Umstandes unterblieben, so kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten. Das gleiche gilt, wenn die Anzeige eines erheblichen Umstandes deshalb unterblieben ist, weil sich der Versicherungsnehmer der Kenntnis des Umstandes arglistig entzogen hat.

(3) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Umstand kannte. Er ist auch ausgeschlossen, wenn die Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben ist; hat jedoch der Versicherungsnehmer einen Umstand nicht angezeigt, nach dem der Versicherer nicht ausdrücklich und genau umschrieben gefragt hat, so kann dieser vom Vertrag nur dann zurücktreten, wenn die Anzeige vorsätzlich oder grob fahrlässig unterblieben ist.

§ 17. (1) Der Versicherer kann vom Vertrag auch dann zurücktreten, wenn über einen erheblich Umstand eine unrichtige Anzeige gemacht worden ist.

(2) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn die Unrichtigkeit dem Versicherer bekannt war oder die Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unrichtig gemacht worden ist.

§ 18. Hatte der Versicherungsnehmer die Gefahrenumstände an Hand von vom Versicherer in geschriebener Form gestellter Fragen anzuzeigen, so kann der Versicherer wegen unterbliebener Anzeige eines Umstandes, nach dem nicht ausdrücklich und genau umschrieben gefragt worden ist, nur im Falle arglistiger Verschweigung zurücktreten.

§ 19. Wird der Vertrag von einem Bevollmächtigten oder von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossen, so kommt für das Rücktrittsrecht des Versicherers nicht nur die Kenntnis und die Arglist des Vertreters, sondern auch die Kenntnis und die Arglist des Versicherungsnehmers in Betracht. Der Versicherungsnehmer kann sich darauf, daß die Anzeige eines erheblichen Umstandes ohne Verschulden unterblieben oder unrichtig gemacht ist, nur berufen, wenn weder dem Vertreter noch ihm selbst ein Verschulden zur Last fällt.

§ 20. (1) Der Rücktritt ist nur innerhalb eines Monates zulässig. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erlangt.

(2) Der Rücktritt ist gegenüber dem Versicherungsnehmer zu erklären. Im Falle des Rücktrittes sind, soweit dieses Bundesgesetz nicht in Ansehung der Prämie etwas anderes bestimmt, beide Teile verpflichtet, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren; eine Geldsumme ist von dem Zeitpunkt des Empfanges an zu verzinsen.

§ 21. Tritt der Versicherer zurück, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, so bleibt seine Verpflichtung zur Leistung gleichwohl bestehen, wenn der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt ist, keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit er keinen Einfluß auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat.

§ 22. Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung über Gefahrumstände anzufechten, bleibt unberührt.

§ 23. (1) Nach Abschluß des Vertrages darf der Versicherungsnehmer ohne Einwilligung des Versicherers weder eine Erhöhung der Gefahr vornehmen noch ihre Vornahme durch einen Dritten gestatten.

(2) Erlangt der Versicherungsnehmer davon Kenntnis, daß durch eine von ihm ohne Einwilligung des Versicherers vorgenommene oder gestattete Änderung die Gefahr erhöht ist, so hat er dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen.

§ 24. (1) Verletzt der Versicherungsnehmer die Vorschrift des § 23 Abs. 1, so kann der Versicherer das Versicherungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Beruht die Verletzung nicht auf einem Verschulden des Versicherungsnehmers, so muß dieser die Kündigung erst mit dem Ablauf eines Monates gegen sich gelten lassen.

(2) Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monates von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der Versicherer von der Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt, oder wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Erhöhung bestanden hat.

§ 25. (1) Der Versicherer ist im Fall einer Verletzung der Vorschrift des § 23 Abs. 1 von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall nach der Erhöhung der Gefahr eintritt.

(2) Die Verpflichtung des Versicherers bleibt bestehen, wenn die Verletzung nicht auf einem Verschulden des Versicherungsnehmers beruht. Der Versicherer ist jedoch auch in diesem Fall von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn die im § 23 Abs. 2 vorgesehene Anzeige nicht unverzüglich gemacht wird und der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen, es sei denn, daß ihm in diesem Zeitpunkt die Erhöhung der Gefahr bekannt war.

(3) Die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung bleibt auch dann bestehen, wenn zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt ist oder wenn die Erhöhung der Gefahr keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit sie keinen Einfluß auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat.

§ 26. Die Vorschriften der §§ 23 bis 25 sind nicht anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer zu der Erhöhung der Gefahr durch das Interesse des Versicherers oder durch ein Ereignis, für das der Versicherer haftet, oder durch ein Gebot der Menschlichkeit veranlaßt wird.

§ 27. (1) Tritt nach dem Abschluß des Vertrages unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eine Erhöhung der Gefahr ein, so ist der Versicherer berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in dem der Versicherer von der Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt hat, oder wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Erhöhung bestanden hat.

(2) Der Versicherungsnehmer hat, sobald er von der Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt, dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen.

(3) Ist die Erhöhung der Gefahr durch allgemein bekannte Umstände verursacht, die nicht nur auf die Risken bestimmter Versicherungsnehmer einwirken, etwa durch eine Änderung von Rechtsvorschriften, so erlischt das Kündigungsrecht des Versicherers nach Abs. 1 erst nach einem Jahr und ist Abs. 2 nicht anzuwenden.

§ 28. (1) Wird die im § 27 Abs. 2 vorgesehene Anzeige nicht unverzüglich gemacht, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen.

(2) Die Verpflichtung des Versicherers bleibt bestehen, wenn ihm die Erhöhung der Gefahr in dem Zeitpunkt bekannt war, in welchem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen. Das gleiche gilt, wenn zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt ist oder wenn die Erhöhung der Gefahr keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit sie keinen Einfluß auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat.

§ 29. Eine unerhebliche Erhöhung der Gefahr kommt nicht in Betracht. Eine Erhöhung der Gefahr kommt auch dann nicht in Betracht, wenn nach den Umständen als vereinbart anzusehen ist, daß das Versicherungsverhältnis durch die Erhöhung der Gefahr nicht berührt werden soll.

§ 30. Die Vorschriften der §§ 23 bis 29 sind auch auf eine in der Zeit zwischen Stellung und Annahme des Versicherungsantrages eingetretene Erhöhung der Gefahr anzuwenden, die dem Versicherer bei der Annahme des Antrages nicht bekannt war.

§ 31. (1) Liegen die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer nach den Vorschriften dieses Kapitels zum Rücktritt oder zur Kündigung berechtigt ist, nur für einen Teil der Gegenstände oder Personen vor, auf die sich die Versicherung bezieht, so steht dem Versicherer das Recht des Rücktrittes oder der Kündigung für den übrigen Teil nur zu, wenn anzunehmen ist, daß für diesen allein der Versicherer den Vertrag unter den gleichen Bestimmungen nicht geschlossen hätte.

(2) Macht der Versicherer von dem Recht des Rücktrittes oder der Kündigung für einen Teil der Gegenstände oder Personen Gebrauch, so ist der Versicherungsnehmer berechtigt, das Versicherungsverhältnis für den übrigen Teil zu kündigen; die Kündigung kann jedoch nicht für einen späteren Zeitpunkt als den Schluß der Versicherungsperiode erklärt werden, in welcher der Rücktritt des Versicherers oder seine Kündigung wirksam wird.

(3) Liegen die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer wegen einer Verletzung der Vorschriften über die Erhöhung der Gefahr von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, für einen Teil der Gegenstände oder Personen vor, auf die sich die Versicherung bezieht, so ist die Vorschrift des Abs. 1 auf die Befreiung entsprechend anzuwenden.

§ 32. Eine Vereinbarung, durch welche der Versicherungsnehmer bestimmte Obliegenheiten zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder zum Zweck der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr übernimmt, wird durch die Vorschriften dieses Kapitels nicht berührt.

§ 33. (1) Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen.

(2) Auf eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei sein soll, wenn der Pflicht zur Anzeige des Versicherungsfalles nicht genügt wird, kann sich der Versicherer nicht berufen, sofern er in anderer Weise von dem Eintritt des Versicherungsfalles rechtzeitig Kenntnis erlangt hat.

§ 34. (1) Der Versicherer kann nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, daß der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist.

(2) Belege kann der Versicherer insoweit fordern, als die Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann.

§ 34a. Auf eine Vereinbarung, die von den Vorschriften der §§ 16 bis 30 und des § 34 Abs. 2 zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen. Jedoch kann für die dem Versicherungsnehmer obliegenden Anzeigen die geschriebene Form ausbedungen werden, die Schriftform aber nur unter den Voraussetzungen des § 5a Abs. 2 bei elektronischer Kommunikation bzw. des § 15a Abs. 2 außerhalb der elektronischen Kommunikation.

Drittes Kapitel.

Prämie.

§ 35. Der Versicherungsnehmer hat die Prämie und, wenn laufende Prämien bedungen sind, die erste Prämie sofort nach dem Abschluß des Vertrages zu zahlen. Er ist zur Zahlung nur gegen Übermittlung des Versicherungsscheins verpflichtet, es sei denn, dass die Ausstellung eines Versicherungsscheins ausgeschlossen ist.

§ 35a. (1) Der Versicherer muß fällige Prämien oder sonstige ihm auf Grund des Vertrages gebührende Zahlungen bei der Versicherung für fremde Rechnung auch vom Versicherten annehmen, ferner vom Bezugsberechtigten, der ein Recht auf die Leistung des Versicherers erworben hat, sowie vom Pfandgläubiger, und zwar selbst dann, wenn er ansonsten die Zahlung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zurückweisen könnte.

(2) Ein Pfandrecht an der Versicherungsforderung kann auch wegen der Beträge und ihrer Zinsen geltend gemacht werden, die der Pfandgläubiger zur Entrichtung von Prämien oder sonstigen dem Versicherer auf Grund des Vertrages gebührenden Zahlungen verwendet hat.

§ 35b. Der Versicherer kann den Betrag einer fälligen Prämienforderung oder einer anderen ihm aus dem Vertrag zustehenden Forderung von der ihm nach diesem Vertrag obliegenden Leistung abziehen, auch wenn er die Leistung nicht dem Versicherungsnehmer, sondern einem Dritten schuldet.

§ 36. (1) Erfüllungsort für die Entrichtung der Prämie ist der jeweilige Wohnsitz des Versicherungsnehmers; der Versicherungsnehmer hat jedoch die Prämie auf seine Gefahr und seine Kosten dem Versicherer zu übermitteln. Eine Übermittlung gilt als rechtzeitig, wenn der Versicherungsnehmer die Zahlung bis zum Eintritt der Fälligkeit veranlasst hat und diese in der Folge beim Versicherer einlangt.

(2) Hat der Versicherungsnehmer die Versicherung im Rahmen seines Unternehmens abgeschlossen, so tritt, wenn er seine Niederlassung an einem anderen Ort hat, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes; die Übermittlung der Prämie ist nur dann rechtzeitig, wenn die Zahlung bei Fälligkeit beim Versicherer eingelangt ist. In Ansehung der Rechtsfolgen nach §§ 38 Abs. 2 und 39 Abs. 2 gilt die Frist als gewahrt, wenn die bis zum Eintritt der Fälligkeit veranlasste Zahlung in der Folge beim Versicherer einlangt.

§ 37. Ist die Prämie regelmäßig beim Versicherungsnehmer eingehoben worden, so ist dieser zur Übermittlung der Prämie erst verpflichtet, wenn ihm in geschriebener Form angezeigt wird, daß die Übermittlung verlangt wird.

§ 38. (1) Ist die erste oder einmalige Prämie innerhalb von 14 Tagen nach dem Abschluß des Versicherungsvertrags und nach der Aufforderung zur Prämienzahlung nicht gezahlt, so ist der Versicherer, solange die Zahlung nicht bewirkt ist, berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten. Es gilt als Rücktritt, wenn der Anspruch auf die Prämie nicht innerhalb dreier Monate vom Fälligkeitstag an gerichtlich geltend gemacht wird.

(2) Ist die erste oder einmalige Prämie zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls und nach Ablauf der Frist des Abs. 1 noch nicht gezahlt, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß der Versicherungsnehmer an der rechtzeitigen Zahlung der Prämie ohne sein Verschulden verhindert war.

(3) Die Aufforderung zur Prämienzahlung hat die im Abs. 1 und 2 vorgesehenen Rechtsfolgen nur, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer dabei auf diese hingewiesen hat.

(4) Die Nichtzahlung von Zinsen oder Kosten löst die Rechtsfolgen der Abs. 1 und 2 nicht aus.

§ 39. (1) Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, so kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer auf dessen Kosten schriftlich eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen bestimmen; zur Unterzeichnung genügt eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift. Dabei sind die Rechtsfolgen anzugeben, die nach Abs. 2 und 3 mit dem Ablauf der Frist verbunden sind. Eine Fristbestimmung, ohne Beachtung dieser Vorschriften, ist unwirksam.

(2) Tritt der Versicherungsfall nach dem Ablauf der Frist ein und ist der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintrittes mit der Zahlung der Folgeprämie im Verzug, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß der Versicherungsnehmer an der rechtzeitigen Zahlung ohne sein Verschulden verhindert war.

(3) Der Versicherer kann nach dem Ablauf der Frist das Versicherungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn der Versicherungsnehmer mit der Zahlung im Verzug ist. Die Kündigung kann bereits mit der Bestimmung der Zahlungsfrist so verbunden werden, daß sie mit Fristablauf wirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer in diesem Zeitpunkt mit der Zahlung im Verzug ist; darauf ist der Versicherungsnehmer bei der Kündigung ausdrücklich aufmerksam zu machen. Die Wirkungen der Kündigung fallen fort, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monates nach der Kündigung oder, falls die Kündigung mit der Fristbestimmung verbunden worden ist, innerhalb eines Monates nach dem Ablauf der Zahlungsfrist die Zahlung nachholt, sofern nicht der Versicherungsfall bereits eingetreten ist.

(4) Die Nichtzahlung von Zinsen oder Kosten löst die Rechtsfolgen der Abs. 1 bis 3 nicht aus.

§ 39a. Ist der Versicherungsnehmer bloß mit nicht mehr als 10 vH der Jahresprämie, höchstens aber mit 60 Euro im Verzug, so tritt eine im § 38 oder § 39 vorgesehene Leistungsfreiheit des Versicherers nicht ein.

§ 40. Wird der Versicherungsvertrag während der Versicherungsperiode oder sonst vorzeitig aufgelöst, so gebührt dem Versicherer die Prämie nur für die bis dahin verstrichene Vertragslaufzeit, soweit nicht Sonderbestimmungen anderes vorsehen. Die Möglichkeit für den Versicherer, sich für diesen Fall die Zahlung einer angemessenen Konventionalstrafe (Geschäftsgebühr) auszubedingen (§ 1336 ABGB), bleibt unberührt.

§ 41. (1) Ist die dem Versicherungsnehmer beim Abschluß des Vertrages obliegende Anzeigepflicht verletzt worden, das Rücktrittsrecht des Versicherers aber ausgeschlossen, weil dem anderen Teil kein Verschulden zur Last fällt, so kann der Versicherer vom Beginn der laufenden Versicherungsperiode an eine höhere Prämie verlangen, falls sie mit Rücksicht auf die höhere Gefahr angemessen ist. Das gleiche gilt, wenn beim Abschluß des Vertrages ein für die Übernahme der Gefahr erheblicher Umstand dem Versicherer nicht angezeigt worden ist, weil er dem anderen Teil nicht bekannt war.

(2) Wird die höhere Gefahr nach den für den Geschäftsbetrieb des Versicherers maßgebenden Grundsätzen auch gegen eine höhere Prämie nicht übernommen, so kann der Versicherer das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat kündigen.

(3) Der Anspruch auf die höhere Prämie erlischt, wenn er nicht innerhalb eines Monates von dem Zeitpunkt an geltend gemacht wird, in welchem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht oder von dem nicht angezeigten Umstand Kenntnis erlangt. Das gleicht gilt von dem Kündigungsrecht, wenn es nicht innerhalb des bezeichneten Zeitraumes ausgeübt wird.

§ 41a. (1) Ist wegen bestimmter, die Gefahr erhöhender Umstände eine höhere Prämie vereinbart, so kann der Versicherungsnehmer, wenn diese Umstände in der Zeit zwischen Stellung und Annahme des Antrages oder nach Abschluß des Vertrages wegfallen oder ihre Bedeutung verlieren, verlangen, daß die Prämie für die künftigen Versicherungsperioden angemessen herabgesetzt wird.

(2) Das gleiche gilt, wenn die Bemessung der höheren Prämie durch irrtümliche Angaben des Versicherungsnehmers über einen solchen Umstand veranlaßt worden ist.

§ 41b. Der Versicherer darf – vorbehaltlich des § 56 Abs. 3 ZaDiG 2018 – neben der Prämie nur solche Gebühren verlangen, die der Abgeltung von Mehraufwendungen dienen, die durch das Verhalten des Versicherungsnehmers veranlasst worden sind; die Vereinbarung davon abweichender Nebengebühren ist unwirksam.

§ 42. Auf eine Vereinbarung, die von den Vorschriften der §§ 37 bis 41a zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen.

Viertes Kapitel.

Versicherungsvertreter

§ 43. Versicherungsvertreter im Sinne der nachstehenden Bestimmungen ist, wer die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung (§ 137 Abs. 1 GewO 1994) als selbständiger Versicherungsagent oder die Tätigkeit des Versicherungsvertriebs (§ 5 Z 59 VAG) als Angestellter des Versicherers durchführt. Als Versicherungsagent im Sinne der nachstehenden Bestimmungen gilt auch, wer mit nach den Umständen anzunehmender Billigung des Versicherers als solcher auftritt.

§ 44. (1) Steht ein Versicherungsmakler zum Versicherer in einem solchen wirtschaftlichen Naheverhältnis, das es zweifelhaft erscheinen lässt, ob er in der Lage ist, überwiegend die Interessen des Versicherungsnehmers zu wahren (Pseudomakler), so haftet der Versicherer dem Versicherungsnehmer für das Verschulden eines solchen Vermittlers wie für sein eigenes.

(2) Der Versicherer haftet dem Versicherungsnehmer für das Verschulden eines Versicherungsagenten und eines Pseudomaklers auch bei der Erfüllung einer nur diesen treffenden Informations- oder Beratungspflicht wie für sein eigenes.

Gesetzliche Vollmacht

§ 45. (1) Ein Versicherungsvertreter gilt, auch wenn er nur mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften betraut ist, als bevollmächtigt in dem Versicherungszweig, für den er bestellt ist:

1.

Anträge auf Abschluss, Verlängerung oder Änderung eines Versicherungsvertrages sowie den Widerruf solcher Anträge entgegenzunehmen;

2.

die Anzeigen, welche während der Dauer des Versicherungsverhältnisses zu machen sind, sowie Kündigungs- und Rücktrittserklärungen oder sonstige das Versicherungsverhältnis betreffende Erklärungen vom Versicherungsnehmer entgegenzunehmen;

3.

die vom Versicherer ausgefertigten Versicherungsscheine oder Verlängerungsscheine zu übermitteln;

4.

Prämien nebst Zinsen und Kosten anzunehmen, sofern er sich im Besitz einer vom Versicherer unterzeichneten Prämienrechnung befindet; zur Unterzeichnung genügt eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift.

(2) Hat ein Versicherungskunde dem Versicherungsvertreter einen für den Versicherer bestimmten Geldbetrag gezahlt, so gilt die Zahlung als direkt an den Versicherer erfolgt. Geldbeträge, die der Versicherer dem Versicherungsvertreter zur Weiterleitung an den Versicherungsnehmer zahlt, gelten erst dann als an den Versicherungsnehmer gezahlt, wenn dieser sie tatsächlich erhält.

(3) Ist ein Versicherungsvertreter zum Abschluss von Versicherungsverträgen bevollmächtigt, so ist er auch befugt, die Änderung oder Verlängerung solcher Verträge zu vereinbaren sowie Kündigungs- und Rücktrittserklärungen abzugeben.

§ 47. Eine Beschränkung der dem Versicherungsvertreter nach § 45 zustehenden Vertretungsmacht braucht ein Dritter nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er die Beschränkung bei der Vornahme des Geschäftes oder der Rechtshandlung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Auf eine abweichende Vereinbarung kann sich der Versicherer nicht berufen. § 10 KSchG bleibt unberührt.

§ 48. (1) Hat ein Versicherungsvertreter den Vertrag vermittelt oder abgeschlossen, so ist für Klagen aus dem Versicherungsverhältnis gegen den Versicherer das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Versicherungsvertreter zur Zeit der Vermittlung oder des Abschlusses des Vertrages seine gewerbliche Niederlassung oder in deren Ermanglung seinen Wohnsitz hatte.

(2) Die nach Abs. 1 begründete Zuständigkeit kann durch Vereinbarung nicht ausgeschlossen werden.

ZWEITER ABSCHNITT.

Schadensversicherung.

Erstes Kapitel.

Vorschriften für die gesamte Schadensversicherung.

I. Inhalt des Vertrages.

§ 49. Der Versicherer hat den Schadenersatz in Geld zu leisten.

§ 50. Der Versicherer haftet nur bis zur Höhe der Versicherungssumme.

§ 51. (1) Wenn die Versicherungssumme den Wert des versicherten Interesses (Versicherungswert) erheblich übersteigt, kann sowohl der Versicherer als auch der Versicherungsnehmer verlangen, daß zur Beseitigung der Überversicherung die Versicherungssumme unter verhältnismäßiger Minderung der Prämie mit sofortiger Wirkung herabgesetzt wird.

(2) Ist die Überversicherung durch ein Kriegsereignis oder durch eine behördliche Maßnahme aus Anlaß eines Krieges verursacht oder ist sie die unvermeidliche Folge eines Krieges, so kann der Versicherungsnehmer das Verlangen nach Abs. 1 mit Wirkung vom Eintritt der Überversicherung ab stellen.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 sind die dem Versicherungsnehmer zurückzuerstattenden Prämienteile erst am Schluß der Versicherungsperiode zu zahlen.

(4) Schließt der Versicherungsnehmer den Vertrag in der Absicht ab, sich aus der Überversicherung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, so ist der Vertrag nichtig.

(5) Das Recht des Versicherungsnehmers, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten, bleibt unberührt.

§ 52. Bezieht sich die Versicherung auf eine Sache, so gilt, soweit sich nicht aus den Umständen etwas anderes ergibt, der Wert der Sache als Versicherungswert.

§ 53. Die Versicherung umfaßt den durch den Eintritt des Versicherungsfalles entgehenden Gewinn nur, soweit dies besonders vereinbart ist.

§ 54. Ist die Versicherung für einen Inbegriff von Sachen genommen, so umfaßt sie die jeweils zu dem Inbegriff gehörigen Sachen.

§ 55. Der Versicherer ist, auch wenn die Versicherungssumme höher ist als der Versicherungswert zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles, nicht verpflichtet, dem Versicherungsnehmer mehr als den Betrag des Schadens zu ersetzen.

§ 56. Ist die Versicherungssumme niedriger als der Versicherungswert zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles (Unterversicherung), so haftet der Versicherer für den Schaden nur nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zu diesem Wert.

§ 57. Der Versicherungswert kann durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag (Taxe) festgesetzt werden. Die Taxe gilt auch als der Wert, den das versicherte Interesse zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles hat, es sei denn, daß sie den wirklichen Versicherungswert in diesem Zeitpunkt erheblich übersteigt. Ist die Versicherungssumme niedriger als die Taxe, so haftet der Versicherer, auch wenn die Taxe den Versicherungswert erheblich übersteigt, für den Schaden nur nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zur Taxe.

§ 58. (1) Wer für ein Interesse gegen dieselbe Gefahr bei mehreren Versicherern Versicherung nimmt, hat jedem Versicherer von der anderen Versicherung unverzüglich Mitteilung zu machen.

(2) In der Mitteilung ist der Versicherer, bei welchem die andere Versicherung genommen worden ist, zu bezeichnen und die Versicherungssumme anzugeben.

§ 59. (1) Ist ein Interesse gegen dieselbe Gefahr bei mehreren Versicherern versichert und übersteigen die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert oder übersteigt aus anderen Gründen die Summe der Entschädigungen, die von jedem einzelnen Versicherer ohne Bestehen der anderen Versicherung zu zahlen wären, den Gesamtschaden (Doppelversicherung), so sind die Versicherer in der Weise zur ungeteilten Hand verpflichtet, daß dem Versicherungsnehmer jeder Versicherer für den Betrag haftet, dessen Zahlung ihm nach seinem Vertrag obliegt, der Versicherungsnehmer aber im ganzen nicht mehr als den Betrag des Schadens verlangen kann.

(2) Die Versicherer sind nach Maßgabe der Beträge, deren Zahlung ihnen dem Versicherungsnehmer gegenüber vertragsmäßig obliegt, untereinander zum Ersatz verpflichtet. Ist auf eine der Versicherungen ausländisches Recht anzuwenden, so kann der Versicherer, für den das ausländische Recht gilt, vom anderen Versicherer nur dann Ersatz verlangen, wenn er selbst nach dem für ihn maßgebenden Recht zum Ersatz verpflichtet ist.

(3) Hat der Versicherungsnehmer eine Doppelversicherung in der Absicht genommen, sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, so ist jeder in dieser Absicht geschlossene Vertrag nichtig.

§ 60. (1) Hat der Versicherungsnehmer den Vertrag, durch welchen die Doppelversicherung entstanden ist, ohne Kenntnis von dem Entstehen der Doppelversicherung abgeschlossen, so kann er verlangen, daß der später abgeschlossenen Vertrag aufgehoben oder die Versicherungssumme, unter verhältnismäßiger Minderung der Prämie, auf den Teilbetrag herabgesetzt wird, der durch die frühere Versicherung nicht gedeckt ist.

(2) Das gleiche gilt, wenn die Doppelversicherung dadurch entstanden ist, daß nach Abschluß der mehreren Versicherungsverträge der Versicherungswert gesunken ist. Sind jedoch in diesem Fall die mehreren Versicherungsverträge gleichzeitig oder im Einvernehmen der Versicherer abgeschlossen worden, so kann der Versicherungsnehmer nur die verhältnismäßige Herabsetzung der Versicherungssummen und der Prämien verlangen.

(3) Die Aufhebung oder Herababsetzung wird erst mit dem Ablauf der Versicherungsperiode wirksam, in der sie verlangt wird. Das Recht, die Aufhebung oder die Herabsetzung zu verlangen, erlischt, wenn der Versicherungsnehmer es nicht unverzüglich geltend macht, nachdem er von der Doppelversicherung Kenntnis erlangt hat.

§ 61. Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt.

§ 62. (1) Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, beim Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und dabei die Weisungen des Versicherers zu befolgen; er hat, wenn die Umstände es gestatten, solche Weisungen einzuholen. Sind mehrere Versicherer beteiligt und haben diese entgegenstehende Weisungen gegeben, so hat der Versicherungsnehmer nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu handeln.

(2) Hat der Versicherungsnehmer diese Verpflichtungen verletzt, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grobfahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als der Umfang des Schadens auch bei gehöriger Erfüllung der Verpflichtungen nicht geringer gewesen wäre.

§ 63. (1) Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer gemäß § 62 macht, fallen, auch wenn sie erfolglos bleiben, dem Versicherer zur Last, soweit der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für geboten halten durfte. Der Versicherer hat Aufwendungen, die den von ihm gegebenen Weisungen gemäß gemacht worden sind, auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit der übrigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen. Er hat den für die Aufwendungen erforderlichen Betrag auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen.

(2) Bei einer Unterversicherung sind die Aufwendungen nur nach dem in den §§ 56 und 57 bezeichneten Verhältnis zu ersetzen.

§ 64. (1) Eine Vereinbarung, daß einzelne Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder die Höhe des Schadens in einem Schiedsgutachterverfahren durch Sachverständige festgestellt werden sollen, ist nur wirksam, wenn vorgesehen ist, daß der Sachverständige oder die Sachverständigen von einem unbeteiligten Dritten oder jeweils in gleicher Anzahl vom Versicherer und vom Versicherungsnehmer namhaft gemacht werden, wobei vorgesehen werden kann, daß diese Sachverständigen oder ein unbeteiligter Dritter einen Vorsitzenden zu bestimmen haben.

(2) Die von dem oder den Sachverständigen getroffene Feststellung ist nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Die Feststellung erfolgt in diesem Fall durch Urteil. Das gleiche gilt, wenn die Sachverständigen die Feststellung nicht treffen können oder wollen oder sie verzögern.

(3) Sind nach dem Vertrag die Sachverständigen vom Gericht zu bestellen, so ist für die Bestellung das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel der Schaden entstanden ist. Durch eine ausdrückliche Vereinbarung der Beteiligten kann die Zuständigkeit eines anderen Bezirksgerichtes begründet werden. Der Beschluß, durch den dem Antrag auf Bestellung der Sachverständigen stattgegeben wird, ist nicht anfechtbar.

(4) Eine Vereinbarung, die von der Vorschrift des Abs. 1 Satz 1 abweicht, ist nichtig.

§ 65. Der Versicherer kann sich auf eine Vereinbarung nicht berufen, nach der sich der Versicherungsnehmer bei den Verhandlungen zur Ermittlung und Feststellung des Schadens nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen darf.

§ 66. (1) Der Versicherer hat die Kosten, welche durch die Ermittlung und Feststellung des ihm zur Last fallenden Schadens entstehen, dem Versicherungsnehmer insoweit zu ersetzen, als ihre Aufwendung den Umständen nach geboten war.

(2) Die Kosten, welche dem Versicherungsnehmer durch die Zuziehung eines Sachverständigen oder eines Beistandes entstehen, hat der Versicherer nicht zu ersetzten, es sei denn, daß der Versicherungsnehmer nach dem Vertrag zur Zuziehung verpflichtet war.

(3) Bei einer Unterversicherung sind die dem Versicherer zur Last fallenden Kosten nur nach dem in den §§ 56 und 57 bezeichneten Verhältnis zu ersetzen.

§ 67. (1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden. Gibt der Versicherungsnehmer seinen Anspruch gegen den Dritten oder ein zur Sicherung des Anspruches dienendes Recht auf, so wird der Versicherer von seiner Ersatzpflicht insoweit frei, als er aus dem Anspruch oder dem Recht hätte Ersatz erlangen können.

(2) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, so ist der Übergang ausgeschlossen; der Anspruch geht jedoch über, wenn der Angehörige den Schaden vorsätzlich verursacht hat.

§ 68. (1) Besteht das versicherte Interesse beim Beginn der Versicherung nicht oder gelangt, falls die Versicherung für ein künftiges Unternehmen oder sonst für ein künftiges Interesse genommen ist, das Interesse nicht zur Entstehung, so ist der Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Zahlung der Prämie frei; der Versicherer kann eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen.

(2) Fällt das versicherte Interesse nach dem Beginn der Versicherung weg, so gebührt dem Versicherer die Prämie, die er hätte erheben können, wenn die Versicherung nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, in welchem der Versicherer vom Wegfall des Interesses Kenntnis erlangt.

(3) Fällt das versicherte Interesse nach dem Beginn der Versicherung durch ein Kriegsereignis oder durch eine behördliche Maßnahme aus Anlaß eines Krieges weg oder ist der Wegfall des Interesses die unvermeidliche Folge eines Krieges, so gebührt dem Versicherer nur der Teil der Prämie, welcher der Dauer der Gefahrtragung entspricht.

(4) In den Fällen der Abs. 2 und 3 sind die dem Versicherungsnehmer zurückzuerstattenden Prämienteile erst nach Kriegsende zu zahlen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. Nr. 509/1994)

§ 68a. Auf eine Vereinbarung, die von den Vorschriften des § 51 Abs. 1 und 2, des § 58 und der §§ 62, 67 und 68 zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen.

II. Veräußerung der versicherten Sache.

§ 69. (1) Wird die versicherte Sache vom Versicherungsnehmer veräußert, so tritt an Stelle des Veräußerers der Erwerber in die während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein.

(2) Für die Prämie, welche auf die zur Zeit des Eintrittes laufende Versicherungsperiode entfällt, haften der Veräußerer und der Erwerber zur ungeteilten Hand.

(3) Der Versicherer hat die Veräußerung in Ansehung der durch das Versicherungsverhältnis gegen ihn begründeten Forderungen erst dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er von ihr Kenntnis erlangt; die Vorschriften der §§ 1394 bis 1396 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches sind entsprechend anzuwenden.

§ 70. (1) Der Versicherer ist berechtigt, dem Erwerber das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn der Versicherer es nicht innerhalb eines Monates von dem Zeitpunkt an ausübt, in welchem er von der Veräußerung Kenntnis erlangt hat.

(2) Der Erwerber ist berechtigt, das Versicherungsverhältnis zu kündigen; die Kündigung kann nur mit sofortiger Wirkung oder auf den Schluß der laufenden Versicherungsperiode erfolgen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monates nach dem Erwerb ausgeübt wird; hatte der Erwerber von der Versicherung keine Kenntnis, so bleibt das Kündigungsrecht bis zum Ablauf eines Monates von dem Zeitpunkt an bestehen, in welchem der Erwerber von der Versicherung Kenntnis erlangt hat.

(3) Wird das Versicherungsverhältnis auf Grund dieser Vorschriften gekündigt, so hat der Veräußerer dem Versicherer die Prämie zu zahlen; der Erwerber haftet in diesen Fällen für die Prämie nicht.

§ 71. (1) Die Veräußerung ist dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Wird die Anzeige weder vom Erwerber noch vom Veräußerer unverzüglich erstattet, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen.

(2) Die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung bleibt bestehen, wenn ihm die Veräußerung in dem Zeitpunkt bekannt war, in welchem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen, oder wenn die Anzeige nicht vorsätzlich unterlassen worden ist und die Veräußerung keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit sie keinen Einfluß auf den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat. Das gleiche gilt, wenn zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt ist.

§ 72. Auf eine Bestimmung des Versicherungsvertrages, die von den Vorschriften der §§ 69 bis 71 zum Nachteil des Erwerbers abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen. Jedoch kann für die Kündigung, zu der nach § 70 Abs. 2 der Erwerber berechtigt ist, und für die Anzeige der Veräußerung geschriebene Form ausbedungen werden; die Schriftform nur unter den Voraussetzungen des § 5a Abs. 2 bei elektronischer Kommunikation bzw. des § 15a Abs. 2 außerhalb der elektronischen Kommunikation.

§ 73. Bei einer Veräußerung im Weg der Zwangsvollstreckung der versicherten Sache sind die Vorschriften der §§ 69 bis 72 entsprechend anzuwenden.

III. Versicherung für fremde Rechnung.

§ 74. (1) Die Versicherung kann von demjenigen, welcher den Vertrag mit dem Versicherer abschließt, im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, genommen werden (Versicherung für fremde Rechnung).

(2) Wird die Versicherung für einen anderen genommen, so ist, auch wenn der andere benannt wird, im Zweifel anzunehmen, daß der Vertragschließende nicht als Vertreter, sondern im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt.

§ 75. (1) Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu. Die Übermittlung eines Versicherungsscheines kann jedoch nur der Versicherungsnehmer verlangen.

(2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers über seine Rechte nur dann verfügen und diese Rechte nur dann gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz eines Versicherungsscheines ist.

§ 76. (1) Der Versicherungsnehmer kann über die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustehenden Rechte im eigenen Namen verfügen.

(2) Ist ein Versicherungsschein ausgestellt, so ist der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherten nur dann zur Annahme der Zahlung und zur Übertragung der Rechte des Versicherten befugt, wenn er im Besitz des Scheines ist.

(3) Der Versicherer ist zur Zahlung an den Versicherungsnehmer nur verpflichtet, wenn dieser ihm gegenüber nachweist, daß der Versicherte seine Zustimmung zur Versicherung erteilt hat.

§ 77. Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, dem Versicherten oder, falls über das Vermögen des Versicherten ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, dem Insolvenzverwalter beziehungsweise dem Treuhänder der Gläubiger den Versicherungsschein auszuliefern, bevor er wegen der ihm gegen den Versicherten in Bezug auf die versicherte Sache zustehenden Ansprüche befriedigt ist. Er kann sich für diese Ansprüche aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer und nach der Einziehung der Forderung aus der Entschädigungssumme vor dem Versicherten und dessen Gläubigern befriedigen.

§ 78. Soweit nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung ist, kommt bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten in Betracht.

§ 79. (1) Auf die Kenntnis des Versicherten kommt es nicht an, wenn der Vertrag ohne sein Wissen abgeschlossen worden ist oder eine rechtzeitige Benachrichtigung des Versicherungsnehmers nicht tunlich war.

(2) Hat der Versicherungsnehmer den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten abgeschlossen und beim Abschluß das Fehlen des Auftrages dem Versicherer nicht angezeigt, so braucht dieser die Einwendung, daß der Vertrag ohne Wissen des Versicherten abgeschlossen worden ist, nicht gegen sich gelten zu lassen.

§ 80. (1) Ergibt sich aus den Umständen nicht, daß die Versicherung für einen anderen genommen werden soll, so gilt sie als für eigene Rechnung genommen.

(2) Ist die Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ genommen oder ist sonst aus dem Vertrag zu entnehmen, daß unbestimmt gelassen werden soll, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert ist, so sind die Vorschriften der §§ 75 bis 79 anzuwenden, wenn sich ergibt, daß fremdes Interesse versichert ist.

Zweites Kapitel.

Feuerversicherung.

§ 81. (1) Bei der Feuerversicherung erlischt ein dem Versicherer gemachter Antrag auf Abschließung, Verlängerung oder Änderung des Vertrages, wenn er nicht binnen zwei Wochen angenommen wird. Die Vorschriften des § 862a des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches bleiben unberührt.

(2) Wird der Antrag einem Abwesenden gemacht, so beginnt die Frist mit der Absendung des Antrages.

(3) Abweichende Bestimmungen sind nichtig. An die Stelle der Frist von zwei Wochen kann jedoch eine andere festbestimmte Frist gesetzt werden.

§ 82. Der Versicherer haftet für den durch Brand, Explosion oder Blitzschlag entstehenden Schaden.

§ 83. (1) Im Falle eines Brandes hat der Versicherer den durch die Zerstörung oder die Beschädigung der versicherten Sachen entstehenden Schaden zu ersetzen, soweit die Zerstörung oder die Beschädigung auf der Einwirkung des Feuers beruht oder die unvermeidliche Folge des Brandereignisses ist. Der Versicherer hat auch den Schaden zu ersetzen, der bei dem Brand durch Löschen, Niederreißen oder Ausräumen verursacht wird; das gleiche gilt von einem Schaden, der dadurch entsteht, daß versicherte Sachen beim Brand abhanden kommen.

(2) Diese Vorschriften sind auf die Haftung des Versicherers für den durch Explosion oder Blitzschlag entstehenden Schaden entsprechend anzuwenden.

§ 84. Der Versicherer haftet nicht, wenn der Brand oder die Explosion durch ein Erdbeben oder durch Maßregeln verursacht wurde, die im Krieg oder nach Erklärung des Kriegszustandes von einem militärischen Befehlshaber angeordnet worden sind.

§ 85. Ist die Versicherung für einen Inbegriff von Sachen genommen worden, so erstreckt sie sich auf die Sachen der zur Familie des Versicherungsnehmers gehörenden sowie der in einem Dienstverhältnis zu ihm stehenden Personen, sofern diese Personen mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben oder an dem Ort, für den die Versicherung gilt, ihren Beruf ausüben. Die Versicherung gilt insoweit als für fremde Rechnung genommen.

§ 86. Als Versicherungswert gilt bei Haushalts- und sonstigen Gebrauchsgegenständen, bei Arbeitsgerätschaften und Maschinen derjenige Betrag, welcher erforderlich ist, um Sachen gleicher Art anzuschaffen, unter Berücksichtigung des aus dem Unterschied zwischen alt und neu sich ergebenden Minderwertes.

§ 87. Ist bei der Versicherung beweglicher Sachen eine Taxe vereinbart, so gilt die Taxe als der Wert, den das versicherte Interesse zur Zeit des Abschlusses des Vertrages hat, es sei denn, daß sie den wirklichen Versicherungswert in diesem Zeitpunkt erheblich übersteigt. Eine Vereinbarung, nach welcher die Taxe als der Wert gelten soll, den das versicherte Interesse zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles hat, ist nichtig.

§ 88. Als Versicherungswert gilt bei Gebäuden der ortsübliche Bauwert unter Abzug eines dem Zustand des Gebäudes, insbesondere dem Alter und der Abnützung entsprechenden Betrages.

§ 89. (1) Bei der Versicherung des durch den Eintritt des Versicherungsfalles entgehenden Gewinnes kann eine Taxe nicht vereinbart werden.

(2) Mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde können in den Versicherungsbedingungen Bestimmungen über die Berechnung des entgehenden Gewinnes getroffen werden. Übersteigt das Ergebnis der Berechnung den der wirklichen Sachlage entsprechenden Betrag, so hat der Versicherer nur diesen Betrag zu ersetzen.

§ 90. (1) Wer in Ansehung derselben Sache bei einem Versicherer für entgehenden Gewinn, bei einem anderen Versicherer für sonstigen Schaden Versicherung nimmt, hat jedem Versicherer von der anderen Versicherung unverzüglich Mitteilung zu machen.

(2) In der Mitteilung ist der Versicherer, bei welchem die andere Versicherung genommen worden ist, zu bezeichnen und die Versicherungssumme anzugeben.

§ 91. Bei der Gebäudeversicherung muß die im Falle einer nicht rechtzeitigen Zahlung der Prämie nach § 39 zu bestimmende Zahlungsfrist mindestens einen Monat betragen.

§ 92. (1) Der Pflicht zur Anzeige des Versicherungsfalles wird genügt, wenn die Anzeige binnen drei Tagen nach dem Eintritt des Versicherungsfalles erfolgt. Durch die Absendung der Anzeige wird die Frist gewahrt.

(2) Der Versicherer kann sich auf eine Vereinbarung, welche die Dauer oder die Berechnung der Frist zum Nachteil des Versicherungsnehmers anders bestimmt, nicht berufen.

§ 93. Der Versicherungsnehmer darf bis zur Feststellung des an einem Gebäude entstehenden Schadens ohne Einwilligung des Versicherers nur solche Änderungen vornehmen, welche zur Erfüllung der ihm nach § 62 obliegenden Pflicht oder im öffentlichen Interesse geboten sind.

§ 94. (1) Die Entschädigung ist nach Ablauf eines Monates seit der Anzeige des Versicherungsfalles mit vier vom Hundert für das Jahr zu verzinsen, soweit nicht aus besonderen Gründen eine weitergehende Zinspflicht besteht.

(2) Der Lauf der im Abs. 1 bezeichneten Frist ist gehemmt, solange infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers der Schaden nicht festgesetzt werden kann.

§ 95. Der Versicherer haftet nach dem Eintritt eines Versicherungsfalles für den durch einen späteren Versicherungsfall verursachten Schaden nur bis zur Höhe des Restbetrages der Versicherungssumme. Für die künftigen Versicherungsperioden gebührt ihm nur ein verhältnismäßiger Teil der Prämie.

§ 96. (1) Nach dem Eintritt eines Versicherungsfalles ist jeder Teil berechtigt, das Versicherungsverhältnis zu kündigen.

(2) Die Kündigung ist nur bis zum Ablauf eines Monates seit dem Abschluß der Verhandlungen über die Entschädigung zulässig. Der Versicherer hat eine Kündigungsfrist von einem Monat einzuhalten. Der Versicherungsnehmer kann nicht für einen späteren Zeitpunkt als den Schluß der laufenden Versicherungsperiode kündigen.

(3) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. Nr. 509/1994)

§ 97. Ist der Versicherer nach den Versicherungsbestimmungen nur verpflichtet, die Entschädigungssumme zur Wiederherstellung des versicherten Gebäudes zu zahlen, so kann der Versicherungsnehmer die Zahlung erst verlangen, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes gesichert ist.

§ 98. Im Falle des § 97 kann die Forderung des Versicherungsnehmers auf die Entschädigungssumme vor der Wiederherstellung des Gebäudes nur an den Erwerber der Liegenschaft oder an solche Gläubiger des Versicherungsnehmers übertragen werden, die Arbeiten oder Lieferungen zur Wiederherstellung des Gebäudes übernommen oder bewirkt haben. Eine Übertragung an Gläubiger des Versicherungsnehmers, die bare Vorschüsse zur Wiederherstellung gegeben haben, ist wirksam, wenn die Vorschüsse zur Wiederherstellung verwendet werden. Die Zwangsvollstreckung in die Entschädigungsforderung unterliegt denselben Beschränkungen.

§ 99. (1) Im Falle des § 97 ist eine Zahlung, welche ohne die Sicherung der bestimmungsgemäßen Verwendung des Geldes geleistet wird, dem Hypothekargläubiger gegenüber nur wirksam, wenn ihm der Versicherer oder der Versicherungsnehmer angezeigt hat, daß ohne Sicherung geleistet werden soll und seit dem Empfang der Anzeige ein Monat verstrichen ist.

(2) Soweit die Entschädigungssumme nicht zu einer den Versicherungsbestimmungen entsprechenden Wiederherstellung verwendet werden soll, kann der Versicherer mit Wirkung gegen den Hypothekargläubiger erst zahlen, wenn er oder der Versicherungsnehmer die Absicht, von der bestimmungsgemäßen Verwendung abzuweichen, dem Hypothekargläubiger angezeigt hat und seit dem Empfang der Anzeige ein Monat verstrichen ist.

(3) Der Hypothekargläubiger kann bis zum Ablauf der Frist dem Versicherer gegenüber der Zahlung widersprechen. Die Anzeige darf unterbleiben, wenn sie untunlich ist; in diesem Fall wird der Monat von dem Zeitpunkt an berechnet, in welchem die Entschädigungssumme fällig wird.

§ 100. (1) Das Pfandrecht an einem versicherten Gebäude erstreckt sich auch auf die Entschädigungsforderung gegen den Versicherer. Das Pfandrecht an der Entschädigungsforderung erlischt, wenn das versicherte Gebäude wiederhergestellt oder dafür Ersatz beschafft ist. Der Versicherer kann die Entschädigungssumme mit Wirkung gegen den Pfandgläubiger an den Versicherungsnehmer erst dann zahlen, wenn er oder der Versicherungsnehmer den Eintritt des Schadens dem Pfandgläubiger angezeigt hat und seit dem Empfang der Anzeige ein Monat verstrichen ist. Der Pfandgläubiger kann bis zum Ablauf der Frist dem Versicherer gegenüber der Zahlung widersprechen. Die Anzeige darf unterbleiben, wenn sie untunlich ist; in diesem Fall wird der Monat von dem Zeitpunkt an gerechnet, in welchem die Entschädigungssumme fällig wird. Erhebt der Pfandgläubiger rechtzeitig Widerspruch, so ist der Versicherer befugt, den Entschädigungsbetrag bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel das versicherte Gebäude gelegen ist, zu hinterlegen. Das Gericht hat mit der Verteilung des hinterlegten Entschädigungsbetrages auf Antrag und unter entsprechender Anwendung der Vorschriften der Exekutionsordnung über die Verteilung des bei der Zwangsversteigerung von Liegenschaften erzielten Meistbotes vorzugehen, wobei dem Versicherungsnehmer die Stellung des Verpflichteten zukommt.

(2) Hat der Hypothekargläubiger seine Hypothek dem Versicherer angemeldet, so kann der Versicherer mit Wirkung gegen den Hypothekargläubiger an den Versicherungsnehmer nur dann zahlen, wenn der Hypothekargläubiger der Zahlung schriftlich zugestimmt hat. Hat im Falle des § 97 der Hypothekargläubiger seine Hypothek dem Versicherer angemeldet, so ist eine Zahlung, die ohne die Sicherung der bestimmungsgemäßen Verwendung des Geldes geleistet wird, dem Hypothekargläubiger gegenüber nur dann wirksam, wenn dieser schriftlich der Zahlung zugestimmt hat.

(3) Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß für ein nach den Vorschriften der Exekutionsordnung erworbenes Befriedigungsrecht und für das Fruchtnießungsrecht an einem versicherten Gebäude.

§ 101. (1) Bei der Gebäudeversicherung hat der Versicherer einem Hypothekargläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, unverzüglich schriftlich Mitteilung zu machen, wenn dem Versicherungsnehmer für die Zahlung einer Folgeprämie eine Frist bestimmt wird. Das gleiche gilt, wenn das Versicherungsverhältnis nach dem Ablauf der Frist wegen unterbliebener Prämienzahlung gekündigt wird.

(2) Der Versicherer hat binnen einer Woche nach Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalles dem Hypothekargläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, schriftlich Mitteilung zu machen, es sei denn, daß der Schaden unbedeutend ist.

§ 102. (1) Ist bei der Gebäudeversicherung der Versicherer wegen des Verhaltens des Versicherungsnehmers von der Verpflichtung zur Leistung frei, so bleibt gleichwohl seine Verpflichtung gegenüber einem Hypothekargläubiger bestehen. Das gleiche gilt, wenn der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalles von dem Vertrag zurücktritt oder den Vertrag anficht.

(2) Abs. 1 Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Versicherer leistungsfrei ist, weil die Prämie nicht gezahlt worden ist. Hat jedoch der Hypothekargläubiger seine Hypothek dem Versicherer angemeldet, so bleibt im Fall der nicht rechtzeitigen Zahlung einer Folgeprämie die Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem Hypothekargläubiger bis zum Ablauf eines Monates von dem Zeitpunkt bestehen, in welchem dem Hypothekargläubiger die Bestimmung der Zahlungsfrist oder, wenn diese Mitteilung unterblieben ist, die Kündigung mitgeteilt worden ist.

§ 103. (1) Hat im Fall der Gebäudeversicherung ein Hypothekargläubiger seine Hypothek dem Versicherer angemeldet, so wirkt eine Kündigung, ein Rücktritt, ein Fristablauf oder eine sonstige Tatsache, welche die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, gegenüber dem Hypothekargläubiger erst mit dem Ablauf von drei Monaten, nachdem ihm die Beendigung und, sofern diese noch nicht eingetreten war, der Zeitpunkt der Beendigung durch den Versicherer mitgeteilt worden oder in anderer Weise zu seiner Kenntnis gelangt ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Versicherungsverhältnis wegen unterbliebener Prämienzahlung durch Rücktritt oder Kündigung des Versicherers endet oder wenn es mit Zustimmung des Hypothekargläubigers vom Versicherungsnehmer gekündigt wird.

(2) Abs. 1 Satz 1 gilt sinngemäß für die Wirksamkeit einer Vereinbarung zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer, durch welche die Versicherungssumme oder der Umfang der versicherten Gefahr gemindert wird, sowie für die Wirksamkeit einer Vereinbarung, nach welcher der Versicherer nur verpflichtet ist, die Entschädigungssumme zur Wiederherstellung des versicherten Gebäudes zu zahlen.

(3) Die Nichtigkeit des Versicherungsvertrages kann gegenüber einem Hypothekargläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, nicht geltend gemacht werden. Das Versicherungsverhältnis endet jedoch ihm gegenüber mit dem Ablauf von drei Monaten, nachdem ihm die Nichtigkeit durch den Versicherer mitgeteilt worden oder in anderer Weise zu seiner Kenntnis gelangt ist.

§ 104. Soweit der Versicherer auf Grund der Vorschriften der §§ 102 und 103 den Hypothekargläubiger befriedigt, geht die Hypothek auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil eines gleich- oder nachstehenden Hypothekargläubigers geltend gemacht werden, dem gegenüber die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung bestehen geblieben ist.

§ 105. Im Fall des § 102 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 und des § 103 ist der Versicherer verpflichtet, bis zur anderweitigen Versicherung der Gebäude mit dem Hypothekargläubiger, für dessen Interesse eine Gebäudeversicherung abzuschließen oder die Versicherung fortzusetzen, wenn der Hypothekargläubiger dies bis zum Ablauf der in diesen Vorschriften bezeichneten Fristen schriftlich beim Versicherer beantragt und sich zur Zahlung der Prämie verpflichtet. Die Versicherung muß das berechtigte Interesse des Hypothekargläubigers gewährleisten.

§ 106. (1) Hat im Fall der Gebäudeversicherung ein Hypothekargläubiger seine Hypothek dem Versicherer angemeldet, so ist die Kündigung der Versicherung durch den Versicherungsnehmer, unbeschadet der Vorschriften des § 70 Abs. 2 und des § 96 nur wirksam, wenn dieser mindestens einen Monat vor Ablauf des Versicherungsvertrages nachgewiesen hat, daß in dem Zeitpunkt, in welchem die Kündigung spätestens zulässig war, das Grundstück nicht mit der Hypothek belastet war oder daß der Hypothekargläubiger der Kündigung der Versicherung zugestimmt hat.

(2) Die Zustimmung darf nicht ohne ausreichenden Grund verweigert werden.

§ 107. Der Versicherer ist verpflichtet, einem Hypothekargläubiger, der seine Hypothek angemeldet hat, die Anmeldung zu bestätigen und auf Verlangen Auskunft über das Bestehen von Versicherungsschutz sowie über die Höhe der Versicherungssumme zu erteilen.

§ 107a. Hat der Hypothekargläubiger seine Wohnung geändert, die Änderung dem Versicherer aber nicht mitgeteilt, so genügt für eine Mitteilung der in den §§ 101 bis 103 bezeichneten Art die Absendung eines eingeschriebenen Briefes nach der letzten dem Versicherer bekannten Wohnung. Die Mitteilung wird in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ohne die Wohnungsänderung bei regelmäßiger Beförderung dem Hypothekargläubiger zugegangen sein würde.

§ 107b. Ist das Grundstück mit einer Reallast oder einem nach den Vorschriften der Exekutionsordnung erworbenen Befriedigungsrecht belastet, so sind die Vorschriften der §§ 99 bis 107a, ist es mit einem Fruchtnießungsrecht belastet, so sind die Vorschriften der §§ 99 bis 103 und der §§ 105 bis 107a entsprechend anzuwenden.

§ 108. (1) Von § 96 darf durch Vereinbarung nur in der Weise abgewichen werden, daß das Kündigungsrecht für beide Teile gleich ist.

(2) Die durch die Vorschriften der §§ 101 bis 107b begründeten Rechte können nicht zugunsten solcher Hypotheken geltend gemacht werden, die dem Versicherungsnehmer zustehen.

Drittes Kapitel.

Hagelversicherung.

§ 109. Bei der Hagelversicherung haftet der Versicherer für den Schaden, der an den versicherten Bodenerzeugnissen durch die Einwirkung des Hagelschlages entsteht.

§ 110. Der Pflicht zur Anzeige des Versicherungsfalles wird genügt, wenn die Anzeige binnen vier Tagen nach dem Eintritt des Versicherungsfalles erfolgt. Durch die Absendung der Anzeige wird die Frist gewahrt.

§ 111. Bis zur Feststellung des Schadens darf der Versicherungsnehmer an den vom Hagelschlag betroffenen Bodenerzeugnissen ohne Einwilligung des Versicherers nur solche Änderungen vornehmen, welche nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht aufgeschoben werden können.

§ 112. Tritt nach dem Eintritt eines Versicherungsfalles in derselben Versicherungsperiode ein neuer Versicherungsfall ein, so haftet der Versicherer für den dadurch verursachten Schaden nur bis zur Höhe des Restbetrages der Versicherungssumme.

§ 113. Nach dem Eintritt eines Versicherungsfalles ist jeder Teil berechtigt, das Versicherungsverhältnis zu kündigen, der Versicherer nur für den Schluß der Versicherungsperiode, in welcher der Versicherungsfall eingetreten ist, der Versicherungsnehmer spätestens für diesen Zeitpunkt.

§ 114. (1) Im Fall der freiwilligen Veräußerung oder der Veräußerung im Weg der Zwangsvollstreckung der versicherten Bodenerzeugnisse kann der Versicherer dem Erwerber das Versicherungsverhältnis nur für den Schluß der Versicherungsperiode kündigen, in welcher er von dem Eigentumsübergang Kenntnis erlangt; die im § 70 Abs. 1 vorgesehenen Beschränkungen des Kündigungsrechtes sind nicht anzuwenden.

(2) Wird der Eigentumsübergang dem Versicherer nicht rechtzeitig angezeigt, so ist der Versicherer, wenn der Versicherungsfall nach dem Schluß der Versicherungsperiode eintritt, in welcher ihm die Anzeige hätte zugehen müssen, von der Verpflichtung zur Leistung frei. Die Verpflichtung bleibt jedoch bestehen, wenn der Versicherer von dem Eigentumswechsel so früh Kenntnis erlangt hat, daß er zum Schluß der Versicherungsperiode kündigen konnte.

§ 115. Erwirbt jemand auf Grund eines Fruchtnießungsrechtes, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses die Berechtigung, die versicherten Bodenerzeugnisse zu beziehen, so sind die im Fall einer freiwilligen Veräußerung oder einer Veräußerung im Wege der Zwangsvollstreckung der Bodenerzeugnisse geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

§ 115a. (1) Auf eine Vereinbarung, die von den Vorschriften des § 110 zum Nachteil des Versicherungsnehmers, der §§ 114 und 115 zum Nachteil des Erwerbers oder der im § 115 genannten Personen abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen.

(2) Die Frist zur Erhebung des Widerspruches nach § 5 Abs. 1 kann herabgesetzt werden; sie darf jedoch nicht weniger als eine Woche betragen.

(3) Von § 113 darf durch Vereinbarung nur in der Weise abgewichen werden, daß das Kündigungsrecht für beide Teile gleich ist.

Viertes Kapitel.

Tierversicherung.

§ 116. (1) Bei der Tierversicherung haftet der Versicherer für den Schaden, der durch den Tod (Verenden, Nottötung) des versicherten Tieres entsteht. Wird der Tod durch eine Krankheit oder einen Unfall herbeigeführt, so gilt als Betrag des Schadens der Wert, den das Tier unmittelbar vor Eintritt der Erkrankung oder des Unfalles gehabt hat.

(2) Die Versicherung kann auch für den Schaden genommen werden, der durch eine Krankheit oder einen Unfall entsteht, ohne daß der Tod des Tieres eintritt.

§ 117. Die Versicherung umfaßt nicht:

1.

den infolge einer Seuche oder Krankheit entstehenden Schaden, soweit dem Versicherungsnehmer nach gesetzlicher Vorschrift ein Anspruch auf eine Entschädigung aus öffentlichen Mitteln zusteht oder zustehen würde, wenn der Anspruch nicht durch eine Zuwiderhandlung gegen seuchenpolizeiliche Vorschriften verwirkt worden wäre;

2.

den Schaden, welcher durch Maßregeln verursacht wird, die im Kriege oder nach der Erklärung des Kriegszustandes von einem militärischen Befehlshaber angeordnet worden sind.

§ 118. Steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Gewährleistung wegen eines Mangels des versicherten Tieres gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden. Geht ein Anspruch auf Gewährleistung durch Verschulden des Versicherungsnehmers verloren oder gibt dieser den Anspruch auf, so wird der Versicherer von seiner Ersatzpflicht insoweit frei, als er aus dem Anspruch Ersatz hätte erlangen können.

§ 119. Der Versicherer haftet nach dem Eintritt eines Versicherungsfalles für den durch einen späteren Versicherungsfall verursachten Schaden nur bis zur Höhe des Restbetrages der Versicherungssumme. Für die künftigen Versicherungsperioden gebührt ihm nur ein verhältnismäßiger Teil der Prämie.

§ 120. Der Versicherer ist befugt, jederzeit auf seine Kosten eine Besichtigung und Untersuchung der versicherten Tiere vorzunehmen.

§ 121. Dem Versicherer ist außer dem Tod auch jede erhebliche Erkrankung sowie jeder erhebliche Unfall eines versicherten Tieres unverzüglich anzuzeigen. Auf die Anzeige der Erkrankung oder des Unfalles sind, auch wenn die Versicherung nur gegen den Schaden genommen ist, der durch den Tod des Tieres entsteht, die für die Anzeige des Versicherungsfalles geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

§ 122. Erkrankt das versicherte Tier oder erleidet es einen Unfall, so hat der Versicherungsnehmer, sofern nicht die Erkrankung oder der Unfall unerheblich ist, unverzüglich einen Tierarzt oder, wenn dies untunlich ist, einen Sachkundigen zuzuziehen.

§ 123. (1) Die Kosten der Fütterung und der Pflege sowie die Kosten der tierärztlichen Untersuchung und Behandlung gehören nicht zu den nach § 63 vom Versicherer zu ersetzenden Aufwendungen.

(2) Die Kosten der ersten tierärztlichen Untersuchung bei Erkrankung eines versicherten Tieres haben der Versicherungsnehmer und der Versicherer zu gleichen Teilen zu tragen.

§ 124. Die Verzinsung der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers bestimmt sich nach § 94.

§ 125. Hat der Versicherungsnehmer das Tier vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit schwer mißhandelt oder schwer vernachlässigt, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß der Schaden nicht durch die Mißhandlung oder die Vernachlässigung entstanden ist. Als schwere Vernachlässigung gilt es insbesondere, wenn bei einer Erkrankung oder einem Unfall die Zuziehung eines Tierarztes oder eines Sachkundigen der Vorschrift des § 122 zuwider unterlassen worden ist.

§ 126. (1) Der Versicherungsnehmer darf eine Nottötung nur mit Einwilligung des Versicherers vornehmen, es sei denn, daß die Erklärung des Versicherers nicht abgewartet werden kann. Ist durch das Gutachten des Tierarztes oder, falls die Zuziehung eines Tierarztes untunlich ist, durch zwei Sachkundige vor der Tötung festgestellt, daß die Tötung notwendig ist und die Erklärung des Versicherers nicht abgewartet werden kann, so muß der Versicherer die Feststellung gegen sich gelten lassen.

(2) Bei einer Nottötung der Vorschrift des Abs. 1 Satz 1 zuwider ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei.

§ 127. Endet das Versicherungsverhältnis, nachdem das versicherte Tier erkrankt ist oder einen Unfall erlitten hat, so hat die Beendigung auf die Haftung des Versicherers keinen Einfluß, wenn die Erkrankung oder der Unfall den Tod binnen zwei Wochen nach der Beendigung herbeiführt.

§ 128. (1) Wird ein versichertes Tier veräußert, so endet in Ansehung dieses Tieres das Versicherungsverhältnis; dem Versicherer gebührt gleichwohl die Prämie, jedoch nicht über die laufende Versicherungsperiode hinaus. Tritt vor dem Schluß der laufenden Versicherungsperiode oder binnen zwei Wochen nach der Veräußerung infolge eines Mangels, für den der Veräußerer dem Erwerber kraft Gesetzes Gewähr zu leisten hat, der Tod des Tieres ein, so bleibt der Versicherer dem Versicherungsnehmer insoweit haftbar, als dieser dem Erwerber kraft Gesetzes zur Gewährleistung verpflichtet ist.

(2) Geht das Eigentum an dem Inventar eines Grundstückes mit dem Eigentum oder dem Besitz des Grundstückes auf einen anderen über, so hat es in Ansehung der zum Inventar gehörenden Tiere bei den Vorschriften der §§ 69 bis 73 sein Bewenden.

Fünftes Kapitel.

Transportversicherung.

§ 129. (1) Bei der Versicherung von Gütern gegen die Gefahren der Beförderung zu Lande oder auf Binnengewässern trägt der Versicherer alle Gefahren, denen die Güter während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind.

(2) Bei der Versicherung eines Schiffes gegen die Gefahren der Binnenschiffahrt trägt der Versicherer alle Gefahren, denen das Schiff während der Dauer der Versicherung ausgesetzt ist. Der Versicherer haftet auch für den Schaden, den der Versicherungsnehmer infolge eines Zusammenstoßes von Schiffen dadurch erleidet, daß er den einem Dritten zugefügten Schaden zu ersetzen hat.

§ 130. Der Versicherer haftet nicht für einen Schaden, der vom Versicherungsnehmer vorsätzlich oder fahrlässig verursacht wird. Er hat jedoch den vom Versicherungsnehmer durch fehlerhafte Führung des Schiffes verursachten Schaden zu ersetzen, es sei denn, daß dem Versicherungsnehmer eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungsweise zur Last fällt.

§ 131. (1) Bei der Versicherung von Gütern haftet der Versicherer nicht für einen Schaden, der vom Absender oder vom Empfänger in dieser Eigenschaft vorsätzlich oder fahrlässig verursacht wird.

(2) Das gleiche gilt von einem Schaden, der durch die natürliche Beschaffenheit der Güter, namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, gewöhnlichen Rinnverlust, durch mangelhafte Verpackung der Güter oder durch Ratten oder Mäuse verursacht wird; ist jedoch die Reise durch einen Unfall, für den der Versicherer haftet, ungewöhnlich verzögert worden, so fällt der Schaden dem Versicherer insoweit zur Last, als er infolge der Verzögerung eingetreten ist.

§ 132. (1) Bei der Versicherung eines Schiffes haftet der Versicherer nicht für einen Schaden, der daraus entsteht, daß das Schiff in einem nicht fahrtüchtigen Zustand oder nicht gehörig ausgerüstet oder bemannt die Reise angetreten hat.

(2) Das gleiche gilt von einem Schaden, der nur eine Folge der Abnützung des Schiffes durch gewöhnlichen Gebrauch ist oder nur durch Alter, Fäulnis oder Wurmfraß verursacht wird.

§ 133. (1) Die Versicherung gegen die Gefahren der Binnenschiffahrt umfaßt die Beiträge zur großen Haverei. Sind ausschließlich Güter des Schiffseigners verladen, so umfaßt die Versicherung auch die Aufopferungen, welche zur großen Haverei gehören würden, wenn das Eigentum an den Gütern einem anderen zustände.

(2) Die Vorschriften der §§ 835 bis 839 des Handelsgesetzbuches sind entsprechend anzuwenden. Eine vom Schiffer aufgestellte Dispache ist für den Versicherer nur verbindlich, wenn er der Aufstellung durch den Schiffer zugestimmt hat.

§ 134. (1) Die Versicherung von Gütern erstreckt sich auf die ganze Dauer der versicherten Reise.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem die Güter vom Frachtführer zur Beförderung oder, wenn die Beförderung nicht sofort erfolgen kann, zur einstweiligen Verwahrung angenommen werden. Sie endet mit dem Zeitpunkt, in welchem die Güter dem Empfänger am Ablieferungsort abgeliefert oder, wenn sich ein Ablieferungshindernis ergibt, rechtmäßig hinterlegt oder verkauft werden.

§ 135. Unter die Versicherung gegen die Gefahren der Beförderung von Gütern auf Eisenbahnen fällt auch die Beförderung zur Eisenbahn sowie die Beförderung von der Eisenbahn an den Empfänger, wenn sie durch die Eisenbahn oder unter ihrer Verantwortung erfolgt.

§ 136. Sind Güter gegen die Gefahren der Beförderung auf Binnengewässern versichert, so trägt der Versicherer die Gefahr der Benützung von Leichterfahrzeugen bei der Verladung oder der Ausladung, wenn die Benützung ortsüblich ist.

§ 137. (1) Werden die versicherten Güter in anderer Art als mit dem Schiff befördert, mit welchem sie nach dem Versicherungsvertrag befördert werden sollen, so haftet der Versicherer nicht.

(2) Werden jedoch die Güter nach dem Beginn der Versicherung infolge eines Unfalles, für den der Versicherer haftet, mit einem anderen als dem im Versicherungsvertrag bestimmten Schiff oder zu Lande befördert, so fällt die Beförderung unter die Versicherung. Das gleiche gilt, wenn nach dem Beginn der Versicherung ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers die Beförderung geändert oder die Reise des Schiffes aufgegeben wird.

(3) Die Versicherung umfaßt in den Fällen des Abs. 2 die Kosten der Umladung und der einstweiligen Lagerung sowie die Mehrkosten der Weiterbeförderung.

§ 138. (1) Die Versicherung eines Schiffes beginnt, wenn sie für eine Reise genommen ist, mit dem Zeitpunkt, in welchem mit der Einnahme der Ladung begonnen wird, oder, wenn keine Ladung einzunehmen ist, mit der Abfahrt. Sie endet mit dem Zeitpunkt, in welchem die Löschung der Ladung am Bestimmungsort beendet ist, oder, wenn keine Ladung zu löschen ist, mit der Ankunft am Bestimmungsort. Wird die Löschung vom Versicherungsnehmer ungebührlich verzögert, so endet die Versicherung mit dem Zeitpunkt, in welchem ohne diese Verzögerung die Löschung beendet wäre.

(2) Wird vor Beendigung der Löschung für eine neue Reise Ladung eingenommen, so endet die Versicherung mit dem Zeitpunkt, in welchem mit der Einnahme begonnen wird.

(3) Wird nach dem Beginn der Versicherung die versicherte Reise aufgegeben, so tritt für die Beendigung der Versicherung der Ort, wo die Reise aufhört, an die Stelle des Bestimmungsortes.

§ 139. Ist ein auf Zeit versichertes Schiff beim Ablauf der vereinbarten Versicherungszeit unterwegs, so gilt das Versicherungsverhältnis bis zur Ankunft des Schiffes am nächsten Bestimmungsort als verlängert und, falls an diesem gelöscht wird, bis zu dem nach § 138 für die Beendigung der Versicherung maßgebenden Zeitpunkt. Der Versicherungsnehmer kann die Verlängerung, solange das Schiff noch nicht unterwegs ist, durch eine gegenüber dem Versicherer abzugebende Erklärung ausschließen.

§ 140. (1) Als Versicherungswert der Güter gilt der gemeine Handelswert und in dessen Ermanglung der gemeine Wert, den die Güter am Ort der Absendung in dem nach den §§ 134 bis 136 für den Beginn der Versicherung maßgebenden Zeitpunkt haben, unter Hinzurechnung der Versicherungskosten sowie der jenigen Kosten, welche bis zur Annahme der Güter durch den Frachtführer entstehen.

(2) Der sich nach Abs. 1 ergebende Wert der Güter gilt auch beim Eintritt des Versicherungsfalles als Versicherungswert.

(3) Haben die Güter eine Beschädigung erlitten, so ist der Wert, den sie in beschädigtem Zustand am Ablieferungsorte haben, von dem Wert abzuziehen, den sie an diesem Ort in unbeschädigtem Zustand haben würden. Der dem Verhältnis der Wertminderung zu ihrem Wert in unbeschädigtem Zustand entsprechende Bruchteil des Versicherungswertes (Abs. 1) gilt als Betrag des Schadens.

§ 141. (1) Als Versicherungswert des Schiffes gilt der Wert, den das Schiff beim Beginn der Versicherung hat. Dieser Wert gilt auch beim Eintritt des Versicherungsfalles als Versicherungswert.

(2) Bei einer Beschädigung des Schiffes gelten, falls das Schiff ausbesserungsfähig ist, die nach den §§ 709 und 710 des Handelsgesetzbuches zu berechnenden Ausbesserungskosten als Betrag des Schadens.

§ 142. Bei der Versicherung von Gütern ist der Versicherer nicht berechtigt, das Versicherungsverhältnis wegen einer unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eingetretenen Erhöhung der Gefahr oder wegen einer Veräußerung der versicherten Güter zu kündigen. Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, dem Versicherer eine solche Erhöhung der Gefahr oder Veräußerung anzuzeigen.

§ 143. (1) Wird bei der Versicherung eines Schiffes das Versicherungsverhältnis, während das Schiff unterwegs ist, vom Versicherer wegen einer unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eingetretenen Erhöhung der Gefahr oder wegen Veräußerung des Schiffes gekündigt, so wirkt die Kündigung nicht vor der Beendigung der Reise. Tritt während des bezeichneten Zeitraumes ein Versicherungsfall ein, so wird die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung nicht dadurch berührt, daß die Anzeige der Erhöhung der Gefahr oder der Veräußerung unterblieben ist.

(2) War die Verpflichtung zur Anzeige schon vor dem Beginn der Reise verletzt worden, so sind die Vorschriften des Abs. 1 nur anzuwenden, wenn die Erhöhung der Gefahr oder die Veräußerung dem Versicherer vor dem Beginn der Reise bekanntgeworden ist.

(3) Bei einer Veräußerung im Wege der Zwangsvollstreckung des versicherten Schiffes sind die Vorschriften über die Veräußerung entsprechend anzuwenden.

§ 144. (1) Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer gemäß § 62 zur Abwendung oder Minderung des Schadens macht, fallen, soweit sie der Versicherungsnehmer für geboten halten durfte, dem Versicherer ohne Rücksicht darauf zur Last, ob sie zusammen mit der übrigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen.

(2) Sind Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung oder zur Ermittlung und Feststellung eines Schadens oder zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der durch einen Versicherungsfall beschädigten Sache gemacht oder Beiträge zur großen Haverei geleistet worden oder ist eine persönliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Entrichtung solcher Beiträge entstanden, so haftet der Versicherer für den Schaden, der durch einen späteren Versicherungsfall verursacht wird, ohne Rücksicht auf die ihm zur Last fallenden früheren Aufwendungen und Beiträge.

§ 145. Der Versicherer ist nach dem Eintritt eines Versicherungsfalles berechtigt, sich durch Zahlung der Versicherungssumme von allen weiteren Verbindlichkeiten zu befreien. Der Versicherer bleibt jedoch zum Ersatz der Kosten verpflichtet, welche zur Abwendung oder Minderung des Schadens oder zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der versicherten Sache verwendet worden sind, bevor seine Erklärung, daß er sich durch Zahlung der Versicherungssumme befreien wolle, dem Versicherungsnehmer zugegangen ist.

§ 146. Bei der Versicherung gegen die Gefahren der Binnenschiffahrt hat der Versicherungsnehmer jeden Unfall, der das Schiff oder die Ladung trifft, auch wenn dadurch ein Entschädigungsanspruch für ihn nicht begründet wird, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen, sofern der Unfall für die vom Versicherer zu tragende Gefahr erheblich ist.

§ 147. Ist die Versicherung für eine Reise genommen, die teils zur See, teils auf Binnengewässern oder zu Lande ausgeführt wird, so sind auf die Versicherung, auch soweit sie die Reise auf Binnengewässern oder zu Lande betrifft, die Vorschriften des Handelsgesetzbuches über die Seeversicherung entsprechend anzuwenden. Unberührt bleiben die Vorschriften des § 133 Abs. 2 Satz 2, des § 134 Abs. 2 und des § 135 über die Dispache des Schiffers, über den Beginn und das Ende der Versicherung sowie über die Haftung des Versicherers für die Beförderung zu und von der Eisenbahn.

§ 148. Die Vorschrift des § 67 Abs. 1 Satz 2 ist auf die Transportversicherung nicht anzuwenden.

Sechstes Kapitel.

Haftpflichtversicherung.

I. Allgemeine Vorschriften.

§ 149. Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat.

§ 150. (1) Die Versicherung umfaßt die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Verteidigung gegen den von einem Dritten geltend gemachten Anspruch entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Dies gilt auch dann, wenn sich der Anspruch als unbegründet erweist. Die Versicherung umfaßt auch die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers einem Dritten gegenüber zur Folge haben könnte, sofern diese Kosten auf Weisung des Versicherers aufgewendet wurden. Der Versicherer hat die Kosten auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen.

(2) Ist eine Versicherungssumme bestimmt, so hat der Versicherer Kosten, die in einem auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreit entstehen, und Kosten der Verteidigung nach Abs. 1 Satz 3 auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit der übrigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen. Das gleiche gilt von Zinsen, die der Versicherungsnehmer infolge einer vom Versicherer veranlaßten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem zu entrichten hat.

(3) Ist dem Versicherungsnehmer vorbehalten, die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, so hat auf sein Verlangen der Versicherer die Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zu bewirken. Diese Verpflichtung besteht nicht über den Betrag der Versicherungssumme hinaus; haftet der Versicherer nach Abs. 2 für einen höheren Betrag, so tritt zur Versicherungssumme der Mehrbetrag hinzu. Der Versicherer ist von der Verpflichtung frei, wenn er den Anspruch des Dritten dem Versicherungsnehmer gegenüber als begründet anerkennt.

§ 151. (1) Ist die Versicherung für die Haftpflicht aus einem geschäftlichen Betrieb des Versicherungsnehmers genommen, so erstreckt sie sich auf die Haftpflicht der Vertreter des Versicherungsnehmers sowie auf die Haftpflicht solcher Personen, welche er zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder eines Teiles des Betriebes angestellt hat. Die Versicherung gilt insoweit als für fremde Rechnung genommen.

(2) Wird im Falle des Abs. 1 das Unternehmen an einen Dritten veräußert oder auf Grund eines Fruchtnießungsrechtes, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernommen, so tritt an Stelle des Versicherungsnehmers der Dritte in die während der Dauer seiner Berechtigung sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Die Vorschriften des § 69 Abs. 2 und 3 und der §§ 70 und 71 sind entsprechend anzuwenden.

§ 152. Der Versicherer haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat.

§ 153. (1) Der Versicherungsnehmer hat innerhalb einer Woche die Tatsachen anzuzeigen, die seine Verantwortlichkeit gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnten. § 6 Abs. 3 und § 33 Abs. 2 gelten sinngemäß.

(2) Macht der Dritte seinen Anspruch dem Versicherungsnehmer gegenüber außergerichtlich geltend, so ist dieser zur Anzeige innerhalb einer Woche nach der Erhebung des Anspruches verpflichtet.

(3) Durch die Absendung der Anzeige werden die Fristen gewahrt.

(4) Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht oder wird ihm gerichtlich der Streit verkündigt, so hat er, wenngleich die Fristen noch laufen, die Anzeige unverzüglich zu erstatten. Das gleiche gilt, wenn gegen ihn wegen des den Anspruch begründenden Ereignisses ein Verfahren zur Feststellung oder Aufklärung dieses Ereignisses eingeleitet wird.

§ 154. (1) Der Versicherer hat die Entschädigung binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkte an zu leisten, in welchem der Dritte vom Versicherungsnehmer befriedigt oder der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist. Soweit gemäß § 150 Kosten zu ersetzen sind, ist die Entschädigung binnen zwei Wochen von der Mitteilung der Berechnung an zu leisten.

(2) Eine Vereinbarung, nach der der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei sein soll, wenn ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt, ist unwirksam. Eine Vereinbarung, nach der eine derartige Leistungsfreiheit für den Fall vorgesehen ist, daß der Versicherungsnehmer den Anspruch des Dritten anerkennt, ist unwirksam, falls nach den Umständen der Versicherungsnehmer die Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte.

§ 155. (1) Ist der Versicherungsnehmer dem Dritten zur Gewährung einer Rente verpflichtet, so kann er, wenn die Versicherungssumme den Kapitalwert der Rente nicht erreicht, nur einen verhältnismäßigen Teil der Rente verlangen.

(2) Hat der Versicherungsnehmer für die von ihm geschuldete Rente dem Dritten kraft Gesetzes Sicherheit zu leisten, so erstreckt sich die Verpflichtung des Versicherers auf die Leistung der Sicherheit.

§ 156. (1) Verfügungen über die Entschädigungsforderung aus dem Versicherungsverhältnis sind dem Dritten gegenüber unwirksam. Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der einstweiligen Verfügung erfolgt.

(2) Ist die vom Versicherungsnehmer an den Dritten zu bewirkende Leistung durch Vergleich, Anerkenntnis oder Urteil festgestellt, so ist der Versicherer nach vorheriger Benachrichtigung des Versicherungsnehmers berechtigt und auf Verlangen des Versicherungsnehmers verpflichtet, die Zahlung an den Dritten zu bewirken.

(3) Sind mehrere Dritte vorhanden und übersteigen ihre Forderungen aus der die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers begründenden Tatsache die Versicherungssumme, so hat der Versicherer nach Maßgabe des Abs. 2 die Forderungen nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu berichtigen. Ist hiebei die Versicherungssumme erschöpft, so kann sich ein Dritter, der bei der Verteilung nicht berücksichtigt worden ist, nachträglich auf die Vorschrift des Abs. 1 nicht berufen, wenn der Versicherer mit der Geltendmachung dieser Ansprüche entschuldbarer Weise nicht gerechnet hat.

§ 157. Ist über das Vermögen des Versicherungsnehmers ein Insolvenzverfahren eröffnet, so kann der Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruches abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers verlangen.

§ 158. (1) Hat nach dem Eintritt eines Versicherungsfalles der Versicherer seine Verpflichtung zur Leistung der Entschädigung dem Versicherungsnehmer gegenüber anerkannt oder die Leistung der fälligen Entschädigung verweigert, so ist jeder Teil berechtigt, das Versicherungsverhältnis zu kündigen. Das gleiche gilt, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Weisung erteilt, es über den Anspruch des Dritten zum Rechtsstreit kommen zu lassen.

(2) Die Kündigung ist nur innerhalb eines Monates seit der Anerkennung der Entschädigungspflicht oder der Verweigerung der Entschädigung oder seit Eintritt der Rechtskraft des im Rechtsstreit mit dem Dritten ergangenen Urteiles zulässig. Der Versicherer hat eine Kündigungsfrist von einem Monat einzuhalten. Der Versicherungsnehmer kann nicht für einen späteren Zeitpunkt als den Schluß der laufenden Versicherungsperiode kündigen.

(3) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. Nr. 509/1994)

§ 158a. (1) Auf Vereinbarungen, die von den Vorschriften des § 153, des § 154 und des § 156 Abs. 2 zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweichen, kann sich der Versicherer nicht berufen.

(2) Von § 158 darf durch Vereinbarung nur in der Weise abgewichen werden, daß das Kündigungsrecht für beide Teile gleich ist.

II. Besondere Vorschriften für die Pflichtversicherung.

§ 158b. Für eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluß eine gesetzliche Verpflichtung besteht (Pflichtversicherung), gelten die besonderen Vorschriften der §§ 158c bis 158i.

§ 158c. (1) Ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei, so bleibt gleichwohl seine Verpflichtung in Ansehung des Dritten bestehen.

(2) Ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, wirkt in Ansehung des Dritten erst mit dem Ablauf eines Monates, nachdem der Versicherer diesen Umstand der hiefür zuständigen Stelle angezeigt hat. Das gleiche gilt, wenn das Versicherungsverhältnis durch Zeitablauf endet. Der Lauf der Frist beginnt nicht vor der Beendigung des Versicherungsverhältnisses.

(3) Der Versicherer haftet nur im Rahmen der amtlich festgesetzten Mindestversicherungssummen und der von ihm übernommenen Gefahr.

(4) Der Versicherer haftet nicht, insoweit ein anderer Haftpflichtversicherer dem Versicherungsnehmer haftet.

(5) Ein Recht des Dritten, den Versicherer unmittelbar in Anspruch zu nehmen, wird durch diese Vorschriften nicht begründet.

§ 158d. (1) Macht der Dritte seinen Anspruch gegen den Versicherungsnehmer außergerichtlich geltend, so hat er dies dem Versicherer innerhalb von zwei Wochen in geschriebener Form anzuzeigen.

(2) Macht der Dritte den Anspruch gegen den Versicherungsnehmer gerichtlich geltend, so hat er dies dem Versicherer unverzüglich in geschriebener Form anzuzeigen.

(3) Der Versicherer kann vom Dritten Auskunft verlangen, soweit sie zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist. Zur Vorlegung von Belegen ist der Dritte nur insoweit verpflichtet, als ihm die Beschaffung billigerweise zugemutet werden kann.

§ 158e. (1) Verletzt der Dritte die Verpflichtungen nach § 158d Abs. 2 und 3, so beschränkt sich die Haftung des Versicherers nach § 158c auf den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Verpflichtungen zu leisten gehabt hätte. Liegt eine Verletzung der Verpflichtung nach § 158d Abs. 3 vor, so tritt diese Rechtsfolge nur ein, wenn der Dritte vorher ausdrücklich und in geschriebener Form auf die Folgen der Verletzung hingewiesen worden ist.

(2) Die Vorschrift des Abs. 1 Satz 1 gilt sinngemäß, wenn der Versicherungsnehmer mit dem Dritten ohne Einwilligung des Versicherers einen Vergleich abschließt oder dessen Anspruch anerkennt; § 154 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden.

§ 158f. Soweit der Versicherer den Dritten nach § 158c befriedigt, geht die Forderung des Dritten gegen den Versicherungsnehmer auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Dritten geltend gemacht werden.

§ 158g. § 35b ist in Ansehung des Dritten nicht anzuwenden.

§ 158h. Die Vorschriften über die Veräußerung der versicherten Sache gelten sinngemäß.

§ 158i. Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer auf Verlangen unter Angabe der Versicherungssumme zu bescheinigen, daß eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Haftpflichtversicherung besteht.

Siebentes Kapitel

Rechtsschutzversicherung

§ 158j. (1) Bei der Rechtsschutzversicherung sorgt der Versicherer für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers in den im Vertrag umschriebenen Bereichen und trägt die dem Versicherungsnehmer dabei entstehenden Kosten. Wenn sich aus dem Vertrag nichts anderes ergibt, umfaßt die Versicherung sowohl die Wahrnehmung der Interessen in einem gerichtlichen oder sonstigen behördlichen Verfahren als auch außerhalb eines solchen.

(2) Werden Gefahren aus dem Bereich der Rechtsschutzversicherung neben anderen Gefahren versichert, so müssen im Versicherungsschein der Umfang der Deckung in der Rechtsschutzversicherung und die hiefür zu entrichtende Prämie gesondert ausgewiesen werden. Beauftragt der Versicherer mit der Schadenregulierung ein anderes Unternehmen (§ 99 Abs. 1 Z 2 VAG 2016), so ist dieses im Versicherungsschein zu bezeichnen.

§ 158k. (1) Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person frei zu wählen. Darüber hinaus kann der Versicherungsnehmer zur sonstigen Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen einen Rechtsanwalt frei wählen, wenn beim Versicherer eine Interessenkollision entstanden ist.

(2) Im Versicherungsvertrag kann vereinbart werden, daß der Versicherungsnehmer zu seiner Vertretung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren nur solche zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen wählen darf, die ihren Kanzleisitz am Ort der Gerichts- oder Verwaltungsbehörde haben, die für das durchzuführende Verfahren in erster Instanz zuständig ist. Für den Fall, daß an diesem Ort nicht mindestens vier solcher Personen ihren Kanzleisitz haben, muß sich das Wahlrecht auf Personen im Sprengel desjenigen Gerichtshofs erster Instanz erstrecken, in dem sich die genannte Behörde befindet.

(3) Auf das dem Versicherungsnehmer nach Abs. 1 erster Satz zustehende Recht ist hinzuweisen, wenn der Versicherungsnehmer die Beistellung eines Rechtsvertreters für ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren verlangt; auf das nach Abs. 1 zweiter Satz zustehende Recht ist bei Eintritt einer Interessenkollision hinzuweisen. Hat der Versicherer mit der Schadenregulierung ein anderes Unternehmen betraut (§ 158j zweiter Satz), so treffen die Hinweispflichten dieses Unternehmen.

§ 158l. (1) Für den Fall von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über das Vorgehen zur Beilegung des Streitfalls, für den Deckung begehrt wird, besonders über die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, hat der Versicherungsvertrag vorzusehen, daß der Versicherungsnehmer ein Schiedsgutachterverfahren (§ 64) in Anspruch nehmen kann.

(2) Der Versicherer beziehungsweise das andere Unternehmen (§ 158j zweiter Satz) hat den Versicherungsnehmer bei gänzlicher oder teilweiser Ablehnung der Leistungspflicht in geschriebener Form auf die Möglichkeit hinzuweisen, ein Verfahren nach Abs. 1 in Anspruch zu nehmen. Sieht der Versicherungsvertrag kein solches Verfahren vor oder wird der Hinweis unterlassen, so gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt.

(3) Nimmt der Versicherungsnehmer das Verfahren nach Abs. 1 binnen der im Versicherungsvertrag vorgesehenen Frist in Anspruch, so wird die Frist des § 12 Abs. 3 bis zum Abschluß dieses Verfahrens, längstens jedoch für einen Zeitraum von zwei Monaten, gehemmt.

§ 158m. (1) Der Versicherer ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer binnen zweier Wochen ab Geltendmachung des Deckungsanspruchs über seine Pflichten und Obliegenheiten aus der Rechtsschutzversicherung zu informieren. Wird der Deckungsanspruch namens des Versicherungsnehmers durch einen Vertreter geltend gemacht, der nicht Rechtsanwalt ist, und ist der Versicherungsnehmer nach dem Vertrag nicht berechtigt, den Vertreter selbst zu beauftragen, so ist diese Information auch diesem zu übermitteln.

(2) Kann der Versicherer die Erfüllung der im Abs. 1 genannten Verpflichtungen nicht beweisen, so kann er dem Versicherungsnehmer gegenüber aus der späteren fahrlässigen Verletzung einer vereinbarten Obliegenheit keine Rechte ableiten.

§ 158n. (1) Der Versicherer hat binnen zweier Wochen ab Geltendmachung des Deckungsanspruchs dem Versicherungsnehmer in geschriebener Form den Versicherungsschutz grundsätzlich zu bestätigen oder abzulehnen; die Ablehnung ist zumindest mit der Anführung einer ihr derzeit zugrunde gelegten Tatsache und gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung zu begründen. Der Versicherer ist berechtigt, binnen dieser Frist deren Verlängerung um höchstens zwei weitere Wochen zu verlangen.

(2) Hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer nicht sämtliche zur Prüfung des Deckungsanspruchs erforderlichen Unterlagen übermittelt, so kann der Versicherer ihn binnen der im Abs. 1 genannten Frist auffordern, die Unterlagen nachzureichen. In diesem Fall beginnt die Frist des Abs. 1 erster Satz neu zu laufen; die Möglichkeit einer Fristverlängerung gemäß Abs. 1 zweiter Satz entfällt.

(3) Kann der Versicherer die rechtzeitige Erfüllung der in Abs. 1 genannten Verpflichtungen nicht beweisen, so ist er jedenfalls zur Deckung all jener Kosten verpflichtet, die zwischen dem Zeitpunkt, in dem er zum Deckungsanspruch hätte Stellung nehmen müssen, und der verspäteten, im übrigen jedoch dem Abs. 1 entsprechenden Ablehnung des Deckungsanspruchs aufgelaufen sind. Dies gilt jedoch nicht für die Deckung solcher Kosten, die nach der vertraglichen Risikoumschreibung nicht vom Versicherungsschutz umfaßt sind.

§ 158o. Ist die Versicherung für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen aus einem geschäftlichen Betrieb des Versicherungsnehmers genommen und wird das Unternehmen an einen Dritten veräußert oder auf Grund eines Fruchtnießungsrechts, eines Pachtvertrags oder eines ähnlichen Verhältnisses von einem Dritten übernommen, so tritt an Stelle des Versicherungsnehmers der Dritte in die während der Dauer seiner Berechtigung sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. § 69 Abs. 2 und 3 und die §§ 70 und 71 sind entsprechend anzuwenden.

§ 158p. Auf eine Vereinbarung, durch die von den §§ 158j Abs. 2 bis 158o zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen wird, kann sich der Versicherer nicht berufen.

Dritter Abschnitt.

Lebensversicherung.

§ 159. (1) Die Lebensversicherung kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden.

(2) Wird die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen und übersteigt die vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten, so ist zur Gültigkeit des Vertrages die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich. Ist der andere zur Einwilligung nicht entscheidungsfähig und steht die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versicherungsnehmer zu, so kann dieser den anderen bei der Erteilung der Einwilligung nicht vertreten.

(3) Nimmt der Vater oder die Mutter die Versicherung auf die Person eines minderjährigen Kindes, so bedarf es der Einwilligung des Kindes nur, wenn nach dem Vertrag der Versicherer auch bei Eintritt des Todes vor der Vollendung des siebenten Lebensjahres zur Leistung verpflichtet sein soll und die für diesen Fall vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt.

(4) Soweit die Aufsichtsbehörde einen bestimmten Höchstbetrag für die gewöhnlichen Beerdigungskosten festgesetzt hat, ist dieser maßgebend.

§ 160. Die Vereinbarung, daß derjenige, auf dessen Person eine Versicherung genommen werden soll, sich zuvor einer ärztlichen Untersuchung zu unterwerfen hat, begründet kein Recht des Versicherers, die Vornahme der Untersuchung zu verlangen.

§ 161. Soweit nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, kommen bei der Versicherung auf die Person eines anderen als des Versicherungsnehmers auch die Kenntnis und das Verhalten des anderen in Betracht.

§ 162. Ist das Alter desjenigen, auf dessen Person die Versicherung genommen wurde, unrichtig angegeben worden und infolge der unrichtigen Angabe die Prämie zu niedrig bestimmt, so mindert sich die Leistung des Versicherers nach dem Verhältnis, in welchem die dem wirklichen Alter entsprechende Prämie zu der vereinbarten Prämie steht. Das Recht, wegen Verletzung der Anzeigepflicht vom Vertrag zurückzutreten, steht dem Versicherer nur zu, wenn das wirkliche Alter außerhalb der im Geschäftsplan für den Abschluß von Verträgen festgesetzten Grenzen liegt.

§ 163. Wegen einer Verletzung der dem Versicherungsnehmer beim Abschluß des Vertrages obliegenden Anzeigepflicht kann der Versicherer vom Vertrag nicht mehr zurücktreten, wenn seit dem Abschluß drei Jahre verstrichen sind. Das Rücktrittsrecht bleibt bestehen, wenn die Anzeigepflicht arglistig verletzt worden ist.

§ 164. (1) Als Erhöhung der Gefahr gilt nur eine solche Änderung der Gefahrumstände, welche nach ausdrücklicher Vereinbarung als Erhöhung der Gefahr angesehen werden soll; die Erklärung des Versicherungsnehmers bedarf der geschriebenen Form.

(2) Eine Erhöhung der Gefahr kann der Versicherer nicht mehr geltend machen, wenn seit der Erhöhung drei Jahre verstrichen sind. Der Versicherer bleibt jedoch zur Geltendmachung befugt, wenn die Pflicht, seine Einwilligung einzuholen oder ihm Anzeige zu machen, arglistig verletzt worden ist.

§ 164a. § 41a gilt nicht für die Lebensversicherung.

§ 165. (1) Sind laufende Prämien zu entrichten, so kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis jederzeit für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode kündigen.

(2) Ist eine Kapitalversicherung für den Todesfall in der Art genommen, daß der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers zur Zahlung des vereinbarten Kapitals gewiß ist, so steht das Kündigungsrecht dem Versicherungsnehmer auch dann zu, wenn die Prämie in einer einmaligen Zahlung besteht.

§ 166. (1) Bei einer Kapitalversicherung ist im Zweifel anzunehmen, daß dem Versicherungsnehmer die Befugnis vorbehalten ist, ohne Zustimmung des Versicherers einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen oder an Stelle des so bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen. Die Befugnis des Versicherungsnehmers, an die Stelle des bezugsberechtigten Dritten einen anderen zu setzen, gilt im Zweifel auch dann als vorbehalten, wenn die Bezeichnung des Dritten im Vertrag erfolgt ist.

(2) Ein als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt, wenn der Versicherungsnehmer nichts Abweichendes bestimmt, das Recht auf die Leistung des Versicherers erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles.

§ 167. (1) Sind bei einer Kapitalversicherung mehrere Personen ohne Bestimmung ihrer Anteile als Bezugsberechtigte bezeichnet, so sind sie zu gleichen Teilen bezugsberechtigt; der von einem Bezugsberechtigten nicht erworbene Anteil wächst den übrigen Bezugsberechtigten zu.

(2) Soll bei einer Kapitalversicherung die Leistung des Versicherers nach dem Tod des Versicherungsnehmers erfolgen und ist die Zahlung an die Erben ohne nähere Bestimmung ausbedungen, so sind im Zweifel diejenigen, welche zur Zeit des Todes als Erben berufen sind, nach dem Verhältnis ihrer Erbteile bezugsberechtigt. Eine Ausschlagung der Erbschaft hat auf die Berechtigung keinen Einfluß.

(3) Ist der Staat als Erbe berufen oder eignet sich der Bund die Verlassenschaft an (§ 750 ABGB), so steht ihm ein Bezugsrecht nicht zu.

§ 168. Wird bei einer Kapitalversicherung das Recht auf die Leistung des Versicherers von dem bezugsberechtigten Dritten nicht erworben, so steht es dem Versicherungsnehmer zu.

§ 169. Bei einer Versicherung für den Todesfall ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn derjenige, auf dessen Person die Versicherung genommen ist, Selbstmord begangen hat. Die Verpflichtung des Versicherers bleibt bestehen, wenn die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist.

§ 170. (1) Ist die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen als des Versicherungsnehmers genommen, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod des anderen herbeiführt.

(2) Ist bei einer Versicherung für den Todesfall ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet, so gilt die Bezeichnung als nicht erfolgt, wenn der Dritte vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod desjenigen, auf dessen Person die Versicherung genommen ist, herbeiführt.

§ 171. (1) Eine Anzeige vom Eintritt des Versicherungsfalles ist dem Versicherer nur zu machen, wenn der Tod als Versicherungsfall bestimmt ist. Der Anzeigepflicht wird genügt, wenn die Anzeige binnen drei Tagen nach dem Eintritt des Versicherungsfalles erfolgt; durch die Absendung der Anzeige wird die Frist gewahrt.

(2) Steht das Recht auf die Leistung einem anderen als dem Versicherungsnehmer zu, so obliegt die Anzeigepflicht dem anderen; das gleiche gilt von der Pflicht zur Auskunft und zur Beschaffung von Belegen.

§ 172. Bietet eine Lebensversicherung Versicherungsschutz für ein Risiko, bei dem ungewiß ist, ob und wann der Versicherungsfall eintreten wird, so darf sich der Versicherer für den Fall einer nicht nur vorübergehenden nicht vorhersehbaren Veränderung des Leistungsbedarfs gegenüber den technischen Berechnungsgrundlagen und der daraus errechneten Prämie eine Erhöhung der Prämie in sinngemäßer Anwendung des § 178f ausbedingen.

§ 173. (1) Der Versicherungsnehmer kann jederzeit für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen.

(2) Wird die Umwandlung verlangt, so tritt mit dem bezeichneten Zeitpunkt an die Stelle des vereinbarten Kapital- oder Rentenbetrags derjenige Betrag, der sich nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik auf Grund der Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation ergibt. Die prämienfreie Versicherungsleistung ist für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode unter Berücksichtigung von Prämienrückständen zu berechnen.

(3) Der Versicherer ist zu einem Abzug nur berechtigt, wenn dieser vereinbart und angemessen ist.

§ 174. Im Vertrag kann vorgesehen werden, daß statt der begehrten Umwandlung der Rückkaufswert (§ 176 Abs. 2a bis 6) zu erstatten ist, wenn die sich nach der Umwandlung ergebende Versicherungssumme oder Rente einen vereinbarten Betrag unterschreiten würde. Der Betrag ist unter Bedachtnahme auf das Verhältnis zwischen dem Betrag der Versicherungsleistung und den Kosten festzusetzen, die dem Versicherer mit der Weiterführung der Versicherung entstehen würden.

§ 175. (1) Kündigt der Versicherer das Versicherungsverhältnis nach § 39, so wandelt sich mit der Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um. § 173 und gegebenenfalls § 174 sind anzuwenden.

(2) Im Falle des § 39 Abs. 2 ist der Versicherer zu der Leistung verpflichtet, die ihm obliegen würde, wenn sich mit dem Eintritt des Versicherungsfalles die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte.

(3) Die im § 39 vorgesehene Bestimmung einer Zahlungsfrist muß einen Hinweis auf die eintretende Umwandlung der Versicherung enthalten.

§ 176. (1) Wird eine Kapitalversicherung für den Todesfall, die in der Art genommen ist, daß der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers zur Zahlung des vereinbarten Kapitals gewiß ist, durch Rücktritt, Kündigung oder Anfechtung aufgehoben, so hat der Versicherer den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert zu erstatten.

(Anm.: (1a)) Sind nicht alle Voraussetzungen für den Beginn der Rücktrittsfrist gemäß § 5c Abs. 2 erfüllt, so gebührt dem Versicherungsnehmer bei einem Rücktritt von einer Kapitalversicherung

innerhalb eines Jahres nach Vertragsabschluss die für das erste Jahr gezahlten Prämien;

ab dem zweiten bis zum Ablauf des fünften Jahres nach Vertragsabschluss der Rückkaufswert ohne Berücksichtigung der tariflichen Abschlusskosten und des Abzugs gemäß § 176 Abs. 4. Trägt der Versicherungsnehmer das Veranlagungsrisiko, so kann der Versicherer allfällige bis zum Rücktritt eingetretene Veranlagungsverluste berücksichtigen.

(2) Das gleiche gilt bei einer Versicherung der in Abs. 1 bezeichneten Art auch dann, wenn nach dem Eintritt des Versicherungsfalls der Versicherer von der Verpflichtung zur Zahlung des vereinbarten Kapitals frei ist. Im Fall des § 170 Abs. 1 ist jedoch der Versicherer zur Erstattung des Rückkaufswerts nicht verpflichtet.

(2a) Bei der Berechnung des Rückkaufswertes eines Vertrages, der von einem Versicherungsvermittler (§ 137 Abs. 1 GewO 1994) vermittelt wurde, der zum Zeitpunkt des Versicherungsvertrages nicht in das Register eingetragen war, darf die Provision nicht berücksichtigt werden.

(2b) Bei der Berechnung der prämienfreien Versicherungsleistung für einen Vertrag, der von einem Versicherungsvermittler (§ 137 Abs. GewO 1994) vermittelt wurde, der zum Zeitpunkt des Versicherungsvertrages nicht in das Register eingetragen war, darf die Provision nicht berücksichtigt werden.

(3) Der Rückkaufswert ist nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik auf Grund der Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode als Zeitwert der Versicherung zu berechnen. Prämienrückstände werden vom Rückkaufswert abgesetzt.

(4) Der Versicherer ist zu einem Abzug nur berechtigt, wenn dieser vereinbart und angemessen ist.

(5) Wird eine kapitalbildende Lebensversicherung innerhalb des ersten Jahres beendet, so dürfen bei der Berechnung des Rückkaufswerts die rechnungsmäßig einmaligen Abschlusskosten nicht berücksichtigt werden. Wird eine kapitalbildende Lebensversicherung nach dem ersten Jahr und vor dem Ablauf von fünf Jahren oder einer vereinbarten kürzeren Laufzeit beendet, so dürfen bei der Berechnung des Rückkaufswerts die rechnungsmäßig einmaligen Abschlusskosten höchstens mit jenem Anteil berücksichtigt werden, der dem Verhältnis zwischen der tatsächlichen Laufzeit und dem Zeitraum von fünf Jahren oder der vereinbarten kürzeren Laufzeit entspricht. Ebenso sind diese Kosten bei der Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung für die Berechnung der Grundlage der prämienfreien Versicherungsleistung höchstens nach dem Verhältnis zwischen der tatsächlichen Prämienzahlungsdauer und dem Zeitraum von fünf Jahren oder einer vereinbarten kürzeren Prämienzahlungsdauer zu berücksichtigen.

(6) Der Vermittler hat in den Fällen des Abs. 5 erster Satz keinen Anspruch auf Provision samt Nebengebühren. Der Vermittler hat in den Fällen des Abs. 5 zweiter Satz Anspruch auf jenen Teil der Provision samt Nebengebühren, der dem Verhältnis zwischen der tatsächlichen Laufzeit (Prämienzahlungsdauer) und dem Zeitraum von fünf Jahren oder der vereinbarten kürzeren Laufzeit (Prämienzahlungsdauer) entspricht. Eine Vereinbarung, wonach dem Vermittler ein höherer Provisionsanspruch zusteht, ist unwirksam. Der Vermittler hat dem Versicherer eine Provision insoweit zurückzuzahlen, als sie das Ausmaß des anteiligen Provisionsanspruchs übersteigt. Die voranstehenden Bestimmungen sind auf Vereinbarungen, nach denen der Versicherungsnehmer die Provision unmittelbar dem Vermittler zu leisten hat, sinngemäß anzuwenden.

§ 177.(1) Wird auf den Versicherungsanspruch Zwangsvollstreckung geführt oder wird über das Vermögen des Versicherungsnehmers ein Insolvenzverfahren eröffnet, so kann der namentlich bezeichnete Bezugsberechtigte mit Zustimmung des Versicherungsnehmers an dessen Stelle in den Versicherungsvertrag eintreten. Tritt der Bezugsberechtigte ein, so hat er die Forderungen der betreibenden Gläubiger oder der Insolvenzmasse bis zur Höhe des Betrages zu befriedigen, dessen Zahlung der Versicherungsnehmer im Falle der Kündigung des Versicherungsvertrages vom Versicherer verlangen kann.

(2) Ist ein Bezugsberechtigter nicht oder nicht namentlich bezeichnet, so steht das gleiche Recht dem Ehegatten und den Kindern des Versicherungsnehmers zu.

(3) Der Eintritt erfolgt durch Anzeige an den Versicherer. Die Anzeige kann nur innerhalb eines Monates erfolgen, nachdem der Eintrittsberechtigte von der Pfändung Kenntnis erlangt hat oder das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

§ 177a. Gepfändete Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag werden durch Überweisung zur Einziehung verwertet. Diese ermächtigt den betreibenden Gläubiger insbesondere, namens des Verpflichteten das Versicherungsverhältnis zu kündigen.

§ 178. (1) Auf eine Vereinbarung, die von den Vorschriften der §§ 162 bis 164, der §§ 165 und 169 oder des § 171 Abs. 1 Satz 2 zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen. Jedoch kann für die Kündigung, zu der nach § 165 der Versicherungsnehmer berechtigt ist, geschriebene Form ausbedungen werden; die Schriftform nur unter den Voraussetzungen des § 5a Abs. 2 bei elektronischer Kommunikation bzw. des § 15a Abs. 2 außerhalb der elektronischen Kommunikation.

(2) Auf eine Vereinbarung, die von den Vorschriften der §§ 172 bis 177 zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder des Eintrittsberechtigten abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen.

Vierter Abschnitt

Krankenversicherung

§ 178a. (1) Die Krankenversicherung kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden.

(2) Ist die Versicherung auf die Person eines anderen genommen, so hat dieser als Versicherter an den Versicherer einen unmittelbaren Anspruch auf diejenigen Leistungen, die bei einem Versicherungsfall in seiner Person zu erbringen sind. Dieser unmittelbare Anspruch kann nur bei einer Krankenhaustagegeldversicherung und einer Krankengeldversicherung sowie nur dann ausgeschlossen werden, wenn durch die Versicherungsleistung Nachteile gedeckt werden sollen, die dem Versicherungsnehmer selbst durch den Versicherungsfall entstehen. Im übrigen sind die §§ 74, 75 Abs. 1, 78 und 79 entsprechend anzuwenden.

(3) Soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird, sind - neben dem Ersten Abschnitt - die §§ 49 bis 60 und §§ 62 bis 68a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen über die Gefahrerhöhung (§§ 23 bis 30) sind auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden.

§ 178b. (1) Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich medizinischer Betreuung und Behandlung bei Schwangerschaft und Entbindung im vereinbarten Umfang zu ersetzen.

(2) Bei der Krankenhaustagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung das vereinbarte Krankenhaustagegeld zu leisten.

(3) Bei der Krankengeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankengeld zu ersetzen.

(4) In der Pflegekrankenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im Fall der Pflegebedürftigkeit die Aufwendungen, die für die Pflege der versicherten Person entstehen, im vereinbarten Umfang zu ersetzen (Pflegekostenversicherung) oder das vereinbarte Tagegeld zu leisten (Pflegetagegeldversicherung).

(5) Die Kosten und Risiken der medizinischen Betreuung und Behandlung im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, der Entbindung und der Mutterschaft dürfen in der Krankenversicherung nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen zwischen Frauen und Männern führen.

§ 178c. (1) Sagt der Versicherer allgemein zu, bestimmte medizinische Leistungen zur Gänze zu vergüten (Kostendeckungszusage), so endet die Wirksamkeit dieser Zusage nicht vor ihrem Widerruf in geschriebener Form. Die Zusage hat die Angabe zu umfassen, zu welchem Termin sie frühestens widerrufen werden kann; unterläßt der Versicherer diese Angabe, so kann er die Kostendeckungszusage vor Ablauf zweier Jahre nicht widerrufen.

(2) Der Widerruf der Kostendeckungszusage wird nach Ablauf von drei Wochen wirksam. Ein Widerruf ist für solche stationären Heilbehandlungen ohne Wirkung, die vor dem Wirksamwerden der entsprechenden Mitteilung des Versicherers begonnen haben.

§ 178d. (1) Soweit Wartezeiten vereinbart werden, dürfen diese in der Krankheitskosten-, Krankenhaustagegeld- und Krankengeldversicherung als allgemeine Wartezeit drei Monate, als besondere Wartezeit für Psychotherapie, Zahnbehandlung, Zahnersatz und Kieferorthopädie acht Monate und für Entbindung sowie damit im Zusammenhang stehende Heilbehandlungen neun Monate nicht überschreiten. In der Pflegeversicherung darf die Wartezeit drei Jahre nicht überschreiten.

(2) Soweit Versicherungsschutz ausdrücklich für solche Krankheiten oder Unfallfolgen vereinbart wird, die beiden Vertragsteilen bei Vertragsabschluß bereits bekannt sind, dürfen auch längere als die im Abs. 1 genannten Wartezeiten vereinbart werden.

(3) Tritt ein Versicherungsfall vor Ablauf der Wartezeit ein, so ist der Versicherer zur Leistung nur dann verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer beweist, daß die Krankheit erst nach Vertragsabschluß erkennbar wurde beziehungsweise daß die Schwangerschaft erst nach diesem Zeitpunkt begonnen hat.

§ 178e. Ist ein Versicherungsnehmer im vollen Umfang des § 178b Abs. 1 und nicht bloß für zusätzliche Aufwendungen zu den Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung versichert, so ist der Versicherer auf Verlangen des Versicherungsnehmers verpflichtet, dessen neugeborenes Kind mit Wirkung ab der Geburt ohne Wartezeiten zu versichern; dieses Verlangen ist spätestens zwei Monate nach der Geburt zu stellen. Der Versicherungsschutz hat den gleichen Umfang wie der des Versicherungsnehmers. Bedeutet das Kind ein erhöhtes Risiko, so kann der Versicherer einen angemessenen Prämienzuschlag verlangen.

§ 178f. (1) Eine Vereinbarung, nach der der Versicherer berechtigt ist, die Prämie nach Vertragsabschluß einseitig zu erhöhen oder den Versicherungsschutz einseitig zu ändern, etwa einen Selbstbehalt einzuführen, ist - unbeschadet des § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG beziehungsweise des § 6 Abs. 2 Z 3 KSchG - nur mit den sich aus den Abs. 2 und 3 ergebenden Einschränkungen wirksam.

(2) Als für Änderungen der Prämie oder des Versicherungsschutzes maßgebende Umstände dürfen nur die Veränderungen folgender Faktoren vereinbart werden:

1.

eines in der Vereinbarung genannten Index,

2.

der durchschnittlichen Lebenserwartung,

3.

der Häufigkeit der Inanspruchnahme von Leistungen nach Art der vertraglich vorgesehenen und deren Aufwendigkeit, bezogen auf die auf die zu diesem Tarif Versicherten,

4.

des Verhältnisses zwischen den vertraglich vereinbarten Leistungen und den entsprechenden Kostenersätzen der gesetzlichen Sozialversicherungen,

5.

der durch Gesetz, Verordnung, sonstigen behördlichen Akt oder durch Vertrag zwischen dem Versicherer und im Versicherungsvertrag bezeichneten Einrichtungen des Gesundheitswesens festgesetzten Entgelte für die Inanspruchnahme dieser Einrichtungen und

6.

des Gesundheitswesens oder der dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

Bloß vom Älterwerden des Versicherten oder von der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes abhängige Anpassungen dürfen jedenfalls nicht vereinbart werden, insbesondere ist eine Prämienanpassung unzulässig, um eine schon bei Eingehung der Versicherung unzureichend kalkulierte Alterungsrückstellung zu ersetzen. Es kann jedoch vereinbart werden, daß eine zunächst geringere Prämie ab einem bestimmten Lebensalter des Versicherten auf denjenigen Betrag angehoben wird, den der betreffende Tarif für Versicherte vorsieht, die mit diesem Alter in die Versicherung eintreten; dieses Lebensalter darf nicht über 20 Jahren liegen.

(3) Erhöht der Versicherer die Prämie, so hat er dem Versicherungsnehmer auf dessen Verlangen die Fortsetzung des Vertrages mit höchstens gleichbleibender Prämie und angemessen geänderten Leistungen anzubieten.

(4) Die Erklärung einer rückwirkenden Änderung der Prämie oder des Versicherungsschutzes ist unwirksam; die Erklärung wirkt erst ab dem der Absendung folgenden Monatsersten.

§ 178g. (1) Der Versicherer hat eine Änderung der Prämie oder des Versicherungsschutzes unverzüglich der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer, dem Österreichischen Landarbeiterkammertag, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, dem Österreichischen Seniorenrat, der Finanzprokuratur, dem Verein für Konsumenteninformation und der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation mitzuteilen. Insoweit eine vom Versicherer erklärte Änderung der Prämie oder des Versicherungsschutzes unwirksam ist, besonders weil sie dem § 178f und den allgemeinen Versicherungsbedingungen, nach denen die Versicherungsverträge geschlossen sind, widerspricht, sind diese Stellen berechtigt, vom Versicherer die Unterlassung dieser Änderung zu verlangen. Dieser Anspruch erlischt, wenn er nicht binnen dreier Monate nach Erhalt der Verständigung gerichtlich geltend gemacht wird; der Versicherer und die betreffende Stelle können die Klagefrist einvernehmlich verlängern.

(2) Für die Klage ist nur das Handelsgericht Wien zuständig. Hat jedoch der Versicherer seinen Sitz im Ausland und keiner der von der umstrittenen Änderung betroffenen Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz im Sprengel dieses Gerichts, so ist nach Wahl des Klägers jedes die Gerichtsbarkeit in Handelssachen ausübende Landesgericht zuständig, in dessen Sprengel der Wohnsitz wenigstens eines betroffenen Versicherungsnehmers liegt; klagt außerdem eine andere der im Abs. 1 genannten Stellen denselben Versicherer bei einem anderen Gericht, so ist § 31a Abs. 2 JN sinngemäß anzuwenden.

(3) Der Wert des Streitgegenstands beträgt höchstens 75 000 Euro.

§ 178h. (1) Der Versicherer ist verpflichtet, den im § 178g Abs. 1 genannten Stellen auf Verlangen unverzüglich Einsicht in sämtliche Kalkulationsgrundlagen zu gewähren, die eine erklärte Änderung der Prämie oder des Versicherungsschutzes begründen können. Die genannten Stellen sind berechtigt, auf ihre Kosten erforderlichenfalls Ablichtungen herzustellen.

(2) Verlangt eine im § 178g Abs. 1 genannte Stelle binnen der dort vorgesehenen dreimonatigen Klagefrist die Einsichtnahme gemäß Abs. 1, so ist diese Frist bis zur Gewährung der Einsicht gehemmt.

§ 178i. (1) Krankenversicherungsverträge dürfen nur auf Lebenszeit des Versicherungsnehmers geschlossen werden, ausgenommen kurzfristige Versicherungen, die auf weniger als ein Jahr befristet sind; andere Befristungen sind unwirksam.

(2) Eine Kündigung durch den Versicherer gemäß § 8 Abs. 2 oder auf Grund einer Vertragsbestimmung, etwa für den Versicherungsfall, ist nur bei Gruppenversicherungsverträgen und Krankengeldversicherungsverträgen zulässig.

(3) Das Recht der Kündigung aus wichtigem Grund, insbesondere bei Verletzung von Obliegenheiten (§ 6), bei Prämienverzug (§ 39) und bei unverschuldeter Verletzung der Anzeigepflicht (§ 41), bleibt unberührt.

§ 178j. Endet das Versicherungsverhältnis anders als durch Rücktritt des Versicherers gemäß § 16 oder § 38 oder durch dessen Kündigung (§ 178i Abs. 3), so sind die Versicherten berechtigt, binnen zweier Monate die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses nach dem Versicherungsnehmer zu erklären.

§ 178k. Wegen einer Verletzung der dem Versicherungsnehmer beim Abschluß des Vertrags obliegenden Anzeigepflicht kann der Versicherer vom Vertrag nicht mehr zurücktreten oder den Vertrag kündigen, wenn seit dem Abschluß drei Jahre verstrichen sind. Das Rücktrittsrecht bleibt jedoch bestehen, wenn die Anzeigepflicht arglistig verletzt worden ist.

§ 178l. Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer oder der Versicherte seine Krankheit oder seinen Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Hat der Versicherungsnehmer die Krankheit oder den Unfall eines Versicherten vorsätzlich herbeigeführt, so bleibt der Versicherer diesem gegenüber zur Leistung verpflichtet, der Schadenersatzanspruch des Versicherten an den Versicherungsnehmer geht jedoch in sinngemäßer Anwendung des § 67 auf den Versicherer über.

§ 178m. (1) Scheidet ein Gruppenversicherter aus dem versicherten Personenkreis, etwa durch Kündigung des Versicherers oder infolge Eintritts in den Ruhestand, aus oder wird der gesamte Gruppenversicherungsvertrag aufgelöst, so ist der Gruppenversicherte berechtigt, die Fortsetzung als gleichartige Einzelversicherung nach Maßgabe der für die Einzelversicherung geltenden Tarife und Versicherungsbedingungen ohne Wartezeiten und Risikoprüfung zu erklären, sofern er bei Eintritt in die Gruppenversicherung gemäß den Bestimmungen für die Einzelversicherung versicherungsfähig war. Der Versicherer hat die Gruppenversicherten auf dieses Fortsetzungsrecht hinzuweisen.

(2) Das Recht auf Fortsetzung als Einzelversicherung erlischt, wenn der Versicherte die im Abs. 1 vorgesehene Erklärung nicht binnen eines Monats ab dem Ausscheiden aus dem versicherten Personenkreis beziehungsweise der Auflösung des Gruppenversicherungsvertrags abgibt. Die Frist ist gehemmt, solange der Versicherer der im Abs. 1 angeordneten Hinweispflicht nicht entsprochen hat; der Beweis der Erfüllung dieser Pflicht obliegt dem Versicherer.

(3) Gibt der Versicherungsnehmer die im Abs. 1 vorgesehene Erklärung ab, so ist die Einzelversicherungsprämie nach demjenigen Eintrittsalter zu bemessen, mit dem der Versicherte in den Gruppenversicherungsvertrag eingetreten ist.

(4) Das Recht auf Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses als Einzelversicherung besteht jedoch nicht, wenn der Versicherte aus dem versicherten Personenkreis infolge außerordentlicher Kündigung des Versicherers wegen einer Vertragsverletzung ausscheidet.

(5) Die §§ 178g und 178h gelten für Gruppenversicherungsverträge nicht. Als Grund für eine Prämienerhöhung darf auch eine Änderung der im § 178f Abs. 2 Z 2 und 3 genannten Umstände bloß bei den zu dieser Gruppe gehörenden Versicherten vereinbart werden, auch infolge einer Änderung des Durchschnittsalters der Gruppe.

(6) Der Versicherer hat jeden Gruppenversicherten bei Eintritt in den Gruppenversicherungsvertrag nachweislich darauf hinzuweisen, unter welchen Voraussetzungen seine Versicherung endet und welche Folgen sich für die Höhe der Prämie bei der Fortsetzung als Einzelversicherung ergeben würden.

§ 178n. Auf eine Vereinbarung, die von § 178a Abs. 2 und 3, § 178b Abs. 5 und von den §§ 178c bis 178m zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder des Versicherten abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen.

Fünfter Abschnitt.

Unfallversicherung.

§ 179. (1) Die Unfallversicherung kann gegen Unfälle, die dem Versicherungsnehmer, oder gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, genommen werden.

(2) Eine Versicherung gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, gilt im Zweifel als für Rechnung des anderen genommen. Die Vorschriften der §§ 75 bis 79 sind entsprechend anzuwenden.

(3) Wird eine Versicherung gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, vom Versicherungsnehmer für eigene Rechnung genommen, so ist zur Gültigkeit des Vertrages die schriftliche Zustimmung des anderen erforderlich. Ist der andere zur Zustimmung nicht entscheidungsfähig und steht die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versicherungsnehmer zu, so kann dieser den anderen bei der Erteilung der Zustimmung nicht vertreten.

(4) Soweit im Falle des Abs. 3 die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers nach den Vorschriften dieses Gesetzes von rechtlicher Bedeutung sind, kommen auch die Kenntnis und das Verhalten des anderen in Betracht.

§ 180. Ist als Leistung des Versicherers die Zahlung eines Kapitals vereinbart, so gelten die Vorschriften der §§ 166 bis 168.

§ 181. (1) Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der von dem Unfall Betroffene den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Das gleiche gilt, wenn im Falle des § 179 Abs. 3 der Versicherungsnehmer den Unfall vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung herbeigeführt hat.

(2) Ist ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet, so gilt die Bezeichnung als nicht erfolgt, wenn der Dritte den Unfall vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung herbeigeführt hat.

§ 182. Die Pflicht zur Anzeige des Versicherungsfalles obliegt dem bezugsberechtigten Dritten, wenn ihm das Recht auf die Leistung zusteht; das gleiche gilt von der Pflicht zur Auskunft und zur Beschaffung von Belegen.

§ 183. Der Versicherungsnehmer hat für die Abwendung und Minderung der Folgen des Unfalles nach Möglichkeit zu sorgen und dabei die Weisungen des Versicherers zu befolgen, soweit ihm nicht etwas Unbilliges zugemutet wird. Auf eine Vereinbarung, die von dieser Vorschrift zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen.

§ 184. (1) Sollen nach dem Vertrag einzelne Voraussetzungen des Anspruches aus der Versicherung oder das Maß der durch den Unfall herbeigeführten Einbuße an Erwerbsfähigkeit durch Sachverständige festgestellt werden, so ist die getroffene Feststellung nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Die Feststellung erfolgt in diesem Falle durch Urteil. Das gleiche gilt, wenn die Sachverständigen die Feststellung nicht treffen können oder wollen oder sie verzögern.

(2) Sind nach dem Vertrag die Sachverständigen vom Gericht zu bestellen, so sind auf die Bestellung die Vorschriften des § 64 Abs. 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Eine Vereinbarung, die von der Vorschrift des Abs. 1 Satz 1 abweicht, ist nichtig.

§ 185. Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer die Kosten, welche durch die Ermittlung und Feststellung des Unfalles sowie des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers entstehen, insoweit zu ersetzen, als ihre Aufwendung den Umständen nach geboten war.

Sechster Abschnitt.

Schlußvorschriften.

§ 186. Die Vorschriften dieses Bundesgesetzes sind auf die Seeversicherung und auf die Rückversicherung nicht anzuwenden.

§ 187. (1) Die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Beschränkungen der Vertragsfreiheit sind bei der Transportversicherung von Gütern, bei der Kreditversicherung und bei der Versicherung gegen Kursverluste nicht anzuwenden.

(2) Das gleiche gilt von einer Schadensversicherung, die in der Weise genommen wird, daß die versicherten Interessen beim Abschluß des Vertrages nur der Gattung nach bezeichnet und erst nach ihrer Entstehung dem Versicherer einzeln aufgegeben werden (laufende Versicherung).

§ 189. Soweit in Gesetzen und Verordnungen auf das Gesetz über den Versicherungsvertrag verwiesen ist, treten an dessen Stelle die entsprechenden Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes 1958.

§ 190. Folgende Vorschriften werden aufgehoben:

1.

das Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908, Deutsches RGBl. S. 263, in der Fassung der Verordnungen vom 19. Dezember 1939, Deutsches RGBl. I S. 2443, vom 3. November 1942, Deutsches RGBl. I S. 636, vom 28. Dezember 1942, Deutsches RGBl. I S. 740, vom 6. April 1943, Deutsches RGBl. I S. 178 und vom 25. Oktober 1944, Deutsches RGBl. I S.278;

2.

das Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 23. Dezember 1917, RGBl. Nr. 501, soweit es nicht schon durch die Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19. Dezember 1939, Deutsches RGBl. I S. 2443, aufgehoben ist.

§ 191. Dieses Bundesgesetz tritt drei Monate nach seiner Kundmachung in Kraft.

§ 191a. (1) § 5a, §§ 158i bis 158m und § 165a sowie § 178 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 90/1993 treten mit demselben Zeitpunkt in Kraft wie das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum *).

(2) Diese Bestimmungen sind auf Versicherungsverträge, die vor dem Inkrafttreten geschlossen worden sind, nicht anzuwenden.

________________

*) Die Kundmachung des Abkommens und seines Inkrafttretens wird zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

§ 191b. (1) § 1a, § 2 Abs. 2 zweiter Satz, § 5b, § 6, § 8 Abs. 3, § 11 Abs. 1 und 3, § 11a, § 12, § 15a, § 16 Abs. 3, § 18, § 21, § 25 Abs. 3, § 27, § 28 Abs. 2 zweiter Satz, § 38, § 39 Abs. 2, § 39a, § 40, § 41 Abs. 2, § 41b, § 43, § 43a, § 44, § 47, § 51 Abs. 4 und 5, § 59 Abs. 3, § 64, § 68, § 68a, § 70 Abs. 3, § 71, § 96, § 108, § 113, § 115a, § 154 Abs. 2, § 158, § 158a, § 158j, § 158l, §§ 158m bis 158p, § 163, § 164 Abs. 2, §§ 172 bis 176 und § 178 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 652/1994 treten mit 1. Jänner 1995 in Kraft. Die §§ 178a bis 178n in der Fassung dieses Bundesgesetzes treten mit 1. September 1994 in Kraft.

(2) Nicht in der neuen Fassung anzuwenden sind

1.

§ 1a Abs. 2, § 2 Abs. 2, § 16 Abs. 3, § 18, § 21, § 40, § 41 Abs. 2, § 41b, § 59 Abs. 3, § 64, § 68, § 70 Abs. 3, § 96 Abs. 3, § 108, § 113, § 115a, § 158 Abs. 3, § 158a, § 172, § 173, § 174, § 175, § 176 und § 178 Abs. 2

auf Versicherungsverträge, die vor dem 1. Jänner 1995 geschlossen worden sind, sowie § 178d, § 178e, § 178i Abs. 1 und § 178k auf Versicherungsverträge, die vor dem 1. September 1994 geschlossen worden sind.

2.

§ 12,

wenn die dort genannten Fristen vor dem 1. Jänner 1995 zu laufen begonnen haben,

3.

§ 43, § 44 und § 47

auf Rechtshandlungen, die von dem Versicherungsagenten oder ihm gegenüber vor dem 1. Jänner 1995 vorgenommen worden sind,

4.

§ 158o,

wenn das Unternehmen vor dem 1. Jänner 1995 veräußert beziehungsweise übernommen worden ist,

5.

§ 178c

auf Kostendeckungszusagen, die vor dem 1. September 1994 abgegeben worden sind,

6.

§ 178i Abs. 2

auf Zahnversicherungsverträge, die vor dem 1. Jänner 1995 geschlossen worden sind,

7.

§ 1a Abs. 1 und § 5b,

wenn der Antrag des Versicherungsnehmers vor dem 1. Jänner 1995 erklärt worden ist, und

8.

§§ 38, 39 und 39a,

wenn der Verzug vor dem 1. Jänner 1995 eingetreten ist.

(3) § 8 Abs. 3 ist in der im Abs. 1 bezeichneten Fassung auf Versicherungsverträge anzuwenden, die nach dem 31. März 1994 geschlossen worden sind. Verträge, die vor dem 1. April 1994 geschlossen worden sind, kann der Versicherungsnehmer nach § 8 Abs. 3 jedenfalls zum Ende jener Versicherungsperiode, die zum 31. Dezember 1999 oder im Jahr 2000 endet, und zum Ende jeder folgenden Versicherungsperiode mit einer Frist von sechs Monaten kündigen. § 8 Abs. 3 zweiter Satz ist auf Verträge, die vor dem 1. Jänner 1995 geschlossen worden sind, mit der Maßgabe anzuwenden, daß der Versicherer auch die Differenz zwischen der vereinbarten Prämie und der Prämie für Verträge mit einer Laufzeit, die der tatsächlich verstrichenen Laufzeit entspricht, verlangen kann, falls er zur Zeit der Eingebung des Versicherungsvertrags in seinem Tarif eine Prämie für derartige Verträge mit kürzerer Laufzeit vorgesehen hatte.

(4) Ist in einem Krankenversicherungsvertrag die Zulässigkeit einer Prämienerhöhung oder einer Änderung des Versicherungsschutzes an die Zustimmung der Versicherungsaufsichtsbehörde gebunden, so sind an Stelle dieser Anpassungsbestimmung die §§ 178f bis 178h anzuwenden, wobei eine Anpassung nach den in § 178f Abs. 2 Z 2 bis 6 genannten Anpassungsfaktoren als vereinbart gilt.

(5) Für § 178m gilt folgendes:

1.

Er gilt unbeschränkt für Gruppenversicherte, die nach dem 31. Dezember 1994 in einen zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Gruppenversicherungsvertrag aufgenommen werden. Für solche Gruppenversicherte kann der Versicherer einen anderen als den im Gruppenversicherungsvertrag vereinbarten Tarif vorsehen.

2.

Auf Gruppenversicherte, die vor dem 1. Jänner 1995 in eine Gruppenversicherung eingetreten sind, ist er mit der Maßgabe anzuwenden, daß bei der Berechnung der Einzelversicherungsprämie die Versicherungsdauer im Gruppenversicherungsvertrag nur im Ausmaß der in der Prämienkalkulation der Gruppenversicherung enthaltenen Alterungsrückstellung zu berücksichtigen ist. Diese Versicherten haben überdies nach dem 31. Dezember 1994 das Recht, die volle Anwendung des § 178m gegen Zahlung einer höheren Prämie zu verlangen, die für diese Fälle vom Versicherer in seinem Tarif angemessen festzusetzen ist.

§ 191c. (1) § 178c Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 447/1996 tritt mit 1. September 1996 in Kraft.

(2) Die Aufhebung des § 5a und die §§ 5b, 165a sowie 191b Abs. 3 zweiter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 6/1997 treten mit 1. Jänner 1997 in Kraft.

(3) Die §§ 5b und 165a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 6/1997 sind auf Verträge, die vor dem 1. Jänner 1997 geschlossen worden sind, nicht anzuwenden.

(4) § 178g Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 48/2001 tritt mit 1. September 2001 in Kraft.

(5) Die §§ 39a, 178g und 191c in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2001 treten mit 1. Jänner 2002 in Kraft.

(6) § 165a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2004 tritt mit 1. Oktober 2004 in Kraft. Die Bestimmung ist in dieser Fassung auf Verträge, die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden, nicht anzuwenden.

(7) § 5b Abs. 2 Z 3, § 43 Abs. 3 bis 5 und § 176 Abs. 2a und 3a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 131/2004 treten mit 15. Jänner 2005 in Kraft.

(8) Die §§ 165a, 174 sowie 176 Abs. 5 und 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 95/2006 treten mit 1. Jänner 2007 in Kraft. Sie sind auf Versicherungsverträge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2006 geschlossen werden.

(9) Die §§ 178b Abs. 5 und 178n in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 95/2006 treten mit 1. Dezember 2007 in Kraft. Sie sind auf Versicherungsverträge anzuwenden, die nach dem 30. November 2007 geschlossen werden.

(10) §§ 14 Abs. 1, 43 Abs. 5, 77, 157 und 177 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2010 treten mit 1. August 2010 in Kraft. Sie sind in Ansehung von Insolvenzverfahren anzuwenden, die nach dem 31. Juli 2010 bei Gericht anhängig werden; in Ansehung von bereits zuvor begonnenen Konkurs- und Ausgleichsverfahren sind die bis zum Ablauf des 31. Juli 2010 bestehenden Vorschriften weiter anzuwenden.

(11) Der Kurztitel samt Abkürzung sowie die §§ 1b, 3 bis 6, 8, 12, 15a, 16, 18, 34a, 35, 37, 43, 72, 75, 158d, 158e, 158l, 158n, 164, 165a, 176, 178 und 178c in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 34/2012 treten mit 1. Juli 2012 in Kraft. Diese Bestimmungen sind auf Vereinbarungen anzuwenden, die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen werden. § 1b Abs. 2 ist auf Erklärungen anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2012 abgegeben werden.

(12) Die §§ 11a bis 11d in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 34/2012 treten mit 1. Oktober 2012 in Kraft. Diese Bestimmungen sind auf Vereinbarungen anzuwenden, die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen werden.

(13) § 1c und die Aufnahme des § 1c in den § 15a Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 12/2013, treten mit 21. Dezember 2012 in Kraft und sind auf Versicherungsverträge anzuwenden, bei denen der Abschluss eines neuen Vertrags nach dem 20. Dezember 2012 erfolgt. § 1d und die Aufnahme des § 1d in den § 15a Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 12/2013, treten mit 1. Jänner 2013 in Kraft und sind auf Versicherungsverträge, Änderungen oder Kündigungen derselben anzuwenden, soweit sie nach dem 31. Dezember 2012 abgeschlossen werden oder erfolgen. Die §§ 41b und 178g Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 12/2013 treten mit 1. Jänner 2013 in Kraft.

(14) § 36 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 12/2013, tritt mit 1. Februar 2013 in Kraft und ist auf Verträge anzuwenden, die ab diesem Zeitpunkt geschlossen werden.

(15) § 1c, § 5a Abs. 6, § 5b Abs. 2 Z 3, § 5c Abs. 2 Z 2, § 11d, § 158j Abs. 2 und § 165a Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 34/2015 treten mit 1. Jänner 2016 in Kraft.

(16) § 1b Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2016 tritt mit 1. Juli 2016 in Kraft und ist auf Erklärungen anzuwenden, die nach diesem Zeitpunkt abgegeben werden.

(17) § 11a Abs. 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2016 tritt mit 1. Jänner 2017 in Kraft.

(18) § 41b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 17/2018 tritt mit 1. Juni 2018 in Kraft.

(19) § 5a Abs. 3, 5, 9, 10 und 11, § 5b Abs. 2 Z 3, § 5c Abs. 2 Z 2, § 43, § 44, § 45, § 47 und § 48, § 165a Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2018 treten mit 1. Oktober 2018 in Kraft. § 5a Abs. 6 und 8, § 43a und § 46 treten mit Ablauf des 30. September 2018 außer Kraft.

(20) § 11a Abs. 1 und 2, § 11b Abs. 2 und § 11c in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2018 treten mit 25. Mai 2018 in Kraft.

(21) § 159 Abs. 2 und § 179 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2018 treten mit 1. Juli 2018 in Kraft.

(22) § 5a Abs. 2, § 5c, § 15a Abs. 2, § 176 Abs. 1a, § 176 Abs. 5 und Abs. 6, § 178 Abs. 1 und Anlage A in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 51/2018 treten mit 01.01.2019 in Kraft. § 5b Abs. 2 bis 6 und § 165a treten mit Ablauf des 31.12.2018 außer Kraft. § 5c, § 176 Abs. 1a und Anlage A sind auf Versicherungsverträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2018 geschlossen werden. § 5b Abs. 2 bis 6, § 5c und § 165a in der Fassung vor dem Bundegesetz BGBl. I Nr. 51/2018 sind – vorbehaltlich des Abs. 23 – auf Versicherungsverträge weiterhin anzuwenden, die vor dem 01.01.2019 abgeschlossen wurden.

(23) Für einen Rücktritt von einer Kapitalversicherung nach den §§ 5b, 5c und 165a in der Fassung vor dem Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 51/2018, der ab dem 01.01.2019 erklärt wird, gelten die Rechtsfolgen gemäß § 176 Abs. 1a.

Verhältnis zum Recht der Europäischen Union

§ 191d. (1) § 5a, § 44, § 45 Abs. 2 und § 176 Abs. 2a und 2b sind Rechtsvorschriften, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2016/97/EU über Versicherungsvertrieb, ABl. Nr. L 26 vom 2. 2. 2016 S. 19, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 222 vom 17. 8. 2016 S. 114 fallen.

(2) § 5c, 158j bis 158l und § 176 Abs. 1a sind Rechtsvorschriften, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/138/EG betreffend die Aufnahme der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) ABl. Nr. L 335 vom 17. 12. 2009 S. 1 fallen.

§ 192. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist das Bundesministerium für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen betraut.

Anlage A

Belehrung über das Rücktrittsrecht

(1) Sie können von Ihrem Versicherungsvertrag innerhalb von [14 Tagen]1 ohne Angabe von Gründen in geschriebener Form (z. B. Brief, Fax, E-Mail) zurücktreten.

(2) Die Rücktrittsfrist beginnt mit der Verständigung vom Zustandekommen des Versicherungsvertrages (= Zusendung der Polizze bzw. Versicherungsschein), jedoch nicht, bevor Sie den Versicherungsschein und die Versicherungsbedingungen einschließlich der Bestimmungen über die Prämienfestsetzung oder -änderung und diese Belehrung über das Rücktrittsrecht erhalten haben.

(3) Die Rücktrittserklärung ist zu richten an: […]2. Zur Wahrung der Rücktrittsfrist reicht es aus, dass Sie die Rücktrittserklärung vor Ablauf der Rücktrittsfrist absenden. Die Erklärung ist auch wirksam, wenn sie in den Machtbereich Ihres Versicherungsvertreters gelangt.

(4) Mit dem Rücktritt enden ein allfällig bereits gewährter Versicherungsschutz und Ihre künftigen Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag. Hat der Versicherer bereits Deckung gewährt, so gebührt ihm eine der Deckungsdauer entsprechende Prämie. Wenn Sie bereits Prämien an den Versicherer geleistet haben, die über diese Prämie hinausgehen, so hat sie Ihnen der Versicherer ohne Abzüge zurückzuzahlen.

(5) Ihr Rücktrittsrecht erlischt spätestens einen Monat, nachdem Sie den Versicherungsschein einschließlich dieser Belehrung über das Rücktrittsrecht erhalten haben.

Gestaltungshinweise:

1)

Im Fall der Lebensversicherung lautet der Klammerzusatz: „30 Tagen“

2)

Hier sind einzusetzen: Name/Firma und ladungsfähige Anschrift des Adressaten der Rücktrittserklärung. Zusätzlich können angegeben werden: Telefaxnummer und E-Mail-Adresse.

2. Jud
2. Jud

Judikatur

(Jud)

2. Jud
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2.1. Rügepflicht Mietvertrag
2.1. Rügepflicht Mietvertrag

OGH 10.12.2020, 5Ob146/20m

OGH 10.12.2020, 5Ob146/20m (Rügepflicht Mietvertrag)

2.1. Rügepflicht Mietvertrag |
| 2.1. Rügepflicht Mietvertrag

Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

10.12.2020

Geschäftszahl

5Ob146/20m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Malesich und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. E*****, 2. J*****, vertreten durch Mag. Elke Hanel-Torsch, Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, *****, gegen die Antragsgegnerin I*****, vertreten durch die Brand Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen § 16 Abs 2 iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. April 2020, GZ 39 R 342/19m-56, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 9. August 2019, GZ 10 MSch 5/18w-50, abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass es lautet:

„1. Der gesetzlich zulässige Mietzins für das Bestandobjekt Top Nr 16 im Haus *****, betrug zum 1. 1. 2013 228,45 EUR netto monatlich

2. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern gegenüber das gesetzlich zulässige Zinsausmaß zu den Zinsterminen Jänner 2013 bis einschließlich November 2015 durch Vorschreibung eines Hauptmietzinses von monatlich netto 423,91 EUR um monatlich 195,46 EUR netto überschritten.

3. Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern binnen 14 Tagen 6.841,1 EUR zuzüglich 10 % USt, somit brutto 7.525,21 EUR samt 4 % Zinsen aus jeweils 215,01 EUR seit 6. 1. 2013, seit 6. 2. 2013, seit 6. 3. 2013, seit 6. 4. 2013, seit 6. 5. 2013, seit 6. 6. 2013, seit 6. 7. 2013, seit 6. 8. 2013, seit 6. 9. 2013, seit 6. 10. 2013, seit 6. 11. 2013, seit 6. 12. 2013, seit 6. 1. 2014, seit 6. 2. 2014, seit 6. 3. 2014, seit 6. 4. 2014, seit 6. 5. 2014, seit 6. 6. 2014, seit 6. 7. 2014, seit 6. 8. 2014, seit 6. 9. 2014, seit 6. 10. 2014, seit 6. 11. 2014, seit 6. 12. 2014, seit 6. 1. 2015, seit 6. 2. 2015, seit 6. 3. 2015, seit 6. 4. 2015, seit 6. 5. 2015, seit 6. 6. 2015, seit 6. 7. 2015, seit 6. 8. 2015, seit 6. 9. 2015, seit 6. 10. 2015 und seit 6. 11. 2015 zu zahlen.

4. Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern die mit 440 EUR bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern die mit 560 EUR (darin enthalten 164 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 198 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]           Die Antragsteller waren vom 1. 1. 2013 bis 30. 11. 2015 Hauptmieter einer Wohnung im Haus *****. Die Antragsgegnerin ist die Eigentümerin dieser Liegenschaft und schloss mit den Antragstellern am 19. 12. 2012 einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag ab, in dem zur Begründung eines Lagezuschlags auf die überdurchschnittliche, zentrumsnahe und verkehrsgünstige Grünlage, den ordnungsgemäßen Erhaltungszustand und das Fehlen der Notwendigkeit zu privilegierten Erhaltungsmaßnahmen im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses hingewiesen wurde. Unter Punkt L („Ausstattungskategorie“) des Bestandvertrags ist festgehalten:

„Zwei Zimmer, Küche möbliert (Kühlschrank, Dunstabzug, E-Herd, Spüle, Küchenverbau), Bad, WC, Gasetagenheizung, PVC-Fenster, Telekabelanschluss, Gegensprechanlage, Telefonanschluss, Hoflage.“

[2]           Punkt 2.2. des Vertrags hält fest, dass das Objekt in zentraler Lage verkehrsgünstig gelegen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln (U-Bahn, Bus und Straßenbahn) leicht erreichbar ist. Das Objekt liege in der unmittelbaren Nähe mehrerer Verkehrsknotenpunkte.

[3]                  Während der Dauer des Mietverhältnisses schrieb die Antragsgegnerin den Antragstellern durchgehend einen Bruttomietzins von 572,29 EUR vor, der 10 % Umsatzsteuer und Betriebskosten von 96,35 EUR beinhaltete. Die Antragsteller haben den ihnen vorgeschriebenen Bruttomietzins während des gesamten Zeitraums der Vertragsdauer bezahlt.

[4]           Das Wohnhaus ist ein 1894 errichtetes gründerzeitliches Gebäude in mittlerem bis teilweise schlechtem Erhaltungszustand. Es besteht aus einem Erdgeschoss und drei Obergeschossen. Das Gebäude ist nicht mit einem Lift ausgestattet. Die von den Antragstellern gemietete hofseitige Wohnung befindet sich im 3. Stock und hat eine Nutzfläche von 45,69 m². Sie besteht aus einem kleinen Vorzimmer, einem separaten WC, einem Badezimmer, einer Küche, einem Wohnzimmer und einem Kabinett. Das Badezimmer ist nur mit einem Gitter zur Küche hin entlüftet. Die Wohnung verfügt über einen Telekabel- und Telefonanschluss sowie über eine Gegensprechanlage und einen Waschmaschinenanschluss. Das Fenster im Vorraum geht auf den Lichthof hinaus. Die beiden Fenster im Wohnzimmer sind auf die rechte Gebäudehälfte gerichtet. Das Fenster im Kabinett öffnet in Richtung Hof. Die Umgebungsgeräuschkulisse der Wohnung ist aufgrund der hofseitigen Lage gering. Der Wohnung ist ein Kellerabteil zugeordnet.

[5]                  Bei Anmietung durch die Antragsteller war die Küche mit einem Gasherd, einer einfachen Küchenzeile samt Abwasch sowie einem Kühlschrank ausgestattet. Die Kücheneinrichtung war nicht neu, sondern gebraucht und einfach. Die Wohnung wurde mit einem Gaskonvektor im Wohnzimmer beheizt; in den übrigen Räumen war keine Heizung vorhanden. Der Warmwasseraufbereitung diente ein Durchlauferhitzer.

[6]                  Die Antragsteller begehrten die Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten Hauptmietzinses. In ihrem Antrag an die Schlichtungsstelle vom 5. 2. 2016 rügten sie dazu ausdrücklich das Fehlen einer Heizquelle im Baderaum.

[7]                  Neben der Frage, ob die nach Beendigung des Bestandverhältnisses erhobene Rüge den Anforderungen des § 15a Abs 2 MRG idF WRN 2006 entspricht, ist in dritter Instanz nur noch strittig, ob bei der Ermittlung des höchst zulässigen Richtwertmietzinses ein der Höhe nach unstrittiger Lagezuschlag nach § 16 Abs 2 Z 3 MRG zu berücksichtigen ist.

[8]                  Das Erstgericht stellte fest, dass der gesetzlich zulässige monatliche Hauptmietzins für die Wohnung zum Zeitpunkt der Anmietung am 1. 1. 2013 157,17 EUR netto und zum 1. 5. 2014 164,18 EUR netto betragen habe, die Antragsgegnerin durch Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 423,91 EUR im Zeitraum Jänner 2013 bis einschließlich April 2014 das zulässige Zinsmaß um monatlich 266,74 EUR und in der Zeit von Mai 2014 bis zur Beendigung des Mietverhältnisses um monatlich 259,73 EUR überschritten habe und verpflichtete sie zur Rückzahlung der Überschreitungsbeträge zuzüglich 4 % Zinsen ab den jeweiligen Zinsterminen. Es ging – zu den im Revisionsrekursverfahren rechtlich noch relevanten Fragen – davon aus, dass die Einstufung in die Kategorie A oder B gemäß § 15a Abs 1 MRG unter anderem fordere, dass die Wohnung über eine dem zeitgemäßen Standard entsprechende Badegelegenheit (Baderaum oder Badenische) verfüge. Damit ein Badezimmer dem zeitgemäßen Standard entspreche, müsse es über eine Heiz- und Entlüftungsmöglichkeit verfügen. In der Wohnung sei lediglich ein Gaskonvektor vorhanden gewesen, sodass der Baderaum über keine Heizmöglichkeit verfügt habe. Auch die Entlüftung zur Küche entspreche nach der Verkehrsauffassung nicht dem im Zeitpunkt der Anmietung zeitgemäßen Standard, sodass die Wohnung im Ergebnis zwar brauchbar, aber mangels einer dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Badegelegenheit lediglich in die Kategorie C einzuordnen sei. Das Fehlen eines Kategoriemerkmals unterliege nicht der Rügepflicht nach § 15a Abs 2 MRG. Ob eine konkrete Lage aufgrund ihrer Eigenschaft „besser als durchschnittlich“ sei, müsse durch einen wertenden Vergleich mit anderen Lagen (der Wohnumgebung) beurteilt werden. In Wien sei als Referenzgebiet für diese Beurteilung nicht regelhaft maximal der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet darstellten. Bei der Lage der gegenständlichen Wohnung sei das innerstädtische Gebiet als Referenzgebiet heranzuziehen, wobei im Vergleich zu übrigen innerstädtischen Bereichen die vorhandenen Nahversorgungsmöglichkeiten sowie die Anbindung an den öffentlichen Verkehr und den Individualverkehr als durchschnittlich anzusehen sei. Auch die umliegenden Gebäude, die überwiegend Gründerzeithäuser seien, ließen auf eine bloß durchschnittliche Lage schließen. Der im Mietvertrag erwähnte Erhaltungszustand begründe keinen Lagezuschlag und sei darüber hinaus nach den Feststellungen keineswegs als gut zu beurteilen. Bei einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände sei die Lage der Liegenschaft daher als durchschnittlich anzusehen, weswegen kein Lagezuschlag in Frage komme.

[9]                  Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts über Rekurs der Antragsteller dahin ab, dass es den Ausspruch über die Erhöhung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes zum 1. 5. 2014 beseitigte, weil die Antragsgegnerin von der Möglichkeit einer Wertsicherungserhöhung während der gesamten Mietdauer keinen Gebrauch gemacht habe, und erhöhte den gemäß § 37 Abs 4 MRG von der Antragsgegnerin zurückzuzahlenden Betrag um die Umsatzsteuer von 10 %, weil nach den insoweit unbekämpften Feststellungen zu den vom Erstgericht festgehaltenen Nettobeträgen noch 10 % Umsatzsteuer hinzukämen. Dem Rekurs der Antragsgegnerin hingegen gab es nicht Folge. Es verneinte eine von dieser geltend gemachte Mangelhaftigkeit und führte – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – aus, gemäß § 15a Abs 2 MRG idF WRN 2006 sei die Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals oder der Umstand, dass eine Badegelegenheit nicht dem zeitgemäßen Standard entspreche, für die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem nur zu berücksichtigen, wenn der Mieter die Unbrauchbarkeit oder das Fehlen des zeitgemäßen Standards dem Vermieter angezeigt und dieser den Mangel nicht in angemessener Frist behoben habe. Insoweit beruhe die Ansicht des Erstgerichts, wonach es keiner Rüge der Antragsteller bedurft hätte, weil es sich um ein kategoriebestimmendes Merkmal handle, auf einem Rechtsirrtum. Zwar hätten die Antragsteller in ihrem nach Beendigung des Mietverhältnisses bei der Schlichtungsstelle eingebrachten Antrag geltend gemacht, dass im Baderaum keine Heizquelle vorhanden gewesen sei, doch liege darin keine taugliche Rüge gemäß § 15a Abs 2 MRG, weil das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits beendet gewesen sei. Ratio der Rügeobliegenheit sei, den Vermieter vor Nachteilen zu schützen, die aus der Nichtbehebung von Mängeln des Mietobjekts drohten, soweit sie ihm nicht ohne weiteres einsichtig seien; er solle in die Lage versetzt werden, die drohende dauernde Einstufung der vermieteten Wohnung in eine niedrigere Ausstattungskategorie durch die nachträgliche Instandsetzung unbrauchbarer kategorie-bestimmender Bestandteile zu verhindern. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass der Antragsgegnerin im konkreten Fall erkennbar gewesen sei, dass sie eine Wohnung mit einem Gasofen im Wohnzimmer und sonst keiner Heizmöglichkeit in den anderen Räumen vermietet habe. Das Fehlen einer Heizung im Badezimmer sei daher kein Mangel, der für den Vermieter nicht ohne weiteres einsichtig gewesen sei. Gehe man davon aus, dass das Fehlen einer Heizmöglichkeit im Badezimmer für die Antragsgegnerin evident gewesen sei, schade es nicht, wenn ein solcher Mangel von Mieterseite nicht gerügt werde. Eine Einstufung der Wohnung in eine höhere Kategorie als jener der Kategorie C komme daher nicht in Betracht.

[10]                Zu dem von der Antragsgegnerin auch noch im Revisionsrekurs begehrten Lagezuschlag hielt es fest, dass aus § 2 Abs 3 Richtwertgesetz nicht der Schluss gezogen werden könne, jegliche Lage außerhalb eines Gründerzeitviertels sei bereits überdurchschnittlich. Bei der Beurteilung, ob eine Wohnlage (über-)durchschnittlich sei, sei auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und daher ein einigermaßen einheitliches bzw vergleichbares Wohngebiet darstellen. Entgegen dem im Mietvertrag angeführten Lagezuschlagskriterien könne weder von einer „Zentrumsnähe“ bzw „zentralen Lage“ noch von einer „Grünlage“ ausgegangen werden, weil eine Parallelstraße weiter bereits der Gürtel liege, der die äußere Grenze der sogenannten „Vorstädte“ bilde, und das Beweisverfahren Anhaltspunkte für Grünlagen in der näheren Wohnumgebung nicht ansatzweise ergeben habe. Die festgestellte Anbindung der Liegenschaft an den öffentlichen Verkehr durch zwei Straßenbahnlinien und eine Buslinie sei typisch für eine Lage innerhalb des Gürtels und lasse sie nicht überdurchschnittlich erscheinen, weswegen nicht mehr näher geprüft werden müsse, ob die Liegenschaft überhaupt außerhalb eines Gründerzeitviertels liege.

[11]       Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die vom Rekursgericht vertretene Auffassung, offenkundige Mängel bedürften keiner Rüge, „in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Wortlaut des § 15a Abs 2 MRG stehe“ und – soweit überblickbar – vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt wurde. Auch zur Frage, wie sich die Rügepflicht nach § 15a Abs 2 MRG zu der bei befristeten Mietverhältnissen verlängerten Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG verhalte, fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

[12]                Gegen diese Entscheidung richtet sich der von den Antragstellern beantwortete Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, der aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig und auch teilweise berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

[13]       I. Zur Rügeobliegenheit nach § 15a MRG:

[14]                1. Die Antragsgegnerin wendet sich in ihrem Rechtsmittel gegen die Ansicht des Rekursgerichts, für den Vermieter evidente Mängel, wie das Fehlen einer Heizmöglichkeit im Badezimmer, müssten durch den Mieter nicht gerügt werden, und beruft sich dazu auf den Wortlaut des § 15a Abs 2 MRG. Dass sie diesen Umstand gerügt hätten, hätten die Antragsteller nicht behauptet. Den Umstand, dass der Baderaum zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung über keine Heizmöglichkeit verfügte und damit eine dem zeitgemäßen Standard entsprechende Badegelegenheit fehlte, stellt die Antragsgegnerin demgegenüber nicht mehr in Frage.

[15]                2.1 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde die in § 15a Abs 1 Z 4 MRG idF vor der WRN 2006, BGBl I 2006/124, normierte Obliegenheit des Mieters, dem Vermieter die Unbrauchbarkeit einer die Wohnungskategorie bestimmenden Ausstattung anzuzeigen, nicht auf deren gänzliches Fehlen oder die (gänzliche) Unbrauchbarkeit der gemieteten Wohnung bezogen (vgl RIS-Justiz RS0070162 [T2]; RS0069776 [T4]; THausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 15a Rz 6). Das erschien dem Gesetzgeber der WRN 2006 wegen der damit verbundenen Konsequenz (Unbrauchbarkeit etwa wegen gefährlicher Elektroinstallationen) als echte „Vermieterfalle“ (RV 1183 BlgNR 22. GP 41; Lovrek in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 15a MRG Rz 24; THausmann aaO Rz 6).

[16]                2.2 § 15a MRG idF der WRN 2006 hat folgenden Wortlaut:

Die Ausstattungskategorie nach Abs 1 richtet sich nach dem Ausstattungszustand der Wohnung im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags. Eine Wohnung ist in eine Ausstattungskategorie auch bei Fehlen eines Ausstattungsmerkmals einzuordnen, wenn das fehlende Ausstattungsmerkmal, nicht jedoch eine Badegelegenheit, durch ein oder mehrere Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie aufgewogen wird. Ist im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags die Wohnung oder ein Ausstattungsmerkmal nicht brauchbar oder entspricht eine Badegelegenheit nicht dem zeitgemäßen Standard, so ist dies für die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem nur zu berücksichtigen, wenn der Mieter die Unbrauchbarkeit oder das Fehlen des zeitgemäßen Standards dem Vermieter angezeigt und dieser den Mangel nicht in angemessener Frist, höchstens aber binnen dreier Monate ab Zugang der Anzeige, behoben hat.“

[17]                Voraussetzung dafür, dass ein nicht brauchbares Ausstattungsmerkmal oder eine Badegelegenheit, die nicht dem zeitgemäßen Standard entspricht, für die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem berücksichtigt werden kann, ist nach dem insoweit klaren Wortlaut, dass der Mieter die Unbrauchbarkeit oder das Fehlen des zeitgemäßen Standards angezeigt und der Vermieter den Mangel nicht in angemessener Frist, höchstens aber binnen dreier Monate ab Zugang der Anzeige, behoben hat.

[18]                2.3 Anders als noch im Ministerialentwurf zur WRN 2006 vorgesehen, der die Rügeobliegenheit auf den Fall der Unbrauchbarkeit eines Kategoriemerkmals beschränkte, erfasst § 15a Abs 2 Satz 3 MRG idF BGBl I 2006/124 ausdrücklich auch das in § 15a Abs 1 Z 1 und 2 MRG geforderte Kriterium einer dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Badegelegenheit. Weder nach dem Wortlaut dieser Bestimmung noch nach den Intentionen des historischen Gesetzgebers besteht daher ein Zweifel, dass für im zeitlichen Anwendungsbereich der WRN 2006 (also ab 1. 10. 2006) geschlossene Verträge die Rügeobliegenheit des Mieters nicht nur die Unbrauchbarkeit der Wohnung an sich, sondern auch alle Fälle der Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals einschließlich des fehlenden zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit erfassen soll (dazu Lovrek aaO Rz 24; vgl auch Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht TaKomm3 § 15a MRG Rz 11; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 15a MRG Rz 19).

[19]                2.3.1 Für eine teleologische Reduktion der Bestimmung des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG, wie sie das Rekursgericht vorgenommen hat, indem es die Auffassung vertrat, die für den Vermieter offenkundige Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals, wie hier das Fehlen eines zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit, bedürfe keiner Rüge im Sinn dieser Gesetzesstelle, besteht kein Raum:

[20]                2.3.2 Eine teleologische Reduktion erfordert den klaren Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwerten oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht erfasst werden soll, weil sie sich von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (RS0106113 [T6]).

[21]                2.3.3 Zur Rechtslage nach § 15a Abs 1 Z 4 MRG (idF vor der WRN 2006) hat der Fachsenat die Obliegenheit des Mieters, dem Vermieter die Unbrauchbarkeit einer die Wohnungskategorie bestimmenden Ausstattung anzuzeigen, nicht auch auf die (gänzliche) Unbrauchbarkeit der gemieteten Wohnung bezogen. Deshalb verneinte der Senat eine Obliegenheit des Mieters, dem Vermieter die Unbrauchbarkeit der Wohnung bedingende Mängel an der Elektroinstallation anzuzeigen, auch für Fälle offenkundiger und schwerwiegender Mängel. Ganz allgemein bestand nach der Rechtsprechung zu § 15a Abs 1 Z 4 MRG (idF vor der WRN 2006) keine Bemängelungsobliegenheit bei Unbrauchbarkeit der Wohnung an sich. Dieser Grundsatz wurde nur eingeschränkt, wenn das Unterlassen der Mängelanzeige durch den Mieter gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstieß (dazu 5 Ob 304/01v; insb 5 Ob 295/06b mwN). Eine Reduktion der Obliegenheit dahin, dass dem Vermieter bloß nicht offenkundige Mängel anzuzeigen wären, lag dieser Rechtsprechung nicht zugrunde. Lediglich Mängel, die dem gänzlichen Fehlen eines Ausstattungsmerkmals entsprachen, unterlagen nicht der Rügeobliegenheit.

[22]                Der Gesetzgeber der WRN 2006 hat die Anzeigeobliegenheit mit der Neufassung des § 15a Abs 2 MRG in Kenntnis dieser Rechtsprechung ausgeweitet und auch auf die Unbrauchbarkeit der Wohnung erstreckt, sodass sie nicht nur alle Fälle der Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals, sondern auch die Unbrauchbarkeit der Wohnung an sich erfasst. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung löst ganz allgemein die „Unbrauchbarkeit“ eine Rügeobliegenheit des Mieters aus und erstreckt diese damit auf offenkundige Mängel gleichermaßen wie solche, die nicht leicht erkennbar sind. Zweck der Rügeobliegenheit ist es, den Vermieter in die Lage zu versetzen, Nachteile, die ihm aus der Nichtbehebung von Mängeln des Mietobjekts drohen, abzuwenden. In Weiterführung des allgemeinen gewährleistungsrechtlichen Grundsatzes – nämlich des Vorrangs der Verbesserung vor der Preisminderung – soll dem Vermieter durch die Rügeobliegenheit die Möglichkeit gegeben werden, eine ihm drohende dauernde Einstufung der vermieteten Wohnung in eine andere (niedrigere) Ausstattungskategorie durch die nachträgliche Instandsetzung unbrauchbarer kategoriebestimmender Ausstattungsmerkmale oder durch die Behebung des Fehlens eines zeitgemäßen Standards einer Badegelegenheit abzuwenden (Illedits/Reich-Rohrwig aaO Rz 11). Dem wird nur entsprochen, wenn die Anzeigeobliegenheit für alle Mängel, die eine Unbrauchbarkeit eines Ausstattungskriteriums bedeuten oder das Fehlen eines zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit nach sich ziehen, gilt. Eine Einschränkung der Rügeobliegenheit dahin, dass sie sich nur auf Mängel erstreckt, die für den Vermieter nicht leicht erkennbar wären, ist damit abzulehnen. Lediglich das gänzliche Fehlen eines Ausstattungsmerkmals löst weiterhin keine Rügeobliegenheit aus (Lovrek aaO Rz 24). Eine dem Fehlen eines Ausstattungsmerkmals auch nur nahe kommende Unbrauchbarkeit liegt hier aber nicht vor.

[23]                2.4 Abweichend von der Ansicht des Rekursgerichts ist damit als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die Rügeobliegenheit des Mieters die Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals und damit auch das Fehlen eines zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit erfasst, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Mangel handelt, der für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags offenkundig sein musste.

[24]                3.1 Nach der Rechtsprechung gehört zum zeitgemäßen Standard einer Badegelegenheit sowohl deren Beheizbarkeit (RS0070071 [T7]) als auch die Möglichkeit der Belüftung eines Badezimmers ins Freie (RS0070016 [T14; T20]). Eine Entlüftung des Bades über die Küche ist nicht ausreichend (5 Ob 41/06z). Nach allgemeinen Regeln trifft den Mieter die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass er den Mangel gerügt hat (Lovrek aaO § 15a MRG Rz 25). Ein an das Gericht (die Schlichtungsstelle) gerichteter Antrag des Mieters auf Überprüfung des Hauptmietzinses, in dem die Unbrauchbarkeit bzw der Mangel des zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit geltend gemacht wird, gilt als Mängelrüge (RV 1183 BlgNR 22. GP 41; 5 Ob 175/13s; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 15a MRG Rz 8; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 15a MRG Rz 6a).

[25]                3.2 Die Antragsteller haben die fehlende Beheizbarkeit des Badezimmers nach Beendigung des auf drei Jahre befristeten Mietverhältnisses in ihrem an die Schlichtungsstelle gerichteten Antrag geltend gemacht und dabei den Mangel ausreichend konkret bezeichnet. Ihr Vorbringen entspricht damit grundsätzlich der Anzeige des im Fehlen eines zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit gelegenen Mangels im Sinn des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG (vgl Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 15a MRG Rz 8 mwN).

[26]                3.3 Eine rechtzeitige Verbesserung, also eine Behebung des Mangels innerhalb der Frist des § 15a Abs 2 MRG kommt bei einer Anzeige des Mieters erst nach Beendigung eines befristeten Mietverhältnisses naturgemäß nicht in Betracht. Damit stellt sich die Frage, ob die Antragsteller mit der in ihrem Antrag an die Schlichtungsstelle enthaltenen Anzeige der fehlenden zeitgemäßen Bademöglichkeit ihrer Rügeobliegenheit entsprochen haben, sodass dieser Mangel bei der Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem für die Beurteilung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses, mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags (dazu 5 Ob 175/13s), zu berücksichtigen ist.

[27]                3.3.1 Für den Mieter bestehen in zeitlicher Hinsicht keine Vorgaben für die Mängelanzeige (Lovrek aaO § 15a MRG Rz 25). Die Anzeige des Mieters ist daher nicht fristgebunden, sodass diesen auch keine unmittelbare „Prüfpflicht“ trifft (T. Hausmann aaO § 15a MRG Rz 6a). Eine zeitliche Befristung für die Mängelanzeige ergibt sich lediglich indirekt aus § 16 Abs 8 MRG, weil der Mietzins nach Verstreichen der darin genannten Präklusivfrist keiner Überprüfung mehr unterliegt und unanfechtbar ist (T. Hausmann aaO § 15a MRG Rz 6a; Lovrek aaO § 15a MRG Rz 25).

[28]                3.3.2 Nach § 16 Abs 8 MRG sind Mietzinsvereinbarungen insoweit unwirksam, als der vereinbarte Hauptmietzins den gesetzlich zulässigen Höchstbetrag überschreitet. Die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung ist binnen drei Jahren gerichtlich (oder vor der Schlichtungsstelle) geltend zu machen, wobei bei befristeten Hauptmietverhältnissen diese Frist frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis endet.

[29]                3.3.3 Die Bestimmung des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG differenziert nicht zwischen befristeten und unbefristeten Mietverhältnissen, sodass die Rügeobliegenheit in gleicher Weise für beide Arten von Mietverhältnissen gilt. Ihr Verhältnis zu § 16 Abs 8 MRG ist bei unbefristeten Verträgen unproblematisch: Die Präklusionsbestimmung des § 16 Abs 8 MRG beschränkt die Geltendmachung der Unzulässigkeit von (Haupt-)Mietzinsvereinbarungen auf einen dreijährigen Zeitraum. Nach Verstreichen dieser Zeit ist der vereinbarte oder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen angehobene Mietzins saniert; die (Teil-)Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung kann vom Mieter nicht mehr geltend gemacht werden (Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 16 MRG Rz 5; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 16 MRG Rz 84). Eine danach erhobene Rüge im Sinn des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG bliebe ohne Folgen für den vereinbarten Mietzins; die im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags fehlende Brauchbarkeit der Wohnung bzw eines Ausstattungsmerkmals oder des zeitgemäßen Standards einer Badegelegenheit kommt nicht mehr zum Tragen, weil das Recht auf Überprüfung des Hauptmietzinses verfristet und damit die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem für diese Frage unerheblich ist.

[30]                3.3.4 Zweck der in § 16 Abs 8 MRG für befristete Mietverhältnisse vorgesehenen Verlängerung der Präklusivfrist ist, den Mieter nicht zu einer Mietzinsüberprüfung zu zwingen, solange er sich gegenüber dem Vermieter noch insofern in einer Drucksituation befindet, als er auf dessen Zustimmung zur Verlängerung der Befristung oder zur Umwandlung des befristeten Mietverhältnisses in ein unbefristetes angewiesen ist (vgl 5 Ob 141/17x; 5 Ob 152/17i; Schinnagl in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht TaKomm3 § 16 MRG Rz 40; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch³ aaO § 16 MRG Rz 80 ua). Nach Beendigung des Mietverhältnisses ist dieser Druck weggefallen (Lovrek aaO § 16 MRG Rz 109). Dem steht der Zweck des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG idgF gegenüber, den Vermieter in die Lage zu versetzen, Nachteile, die ihm aus der Nichtbehebung von Mängeln des Mietobjekts drohen, abzuwenden (vgl 5 Ob 61/01h zu § 15a Abs 1 Z 4 idF vor der WRN 2006). Ihm soll die Möglichkeit gegeben werden, die für die gesamte Dauer des Vertrags drohende Einstufung der vermieteten Wohnung in eine andere (niedrigere) Ausstattungskategorie abzuwenden (Schinnagl aaO § 15a Rz 11). Saniert der Vermieter fristgerecht, wahrt er sich den Anspruch des mit der höheren Kategorie verbundenen Hauptmietzinses ab Beginn der Vereinbarung darüber; der Mieter kommt demgegenüber in den Genuss brauchbarer Ausstattungsmerkmale oder einer Badegelegenheit in einem zeitgemäßen Standard. Behebt der Vermieter trotz Rüge nicht fristgerecht, bleibt es demgegenüber bei der niedrigeren Kategorie (THausmann aaO § 15a Rz 7).

[31]                3.3.5 Zur Lösung der Frage, ob der Mieter seiner Rügeobliegenheit auch noch nach Beendigung eines befristeten Mietverhältnisses entsprechen kann, ist auf die von den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen verfolgten Interessen abzustellen. Die Anzeige soll den Vermieter
– ähnlich der Verbesserung im Gewährleistungsrecht – in die Lage versetzen, einen vertragskonformen Zustand herzustellen. Nach Beendigung eines befristeten Dauerschuldverhältnisses bleibt für die Herstellung eines dem Vertrag entsprechenden Zustands – wie hier durch kategorieerhaltende Sanierungsmaßnahmen – kein Raum, sodass eine erst danach erfolgte Mängelanzeige nur noch Bedeutung für das Mietzinsüberprüfungsverfahren haben könnte. Dass sich der Mieter darauf berufen kann, er habe den Mangel angezeigt, und der Vermieter wegen der Vertragsbeendigung von vornherein keine Möglichkeit hat, Maßnahmen zu ergreifen, die ihm den mit der höheren Kategorie verbundenen Hauptmietzins ab Vertragsbeginn erhalten, widerspricht dem klaren Zweck des § 15a Abs 2 MRG. Demgegenüber besteht für die Mängelanzeige des Mieters kein Formgebot; auch eine mündliche Rüge ist ausreichend (Lovrek aaO § 15a MRG Rz 25 mwN). Eine solche formlose Anzeige kann mit der Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung der Unwirksamkeit einer Hauptmietzinsvereinbarung nicht gleich gehalten werden und bedeutet auch keineswegs, dass es zu einem solchen Verfahren kommen muss. Folge einer formlosen Rüge durch den Mieter gemäß § 15a Abs 2 MRG ist zunächst bloß, dass dem Vermieter die Wahl eröffnet wird, in geeigneter Weise zu reagieren, was mit den Konsequenzen der Einleitung eines förmlichen Verfahrens vor Gericht oder der Schlichtungsstelle nicht gleichgesetzt werden kann. Damit kann die der Fristverlängerung des § 16 Abs 8 MRG zugrunde liegende Erwägung, dass der Mieter nicht zur Einleitung eines förmlichen Verfahrens gezwungen sein soll, solange er sich gegenüber dem Vermieter noch in einer Drucksituation befindet, nicht ohne weiteres auf die Obliegenheit des Mieters zur Rüge übertragen werden. Nach Ansicht des Senats bedeutet die Verlängerung der Frist des § 16 Abs 8 MRG, daher nicht, dass der Mieter bei einem befristeten Mietverhältnis die Rüge gemäß § 15a Abs 2 MRG auch noch innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erheben kann.

[32]                3.4 Zusammenfassung: Bei befristeten Vertragsverhältnissen entspricht der Mieter seiner Rügeobliegenheit nach § 15a Abs 2 MRG nur dann, wenn er sie vor Beendigung des Mietverhältnisses erhebt und die Anzeige so rechtzeitig erfolgt, dass der Mieter den Mangel noch vor Vertragsende beheben kann. Der Grundsatz, ein an das Gericht (die Schlichtungsstelle) gerichteter Antrag des Mieters auf Überprüfung des Hauptmietzinses, in dem die Unbrauchbarkeit bzw der Mangel des zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit geltend gemacht wird, sei als Mängelrüge im Sinn des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG zu sehen, ist damit auf Fälle beschränkt, in welchen das Mietverhältnis noch nicht beendet ist. Daraus folgt für den hier zu beurteilenden Fall, dass die von den Antragstellern nach Beendigung des auf drei Jahre befristeten Mietvertrags in ihrem Antrag an die Schlichtungsstelle aufgenommene Rüge verspätet war, was nicht anders zu sehen ist als hätte der Mieter die Unbrauchbarkeit oder das Fehlen des zeitgemäßen Standards dem Vermieter nicht angezeigt. Das Fehlen einer zeitgemäßen Bademöglichkeit ist für die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem daher nicht zu berücksichtigen.

[33]                II. Zum Lagezuschlag:

[34]                1. Für die Berechnung des Richtwertmietzinses sind im Vergleich zur mietrechtlichen Normwohnung entsprechende Zuschläge zum oder Abstriche vom Richtwert für werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen vom Standard der mietrechtlichen Normwohnung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens vorzunehmen (§ 16 Abs 2 MRG). Einer der in § 16 Abs 2 Z 1 bis 5 MRG taxativ aufgezählten Umstände, die zu Zuschlägen oder Abstrichen vom Richtwert führen können, ist die Lage (Wohnumgebung) des Hauses (Z 3). Ein Lagezuschlag im Sinn des § 16 Abs 2 Z 3 MRG ist nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 16 Abs 4 MRG).

[35]                2.1 Zur Frage, was unter „durchschnittlicher Lage“ zu verstehen ist, verweist § 16 Abs 4 MRG auf § 2 Abs 3 Richtwertgesetz. Danach ist die durchschnittliche Lage nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen, wobei eine Lage (Wohnumgebung) mit einem überwiegenden Gebäudestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Wohnungen der Ausstattungskategorie D) aufgewiesen hat, höchstens als durchschnittlich einzustufen ist.

[36]                2.2 Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits wiederholt ausgesprochen, dass durch diese, auf die sogenannte Gründerzeitviertel hinweisende Bestimmung der Wiener Verhältnisse nicht der Schluss gezogen werden kann, jegliche Lage außerhalb eines solchen Viertels sei bereits überdurchschnittlich (5 Ob 188/14d mwN). Damit liegt die von der Antragsgegnerin gerügte sekundäre Mangelhaftigkeit nur dann vor, wenn nach den Feststellungen Umstände gegeben sind, die unabhängig davon, ob die Wohnumgebung in einem Gründerzeitviertel im Sinn des § 2 Abs 3 Richtwertgesetz zu qualifizieren ist, die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage erlauben würden. Das ist nicht der Fall.

[37]                2.3 Der Fachsenat hat wiederholt betont, dass die „durchschnittliche Lage“, die in § 2 Abs 3 Richtwertgesetz normiert ist, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen ist (RS0111204). Das gilt auch für die nach § 16 Abs 4 MRG erforderliche Beurteilung, ob die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die „besser“ ist als die durchschnittliche. Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaft als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (5 Ob 74/17v). Dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Wertungs- und Ermessensspielraum eingeräumt (5 Ob 150/19y).

[38]                2.4 Das Objekt befindet sich im dicht verbauten Wohn- und Geschäftsgebiet am gürtelnahen Rand des 7. Wiener Gemeindebezirks. Im Vergleich mit innerhalb und außerhalb des Gürtels gelegenen, durch Blockbauweise gekennzeichneten Lagen fehlen Anhaltspunkte für eine Überdurchschnittlichkeit. Sowohl Geschäfte des täglichen Bedarfs in unmittelbarer Umgebung als auch die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz durch eine U-Bahn- sowie Straßenbahnstationen in erreichbarer Nähe sind im dicht verbauten Stadtgebiet zu erwarten. Die von der Antragsgegnerin ins Treffen geführte Anbindung an den Individualverkehr, weil mit dem Auto in 15 Minuten die Autobahn erreicht werden könne, macht demgegenüber lediglich deutlich, dass sich die Liegenschaft in unmittelbarer Nähe des stark befahrenen Gürtels befindet. Die Auffassung der Vorinstanzen, eine überdurchschnittliche Lage im Sinn des § 16 Abs 4 MRG liege nicht vor, bewegt sich damit innerhalb der durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gezogenen Grenzen und ist damit nicht zu beanstanden.

[39]       III. Ergebnis:

[40]                Dem Revisionsrekurs ist teilweise Folge zu geben. Die Antragsgegnerin hat sich erfolgreich gegen die Einstufung der Wohnung in die Kategorie C durch die Vorinstanzen gewendet, deren Ansicht, dass kein Lagezuschlag gebührt, bedarf jedoch keiner Korrektur. Auf Basis der von der Antragsgegnerin unbeanstandet gebliebenen sonstigen Zu- und Abschläge ist der für die Wohnung gesetzlich zulässige Hauptmietzins zu ermitteln, wobei jedoch ein Zuschlag, weil die Wohnung eine bessere Ausstattung aufweist als es der Kategorie C entspricht, wegen der Neueinstufung im Kategoriesystem zu entfallen hat. Insgesamt errechnen sich derart der im Spruch ausgewiesen Mietzins sowie die daraus abzuleitenden Überschreitungsbeträge, die in Summe den von der Antragsgegnerin rückzuzahlenden Betrag ergeben.

[41]                IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die Antragsgegnerin ist mit ihrem Standpunkt lediglich geringfügig durchgedrungen, sodass es der Billigkeit entspricht, sie zum Ersatz der Kosten der Antragsteller in allen Instanzen zu verpflichten.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00146.20M.1210.000

2.2. RS zu 5Ob146/20m
2.2. RS zu 5Ob146/20m

OGH 10.12.2020, 5Ob146/20m (RS)

OGH 10.12.2020, 5Ob146/20m (Rechtssatz) (RS zu 5Ob146/20m)

2.2. RS zu 5Ob146/20m |
| 2.2. RS zu 5Ob146/20m

Gericht

OGH

Rechtssatznummer

RS0133429

Entscheidungsdatum

10.12.2020

Geschäftszahl

5Ob146/20m

Norm

MRG §15a Abs2; MRG §16 Abs8

Rechtssatz

1) Die Rügeobliegenheit des Mieters erfasst die Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals und damit auch das Fehlen eines zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Mangel handelt, der für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags offenkundig sein musste.

2) Bei befristeten Vertragsverhältnissen entspricht der Mieter seiner Rügeobliegenheit nach § 15a Abs 2 MRG nur dann, wenn er sie vor Beendigung des Mietverhältnisses erhebt und die Anzeige so rechtzeitig erfolgt, dass der Mieter den Mangel noch vor Vertragsende beheben kann. Der Grundsatz, ein an das Gericht (die Schlichtungsstelle) gerichteter Antrag des Mieters auf Überprüfung des Hauptmietzinses, in dem die Unbrauchbarkeit bzw der Mangel des zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit geltend gemacht wird, sei als Mängelrüge im Sinn des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG zu sehen, ist damit auf Fälle beschränkt, in welchen das Mietverhältnis noch nicht beendet ist.

Entscheidungstexte

TE OGH 2020-12-10 5 Ob 146/20m

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2020:RS0133429

2.3. Nachbar Lackiergeruch
2.3. Nachbar Lackiergeruch

OGH 25.11.2020, 6Ob123/20m

OGH 25.11.2020, 6Ob123/20m (Nachbar Lackiergeruch)

2.3. Nachbar Lackiergeruch |
| 2.3. Nachbar Lackiergeruch

Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

25.11.2020

Geschäftszahl

6Ob123/20m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** S*****, vertreten durch Dr. Johannes Hibler, Rechtsanwalt in Lienz, gegen die beklagte Partei J***** G*****, vertreten durch Mag. Johannes Joven, Rechtsanwalt in Villach, wegen Unterlassung (Streitwert 7.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 5. März 2020, GZ 3 R 38/20b-19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hermagor vom 11. Oktober 2019, GZ 1 C 136/19t-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist ungeachtet des – für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird.

1.1. Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen, weshalb auch übermäßige Immissionen zu dulden sind, wenn sie die ortsübliche Nutzung nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks dadurch wesentlich beeinträchtigt wird (RS0010587 [T4, T8]).

1.2. Maßgeblich für die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ist nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet (RS0010607).

1.3. Für die – sowohl hinsichtlich des Ausmaßes der Immissionen als auch der Beeinträchtigung des dadurch betroffenen Grundstücks – zu berücksichtigenden örtlichen Verhältnisse kommt es auf die Dauer und Intensität sowie unter anderem auf die Art der Einwirkung, den Grad ihrer Störungseignung sowie auf den „Charakter der Gegend“ an (1 Ob 198/19b; vgl RS0010678). Es geht darum, ob der Kern der geschützten Nutzung beeinträchtigt wird (6 Ob 60/20x).

1.4. Die Frage, ob die vom Nachbargrund einwirkenden Belästigungen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigen und die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigen, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0033674 [T4]; RS0010583 [T2]).

2. Das Berufungsgericht kam zum Ergebnis, die vom Grundstück des Beklagten ausgehenden Geruchsimmissionen durch das Spritzen und Lackieren von Fahrzeugen überstiegen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß, ihr Ausmaß begründe aber keine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung des Grundstücks des Klägers.

3.1. Der Revisionswerber rügt ein Abgehen von den Wertungen der Entscheidung 8 Ob 61/19g. Demnach kommt es bei der wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung durch die Einwirkung von Lärm nicht nur auf den Geräuschpegel, sondern auch auf die Lästigkeit des Lärms an, die unterschiedliche Ursachen haben kann, wie etwa die Tonhöhe, Dauer und Eigenart der Geräusche. Ausgehend von dieser Rechtsprechung hätte auf die besondere Lästigkeit des Geruchs von Lack, etwa im Vergleich zu für die Landwirtschaft typischen Gerüchen, Bedacht genommen werden müssen.

3.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts steht mit der Entscheidung 8 Ob 61/19g nicht im Widerspruch, weil das Berufungsgericht seine Beurteilung nicht etwa darauf gründete, dass es dem Lackgeruch den unangenehmen Charakter absprach. Es berücksichtigte vielmehr im Weg einer Gesamtbetrachtung eine Reihe von Faktoren, insbesondere die Häufigkeit und Dauer der Beeinträchtigungen. Es maß dem Umstand, dass sich Kunden des Ab-Hof-Verkaufs – nicht aber Feriengäste des Klägers – über den Lackgeruch beschwert hatten und die Familie des Klägers während der Lackierarbeiten am Grundstück des Beklagten die Kinder ins Haus holt, aufgrund der geringen zeitlichen Dimension der Einwirkungen nicht das Gewicht einer wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung zu. Als entscheidend erachtete es, dass der eigentliche Lackiervorgang jeweils nur wenige Minuten in Anspruch nimmt und der Beklagte und seine Söhne teilweise wochen- und monatelang gar nicht, sowie im Sommer grundsätzlich seltener Lackierarbeiten durchführen.

3.3. Mit dieser Gesamtabwägung hat das Berufungsgericht die Grundsätze der Rechtsprechung (vgl RS0010678) in vertretbarer Weise auf den Einzelfall angewendet.

3.4. Durch den Lackgeruch ausgelöste körperliche Beschwerden des Klägers oder seiner Familie – wie in der außerordentlichen Revision angesprochen – konnten die Vorinstanzen nicht feststellen.

3.5. Von der vom Berufungsgericht als erheblich aufgeworfenen Rechtsfrage, ob das mehrjährige Hinnehmen einer Immission diese ortsüblich machen könne (vgl zum Stand der Rechtsprechung 8 Ob 61/19g ErwGr 2.3.), hängt die Beurteilung des vorliegenden Falls nicht ab, weil die Klage mangels einer wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung des Grundstücks, nicht aber wegen der – vom Berufungsgericht verneinten – Ortsüblichkeit der Einwirkungen abgewiesen wurde. Zur Begründung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO muss die Entscheidung aber von der Lösung der angeführten Rechtsfrage abhängen (RS0088931).

3.6. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00123.20M.1125.000

2.4. Schiunfall freies Gelände
2.4. Schiunfall freies Gelände

OGH 28.01.2021, 1Ob239/20h

OGH 28.01.2021, 1Ob239/20h (Schiunfall freies Gelände)

2.4. Schiunfall freies Gelände |
| 2.4. Schiunfall freies Gelände

Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

28.01.2021

Geschäftszahl

1Ob239/20h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH, Zell am See, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Mag. Sigrun List, Rechtsanwältin in Eugendorf, wegen 43.055,01 EUR sowie Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 13. November 2020, GZ 2 R 121/20g-36, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 14. August 2020, GZ 13 Cg 74/19s-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]                  1. Die Vorinstanzen haben die Grundsätze der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht von (Schi-)Pistenbetreibern zutreffend dargestellt. Diese können dahin zusammengefasst werden, dass der Pistenhalter grundsätzlich nur den von ihm organisierten Schiraum, das sind die ausdrücklich oder schlüssig gewidmeten Schipisten und die ausdrücklich gewidmeten Schirouten, gegen erkennbare Gefahren zu sichern hat, nicht aber das freie Schigelände außerhalb dieses Raums (RIS-Justiz RS0023865). Gefahren, die aus der Befahrung des freien Geländes drohen, hat daher grundsätzlich der Schifahrer und nicht der Pistenhalter zu tragen (vgl RS0023299; RS0023540), es sei denn, die Grenze zwischen der dem Befahren gewidmeten Piste bzw Schiroute und dem freien Gelände wäre unzureichend „gekennzeichnet“ (RS0023630 [T4]).

[2]                  2. Ausgehend davon, dass sich der Unfall rund 50 Meter vom Pistenrand entfernt in unpräpariertem und lediglich mit einigen Schispuren durchzogenem Gelände im Tiefschnee ereignete, das (dadurch) vom präparierten Pistenbereich klar abgegrenzt war, und vom Kläger als Abkürzung zum (Lift-)Parkplatz benützt wurde, begegnet die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach sich der Unfall außerhalb des von der Beklagten organisierten Schiraums – also im freien Gelände – ereignete, keinen Bedenken. Soweit der Revisionswerber behauptet, der Unfall habe sich auf „pistenähnlichem“ Gelände ereignet, entspricht dies nicht dem festgestellten Sachverhalt.

[3]                  3. Der Revisionswerber stützt sich im Wesentlichen darauf, dass jenes (freie) Gelände, in dem sich der Unfall ereignete, regelmäßig von Skifahrern befahren wurde, um (schneller) zum Parkplatz zu gelangen, was die Beklagte gewusst habe. Ihre Verkehrssicherungspflicht habe daher auch diesen Teil des (freien) Geländes umfasst.

[4]                  Dem steht die Rechtsprechung entgegen, dass das Abweichen einer Mehrzahl von Schifahrern von einer markierten oder durch Präparierung gewidmeten Piste noch keine Sicherungspflicht für die dadurch entstandene (für den Pistenhalter in der Regel erkennbare),

nicht markierte und nicht präparierte „Abfahrt“ auslöst. Eine solche Pflicht könnte nur bestehen, wenn eine solche „Abfahrt“ die Gefahr mit sich brächte, dass Benützer der Piste ein Abweichen von dieser – und damit das Einfahren in freies Gelände – nicht erkennen könnten (vgl RS0023641; siehe auch 8 Ob 555/90).

[5]                  Hier war für den durchschnittlichen Skifahrer – ebenso wie für den mit dem Schigebiet bestens vertrauten Kläger – aber klar erkennbar, dass die unpräparierte „Abkürzung“ nicht mehr Teil der präparierten Piste war. Der Kläger wich nicht unbeabsichtigt von dieser ab, sondern nutzte die Abfahrt durch das freie Gelände bewusst („der Bequemlichkeit halber“) als Abkürzung zum Parkplatz. Er durfte dem von ihm befahrenen Gelände – hinsichtlich des Fehlens von Gefahrenquellen – daher nicht das gleiche Vertrauen entgegenbringen, wie der davon deutlich abgegrenzten Piste.

[6]                  Soweit sich der Kläger zur Begründung seines Standpunkts auf die Entscheidung 1 Ob 77/03k bezieht, übersieht er, dass dort eine Verkehrssicherungspflicht abseits der Piste (aufgrund des Ingerenzprinzips) nur für vom Pistenhalter selbst geschaffene Gefahrenquellen angenommen wurde (vgl 3 Ob 14/18g). Mit dem der Entscheidung 7 Ob 29/05y zugrunde liegenden Sachverhalt kann der vorliegende Fall schon deshalb nicht verglichen werden, weil der Unfallbereich dort (im Unterschied zum hier zu beurteilenden Fall) „von der Präparierung her“ nicht vom „eigentlichen“ Pistenbereich abgegrenzt war. Wenn der Revisionswerber argumentiert, die Beklagte habe dem Kläger ein sicheres „Zu- und Abfahren“ zu dem von ihr betriebenen Parkplatz geschuldet, so übersieht sie, dass dies auch über die Piste (also ohne Benutzung der „Abkürzung“ durch das freie Gelände) problemlos möglich gewesen wäre.

[7]                  4. Zusammengefasst zeigt der Rechtsmittelwerber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00239.20H.0128.000

2.5. Versicherung COV-19
2.5. Versicherung COV-19

OGH 24.02.2021, 7Ob214/20a

OGH 24.02.2021, 7Ob214/20a (Versicherung COV-19)

2.5. Versicherung COV-19 |
| 2.5. Versicherung COV-19

Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

24.02.2021

Geschäftszahl

7Ob214/20a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** K*****, vertreten durch die Mähr Rechtsanwalt GmbH in Götzis, gegen die beklagte Partei U***** Versicherungen AG, *****, vertreten durch die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 59.999,94 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2020, GZ 4 R 135/20i-19, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 4. August 2020, GZ 57 Cg 51/20t-14, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr – unter Einschluss der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung von 3.333,33 EUR sA und eines Zinsenmehrbegehrens – insgesamt lautet:

„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 59.999,94 EUR samt 9,2 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 13. 4. 2020 zu zahlen, wird abgewiesen.

2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.053,20 EUR (darin enthalten 1.342,20 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.273,32 EUR (darin enthalten 2.146 EUR Barauslagen und 521,22 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 5.113,70 EUR (darin enthalten 2.861 EUR Barauslagen und 375,45 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]           Der Kläger betreibt in einer (vom Tourismus geprägten ländlichen) Gemeinde in Vorarlberg ein Hotel. Er schloss mit der Beklagten einen Betriebsausfall-versicherungsvertrag. Der Kläger nahm nach Erweiterungen und Adaptierungen seines Hotels im Jahr 2014 eine Konvertierung der bei der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsverträge vor. Dabei wurde über Vorschlag des Versicherungsagenten der Beklagten auch der Deckungsbaustein „Betriebsschließung infolge Seuchengefahr aufgrund des Epidemiegesetzes“ in den Versicherungsvertrag mit aufgenommen. Davor erkundigte sich der Kläger beim Versicherungsagenten über die von diesem vorgeschlagene Versicherung. Dieser erklärte ihm, dass ein Schaden resultierend aus einer behördlichen Betriebsschließung aufgrund einer vom Betrieb ausgehenden Seuchengefahr oder beispielsweise bei einer Salmonellenvergiftung im Betrieb versichert ist. Dass Voraussetzung für die Versicherungsleistung ist, dass die behördliche Betriebsschließung aufgrund des Epidemiegesetzes 1950 erfolgt, wurde im Gespräch nicht thematisiert.

„Ob der Kläger den Deckungsbaustein ‚Betriebsschließung infolge Seuchengefahr aufgrund des Epidemiegesetzes‘ auch dann mitversichert hätte, wenn ihn [der Versicherungsagent] anlässlich des mündlichen Gesprächs vor der Konvertierung ausdrücklich darauf hingewiesen hätte, dass eine Betriebsschließung nur dann erfasst ist, wenn diese auf Basis des Epidemiegesetzes erfolgt, ist nicht feststellbar.“

[2]            Vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung gegen die Folgen einer Betriebsschließung infolge Seuchengefahr, Betrieb & Planen – Fassung 10/2011 (F 472; folgend: Bedingungen F 472). Diese lauten auszugsweise:

Deckungsumfang

Was ist versichert? - Artikel 1

1. Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass auf Grund des Epidemiegesetzes (BGBl 186/1950) in der letztgültigen Fassung,

1.1 der im Antrag bezeichnete Betrieb von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Seuchen geschlossen wird,

1.2 die Entseuchung, Vernichtung oder Beseitigung von Waren in diesem Betrieb angeordnet wird, weil anzunehmen ist, dass sie mit Seuchenerregern behaftet sind; soweit dieser Einschluss in der Polizze getroffen wurde,

1.3 in diesem Betrieb beschäftigte Personen ihre Tätigkeit wegen Erkrankung an Seuchen, entsprechenden Krankheits- oder Ansteckungsverdachts oder als Ausscheider/Ausscheidungsverdächtiger von Erregern von Enteritis infectiosa, Paratyphus A und B, übertragbarer Ruhr und Typhus abdominalis untersagt wird.

[…]

Im Schadenfall

Die Leistung der Versicherung – Artikel 4

1. Der Versicherer ersetzt Schäden, die entstehen

1.1 zu Art. 1 Pkt. 1.1 infolge Betriebsschließung

- durch entgehenden Gewinn,

- durch Aufwendung der trotz der Betriebsschließung weiterlaufenden Geschäftskosten vor Wiedereröffnung,

- durch Mehraufwand der zum Ausgleich von Kundenverlusten anfallenden Geschäftskosten nach Wiedereröffnung.

Pro Schließungstag wird maximal die Tageshöchstentschädigung geleistet.

Die Tageshöchstentschädigung errechnet sich folgendermaßen: Erstrisikosumme/Haftzeit

Für Saisonbetriebe, das sind Betriebe, die nur während eines bestimmten Zeitraums des Jahres betrieben werden, oder Betriebe, die während eines bestimmten Zeitraums des Jahres Vollbetrieb haben und außerhalb der Saison den Betrieb stark einschränken, wird zur Feststellung der Entschädigung der Vorjahreswert des gleichen Zeitraumes herangezogen. Außerhalb der Saison wird maximal 75 % der Tageshöchstentschädigung geleistet, es sei denn, dass der Anteil der Tageshöchstentschädigung den Schließungsschaden erheblich übersteigt.

Wertverluste, die der Versicherungsnehmer an Waren erleidet, sind nur mit besonderer Vereinbarung und nur im Rahmen der dafür polizzierten Versicherungssumme versichert.

[…]

Übergang des Entschädigungsanspruches – Artikel 5

Der Anspruch auf Entschädigung, der dem Versicherungsnehmer aus Anlass der behördlichen Betriebsschließung gegen den Bund zusteht, geht auf den Versicherer nach Maßgabe seiner Versicherungsleistung über. Auf Verlangen des Versicherers ist diesem eine entsprechende Abtretungsurkunde auszustellen. …“

[3]           Eine noch weiterreichende und umfassendere Seuchenversicherung als die im Versicherungsvertrag des Klägers ohnehin enthaltene wurde und wird von der Beklagten nicht angeboten.

[4]           Da die monatliche Prämie für diesen zusätzlichen Deckungsbaustein nur 6,72 EUR (80,84 EUR pro Jahr) betrug, entschied sich der Kläger für die Deckung.

[5]           Im Jahr 2019 nahm er in seinem Hotel Umbaumaßnahmen vor und stockte dieses auf 132 Betten auf. Am 2. 1. 2020 wurde die Polizze „erneuert“. Die Vertragsdauer der Betriebsausfallversicherung umfasst laut letztgültiger Vereinbarung den Zeitraum vom 1. 8. 2017 bis 1. 1. 2028.

[6]           Die Anzahl der positiv auf COVID-19 getesteten Personen war im Zeitraum 14. 3. 2020 bis 13. 4. 2020 am 26. und 27. 3. 2020 am (vorläufigen) Höchststand. Am 27. 3. 2020 waren österreichweit deutlich mehr Personen positiv auf COVID-19 getestet als noch am 14. 3. 2020.

[7]           Nachdem die Bezirkshauptmannschaft Bregenz am 14. 3. 2020 eine Verordnung betreffend die Schließung von Beherbergungsbetrieben zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 im gesamten Bezirk erlassen hatte, schloss der Kläger bereits am 15. 3. 2020 seinen Hotelbetrieb. Aufgrund der nachfolgenden Verordnung des Landeshauptmanns von Vorarlberg vom 27. 3. 2020, Vlbg LGBl 2020/16, mit der ein Betretungsverbot von Beherbergungsbetrieben als Touristin oder Tourist im Landesgebiet angeordnet worden war, hielt der Kläger über den Ablauf des 27. 3. 2020 hinaus sein Hotel bis einschließlich 13. 4. 2020 geschlossen.

[8]           Dem Kläger ist im Zeitraum der Betriebsschließung täglich ein Schaden von rund 6.898,78 EUR entstanden. Er machte gegenüber der Beklagten aufgrund der Betriebsschließung für 30 Tage 100.000 EUR geltend.

[9]           Aufgrund der Schließung des Hotels des Klägers im Zeitraum vom 16. 3. 2020 bis einschließlich 27. 3. 2020 erbrachte die Beklagte eine Versicherungsleistung von 40.000 EUR.

[10]       Mit am 2. 4. 2020 bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz eingebrachten Antrag machte der Kläger Ansprüche auf Vergütung seines Verdienstentgangs gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 geltend. Ob er vom Bund in Zukunft eine Entschädigung erhalten wird und wenn ja, in welcher Höhe, ist nicht feststellbar. Ohne COVID-19 hätte der Kläger seinen Betrieb ab 14. 4. 2020 saisonbedingt ohnehin geschlossen; aus diesem Grund sperrte er sein Hotel auch nicht wieder auf.

[11]       Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von 59.999,94 EUR sA mit der Begründung, sein Betrieb habe aufgrund von COVID-19-Maßnahmen mit 15. 3. 2020 geschlossen werden müssen. Zwar sei die Verordnung über die Betriebsschließung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit Kundmachung vom 27. 3. 2020 aufgehoben worden, jedoch sei zugleich mit Verordnung des Landeshauptmanns von Vorarlberg vom selben Tag ein Betretungsverbot für Beherbergungsbetriebe ausgesprochen worden, was einer Betriebsschließung im Sinn der Versicherungsbedingungen gleichzusetzen sei, sodass für weitere 18 Tage, in denen die Betriebsschließung fortgedauert habe, die Versicherungsleistung aus der Betriebsausfallversicherung zustehe. Der tägliche Schaden habe sich jedenfalls auf mehr als 3.333,33 EUR belaufen. Die Betriebsschließung sei auf Basis des Epidemiegesetzes 1950 erfolgt. COVID-19 sei eine Seuche, weshalb der Versicherungsfall verwirklicht sei. Das COVID-19-Maßnahmengesetz, auf dem das Betretungsverbot gefußt habe, sei ein Spezialgesetz zum Epidemiegesetz 1950, habe dieses in gewissen Punkten ersetzt und sei bei Abschluss des Versicherungsvertrags noch nicht existent gewesen.

[12]       Die Klage stütze sich auch auf Schadenersatz. Der der Beklagten zuzurechnende Versicherungsagent habe eine schuldhafte Verletzung von Aufklärungs- und Informationspflichten zu vertreten, weil er über ausdrückliche Nachfrage versichert habe, dass auch das Risiko einer Seuche vom Versicherungsschutz umfasst sei. Der Schaden liege im Entgang des Versicherungsschutzes, wobei sich in Anbetracht der Versicherungssumme von 100.000 EUR abzüglich der bereits geleisteten 40.000 EUR ein Schaden in Höhe von 60.000 EUR ergebe. Hätte er gewusst, dass kein umfassender Versicherungsschutz für Seuchen bestehe, hätte er den Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen, sodass – sofern keine Haftung aus dem Versicherungsvertrag bestehe – Schadenersatz zustehe. Jedenfalls seien die von ihm gezahlten Prämien frustriert.

[13]       Die Beklagte wendete – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – ein, Voraussetzung für eine Versicherungsleistung sei, dass Schäden im versicherten Betrieb aufgrund von Maßnahmen oder Verfügungen, die auf dem Epidemiegesetz 1950 beruhten, eingetreten seien. Das mit Kundmachung vom 27. 3. 2020 verordnete Betretungsverbot von Beherbergungsbetrieben stütze sich jedoch nicht auf das Epidemiegesetz 1950, sondern auf das COVID-19-Maßnahmengesetz, weshalb dem Kläger über den 27. 3. 2020 hinaus keine weiteren Ansprüche zustünden. Im Übrigen sei keine Schließung verordnet, sondern nur ein Betreten von Beherbergungsbetrieben verboten worden.

[14]       Das versicherte Risiko sei ein anderes als jenes, das sich tatsächlich verwirklicht habe. Das Epidemiegesetz 1950 knüpfe daran an, dass eine besondere Gefahr für die Ausbreitung von Krankheiten von einem konkreten Betrieb ausgehe, also in diesem eine „seuchengeneigte Tätigkeit“ entfaltet werde. Ziel des COVID-19-Maßnahmengesetzes sei es hingegen, Menschenansammlungen möglichst zu verhindern, um dadurch weitere Corona-Infektionen und die Ausbreitung des Virus hintanzuhalten. Die auf Basis des COVID-19-Maßnahmengesetzes erlassenen Betretungsverbote hätten jedoch nichts damit zu tun, dass die in den Betrieben ausgeübten Tätigkeiten an sich gefährlich im Hinblick auf die Verbreitung einer Seuche seien. Während das Epidemiegesetz 1950 nur regional deutlich begrenzte Schließungen erlaube, sehe das COVID-19-Maßnahmengesetz faktisch flächendeckende Betretungsverbote vor. Die Betretungsverbote würden lediglich zu faktischen Betriebsschließungen führen und ein anderes Risiko verwirklichen als jenes, das sie anknüpfend an das Epidemiegesetz 1950 übernommen habe.

[15]       Der Seuchen-Betriebsunterbrechungsver-sicherungsbaustein sei über Empfehlung von ihrem Versicherungsagenten und nicht über Wunsch des Klägers in den Deckungsschutz aufgenommen worden. Von einem Szenario wie COVID-19 sei damals nicht ansatzweise die Rede gewesen. Ein haftungsbegründender Beratungsfehler habe nicht vorgelegen. Ein Schaden sei schon deshalb nicht eingetreten, weil der Kläger dann, wenn er darüber aufgeklärt worden wäre, dass nur auf das Epidemiegesetz 1950 gestützte Betriebsunterbrechungen versicherungsmäßig gedeckt seien, den Baustein nicht mitversichert hätte. Eine derart umfassende Seuchen-Betriebsunterbrechungsversicherung wie vom Kläger nunmehr gewünscht, werde von ihr nicht angeboten.

[16]       Das Erstgericht verpflichtete – soweit noch relevant – unter Abweisung des Mehrbegehrens die Beklagte zur Zahlung von 56.666,61 EUR sA. Halte man nicht am Wortlaut des Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 fest, sondern lasse bei der Auslegung auch den erkennbaren Zweck der Bedingung mit einfließen, könne ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass eine nachträgliche Gesetzesänderung durch das COVID-19-Maßnahmengesetz bei einer faktisch durchgehenden behördlich bedingten Betriebsunterbrechung bei ein- und derselben Ausgangsgefahrenlage nicht zu einem nachträglichen Wegfall des bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes führen könne. Dem Kläger sei daher auch für den Zeitraum vom 28. 3. 2020 bis einschließlich 13. 4. 2020, sohin für weitere 17 Tage, Versicherungsdeckung zu gewähren. Ab dem 14. 4. 2020 stehe ihm keine Versicherungsleistung mehr zu, weil er auch ohne COVID-19 ab diesem Tag seinen Betrieb saisonbedingt geschlossen hätte. Auch für den 15. 3. 2020 stehe ihm keine Versicherungsleistung zu, weil die mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz angeordnete Betriebs-schließung erst am 16. 3. 2020 in Kraft getreten sei. Insgesamt ergebe sich über den von der Beklagten bereits für den Zeitraum vom 16. 3. 2020 bis einschließlich 27. 3. 2020 geleisteten Betrag von 40.000 EUR hinaus ein weiterer ersatzfähiger Betrag von 56.666,61 EUR (17 Tage á 3.333,33 EUR) für den Zeitraum 28. 3. bis 13. 4. 2020.

[17]       Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und ergänzte, dass das in § 2 der Verordnung des Landeshauptmanns von Vorarlberg vom 27. 3. 2020 normierte Betretungsverbot von Beherbergungsbetrieben für Touristinnen und Touristen im gesamten Landesgebiet einer behördlichen Schließung des Hotels des Klägers gleichzusetzen sei. Dass der Kläger im Zusammenhang mit der Führung seines Hotels im Zeitraum vom 27. 3. bis 13. 4. 2020 irgendwelche betrieblichen Tätigkeiten (zB Weiterführen des Restaurantbetriebs durch Lieferservice) gesetzt hätte, sei nicht hervorgekommen und im erstinstanzlichen Verfahren auch nicht behauptet worden. Zwar sei in Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 festgehalten, dass Versicherungsschutz für den Fall gewährt werde, dass aufgrund des Epidemiegesetzes 1950 eine behördliche Schließung des Betriebs erfolge, die Bezeichnung als „Allgemeine Bedingungen für die Versicherung gegen die Folgen einer Betriebsschließung infolge Seuchengefahr“ könne jedoch bei einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer die nachvollziehbare Annahme begründen, dass damit Betriebsschließungen aufgrund jedweder Seuche versichert seien. Eine systematisch-logische Interpretation der Bedingungen F 472 lasse die Annahme, dass Versicherungsschutz bei Betriebsschließung infolge Auftretens einer Seuche, unabhängig davon, ob die Betriebsschließung aufgrund des Epidemiegesetzes 1950 oder einer anderen – allenfalls anstelle des Epidemiegesetzes 1950 tretenden – gesetzlichen Regelung erfolge, als gerechtfertigt erscheinen. Zweck des Art 1.1.1 im Zusammenhang mit Art 4.1. der Bedingungen F 472 sei es, dem Versicherungsnehmer den Schaden zu ersetzen, der im Fall einer behördlichen Schließung seines Betriebs aufgrund von Seuchengefahr entstehe. Dieses am Zweck der Bestimmungen orientierte Auslegungsergebnis zeige, dass für die gesamte Zeit der Betriebsschließung Versicherungsdeckung zu gewähren sei. Mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar wäre es, dann, wenn – wie vorliegend – keine wie immer geartete Änderung der faktischen Verhältnisse eintrete, den Versicherungsschutz nur deshalb zu ändern, weil die Behörde eine Betriebsschließung nicht mehr auf das in den Versicherungsbedingungen genannte Epidemiegesetz 1950, sondern auf ein an dessen Stelle tretendes Gesetz, das COVID-19-Maßnahmengesetz, stütze, zumal beide Gesetze dieselbe Zielsetzung, nämlich ein Hintanhalten der Verbreitung einer Seuche, verfolgten. Aus den Gesetzesmaterialien zum COVID-19-Maßnahmengesetz lasse sich ableiten, dass dieses zwar nicht anstelle des Epidemiegesetzes 1950 treten solle, dass es jedoch dieselbe Stoßrichtung wie das Epidemiegesetz 1950 verfolge und lediglich als lex specialis in Anbetracht der mit COVID-19 verbundenen besonderen Herausforderungen besondere Maßnahmen möglich machen solle. Ohne das COVID-19-Maßnahmengesetz hätte der Betrieb des Klägers – so wie bis zum 27. 3. 2020 geschehen – auch auf der Basis des Epidemiegesetzes 1950 weiter geschlossen gehalten werden können. Das Risiko des Eintritts des Versicherungsfalls habe sich durch die vom Gesetzgeber vorgenommene Änderung, Maßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19 dem COVID-19-Maßnahmengesetz zu unterstellen, nicht erhöht. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags sei das Risiko einer pandemiebedingten Schließung des Betriebs des Klägers im Rahmen der Bedingungen F 472 versichert gewesen. Bejahe man die Frage, ob eine Betriebsschließung aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes vom Versicherungsschutz umfasst bleibe, würde sich das vom Versicherer übernommene Risiko grundsätzlich nicht ändern; würde man diese Frage verneinen, würde das Risiko der Beklagten ohne Rückkoppelung auf die Prämienhöhe eingeschränkt werden. Allein der Umstand, dass das COVID-19-Maßnahmengesetz keinen Entschädigungsanspruch vorsehe, der auf den Versicherer übergehen könnte, führe nicht dazu, dass es dem Grundsatz von Treu und Glauben entsprechen würde, den Versicherungsnehmer um seinen Ersatzanspruch aus dem Betriebsunterbrechungs-versicherungsvertrag gegenüber der Beklagten zu bringen. In der Frühphase der Pandemie im März 2020 seien touristische Einrichtungen (berechtigt) als maßgeblicher Katalysator bei der Verbreitung von COVID-19 betrachtet worden. Die von der Beklagten in Abrede gestellte „seuchengeneigte Tätigkeit“ durch den Betrieb eines Hotels sei zumindest nach dem damaligen Kenntnisstand vorgelegen.

[18]       Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob ein behördliches Betretungsverbot für ein Hotel nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz einer Betriebsschließung nach dem Epidemiegesetz 1950 gleichzusetzen sei, ob daher Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 Versicherungsschutz auch für den Fall gewähre, dass eine Betriebsschließung aufgrund eines nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz ergangenen Betretungsverbots erforderlich geworden sei, fehle.

[19]                Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[20]                Der Kläger begehrt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[21]                Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[22]       1. Rechtslage:

[23]       1.1. Gemäß § 20 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 (BGBl 1950/186 idgF; folgend: EpiG) kann beim Auftreten gewisser Krankheiten, die in dieser Bestimmung taxativ aufgezählt werden, die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betrieb bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde. § 20 Abs 2 leg cit ermöglicht unter denselben Voraussetzungen die Schließung oder Beschränkung einzelner Betriebsstätten sowie die Untersagung des Betretens der Betriebsstätten durch einzelne Personen, die mit Kranken in Berührung kommen. Gemäß § 20 Abs 3 leg cit ist die Schließung einer Betriebsstätte jedoch erst dann zu verfügen, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen.

[24]       In der Liste der vom EpiG ausdrücklich erfassten Krankheiten ist COVID-19 zwar nicht angeführt; das Gesetz enthält aber eine Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Gesundheit, wonach weitere übertragbare Krankheiten der Meldepflicht unterworfen werden (§ 1 Abs 2 EpiG) und zur Grundlage von Betriebsschließungen gemacht werden können (§ 20 Abs 4 EpiG).

[25]       Nachdem in Innsbruck am 25. 2. 2020 der erste Fall einer Corona-Infektion aufgetreten war, hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz von dieser Verordnungsermächtigung gemäß § 20 Abs 4 EpiG Gebrauch gemacht und mit Verordnung vom 28. 2. 2020 (Art 1 BGBl II 2020/74) angeordnet, dass die in § 20 Abs 1 bis 3 des EpiG bezeichneten Vorkehrungen auch bei Auftreten einer Infektion mit SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“) getroffen werden können (vgl auch Fenyves, COVID-19 und die Seuchen-Betriebsunterbrechungsversicherung, VersRdSch H 5/2020, 34 [37 f]).

[26]       In der Folge kam es – im Wesentlichen auf diese Regelung gestützt – zur Erlassung einer Reihe von Verordnungen durch Bezirkshauptmannschaften, in denen „verkehrsbeschränkende“ Maßnahmen angeordnet wurden. So erließ – im gegenständlichen Fall – die Bezirkshauptmannschaft Bregenz am 14. 3. 2020, kundgemacht im Amtsblatt für das Land Vorarlberg Jahrgang 75/Nr 13, eine Verordnung betreffend die Schließung des Seilbahnbetriebs und von Beherbergungsbetrieben zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 im gesamten Bezirk mit nachstehendem Inhalt:

„Gemäß § 20 Abs 1 und 4 sowie § 26 Epidemiegesetz 1950, [...], in der geltenden Fassung, in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARS-CoV-2 [...] wird verordnet:

[...]

§ 2

(1) Beherbergungsbetriebe (§ 111 Abs 1 Z 1 GewO 1994) sind gemäß § 20 Abs 1 und 4 und der Verordnung BGBl II Nr 74/2020 zu schließen.

[...]

§ 3

[...]

(2) § 2 tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung dieser Verordnung, frühestens jedoch am 16. März 2020, 12.00 Uhr, in Kraft.

(3) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 13. April 2020 außer Kraft.“

[27]       1.2. Am 16. 3. 2020 trat das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (BGBl I 2020/12 in der maßgeblichen Fassung BGBl I 2020/16; folgend: COVID-19-Maßnahmengesetz) in Kraft.

[28]       Nach dem Bericht des Budgetausschusses zum COVID-19-Maßnahmengesetz war der Gesetzgeber der Meinung, es habe sich mit dem Fortschreiten der Pandemie herausgestellt, dass die Maßnahmen des EpiG „nicht ausreichend bzw zu kleinteilig“ sind, um die weitere Verbreitung von COVID-19 zu verhindern (102 BlgNR 27. GP, 5). Er sah sich daher zur Erlassung des COVID-19-Maßnahmengesetzes veranlasst, das die Möglichkeit der Verhängung von Betretungsverboten eröffnet. Gemäß § 1 dieses Gesetzes (BGBl I 2020/12 in der anzuwendenden Fassung BGBl I 2020/16) konnte der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kosumentenschutz beim Auftreten von COVID-19 durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Ferner konnte gemäß § 2 unter derselben Voraussetzung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden. Die Kompetenz zur Erlassung einer Verordnung gemäß § 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes hing von ihrer Reichweite ab, bei Erstreckung auf das gesamte Landesgebiet war der Landeshauptmann zuständig (§ 2 Z 2 leg cit).

[29]       § 4 leg cit enthielt Regelungen über das Verhältnis zwischen EpiG und COVID-19-Maßnahmengesetz. Gemäß § 4 Abs 2 leg cit gelangten die Bestimmungen des EpiG betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung, wenn der Bundesminister gemäß § 1 leg cit eine Verordnung erlassen hatte. Die Bestimmungen des EpiG blieben unberührt (§ 4 Abs 3 leg cit). In der Folge wurden in Art 26 des 2. COVID-19-Gesetzes vom 21. 3. 2020, BGBl I 2020/16, vom Gesetzgeber „Klarstellungen“ in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem EpiG und dem COVID-19-Maßnahmengesetz vorgenommen. In § 4 Abs 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes wurde der Satz eingefügt „im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung“. Dadurch sollte laut dem Ausschussbericht klargestellt werden, dass weiterhin Betretungsverbote gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz einerseits und Betriebsschließungen gemäß § 20 EpiG andererseits möglich sind (112 BlgNR 27. GP, 14). Der Gesetzgeber schloss die Geltung der Regelungen des EpiG über die Schließung von Betriebsstätten betreffend Maßnahmen nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz aus. Mit der Schaffung des COVID-19-Maßnahmengesetzes verfolgte er offenkundig (auch) das Anliegen, Entschädigungsansprüche im Fall einer Schließung von Betriebsstätten nach dem EpiG, konkret nach dessen § 20 iVm § 32, auszuschließen (VfGH G 202/2020 ua [Punkt 2.4.2.2.]).

[30]       Am 27. 3. 2020 erließ der Landeshauptmann von Vorarlberg eine Verordnung nach § 2 Z 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes betreffend das Betreten von Seilbahnen und von Beherbergungsbetrieben zu touristischen Zwecken, Vlbg LGBl 2020/16, mit nachstehendem Inhalt:

„Auf Grund von § 2 Z 2 des Covid-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr 12/2020 in der Fassung BGBl I Nr 16/2020, wird verordnet:

[...]

§ 2

Das Betreten von Beherbergungsbetrieben (§ 111 Abs 1 Z 1 GewO 1994) als Touristin oder als Tourist ist im gesamten Landesgebiet verboten.

§ 3

Diese Verordnung tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 13. April 2020 außer Kraft.“

[31]       Aufgrund dieser Verordnung des Landeshauptmanns für Vorarlberg hob die Bezirkshauptmannschaft Bregenz ihre Verordnung betreffend die Schließung der Beherbergungsbetriebe zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 im gesamten Bezirk vom 14. 3. 2020, die an sich erst mit Ablauf des 13. 4. 2020 außer Kraft treten hätte sollen, mit Ablauf des 27. 3. 2020 vorzeitig wieder auf.

[32]       2. Strittig ist im Revisionsverfahren, ob dem Kläger eine Versicherungsleistung für den Zeitraum vom 28. 3. 2020 bis 13. 4. 2020 (Betretungsverbot auf der Grundlage des COVID-19-Maßnahmengesetzes) zusteht.

[33]                3. Allgemeines und zur Auslegung von Art 1.1.1 der Bedingungen F 472:

[34]       3.1. Generell ist die Betriebsunterbrechungs-versicherung eine Sachversicherung, bei der der Betrieb, nicht die Person des Betriebsinhabers versichert ist (RS0080975). Die zu beurteilende Betriebsausfallversicherung wird auch als Seuchen-Betriebsunterbrechungsversicherung oder in Deutschland als „Betriebsschließungsversicherung“ bezeichnet (Fenyves aaO 36).

[35]       3.2. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach Vertragsauslegungsgrundsätzen auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RS0050063; RS0112256). Die einzelnen Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RS0008901). In allen Fällen ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen (RS0008901 [T5, T7, T87]). Versicherungsbedingungen sind aus ihrem Zusammenhang heraus auszulegen (RS0008901 [T10]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).

[36]       3.3. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung, mit der festgelegt wird, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind (7 Ob 208/13h mwN uva; vgl RS0080166 [T10]).

[37]       3.4. Nach Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 muss der im Antrag bezeichnete Betrieb von der zuständigen Behörde nach dem EpiG (in der letztgültigen Fassung) zur Verhinderung der Verbreitung von Seuchen geschlossen werden.

[38]       3.5. Unter einer Seuche versteht man eine Infektionskrankheit, die infolge ihrer großen Verbreitung und der Schwere des Verlaufs eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Diese Definition trifft unzweifelhaft auf COVID-19 zu (Prader/Weber, COVID-19 – ein Fall der Betriebsunterbrechungsversicherung für freiberuflich Tätige?, Zak 2020/264, 164 [166 mwN]).

[39]       3.6. Nach Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 muss die Seuche im EpiG genannt sein. Durch die Formulierung „in der letztgültigen Fassung“ liegt ein dynamischer Verweis auf die Bestimmungen des EpiG vor, sodass im Versicherungsfall nicht die Rechtslage bei Abschluss des Versicherungsvertrags, sondern jene im Zeitpunkt des Versicherungsfalls entscheidend ist (Fenyves aaO 37). Die Parteien haben (zulässigerweise und ausreichend bestimmt) künftige Änderungen des EpiG antizipiert und wollten diese in den Versicherungsschutz einbeziehen (vgl Schauer in r+s 2020, 698 [700] [Anmerkung zur erstinstanzlichen Entscheidung des Landesgerichts Feldkirch]). Der Versicherungsnehmer darf bei Vertragsabschluss aufgrund der „dynamischen Verweisung“ davon ausgehen, dass alle Krankheiten, die bei Eintritt des Versicherungsfalls vom EpiG erfasst sind, vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen.

[40]                Am 29. 2. 2020 trat – wie oben zu Punkt 1.1. dargestellt – die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARS-CoV-2, BGBl II 2020/74, in Kraft. Nach deren Art 1 können die in § 20 Abs 1 bis 3 des EpiG bezeichneten Vorkehrungen auch bei Auftreten einer Infektion mit SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“) getroffen werden. Seitdem wird die Erkrankung an COVID-19 vom EpiG erfasst und begründet den Versicherungsschutz.

[41]                3.7. Nach Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 gewährt die Beklagte Versicherungsschutz für den Fall, dass aufgrund des EpiG der Betrieb des Klägers von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Seuchen geschlossen wird. Diese Risikodeckung verlangt die „Schließung“ des versicherten Betriebs. Es muss daher eine gänzliche Unterbrechung des Betriebs vorliegen, das heißt ein vollständiger Stillstand der Betriebsabläufe eingetreten sein (vgl 7 Ob 137/14v; 7 Ob 49/19k).

[42]                3.8. Auch wenn bei Vertragsabschluss niemand mit einer Pandemie wie COVID-19 gerechnet hat, so ist der Versicherer dennoch zur Deckung entsprechend seiner Zusage verpflichtet. Es kommt daher nur auf die Auslegung von Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers (vgl oben Punkt 3.2.) an.

[43]                Ein etwaiger Wille des Versicherers, die Deckung auf solche Betriebsschließungen zu beschränken, die durch von innerhalb des Betriebs auftretenden Seuchen verursacht wurden, kommt in Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 nicht zum Ausdruck. Dies kann auch nicht aus Art 1.1.2 und Art 1.1.3 der Bedingungen F 472 erschlossen werden, wird doch in ihnen ein Bezug zum konkreten Betrieb ausdrücklich hergestellt. Nach Art 1.1.2 der Bedingungen F 472 muss der Seuchenerreger im Betrieb bzw bei den zu vernichtenden Waren vorhanden sein, Art 1.1.3 der Bedingungen F 472 bezieht sich auf einen Ansteckungs- oder Krankheitsverdacht von im Betrieb Beschäftigten. Da ein solcher (einschränkender) Bezug auf den konkreten Betrieb in Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 fehlt, zieht der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer
(e contrario) den Schluss, dass es bei der Betriebsschließung nach Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 nur auf das Faktum der Betriebsschließung ankommt und nicht darauf, dass diese auch noch durch eine innerhalb des Betriebs (intrinsisch) auftretende Seuche verursacht worden sein muss. Es genügt damit, wenn die Schließung – wie in den COVID-19-Fällen – erfolgt, um die Ausbreitung einer außerhalb des Betriebs entstandenen Infektionsquelle einzudämmen und setzt kein Auftreten der Seuche im Betrieb selbst voraus.

[44]                Das EpiG in seiner aktuellen Fassung, auf das die Bedingungslage verweist, hat außerdem nicht nur das Risiko der Übertragung von Krankheiten vor Augen, die mit dem im Betrieb ausgeübten Gewerbe zusammenhängen. Der Katalog der anzeigepflichtigen Krankheiten umfasst seit mehreren Jahren auch Krankheiten wie SARS und Mers-CoV („neues Corona-Virus“) (vgl § 1 Abs 1 Z 1 EpiG idF BGBl I 2016/63). Beide sind mit SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“) verwandt und haben nicht spezifisch mit der in dem von der Schließung betroffenen Betrieb ausgeübten Tätigkeit zu tun (Schauer aaO 701).

[45]                3.9. Auch wenn der Gesetzgeber des EpiG eine großflächige Schließung von Betriebsstätten nicht vor Augen gehabt haben mag (vgl VfGH G 202/2020 ua [Punkt 2.4.2.5.]), ändert das aber nichts daran, dass sich der Umfang der Deckungspflicht der Beklagten aus der zwischen den Parteien vereinbarten Bedingungslage ergibt. Ein Hinweis darauf, dass kein Versicherungsschutz bestehen soll, wenn bundesweit flächendeckend Betriebsschließungen angeordnet werden, findet sich dort nicht. Vielmehr deutet der Begriff „Seuche“ auf eine großflächige Beeinträchtigung vieler Betriebe hin.

[46]                3.10. Die Betriebsschließung muss daher nur der Verhinderung der Verbreitung der Seuche dienen (vgl grundsätzlich für eine Deckung: Fenyves, aaO; Schauer, aaO; die herrschende Meinung in Deutschland zur im Kern vergleichbaren Bedingungslage [§ 1 Nr 1 lit a AVB BS 2002]: Armbrüster in Prölss/Martin, VVG31 [2021], Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz [Betriebsschließung] [AVB BS 2002] Rn 6; ders in NJW 2020, 3468 [Anmerkung zu Landesgericht München I, 12 O 5895/20]; Fortmann, Corona-Krise und Betriebsschließungsversicherungen – noch kein Ende der Unsicherheit in Sicht, VersR 2020, 1073 [1079]; Lüttringhaus/Eggen, Versicherungsschutz und Corona-Pandemie: Deckungs- und Haftungsfragen im Kontext der Betriebsunterbrechungs- und Veranstaltungsausfall-versicherung, r+s 2020, 250 [252]; Notthoff, Umfang des Versicherungsschutzes der Betriebsschließungsversicherung im Falle der hoheitlichen Schließungsanordnung, r+s 2020, 551 [554]; Orlikowski-Wolf/Gubenko in r+s 2020, 625 [Anmerkung zu Landesgericht München I, 12 O 5895/20]; aA Strasser/Meyer, Die Betriebsunterbrechungsversicherung in Zeiten von COVID-19, Business [Interruption] Usual?, ZVers 2020, 183 [187], in [FN 58] allerdings einräumend, dass sich die beschränkte Zielsetzung nicht in jedem Fall aus den jeweiligen Bedingungswerken ergebe; vgl auch Figl/Perner in Resch, Corona-HB1.03 Kap 20 Rz 42 [EpiG für Fälle gedacht, in denen das Risiko vom zu schließenden Betrieb ausgeht] und Rz 44 [Betriebsschließung nur gedeckt, wenn damit einer „intrinsischen Gefahr“ vorgebeugt werden soll]; zur deutschen Bedingungslage: Günther/Piontek, Die Auswirkungen der „Corona-Krise“ auf das Versicherungsrecht – Eine erste Bestandaufnahme, r+s 2020, 242 [244 f]).

[47]                3.11. Auch aus der geringen Prämie (vgl dazu Punkt 4.4.4.) kann der Versicherungsnehmer nichts Gegenteiliges ableiten. Er kennt die Grundsätze nicht, nach denen der Versicherer die Prämie für sein Produkt kalkuliert.

[48]       3.12. Ob die Schließung des Betriebs durch die Behörde mit Bescheid, mittels Verordnung oder möglicherweise durch unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt erfolgt, ist nach dem Wortlaut des Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 nicht maßgeblich. Ob die hoheitlich angeordnete Schließung auf individuelle oder generelle Weise erfolgt, macht für die Deckungspflicht des Versicherers keinen Unterschied (vgl Armbrüster in NJW 2020, 3468; Fortmann aaO 1080; Lüttringhaus/Eggen aaO 251; Notthoff aaO 554; Orlikowski-Wolf/Gubenko in r+s 2020, 625; aA Strasser/Meyer aaO 188: behördliche Betriebsschließung [konkreter Einzelfall, ein Adressat] stelle ein „völlig anderes Risiko“ dar als eine Schließung auf der Grundlage eines Gesetzes bzw einer Verordnung [allgemeiner, nicht feststehender, bloß bestimmbarer Adressatenkreis]).

[49]       Grundsätzlich besteht daher Deckung für eine behördlich durch Verordnung angeordnete Betriebsschließung nach dem EpiG.

[50]                3.13. Für den vorliegenden Fall bedeutet das Folgendes:

[51]                Der Hotelbetrieb des Klägers – ein Beherbergungsbetrieb nach § 111 Abs 1 Z 1 GewO 1994 – war zunächst mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 14. 3. 2020 nach § 20 EpiG geschlossen worden. Nach Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 besteht daher Versicherungsschutz für den Zeitraum vom 16. 3. 2020 bis zur Aufhebung dieser Verordnung mit 27. 3. 2020, weshalb ihm die Beklagte diesen Unterbrechungsschaden zutreffend ersetzt hat.

[52]                4. Zum COVID-19-Maßnahmengesetz:

[53]                4.1. Für den im vorliegenden Verfahren relevanten Zeitraum galt die Verordnung des Landeshauptmanns von Vorarlberg vom 27. 3. 2020 auf der Grundlage von § 2 Z 2 COVID-19-Maßnahmengesetz. Es wurde für Beherbergungsbetriebe ein Betretungsverbot „als Touristin oder Tourist“ im gesamten Landesgebiet angeordnet. Es wurde damit nicht nur die Rechtsgrundlage für die den Hotelbetrieb des Klägers betreffenden Maßnahmen geändert, sondern auch statt einer allgemeinen Anordnung der Betriebsschließung ein nicht unmittelbar an den Unternehmer gerichtetes allgemeines Betretungsverbot (für Touristinnen und Touristen) erlassen.

[54]                4.2. Grundsätzlich bedeutet eine Gesetzesänderung (oder auch die Erlassung eines neuen Gesetzes) allein nicht, dass der Versicherungsschutz zwingend entfallen muss. Es kommt vielmehr darauf an, ob das Risiko gleich geblieben ist, es also dem Äquivalenzverhältnis zur Prämie weiter entspricht (vgl 7 Ob 172/15t, dazu zustimmend Ertl, Feuerversicherung fürs Iglu – Zugleich Besprechung der E OGH 7 Ob 172/15t, ecolex 2017, 296) oder ob es sich zu Lasten des Versicherers relevant verändert hat.

[55]                Daran, dass nach der vorliegenden Bedingungslage der Versicherungsschutz für COVID-19 an sich nicht deshalb verloren geht, weil Sonderbestimmungen für die vom EpiG erfasste Seuche nun im COVID-19-Maßnahmengesetz geregelt sind, besteht kein Zweifel. Zu prüfen bleibt aber, ob sich durch die neuen Regelungen das Risiko verändert hat.

[56]       4.3Zur Frage der Deckungspflicht der Versicherer bei angeordneten Betretungsverboten wurde vertreten:

[57]       4.3.1. Strasser/Meyer (aaO 188 f) stellen nur auf das Handeln der zuständigen Behörde auf der Grundlage des EpiG ab. Maßgeblich sei, dass die Maßnahme auf Grundlage dieses Gesetzes erfolgt sei.

[58]       4.3.2. Fenyves (aaO 40 f) führt zu Fällen, in denen durch Verordnungen der Bezirkshauptmannschaften zunächst die Schließung von Betriebsstätten gemäß § 20 EpiG angeordnet wurde und es danach zu einem „Rechtsformwechsel“ dadurch gekommen sei, dass für diese Betriebe nunmehr durch eine Verordnung des Landeshauptmanns nach § 2 Z 2 COVID-19-Maßnahmengesetz Betretungsverbote ausgesprochen wurden, aus, dass sich dadurch das in diesen Betriebsstätten angelegte Risiko in keiner Weise geändert habe. In diesen Fällen sei eine Deckung aus der Seuchen-Betriebsunterbrechungsversicherung zu bejahen und ungeachtet des „Rechtsformenwechsels“ von einem Fortbestehen der Deckung bis zum Ende der „Haftzeit“ auszugehen.

[59]                Gegenteiliges soll für Betretungsverbote gelten, die nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz für bestimmte Betriebsstätten verhängt wurden und die dadurch faktisch zu deren Schließung führten, dass sie weder von Kunden noch Lieferanten und Mitarbeitern besucht werden konnten. Dadurch verwirkliche sich nicht das Risiko, das der Versicherer in der Seuchen-Betriebsunterbrechungs-versicherung aufgrund der Ausrichtung dieser Versicherung auf das EpiG übernommen habe. Für die durch solche Betretungsverbote entstehenden Ertragsausfälle bestehe keine Deckung.

[60]       4.3.3. Figl/Perner (aaO Kap 20 Rz 37 ff) schließen sich grundsätzlich der Rechtsansicht von Fenyves zum „Rechtsformwechsel“ an. Alleine auf die formale Rechtsgrundlage komme es für die Deckung nicht an. Seien die Bedingungen „offen“ formuliert (demonstrative Aufzählung oder keine Aufzählung von Seuchen), spreche – vorbehaltlich dessen, dass eine gedeckte Betriebsschließung im Sinn der Bedingungen vorläge – mehr für den Versicherungsschutz für Maßnahmen aufgrund von COVID-19. Dass der Versicherer auch das Risiko für neuartige Seuchen übernehmen wolle, ergebe sich aus § 20 Abs 4 EpiG, der eine Verordnungsermächtigung enthalte, nach der mittels Verordnung festgelegt werden könne, dass Betriebsschließungen nach dem EpiG auch für neue (andere als in § 20 Abs 1 leg cit genannte) Krankheiten angeordnet werden können. Neu auftretende Krankheiten seien somit gedeckt (aaO Rz 40). Wenn die Bedingungslage auf das EpiG – statisch oder dynamisch – abstelle, werde damit das Risiko auf die Maßnahmen beschränkt, die das EpiG inhaltlich vorsehe. Bei der deckungsrechtlichen Beurteilung von Maßnahmen aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes müsse verglichen werden, ob dieses Gesetz oder darauf basierende Verordnungen Maßnahmen vorsähen, die das EpiG nicht kenne (aaO Rz 41). Der Versicherer übernehme nur das Risiko für Maßnahmen solcher Art, die das EpiG vorsehe (aaO Rz 42). Die besseren Gründe sprächen dafür, dass nur für individuelle Betriebsschließungen Versicherungsschutz bestehe („intrinsische Gefahren“). Seien die Versicherungsbedingungen hinsichtlich der Seuchen „offen“ formuliert (demonstrativ oder gar keine Aufzählung), bestehe Versicherungsschutz für individuelle Maßnahmen aufgrund von COVID-19 (aaO Rz 47).

[61]       4.3.4. Schauer (aaO 700 f) meint, dass gute Gründe für die erstinstanzliche Rechtsansicht sprächen. Maßgeblich sei, dass die auf der COVID-19-Gesetzgebung beruhende Maßnahme das versicherte Risiko in derselben Weise beeinträchtige wie dies aufgrund einer Schließung nach dem EpiG der Fall gewesen wäre. Auch ohne die auf der Grundlage des EpiG ergangene Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz wäre nicht anders zu entscheiden gewesen, wenn also der Versicherungsnehmer sein Hotel erst(mals) wegen der aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes ergangenen Verordnung des Landeshauptmanns von Vorarlberg geschlossen hätte. Die das versicherte Interesse berührende Maßnahme nach der Covid-Gesetzgebung sei den behördlichen Anordnungen aufgrund des EpiG gleichzuhalten. Der Gesetzgeber hätte die Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 auch im EpiG regeln können.

[62]       4.3.5. Günther (in FD-VersR 2020, 432602 [Anmerkung zur erstinstanzlichen Entscheidung]) meint, dass weder das COVID-19-Maßnahmengesetz noch die Verordnung des Landeshauptmanns (Betretungsverbot) einer Aufrechterhaltung der „weitergehenden“ Anordnung der Bezirkshauptmannschaft (Betriebsschließung) aufgrund des EpiG entgegengestanden hätten. Letztere wäre weiterhin vom Versicherungsschutz umfasst, sei also nicht aufgrund einer nachträglichen Gesetzesänderung „aus der Deckung gefallen“.

[63]       4.4. Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

[64]       Es sprechen folgende Gründe gegen eine Gleichstellung von Betriebsschließung und Betretungsverbot:

[65]       4.4.1. Der Gesetzgeber hat klargestellt (siehe oben Punkt 1.2.), dass einerseits Betretungsverbote nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz und andererseits Betriebs-schließungen nach § 20 EpiG möglich sein sollen. Sowohl das EpiG als auch das COVID-19-Maßnahmengesetz stehen in Kraft. Es bestehen daher zwei verschiedene behördliche Maßnahmen nebeneinander, was schon darauf hinweist, dass sie nicht dasselbe Risiko abdecken, weil es ansonsten nicht beider Bestimmungen bedurft hätte. Die Bedingungen F 472, die auf Betriebsschließungen nach dem EpiG abstellen, haben damit trotz des COVID-19-Maßnahmengesetzes auch weiter einen Anwendungsbereich.

[66]                4.4.2. Das Betretungsverbot richtet sich an „Touristinnen und Touristen“, nicht jedoch unmittelbar an den Unternehmer selbst, das heißt, es fehlt der unmittelbare Bezug zu einem Betrieb.

[67]                4.4.3. Ein nach § 1 und § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz angeordnetes Betretungsverbot ist schon begrifflich etwas anderes als eine (nach den Versicherungsbedingungen erforderliche) Betriebsschließung nach dem EpiG. Eine Schließung des Betriebs muss nach den Bedingungen F 472 zu einem gänzlichen Betriebsstillstand führen (vgl oben Punkt 3.7.), während bei einem Betretungsverbot dem Wortlaut nach grundsätzlich kein solcher Betriebsstillstand eintritt, weil weiterhin die teilweise Aufrechterhaltung des Betriebs möglich ist (zB durch Online-Bestellungen; Abholungen; Zustellungen; Beherbergung von Geschäftsreisenden). Schon ausgehend vom Wortlaut besteht daher ein erheblicher Unterschied zwischen einem Betretungsverbot und einer Betriebsschließung. Darauf, ob sich ein Betretungsverbot für einzelne Betriebe von Versicherungsnehmern faktisch wie eine Betriebsschließung auswirkt, kommt es bei der Auslegung der vereinbarten Bedingungslage (vereinbartes Risiko) hingegen nicht an.

[68]                Es ist daher festzuhalten, dass eine Betriebsschließung qualitativ ein anderes Risiko ist als ein Betretungsverbot, sodass es unerheblich ist, in welchen Gesetzen es angeordnet wird, weil nach den Bedingungen F 472 nur Betriebsschließungen gedeckt sind. Das Risiko einer bloß faktisch als Nebenwirkung eintretenden Betriebsschließung aufgrund des hier angeordneten Betretungsverbots nach dem COVID-19-Maßnahmengesetzes ist daher von Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 nicht gedeckt.

[69]                4.4.4. Nach Art 5 der Bedingungen F 472 geht der Anspruch auf Entschädigung, der dem Versicherungsnehmer aus Anlass der behördlichen Betriebsschließung gegen den Bund zusteht (vgl § 32 Abs 4 EpiG: Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen Einkommen), auf den Versicherer nach Maßgabe seiner Versicherungsleistung über. Die Parteien vereinbarten auch, dass der Versicherungsnehmer auf Verlangen des Versicherers eine Abtretungsurkunde ausstellen muss, offenbar um eine Rechtslage § 67 VersVG entsprechend sicherzustellen. Der Versicherer soll also nach den Bedingungen F 472 hinsichtlich der Entschädigung bloß in Vorlage treten, sodass er nach dieser Vereinbarung nach Eingang der Entschädigungsleistung durch den Bund letztlich nur die Differenz zum (allfällig) höheren Schaden zu tragen hat. Dadurch wird vereinbarungsgemäß das vom Versicherer übernommene Risiko erheblich und kalkulierbar gemindert. Die umfangreichen Ersatzleistungen des Bundes nach § 20 iVm § 32 EpiG und das dadurch geringe(re) Risiko des Versicherers erklärt, jedenfalls zum Teil, auch die Höhe der Versicherungsprämie.

[70]                4.4.5. Das COVID-19-Maßnahmengesetz sieht demgegenüber keine Ersatzleistungen des Bundes vor. Mit der Schaffung des COVID-19-Maßnahmengesetzes verfolgte der Gesetzgeber offenkundig (auch) das Anliegen, Entschädigungsansprüche im Fall einer Schließung von Betriebsstätten nach dem EpiG, konkret nach § 20 iVm § 32 EpiG, auszuschließen (VfGH G 202/20 ua [Punkt 2.4.2.2.]). Der Gesetzgeber hat zwar das Betretungsverbot in ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket eingebettet, das funktionell darauf abzielt, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Betretungsverbots auf die davon betroffenen Unternehmen bzw allgemein die Folgen der COVID-19-Pandemie abzufedern (vgl dazu die Darstellung des VfGH G 202/2020 ua [Punkt 2.3.6.]). Der Versicherungsnehmer bekommt danach wohl auch eine Entschädigung, aber sie ist geringer als nach § 32 EpiG und nicht vorweg präzisiert und damit nicht kalkulierbar.

[71]                4.4.6. Auch Art 5 der Bedingungen F 472 stellt auf das EpiG ab, sodass seiner unmittelbaren Anwendung für andere Entschädigungen der öffentlichen Hand die Grundlage entzogen ist. Damit fehlt den Parteien eine gleichwertige, absehbare Vertrags- und Rechtslage wie sie zum EpiG besteht. Klar ist lediglich, dass das allgemeine versicherungsrechtliche Bereicherungsverbot (vgl RS0081314) gilt und dass sich der Versicherungsnehmer die Entschädigungszahlungen der öffentlichen Hand zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen eines Betretungsverbots nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz grundsätzlich anrechnen lassen muss. Es ist aber nicht mehr geregelt, ob der Versicherer in Vorlage treten muss (wie zum EpiG) oder ob der Versicherungsnehmer erst nach Anrechnung der Leistungen der öffentlichen Hand Anspruch auf die Differenz zu seinem Schaden hat.

[72]                4.4.7. Da das COVID-19-Maßnahmengesetz unmittelbar, wie dargelegt, gar keine Entschädigungen mehr vorsieht, kann der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer nicht erwarten, dass er bei einem derart erhöhten Risiko des Versicherers durch eine mit dem EpiG wirtschaftlich nicht vergleichbare Rechtslage dennoch auch für Maßnahmen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz bei selber Prämie gleiche Versicherungsdeckung erhält.

[73]                4.4.8. Zusammengefasst ist damit festzuhalten, dass sich das Risiko durch ein Betretungsverbot nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz im Verhältnis zu einer versicherten Betriebsschließung nach dem EpiG sowohl qualitativ als auch quantitativ erhöht hat, was einen fortwirkenden Versicherungsschutz ausschließen muss.

[74]                4.4.9. Das bedeutet, dass dem Kläger für die Zeit vom 28. 3. bis 13. 4. 2020 während des angeordneten Betretungsverbots keine Versicherungsleistung zusteht.

[75]                5. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Versicherungsfall nicht bereits mit der erstmaligen Betriebsschließung durch die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft auf der Grundlage des EpiG ein für allemal (bis 13. 4. 2020) eingetreten und allein diese Rechtsgrundlage maßgeblich. Der Kläger übersieht nämlich, dass Grundlage für die Beeinträchtigungen seines Betriebs im klagsgegenständlichen Zeitraum ab 28. 3. 2020 nicht diese Verordnung, sondern die Verordnung des Landeshauptmanns von Vorarlberg war, die auf Basis des COVID-19-Maßnahmengesetzes erging und die ursprüngliche Verordnung gerade nicht fort wirkte.

[76]                6. Der Kläger hat auch keinen Schadenersatzanspruch gegenüber der Beklagten. Der Versicherungsagent der Beklagten erklärte ihm insbesondere, dass ein Schaden resultierend aus einer behördlichen Betriebsschließung aufgrund einer vom Betrieb ausgehenden Seuchengefahr versichert sei. Diese Aufklärung und Information des Klägers erfolgte ordnungsgemäß, besteht doch speziell Versicherungsschutz für die behördliche Schließung des Betriebs aufgrund des (damals allein geltenden) EpiG zur Verhinderung und Verbreitung von Seuchen. Der Kläger wurde nicht falsch belehrt. Künftige Änderungen der Sach- und Rechtslage (wie die Anordnung von Betretungsverboten auf der Grundlage des COVID-19-Maßnahmengesetzes, weil sich das EpiG als nicht der Sachlage entsprechend erwies) waren nicht voraussehbar und bedurften keiner Aufklärung. Eine „All-Risk-Versicherung“ gibt es grundsätzlich ohnehin nicht (vgl RS0119747); eine solche durfte der Kläger auch nicht erwarten. Mangels rechtswidrigen Verhaltens des Versicherungsagenten (hinsichtlich der nicht näher konkretisierten Prämienrückforderung auch mangels Nachweises des Klägers, dass er den Deckungsbaustein „Betriebsschließung infolge Seuchengefahr aufgrund des Epidemiegesetzes“ nicht mitversichert hätte) besteht auch das hilfsweise auf Schadenersatz gestützte Klagebegehren nicht zu Recht.

[77]                7. Der Revision ist daher Folge zu geben und das Klagebegehren (insgesamt) abzuweisen. Die von der Beklagten behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens muss nicht mehr geprüft werden.

[78]       Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00214.20A.0224.000

2.6. RS zu 7Ob214/20a
2.6. RS zu 7Ob214/20a

OGH 24.02.2021, 7Ob214/20a (RS)

OGH 24.02.2021, 7Ob214/20a (Rechtssatz) (RS zu 7Ob214/20a)

2.6. RS zu 7Ob214/20a |
| 2.6. RS zu 7Ob214/20a

Gericht

OGH

Rechtssatznummer

RS0133467

Entscheidungsdatum

24.02.2021

Geschäftszahl

7Ob214/20a

Norm

AVB Betriebsunterbrechungsversicherung allg

Rechtssatz

Betriebsunterbrechungsversicherung - COVID-19

Entscheidungstexte

TE OGH 2021-02-24 7 Ob 214/20a

Beisatz: Hier: F 472 (Betriebsschließung infolge Seuchengefahr): Deckung bei Betriebsschließung aufgrund des Epidemiegesetzes, qualitative und quantitative Änderung des Risikos bei Betriebsunterbrechung auf Grund des COVID‑19‑Maßnahmengesetzes. (T1)

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2021:RS0133467

2.7. Detektiv bei Ehebruch
2.7. Detektiv bei Ehebruch

OGH 27.01.2021, 9Ob62/20p

OGH 27.01.2021, 9Ob62/20p (Detektiv bei Ehebruch)

2.7. Detektiv bei Ehebruch |
| 2.7. Detektiv bei Ehebruch

Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

27.01.2021

Geschäftszahl

9Ob62/20p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei ***** W*****, vertreten durch Mag. Annamaria Lechthaler, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei ***** S*****, vertreten durch Dr. Matthias König, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 6.996,60 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. September 2020, GZ 4 R 52/20f-16, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 5. Februar 2020, GZ 18 C 769/19k-12, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]           Die Klägerin war bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz mit ***** verheiratet. Am 14. 6. 2019 erfuhr sie erstmals von der außerehelichen Beziehung ihres Ehegatten zur Beklagten. Darauf angesprochen gestand der Ehegatte der Klägerin sein ehewidriges Verhalten. Am 15. 6. 2019 zog er aus dem ehelichen Wohnhaus aus und wohnt seit diesem Zeitpunkt getrennt von der Klägerin.

[2]                  Noch am selben Tag schlug der Ehegatte der Klägerin vor, am 26. 6. 2019 einen Termin für eine Paartherapie wahrzunehmen. Während der Ehegatte der Klägerin den Zweck dieser Paartherapie darin sah, eine möglichst eskalations- und friktionsfreie Trennung von der Klägerin zu erreichen, sah die Klägerin das Ziel dieses Termins darin, ihre verloren gegangene eheliche Beziehung wieder herzustellen. Die Klägerin setzte daher ihrem Ehegatten für ihre Teilnahme an der Paartherapie zwei Bedingungen: Zum einen die sofortige Beendigung der außerehelichen Beziehung zur Beklagten und zum anderen die Rückkehr in die eheliche Wohnung. Der Ehegatte erklärte der Klägerin daraufhin wahrheitswidrig, er werde die Beziehung zur Beklagten bei einem Treffen am 21. 6. 2019 beenden.

[3]                  Am 21. 6. 2019 erteilte die Klägerin einem Detektiv den Auftrag, festzustellen, ob ihr Ehegatte an diesem Abend tatsächlich seine Beziehung zur Beklagten beendet. Der Detektiv stellte fest, dass der Ehegatte seine außereheliche Beziehung zur Beklagten nicht beendet, sondern ein offenkundig gegenteiliges Verhalten gesetzt hatte. Über entsprechenden Vorhalt der Klägerin am 22. 6. 2019 erklärte ihr Ehegatte, er sei schwach geworden, habe mit der Beklagten zwar nicht Schluss gemacht, werde mit ihr aber keinen Kontakt mehr haben. In der Folge erteilte die Klägerin dem Detektiv den weiteren Auftrag, ihren Ehegatten am 24. 6. 2019 nochmals zu observieren, um festzustellen, ob dessen neue Erklärungen ihr gegenüber der Wahrheit entsprachen. Tatsächlich traf sich der Ehegatte der Klägerin mit der Beklagten an diesem Tag.

[4]                  Die Beklagte wusste schon bei Aufnahme der ehewidrigen Beziehung, dass der Ehegatte der Klägerin aufrecht verheiratet war. Er hatte der Beklagten seit März/April 2019 aber stets wahrheitsgemäß erklärt, sich von der Klägerin trennen zu werden. Jedenfalls bis nach der zweiten Observation hatte er gegenüber der Beklagten auch nicht angedeutet, die Beziehung zur Klägerin wieder aufnehmen zu wollen. Vielmehr hatte er der Beklagten im Vorfeld des Beratungstermins vom 26. 6. 2019 erklärt, dass dieser nur dazu diene, die eheliche Beziehung mit der Klägerin möglichst friktionsfrei zu beenden.

[5]                  Die Vorinstanzen wiesen übereinstimmend das auf Ersatz der Detektivkosten für die Aufträge vom 21. 6. und 24. 6. 2019 gerichtete Klagebegehren ab. Da die Klägerin schon vor der Beauftragung des Detektivs in Kenntnis des untreuen, außerehelichen Verhältnisses ihres Ehegatten gewesen sei, habe es zur Abklärung dieser Tatsache keiner Observierung durch einen Detektiv bedurft. Die Beauftragung des Detektivs sei auch nicht aus diesem Grund erfolgt. Für die klagsgegenständlichen Detektivkosten, die der Klägerin dadurch entstanden seien, dass sie die Einhaltung der ihr gegenüber abgegebenen Versprechen ihres Ehegatten und damit dessen Wohlverhalten überprüfen wollte, treffe die Beklagte, die in diese Abmachungen der Ehegatten nicht eingebunden gewesen sei, keine Haftung.

[6]           Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur vorliegenden Sachverhaltskonstellation noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung existiere.

[7]           Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem auf gänzliche Klagsstattgabe gerichteten Abänderungsantrag. Die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage stelle sich vor dem Hintergrund einer bereits gefestigten Judikatur des Obersten Gerichtshofs zwar nicht, die Revision sei jedoch schon deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht von dieser Rechtsprechung abweiche.

[8]           Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9]                  Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Selbst bei Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente mit Hilfe bereits vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (RS0042656 [T48]). Dies trifft hier zu. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

[10]                  1. Nach ständiger und einhelliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat der Ehestörer aus dem Titel des Schadenersatzes alle jene nach der Interessenlage gerechtfertigten Überwachungskosten zu ersetzen, die der in seinen Rechten verletzte Ehegatte nach objektiven Maßstäben für notwendig ansehen konnte, um sich über das Verhalten seines Ehepartners Gewissheit zu verschaffen (RS0022943 [T21 ff]; RS0022959 [T1, T20]). Dieses Recht, sich durch Betrauung eines Detektivs Gewissheit zu verschaffen, findet seine Grenze jedoch dort, wo die Überwachung offenkundig überflüssig, von vornherein aussichtslos und erkennbar unzweckmäßig ist oder aber Rechtsmissbrauch vorliegt (RS0022943 [T16, T26]; RS0022959 [T12, T14]).

[11]                  2. Ob im Einzelfall eine Überwachung des treulosen Ehepartners durch einen Detektiv überflüssig, von vornherein aussichtslos oder erkennbar unzweckmäßig ist oder ob gar Rechtsmissbrauch vorliegt, kann nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (2 Ob 102/03v). Eine Überschreitung des den Gerichten in einem derartigen Fall zukommenden Beurteilungsspielraums vermag die Revision der Klägerin nicht aufzuzeigen.

[12]                3. Die Klägerin wusste zum Zeitpunkt der Erteilung der beiden Observierungsaufträge über die außereheliche Beziehung ihres Ehegatten zur Beklagten Bescheid. Es gab insoweit keinen unklaren Sachverhalt, den es zu klären galt, und damit kein weiteres rechtlich relevantes Informationsbedürfnis. Die Klägerin behauptete auch nicht, sich erst Gewissheit über die Untreue ihres Ehegatten verschaffen zu müssen oder Beweise für ein allfälliges Scheidungsverfahren zu benötigen. Die Klägerin wollte mit ihrem ersten Observierungsauftrag überprüfen, ob ihr Ehegatte am Abend des 21. 6. 2019 seine außereheliche Beziehung zur Beklagten beenden wird. Tatsächlich war die Ehe aber schon zum Zeitpunkt, als die Klägerin den ersten Observierungsauftrag erteilte, aus objektiver Sicht unheilbar zerrüttet, weil der Ehegatte der Klägerin keinesfalls mehr an der Ehe festhalten wollte. Dies gilt auch für den zweiten Observierungsauftrag vom 24. 6. 2020. Auch dieser diente ausschließlich der Überprüfung der Zusage des Ehegatten gegenüber der Klägerin, keinen Kontakt mehr zur Beklagten zu haben.

[13]                Zwischen den geltend gemachten Kosten und dem Verhalten der Beklagten besteht daher kein Rechtswidrigkeitszusammenhang. Erst durch die neuen Versprechen des Ehegatten entstand das Bedürfnis der Klägerin zu dessen Überwachung. Ein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten der Beklagten in Zusammenhang mit den gegenständlichen Detektivkosten ist zu verneinen, weil die Ehe aus objektiver Sicht bereits unheilbar zerrüttet war und die Beklagte auch keine Anhaltspunkte für eine vom Ehegatten beabsichtigte Wiederaufnahme der ehelichen Beziehung mit der Klägerin hatte (vgl 3 Ob 232/11f).

[14]       Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00062.20P.0127.000