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1. Recht
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Rechtliche Grundlagen

(Recht)

1. Recht
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1.1. ABGB
1.1. ABGB

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie
StF: JGS Nr. 946/1811 idF BGBl. I Nr. 148/2020 (ABGB)

Inhaltsverzeichnis

Stichwortverzeichnis

1.1. ABGB |
| 1.1. ABGB

Vierzehntes Hauptstück

Vom Pflichtteil und der Anrechnung auf den Pflichtteil

I. Allgemeines

1. Pflichtteilsberechtigung

§ 756. Der Pflichtteil ist der Anteil am Wert des Vermögens des Verstorbenen, der dem Pflichtteilsberechtigten zukommen soll.

§ 757. Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen sowie der Ehegatte oder eingetragene Partner des Verstorbenen.

§ 758. (1) Einer in § 757 angeführten Person steht ein Pflichtteil zu, wenn ihr bei gesetzlicher Erbfolge ein Erbrecht zustünde, sie nicht enterbt wurde und nicht auf den Pflichtteil verzichtet worden ist.

(2) Den Nachkommen einer erbunfähigen, enterbten oder vorverstorbenen Person steht ein Pflichtteil zu, wenn sie die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen. Der Verzicht auf den Pflichtteil und die Ausschlagung der Erbschaft erstrecken sich im Zweifel auch auf die Nachkommen. Die Nachkommen eines vorverstorbenen Pflichtteilsberechtigten, dessen Pflichtteil gemindert worden ist, müssen sich mit dem geminderten Pflichtteil begnügen, wenn auch für sie die Voraussetzungen für die Minderung vorliegen (§ 776 Abs. 1 und 2).

(3) Eine in ihrem Pflichtteil verkürzte Person kann sich auch dann auf ihre Pflichtteilsberechtigung stützen, wenn ihr ein Erbrecht aus einem Erbvertrag, einem letzten Willen oder dem Gesetz gebührt.

2. Höhe

§ 759. Als Pflichtteil gebührt jeder pflichtteilsberechtigten Person die Hälfte dessen, was ihr nach der gesetzlichen Erbfolge zustünde.

§ 760. (1) Wenn einer der in § 757 angeführten Personen infolge Pflichtteilsverzichtes oder Ausschlagung der Erbschaft kein Pflichtteil zusteht, erhöht dies im Zweifel die Pflichtteile der anderen Pflichtteilsberechtigten nicht.

(2) Wenn aber einer der in § 757 angeführten Personen aus anderen Gründen kein oder nur ein geminderter Pflichtteil zusteht und an ihrer Stelle auch keine Nachkommen den Pflichtteil erhalten, erhöhen sich die Pflichtteile der anderen Pflichtteilsberechtigten anteilig; die §§ 733 und 734 sind anzuwenden.

3. Erfüllungsarten

Leistung und Deckung des Pflichtteils

§ 761. (1) Der Pflichtteil ist in Geld zu leisten. Er kann aber auch durch eine Zuwendung auf den Todesfall des Verstorbenen (§ 780) oder eine Schenkung unter Lebenden (§ 781) gedeckt werden.

(2) Wenn der Verstorbene jemanden auf den Pflichtteil gesetzt hat, wird vermutet, dass er ihm einen Geldanspruch und nicht ein Vermächtnis zuwenden wollte.

Bedingungen und Belastungen

§ 762. Haften einer Zuwendung oder Schenkung im Sinn der §§ 780 und 781 Bedingungen oder Belastungen an, die der Verwertung des zugewendeten Vermögens entgegenstehen, so hindert dies nicht deren Eignung zur Pflichtteilsdeckung; ein dadurch fehlender oder verminderter Nutzen ist aber bei der Bewertung der Zuwendung oder Schenkung zu berücksichtigen.

Geldpflichtteil

§ 763. Soweit der Pflichtteil durch eine Zuwendung oder Schenkung im Sinn der §§ 780 und 781 nicht oder nicht voll gedeckt wird, kann der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil selbst oder dessen Ergänzung in Geld fordern.

4. Pflichtteilsschuldner

§ 764. (1) Der Pflichtteilsanspruch ist von der Verlassenschaft und nach der Einantwortung von den Erben zu erfüllen.

(2) Wenn der Pflichtteil durch eine Zuwendung oder Schenkung im Sinn der §§ 780 und 781 nicht oder nicht voll gedeckt wird, haben neben den Erben auch die Vermächtnisnehmer höchstens bis zum Wert der Verlassenschaft zu seiner Bedeckung verhältnismäßig beizutragen, nicht jedoch der Ehegatte oder eingetragene Partner mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis, der Lebensgefährte mit einem solchen gesetzlichen Vermächtnis und der Begünstigte aus einem Pflegevermächtnis.

5. Anfall und Fälligkeit

§ 765. (1) Der Pflichtteilsberechtigte erwirbt den Anspruch für sich und seine Nachfolger mit dem Tod des Verstorbenen.

(2) Den Geldpflichtteil kann der Pflichtteilsberechtigte erst ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen fordern.

Stundung

§ 766. (1) Der letztwillig Verfügende kann die Stundung des Pflichtteilsanspruchs auf höchstens fünf Jahre nach seinem Tod oder die Zahlung in Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums anordnen. Ebenso kann er die Deckung des Pflichtteils durch eine Zuwendung ganz oder zum Teil auf diesen Zeitraum erstrecken.

(2) In den Fällen des Abs. 1 kann der Pflichtteilsberechtigte den gesamten oder restlichen Geldpflichtteil erst mit Ende dieses Zeitraums fordern, es sei denn, dass ihn dies unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig hart träfe. Die Interessen und die Vermögenslage des Pflichtteilsschuldners sind angemessen zu berücksichtigen.

(3) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann der in Abs. 1 genannte Zeitraum auf insgesamt höchstens zehn Jahre durch das Gericht verlängert werden.

§ 767. (1) Der Pflichtteilsanspruch ist auf Verlangen eines Pflichtteilsschuldners auch gerichtlich zu stunden, soweit diesen die Erfüllung unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig hart träfe. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn er mangels ausreichenden anderen Vermögens die Wohnung, die ihm zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient, oder ein Unternehmen, das seine wirtschaftliche Lebensgrundlage darstellt, veräußern müsste. Ebenso ist der Geldpflichtteilsanspruch auf Verlangen eines Pflichtteilsschuldners zu stunden, wenn dessen sofortige Entrichtung den Fortbestand eines Unternehmens erheblich gefährdet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen.

(2) Das Gericht kann den Pflichtteilsanspruch auf höchstens fünf Jahre nach dem Tod des Verstorbenen stunden oder die Zahlung in Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums bewilligen.

(3) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann der in Abs. 2 genannte Zeitraum auf insgesamt höchstens zehn Jahre durch das Gericht verlängert werden.

Sicherstellung des Pflichtteilsanspruchs und Anpassung einer Stundungsregelung

§ 768. Das Gericht kann auf Antrag die Sicherstellung des Pflichtteilsanspruchs anordnen und bei einer erheblichen Änderung der Umstände eine Stundungsregelung ändern oder aufheben. Der Pflichtteilsschuldner und der Pflichtteilsberechtigte haben einander über eine wesentliche Änderung der Umstände unverzüglich zu informieren.

II. Ausschluss von der Pflichtteilsberechtigung

1. Enterbung

Allgemeines

§ 769. Enterbung ist die gänzliche oder teilweise Entziehung des Pflichtteils durch letztwillige Verfügung.

Enterbungsgründe

§ 770. Ein Pflichtteilsberechtigter kann enterbt werden, wenn er

1.

gegen den Verstorbenen eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist,

2.

gegen den Ehegatten, eingetragenen Partner, Lebensgefährten oder Verwandten in gerader Linie, die Geschwister des Verstorbenen und deren Kinder, Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten sowie die Stiefkinder des Verstorbenen eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist,

3.

absichtlich die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht hat (§ 540),

4.

dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat,

5.

sonst seine familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Verstorbenen gröblich vernachlässigt hat, oder

6.

wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

Enterbung aus guter Absicht

§ 771. Wenn auf Grund der Verschuldung oder des verschwenderischen Lebensstils eines Pflichtteilsberechtigten die Gefahr besteht, dass der ihm gebührende Pflichtteil ganz oder größtenteils seinen Kindern entgehen wird, kann ihm der Pflichtteil zugunsten seiner Kinder entzogen werden.

Art der Erklärung und Ursächlichkeit des Grundes

§ 772. (1) Die Enterbung kann ausdrücklich oder stillschweigend durch Übergehung in der letztwilligen Verfügung erfolgen.

(2) Der Enterbungsgrund muss für die Enterbung durch den Verstorbenen ursächlich gewesen sein.

Widerruf der Enterbung und Verzeihung

§ 773. (1) Die Enterbung kann widerrufen werden, und zwar ausdrücklich oder stillschweigend durch die nachträgliche letztwillige Bedenkung des vorher Enterbten oder durch den Widerruf der letztwilligen Verfügung, welche die Enterbung anordnet.

(2) Konnte der Verstorbene die Enterbung auf Grund fehlender Testierfähigkeit nicht mehr widerrufen, so ist die Enterbung unwirksam, wenn der Verstorbene zu erkennen gegeben hat, dass er dem Enterbten verziehen hat.

Beweislast

§ 774. (1) Das Vorliegen eines Enterbungsgrundes muss der Pflichtteilsschuldner beweisen.

(2) Bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes wird vermutet, dass dieser für die ausdrückliche oder stillschweigende Enterbung ursächlich war.

Enterbung ohne Grund und Übergehung

§ 775. (1) Hat der Verstorbene den Pflichtteilsberechtigten wegen eines bestimmten Verhaltens, das keinen Enterbungsgrund darstellt, ausdrücklich oder stillschweigend enterbt, so wird vermutet, dass er ihn auf den Pflichtteil setzen und nicht mit einem Erbteil bedenken wollte.

(2) Wenn der Verstorbene Kinder und deren Nachkommen hatte, von deren Geburt er bei Errichtung einer letztwilligen Verfügung nicht wusste, wird vermutet, dass er ihnen letztwillig etwas zukommen lassen wollte. Hatte er daneben noch andere Kinder, so wird vermutet, dass er das ihm nicht bekannte Kind zumindest gleich bedacht hätte wie das am mindesten bedachte Kind. Wenn das ihm nicht bekannte Kind sein einziges war, gilt die letztwillige Verfügung als widerrufen, es sei denn, dass der Verstorbene diese Verfügung auch in Kenntnis von seinem Kind errichtet hätte.

2. Pflichtteilsminderung

§ 776. (1) Der Verfügende kann den Pflichtteil letztwillig auf die Hälfte mindern, wenn er und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit oder zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Verfügenden nicht in einem Naheverhältnis standen, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich besteht.

(2) Das Recht auf Pflichtteilsminderung steht nicht zu, wenn der Verstorbene den Kontakt grundlos gemieden oder berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben hat.

(3) Die §§ 773 und 774 gelten sinngemäß für die Pflichtteilsminderung; die Pflichtteilsminderung kann auch stillschweigend durch Übergehung in der letztwilligen Verfügung angeordnet worden sein.

3. Notwendiger Unterhalt des Pflichtteilsberechtigten

§ 777. Selbst wenn ein Pflichtteilsberechtigter erbunwürdig oder enterbt worden ist, steht ihm doch stets der notwendige Unterhalt zu.

III. Pflichtteilsermittlung

1. Ermittlung und Berechnung des Pflichtteils

§ 778. (1) Auf Antrag eines Pflichtteilsberechtigten wird zur Ermittlung des Pflichtteils die gesamte Verlassenschaft genau beschrieben und geschätzt.

(2) Die Schätzung hat auf den Todestag des Verstorbenen abzustellen. Bis zur Erfüllung des Geldpflichtteils stehen dem Pflichtteilsberechtigten die gesetzlichen Zinsen zu.

§ 779. (1) Schulden und andere Lasten, die schon zu Lebzeiten des Verstorbenen auf dem Vermögen hafteten, werden von der Verlassenschaft ebenso abgezogen wie alle nach dem Erbfall und vor der Einantwortung entstandenen und mit der Besorgung, Verwaltung und Abhandlung der Verlassenschaft verbundenen Kosten.

(2) Der Pflichtteil wird aber ohne Rücksicht auf Vermächtnisse und andere aus dem letzten Willen entspringende Lasten berechnet.

2. Anrechnung von Zuwendungen auf den Todesfall

§ 780. (1) Alles, was der Pflichtteilsberechtigte als Erbteil, Vermächtnis oder nach dem Erbfall als Begünstigter einer vom Verstorbenen errichteten Privatstiftung oder vergleichbaren Vermögensmasse erhält, wird auf den Geldpflichtteil angerechnet, also von diesem abgezogen.

(2) Zuwendungen auf den Todesfall sind auf den Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen zu bewerten.

3. Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen unter Lebenden

§ 781. (1) Schenkungen, die der Pflichtteilsberechtigte oder auch ein Dritter vom Verstorbenen zu dessen Lebzeiten oder auf den Todesfall erhalten hat, sind der Verlassenschaft nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen hinzuzurechnen und auf einen allfälligen Geldpflichtteil des Geschenknehmers anzurechnen.

(2) Als Schenkung in diesem Sinn gelten auch

1.

die Ausstattung eines Kindes,

2.

ein Vorschuss auf den Pflichtteil,

3.

die Abfindung für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht,

4.

die Vermögenswidmung an eine Privatstiftung,

5.

die Einräumung der Stellung als Begünstigter einer Privatstiftung, soweit ihr der Verstorbene sein Vermögen gewidmet hat, sowie

6.

jede andere Leistung, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden gleichkommt.

Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen

§ 782. (1) Auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten sind Schenkungen, die der Verstorbene in den letzten beiden Jahren vor seinem Tod an Personen, die nicht dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten angehören (§ 757), wirklich gemacht hat, bei der Berechnung der Verlassenschaft hinzuzurechnen.

(2) Dieses Recht steht einem Nachkommen nur bei Schenkungen zu, die der Verstorbene zu einer Zeit gemacht hat, zu der er ein pflichtteilsberechtigtes Kind gehabt hat, dem Ehegatten oder eingetragenen Partner nur bei Schenkungen, die während seiner Ehe oder eingetragenen Partnerschaft mit dem Verstorbenen gemacht worden sind.

Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte

§ 783. (1) Auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten oder eines Erben sind Schenkungen an Personen, die dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten angehören (§ 757), der Verlassenschaft hinzuzurechnen und auf den Pflichtteil der beschenkten Person oder derjenigen Person, die an deren Stelle tritt, anzurechnen. Ein Geschenknehmer, der im Zeitpunkt der Schenkung allgemein zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehörte (§ 757) und dem deshalb kein Pflichtteil zukommt, weil er auf seinen Pflichtteil verzichtet hat oder die Erbschaft ausgeschlagen hat, kann ebenfalls die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte verlangen.

(2) Die Hinzu- und Anrechnung kann auch ein Vermächtnisnehmer verlangen, soweit er zur Pflichtteilserfüllung beizutragen hat oder einen verhältnismäßigen Abzug erleidet.

Ausnahmen

§ 784. Schenkungen, die der Verstorbene aus Einkünften ohne Schmälerung des Stammvermögens, zu gemeinnützigen Zwecken, in Entsprechung einer sittlichen Pflicht oder aus Gründen des Anstandes gemacht hat, sind weder hinzu- noch anzurechnen, sofern der Verstorbene und der Geschenknehmer nichts anderes vereinbart haben.

§ 785. Schenkungen an einen Pflichtteilsberechtigten sind auf dessen Pflichtteil insoweit nicht anzurechnen, als der Verstorbene den Erlass dieser Anrechnung letztwillig verfügt oder mit ihm vereinbart hat. In einem solchen Fall ist die von der Anrechnung befreite Zuwendung bei der Ermittlung des Pflichtteils dieses von der Anrechnung befreiten Pflichtteilsberechtigten nicht hinzuzurechnen. Der Vertrag über den Erlass der Anrechnung bedarf der Schriftform; die Aufhebung dieses Vertrags bedarf der Formvorschriften für einen Pflichtteilsverzicht.

Auskunftsanspruch

§ 786. Wer berechtigt ist, die Hinzurechnung bestimmter Schenkungen zu verlangen, hat in Bezug auf diese einen Auskunftsanspruch gegen die Verlassenschaft, die Erben und den Geschenknehmer.

Rechenmethode

§ 787. (1) Eine Schenkung, die der Verlassenschaft nach den vorstehenden Bestimmungen hinzugerechnet wird, ist ihr rechnerisch hinzuzuschlagen. Von der dadurch vergrößerten Verlassenschaft sind die Pflichtteile zu ermitteln.

(2) Von einem auf solche Art und Weise vergrößerten Pflichtteil ist die Schenkung an den pflichtteilsberechtigten Geschenknehmer, soweit sie auf seinen Pflichtteil anzurechnen ist, abzuziehen.

Bewertung der Schenkung

§ 788. Die geschenkte Sache ist auf den Zeitpunkt zu bewerten, in dem die Schenkung wirklich gemacht wurde. Dieser Wert ist sodann auf den Todeszeitpunkt nach einem von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex anzupassen.

IV. Haftung des Geschenknehmers

§ 789. (1) Wenn bei Bestimmung der Pflichtteile Schenkungen hinzu- oder angerechnet werden, die Verlassenschaft aber zur Deckung der Pflichtteile nicht ausreicht, kann der verkürzte Pflichtteilsberechtigte vom Geschenknehmer die Zahlung des Fehlbetrags verlangen. Dies gilt nicht für die Ausstattung, die ein Kind erhalten hat, soweit es auf diese nach § 1220 einen Anspruch hatte.

(2) Mehrere Geschenknehmer haften für den Ausfall am Pflichtteil anteilig im Verhältnis des Wertes ihrer Geschenke.

(3) Bezahlt der Geschenknehmer den Fehlbetrag oder den Anteil, für den er nach Abs. 2 einzustehen hat, nicht, so haftet er nur mit der zugewendeten Sache.

§ 790. (1) Besitzt der Geschenknehmer die zugewendete Sache oder ihren Wert nicht mehr oder hat sich ihr Wert vermindert, so haftet er mit seinem gesamten Vermögen, wenn er diesen Verlust unredlich zugelassen hat.

(2) Auf den Anspruch auf Zahlung des Fehlbetrags sind §§ 766 bis 768 über die Stundung des Pflichtteils sinngemäß anzuwenden.

§ 791. (1) Ein pflichtteilsberechtigter Geschenknehmer (§ 758) haftet einem anderen verkürzten Pflichtteilsberechtigten nur insoweit, als er infolge der Schenkung mehr als den ihm bei Berücksichtigung der hinzuzurechnenden Schenkungen gebührenden Pflichtteil erhalten hat.

(2) Ist der Geschenknehmer vorverstorben, hat er auf seinen Pflichtteil verzichtet oder die Erbschaft ausgeschlagen, so steht ihm oder seinen Erben die Haftungsfreistellung in Höhe seines hypothetischen Pflichtteils, der zum Todeszeitpunkt des Verstorbenen zu berechnen ist, zu. Die Schenkung ist selbst dann hinzuzurechnen, wenn der Verstorbene die Anrechnung auf den Pflichtteil erlassen hat.

(3) Soweit der Geschenknehmer oder dessen Erbe eine Haftungsbeschränkung bereits geltend gemacht hat, kann eine Person, der der Pflichtteil anstelle des Pflichtteilsberechtigten zufällt oder deren Pflichtteil durch den Wegfall des Pflichtteilsberechtigten erhöht wird, keine weitere solche Haftungsbeschränkung geltend machen.

§ 792. Wenn der Geschenknehmer im Zeitpunkt der Schenkung nicht zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehörte (§ 757), haftet er nicht, wenn der Verstorbene die Schenkung mehr als zwei Jahre vor seinem Tod wirklich gemacht hat.

Dreyßigstes Hauptstück.

Von dem Rechte des Schadensersatzes und der Genugthuung.

Schade.

§ 1293. Schade heißt jeder Nachtheil, welcher jemanden an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefüget worden ist. Davon unterscheidet sich der Entgang des Gewinnes, den jemand nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge zu erwarten hat.

Quellen der Beschädigung.

§ 1294. Der Schade entspringt entweder aus einer widerrechtlichen Handlung, oder Unterlassung eines Anderen; oder aus einem Zufalle. Die widerrechtliche Beschädigung wird entweder willkührlich, oder unwillkührlich zugefügt. Die willkührliche Beschädigung aber gründet sich theils in einer bösen Absicht, wenn der Schade mit Wissen und Willen; theils in einem Versehen, wenn er aus schuldbarer Unwissenheit, oder aus Mangel der gehörigen Aufmerksamkeit, oder des gehörigen Fleißes verursachet worden ist. Beydes wird ein Verschulden genannt.

Von der Verbindlichkeit zum Schadenersatze:

1) von dem Schaden aus Verschulden;

§ 1295. (1) Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der Schaden mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein.

(2) Auch wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt, ist dafür verantwortlich, jedoch falls dies in Ausübung eines Rechtes geschah, nur dann, wenn die Ausübung des Rechtes offenbar den Zweck hatte, den anderen zu schädigen.

§ 1296. Im Zweifel gilt die Vermuthung, daß ein Schade ohne Verschulden eines Anderen entstanden sey.

§ 1297. Es wird aber auch vermuthet, daß jeder welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sey, welcher bey gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Wer bey Handlungen, woraus eine Verkürzung der Rechte eines Anderen entsteht, diesen Grad des Fleißes oder der Aufmerksamkeit unterläßt, macht sich eines Versehens schuldig.

§ 1298. Wer vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen oder gesetzlichen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sey, dem liegt der Beweis ob. Soweit er auf Grund vertraglicher Vereinbarung nur für grobe Fahrlässigkeit haftet, muß er auch beweisen, daß es an dieser Voraussetzung fehlt.

insbesondere: a) der Sachverständigen;

§ 1299. Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerke öffentlich bekennet; oder wer ohne Noth freywillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, daß er sich den nothwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zutraue; er muß daher den Mangel derselben vertreten. Hat aber derjenige, welcher ihm das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit desselben gewußt; oder, bey gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können; so fällt zugleich dem Letzteren ein Versehen zur Last.

§ 1300. Ein Sachverständiger ist auch dann verantwortlich, wenn er gegen Belohnung in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen nachtheiligen Rath ertheilet. Außer diesem Falle haftet ein Rathgeber nur für den Schaden, welchen er wissentlich durch Ertheilung des Rathes dem Anderen verursachet hat.

oder b) mehrere Theilnehmer;

§ 1301. Für einen widerrechtlich zugefügten Schaden können mehrere Personen verantwortlich werden, indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen u. dgl.; oder, auch nur durch Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit, das Uebel zu verhindern, dazu beygetragen haben.

§ 1302. In einem solchen Falle verantwortet, wenn die Beschädigung in einem Versehen gegründet ist, und die Antheile sich bestimmen lassen, jeder nur den durch sein Versehen verursachten Schaden. Wenn aber der Schade vorsätzlich zugefügt worden ist; oder, wenn die Antheile der Einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen, so haften Alle für Einen, und Einer für Alle; doch bleibt demjenigen, welcher den Schaden ersetzt hat, der Rückersatz gegen die Uebrigen vorbehalten.

§ 1303. In wie weit mehrere Mitschuldner bloß aus der unterlassenen Erfüllung ihrer Verbindlichkeit zu haften haben, ist aus der Beschaffenheit des Vertrages zu beurtheilen.

§ 1304. Wenn bey einer Beschädigung zugleich ein Verschulden von Seite des Beschädigten eintritt; so trägt er mit dem Beschädiger den Schaden verhältnißmäßig; und, wenn sich das Verhältniß nicht bestimmen läßt, zu gleichen Theilen.

2) aus dem Gebrauche des Rechtes;

§ 1305. Wer von seinem Rechte innerhalb der rechtlichen Schranken (§ 1295, Absatz 2) Gebrauch macht, hat den für einen anderen daraus entspringenden Nachteil nicht zu verantworten.

3. aus einer schuldlosen oder unwillkührlichen Handlung;

§ 1306. Den Schaden, welchen jemand ohne Verschulden oder durch eine unwillkührliche Handlung verursachet hat, ist er in der Regel zu ersetzen nicht schuldig.

§ 1306a. Wenn jemand im Notstand einen Schaden verursacht, um eine unmittelbar drohende Gefahr von sich oder anderen abzuwenden, hat der Richter unter Erwägung, ob der Beschädigte die Abwehr aus Rücksicht auf die dem anderen drohende Gefahr unterlassen hat, sowie des Verhältnisses der Größe der Beschädigung zu dieser Gefahr oder endlich des Vermögens des Beschädigers und des Beschädigten zu erkennen, ob und in welchem Umfange der Schaden zu ersetzen ist.

§ 1307. Wenn sich jemand aus eigenem Verschulden in einen Zustand der Sinnesverwirrung oder in einen Notstand versetzt hat, so ist auch der in demselben verursachte Schade seinem Verschulden zuzuschreiben. Eben dieses gilt auch von einem Dritten, der durch sein Verschulden diese Lage bei dem Beschädiger veranlaßt hat.

§ 1308. Wenn Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, oder Unmündige jemanden beschädigen, der durch irgendein Verschulden hierzu selbst Veranlassung gegeben hat, so kann er keinen Ersatz ansprechen.

§ 1309. Außer diesem Falle gebührt ihm der Ersatz von denjenigen Personen, denen der Schade wegen Vernachlässigung der ihnen über solche Personen anvertrauten Obsorge beygemessen werden kann.

§ 1310. Kann der Beschädigte auf solche Art den Ersatz nicht erhalten, so soll der Richter mit Erwägung des Umstandes, ob dem Beschädiger, ungeachtet er gewöhnlich seines Verstandes nicht mächtig ist, in dem bestimmten Falle nicht dennoch ein Verschulden zur Last liege; oder, ob der Beschädigte aus Schonung des Beschädigers die Vertheidigung unterlassen habe; oder endlich, mit Rücksicht auf das Vermögen des Beschädigers und des Beschädigten, auf den ganzen Ersatz, oder doch einen billigen Theil desselben erkennen.

4. durch Zufall;

§ 1311. Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet. Hat aber jemand den Zufall durch ein Verschulden veranlaßt; hat er ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, übertreten; oder sich ohne Noth in fremde Geschäfte gemengt, so haftet er für allen Nachtheil, welcher außer dem nicht erfolgt wäre.

§ 1312. Wer in einem Nothfalle jemanden einen Dienst geleistet hat, dem wird der Schade, welchen er nicht verhüthet hat, nicht zugerechnet; es wäre denn, daß er einen Anderen, der noch mehr geleistet haben würde, durch seine Schuld daran verhindert hätte. Aber auch in diesem Falle kann er den sicher verschafften Nutzen gegen den verursachten Schaden in Rechnung bringen.

5) durch fremde Handlungen;

§ 1313. Für fremde, widerrechtliche Handlungen, woran jemand keinen Theil genommen hat, ist er in der Regel auch nicht verantwortlich. Selbst in den Fällen, wo die Gesetze das Gegentheil anordnen, bleibt ihm der Rückersatz gegen den Schuldtragenden vorbehalten.

§ 1313a. Wer einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes.

§ 1314. Wer eine Dienstperson ohne Zeugnis aufnimmt oder wissentlich eine durch ihre Leibes- oder Gemütsbeschaffenheit gefährliche Person im Dienste behält oder ihr Aufenthalt gibt, haftet dem Hausherrn und den Hausgenossen für den Ersatz des durch die gefährliche Beschaffenheit dieser Personen verursachten Schadens.

§ 1315. Überhaupt haftet derjenige, welcher sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung seiner Angelegenheiten bedient, für den Schaden, den sie in dieser Eigenschaft einem Dritten zufügt.

§ 1316. Gastwirte, die Fremde beherbergen, sowie die anderen in § 970 bezeichneten Personen, ferner Fuhrleute haften für den Schaden, welchen ihre eigenen oder die von ihnen zugewiesenen Dienstpersonen an den eingebrachten oder übernommenen Sachen einem Gast oder Reisenden in ihrem Hause, ihrer Anstalt oder ihrem Fahrzeuge verursachen.

§ 1317. In wie fern bey öffentlichen Versendungsanstalten für den Schaden eine Haftung übernommen werde, bestimmen die besonderen Vorschriften.

§ 1318. Wird jemand durch das Herabfallen einer gefährlich aufgehängten oder gestellten Sache, oder durch Herauswerfen oder Herausgießen aus einer Wohnung beschädiget; so haftet derjenige, aus dessen Wohnung geworfen oder gegossen worden, oder die Sache herabgefallen ist, für den Schaden.

6. Durch ein Bauwerk

§ 1319. Wird durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes jemand verletzt oder sonst ein Schaden verursacht, so ist der Besitzer des Gebäudes oder Werkes zum Ersatze verpflichtet, wenn die Ereignung die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, daß er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe.

6a. durch einen Weg;

§ 1319a. (1) Wird durch den mangelhaften Zustand eines Weges ein Mensch getötet, an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so haftet derjenige für den Ersatz des Schadens, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich ist, sofern er oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grobfahrlässig verschuldet hat. Ist der Schaden bei einer unerlaubten, besonders auch widmungswidrigen, Benützung des Weges entstanden und ist die Unerlaubtheit dem Benützer entweder nach der Art des Weges oder durch entsprechende Verbotszeichen, eine Abschrankung oder eine sonstige Absperrung des Weges erkennbar gewesen, so kann sich der Geschädigte auf den mangelhaften Zustand des Weges nicht berufen.

(2) Ein Weg im Sinn des Abs. 1 ist eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehres benützt werden darf, auch wenn sie nur für einen eingeschränkten Benützerkreis bestimmt ist; zu einem Weg gehören auch die in seinem Zug befindlichen und dem Verkehr dienenden Anlagen, wie besonders Brücken, Stützmauern, Futtermauern, Durchlässe, Gräben und Pflanzungen. Ob der Zustand eines Weges mangelhaft ist, richtet sich danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist.

(3) Ist der mangelhafte Zustand durch Leute des Haftpflichtigen verschuldet worden, so haften auch sie nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

7. Durch ein Tier

§ 1320. (1) Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte.

(2) In der Alm- und Weidewirtschaft kann der Halter bei Beurteilung der Frage, welche Verwahrung erforderlich ist, auf anerkannte Standards der Tierhaltung zurückgreifen. Andernfalls hat er die im Hinblick auf die ihm bekannte Gefährlichkeit der Tiere, die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Vermeidung solcher Gefahren und die erwartbare Eigenverantwortung anderer Personen gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Die erwartbare Eigenverantwortung der Besucher von Almen und Weiden richtet sich nach den durch die Alm- und Weidewirtschaft drohenden Gefahren, der Verkehrsübung und anwendbaren Verhaltensregeln.

§ 1321. Wer auf seinem Grund und Boden fremdes Vieh antrifft, ist deßwegen noch nicht berechtiget, es zu töten. Er kann es durch anpassende Gewalt verjagen, oder wenn er dadurch Schaden gelitten hat, das Recht der Privat-Pfändung über so viele Stücke Viehes ausüben, als zu seiner Entschädigung hinreichet. Doch muß er binnen acht Tagen sich mit dem Eigenthümer abfinden, oder seine Klage vor den Richter bringen; widrigen Falls aber das gepfändete Vieh zurückstellen.

§ 1322. Das gepfändete Vieh muß auch zurückgestellet werden, wenn der Eigenthümer eine andere angemessene Sicherheit leistet.

Arten des Schadenersatzes.

§ 1323. Um den Ersatz eines verursachten Schadens zu leisten, muß Alles in den vorigen Stand zurückversetzt, oder, wenn dieses nicht thunlich ist, der Schätzungswerth vergütet werden. Betrifft der Ersatz nur den erlittenen Schaden, so wird er eigentlich eine Schadloshaltung; wofern er sich aber auch auf den entgangenen Gewinn und die Tilgung der verursachten Beleidigung erstreckt, volle Genugthuung genannt.

§ 1324. In dem Falle eines aus böser Absicht oder aus einer auffallenden Sorglosigkeit verursachten Schadens ist der Beschädigte volle Genugthung (Anm.: richtig: Genugthuung); in den übrigen Fällen aber nur die eigentliche Schadloshaltung zu fordern berechtiget. Hiernach ist in den Fällen, wo im Gesetze der allgemeine Ausdruck: Ersatz, vorkommt, zu beurtheilen, welche Art des Ersatzes zu leisten sey.

Insbesondere

1) bey Verletzungen an dem Körper;

§ 1325. Wer jemanden an seinem Körper verletzet, bestreitet die Heilungskosten des Verletzten; ersetzet ihm den entgangenen, oder wenn der Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst und bezahlt ihm auf Verlangen überdieß ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld.

§ 1326. Ist die verletzte Person durch die Mißhandlung verunstaltet worden; so muß, zumahl wenn sie weiblichen Geschlechtes ist, in so fern auf diesen Umstand Rücksicht genommen werden, als ihr besseres Fortkommen dadurch verhindert werden kann.

§ 1327. Erfolgt aus einer körperlichen Verletzung der Tod, so müssen nicht nur alle Kosten, sondern auch den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetze zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden.

1a. an der geschlechtlichen Selbstbestimmung

§ 1328. Wer jemanden durch eine strafbare Handlung oder sonst durch Hinterlist, Drohung oder Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnisses zur Beiwohnung oder sonst zu geschlechtlichen Handlungen mißbraucht, hat ihm den erlittenen Schaden und den entgangenen Gewinn zu ersetzen sowie eine angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten.

1b. am Recht auf Wahrung der Privatsphäre

§ 1328a. (1) Wer rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre eines Menschen eingreift oder Umstände aus der Privatsphäre eines Menschen offenbart oder verwertet, hat ihm den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Bei erheblichen Verletzungen der Privatsphäre, etwa wenn Umstände daraus in einer Weise verwertet werden, die geeignet ist, den Menschen in der Öffentlichkeit bloßzustellen, umfasst der Ersatzanspruch auch eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

(2) Abs. 1 ist nicht anzuwenden, sofern eine Verletzung der Privatsphäre nach besonderen Bestimmungen zu beurteilen ist. Die Verantwortung für Verletzungen der Privatsphäre durch Medien richtet sich bei Dazwischentreten eines medienrechtlich Verantwortlichen allein nach den Bestimmungen des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981, in der jeweils geltenden Fassung.

2) an der persönlichen Freyheit;

§ 1329. Wer jemanden durch gewaltsame Entführung, durch Privatgefangennehmung oder vorsätzlich durch einen widerrechtlichen Arrest seiner Freiheit beraubt, ist verpflichtet, dem Verletzten die vorige Freiheit zu verschaffen und volle Genugtuung zu leisten. Kann er ihm die Freiheit nicht mehr verschaffen, so muß er den Hinterbliebenen, wie bei der Tötung, Ersatz leisten.

3) an der Ehre;

§ 1330. (1) Wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schade oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist, so ist er berechtigt, den Ersatz zu fordern.

(2) Dies gilt auch, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte. In diesem Falle kann auch der Widerruf und die Veröffentlichung desselben verlangt werden. Für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kennt, haftet er nicht, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte.

4) an dem Vermögen.

§ 1331. Wird jemand an seinem Vermögen vorsätzlich oder durch auffallende Sorglosigkeit eines Anderen beschädiget; so ist er auch den entgangenen Gewinn, und, wen der Schade vermittelst einer durch ein Strafgesetz verbothenen Handlung oder aus Muthwillen und Schadenfreude verursachet worden ist, den Werth der besonderen Vorliebe zu fordern berechtiget.

§ 1332. Der Schade, welcher aus einem minderen Grade des Versehens oder der Nachlässigkeit verursachet worden ist, wird nach dem gemeinen Werthe, den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte, ersetzet.

§ 1332a. Wird ein Tier verletzt, so gebühren die tatsächlich aufgewendeten Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung auch dann, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen, soweit auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten diese Kosten aufgewendet hätte.

Besonders durch die Verzögerung der Zahlung.

Gesetzliche Zinsen und weitere Schäden

§ 1333. (1) Der Schaden, den der Schuldner seinem Gläubiger durch die Verzögerung der Zahlung einer Geldforderung zugefügt hat, wird durch die gesetzlichen Zinsen (§ 1000 Abs. 1) vergütet.

(2) Der Gläubiger kann außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.

§ 1334. Eine Verzögerung fällt einem Schuldner zur Last, wenn er den durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag nicht einhält. Sofern die Parteien nicht anderes vereinbart haben, hat der Schuldner seine Leistung bei vertragsgemäßer Erbringung der Gegenleistung ohne unnötigen Aufschub nach der Erfüllung durch den Gläubiger oder, wenn die Parteien ein solches Verfahren vereinbart haben, nach der Abnahme oder Überprüfung der Leistung des Gläubigers oder, wenn die Forderung der Höhe nach noch nicht feststeht, nach dem Eingang der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung zu erbringen. Ist die Zahlungszeit sonst nicht bestimmt, so trägt der Schuldner die Folgen der Zahlungsverzögerung, wenn er sich nach dem Tag der gerichtlichen oder außergerichtlichen Einmahnung nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat.

§ 1335. Hat der Gläubiger die Zinsen ohne gerichtliche Einmahnung bis auf den Betrag der Hauptschuld steigen lassen, so erlischt das Recht, vom Kapital weitere Zinsen zu fordern. Vom Tag der Streitanhängigkeit an können jedoch neuerdings Zinsen verlangt werden.

Bedingung des Vergütungsvertrages (Conventional-Strafe).

§ 1336. (1) Die vertragschließenden Teile können eine besondere Übereinkunft treffen, daß auf den Fall des entweder gar nicht oder nicht auf gehörige Art oder zu spät erfüllten Versprechens ein bestimmter Geld- oder anderer Betrag entrichtet werden solle (§ 912). Der Schuldner erlangt mangels besonderer Vereinbarung nicht das Recht, sich durch Bezahlung des Vergütungsbetrages von der Erfüllung zu befreien. Wurde die Konventionalstrafe für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsortes versprochen, so kann sie neben der Erfüllung gefordert werden.

(2) In allen Fällen ist der Vergütungsbetrag, wenn er vom Schuldner als übermäßig erwiesen wird, von dem Richter, allenfalls nach Einvernehmung von Sachverständigen, zu mäßigen.

(3) Der Gläubiger kann neben einer Konventionalstrafe den Ersatz eines diese übersteigenden Schadens geltend machen. Ist der Schuldner ein Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 KSchG, so muss dies im Einzelnen ausgehandelt werden.

Verbindlichkeit der Erben des Beschädigers.

§ 1337. Die Verbindlichkeit zum Ersatze des Schadens und des entgangenen Gewinnes, oder zur Entrichtung des bedungenen Vergütungsbetrages haftet auf dem Vermögen, und geht auf die Erben über.

Rechtsmittel der Entschädigung.

§ 1338. Das Recht zum Schadenersatze muß in der Regel, wie jedes andere Privat-Recht, bey dem ordentlichen Richter angebracht werden. Hat der Beschädiger zugleich ein Strafgesetz übertreten; so trifft ihn auch die verhängte Strafe. Die Verhandlung über den Schadensersatz aber gehöret auch in diesem Falle, in sofern sie nicht durch die Strafgesetze dem Strafgerichte oder der politischen Behörde aufgetragen ist, zu dem Civil-Gerichte.

§ 1340. Diese Behörden haben in dem Falle, daß sich die Entschädigung unmittelbar bestimmen läßt, sogleich darüber nach den in diesem Hauptstücke ertheilten Vorschriften zu erkennen. Wenn aber der Ersatz des Schadens nicht unmittelbar bestimmt werden kann, ist in dem Erkenntnisse überhaupt auszudrücken, daß dem Beschädigtem die Entschädigung im Wege Rechtens zu suchen vorbehalten bleibe. Dieser Weg ist auch in Criminal-Fällen dem Beschädigten, und in anderen Fällen beyden Theilen dann vorbehalten, wenn sie mit der von der Strafbehörde erfolgten Bestimmung des Ersatzes sich nicht befriedigen wollten.

§ 1341. Gegen das Verschulden eines Richters beschwert man sich bey der höheren Behörde. Diese untersuchet und beurtheilet die Beschwerde von Amts wegen.

an wen;

§ 1424. Der Schuldbetrag muß dem Gläubiger oder dessen zum Empfange geeigneten Machthaber, oder demjenigen geleistet werden, den das Gericht als Eigenthümer der Forderung erkannt hat. Was jemand an eine Person bezahlt hat, die ihr Vermögen nicht selbst verwalten darf, ist er in so weit wieder zu zahlen verbunden, als das Bezahlte nicht wirklich vorhanden, oder zum Nutzen des Empfängers verwendet worden ist.

2. PHG
2. PHG

Stichwortverzeichnis

  • Als-ob-Hersteller 3

  • Als-ob-Produzent 3

  • Anleitung 5

  • Anpreisung 5

  • Anscheinsbeweis 7

  • Anscheinshersteller 3

  • Anscheinsproduzent 3

  • Anweisung 5, 8

  • Anwendung des ABGB 14

  • Assembler 3

  • Atomschaden 15

  • Auffanghaftpflicht 1

  • Auffanghaftung 1

  • Aufklärung 5

  • Ausfallshaftpflicht 1

  • Ausfallshaftung 1

  • Ausgangsmaterial 3

  • Ausgangsstoff 3

  • Ausgleich 12

  • Ausgleichspflicht 12

  • Auskunftspflicht 1, 12

  • Ausreißer 5

  • Ausschlußgrund 8

  • Befreiungsbeweis 7

  • Benennungspflicht 1, 12

  • Benützerkreis 5

  • Benützung 5, 6

  • Benützungswidmung 5

  • Bescheid 8

  • Bescheinigung 7

  • Besitz 6

  • Bestandteil 4

  • Betriebshaftpflichtversicherung 16

  • Beweislastumkehr 7

  • Beweislastverschiebung 7

  • Beweislastverteilung 7

  • Bilanzrückstellung 16

  • Bodenschätze 3

  • Deckungsvorsorge 16

  • Deckungszusage 16

  • Defekt 5

  • Eigentum 6

  • Einfuhr 1, 17

  • Elektrizität 4

  • Entlastungsbeweis 7

  • Entwicklungsrisiko 8

  • Erlöschung 13

  • Erzeugerhaftpflicht 1

  • Erzeugerhaftung 1

  • Fabrikant 3

  • Fabrikat 4

  • Fabrikationsfehler 5

  • Fachkunde 8

  • Fahrlässigkeit 8, 11

  • Fahrnis 4

  • Fehlanwendung 5

  • Fehler 5

  • Fernwärme 4

  • Firma 3

  • Freizeichnungsverbot 9

  • Garantie 16

  • Gas 4

  • Gebot 8

  • Gebrauchsanleitung 5

  • Gebrauchsanweisung 5

  • Gebrauchseinräumung 6

  • Gebrauchserwartung 5

  • Gebrauchswidmung 5

  • Gefährdungshaftung 15

  • Gefahrenhinweis 5

  • Gefährlichkeit 5

  • Gegenstand 4

  • Generalimporteur 1, 17

  • Gerät 4

  • Gesamthaftung 10

  • Gesamtschuld 10

  • Gesamtschuldverhältnis 10

  • Gesetz 8

  • Gesetzbuch 15

  • Gesundheitsschädlichkeit 5

  • Gewahrsam 6

  • Glaubhaftmachung 7

  • Haftpflichtgesetz 15

  • Haftpflichtrecht 14

  • Haftpflichtversicherung 16

  • Haftung 1

  • Haftungsausschluß 9

  • Haftungsausschlüsse 8

  • Haftungsbefreiung 8

  • Haftungseinschränkung 9

  • Handel 6

  • Händlerhaftpflicht 1

  • Händlerhaftung 1

  • Heilungskosten 1

  • Hersteller 3

  • Hoheitsakt 8

  • Innenverhältnis 12

  • Instruktionsfehler 5, 8

  • Instruktionspflicht 5

  • Inverkehrbringen 6

  • Konstruktionsfehler 5, 8

  • Konzeptionsfehler 5, 8

  • Korrealität 10

  • Leasing 6

  • Leihe 6

  • Lieferantenhaftpflicht 1

  • Lieferantenhaftung 1

  • Lizenz 3

  • Mangel 5

  • Mineral 3

  • Mißbrauch 5

  • Mitverantwortung 11

  • Mitverschulden des Geschädigten 11

  • Nennungspflicht 1, 12

  • Norm 8

  • Personenschaden 1

  • Pflegekosten 1

  • Planungsfehler 5, 8

  • Präklusionsfrist 13

  • prima-facie-Beweis 7

  • Privatschaden 2

  • Produkt 4

  • Produktbeobachtungspflicht 5

  • Produkthaftpflicht 1

  • Produktionsnorm 8

  • Produzent 3

  • Produzentenhaftpflicht 1

  • Produzentenhaftung 1

  • Quasi-Hersteller 3

  • Quasi-Produzent 3

  • Regreß 12

  • Regreßhaftung 12

  • Regreßpflicht 12

  • Regreßverhältnis 12

  • Rettungspflicht 11

  • Rohmaterial 3

  • Rohstoff 3

  • Rückgriff 12

  • Rückstellung 16

  • Sachkunde 8

  • Sachschaden 1, 2

  • Schaden 5

  • Schadenersatzrecht 14

  • Schadensausgleich 11

  • Schadensminderung 11

  • Schadensteilung 11

  • Scheinhersteller 3

  • Scheinproduzent 3

  • Schmerzengeld 1

  • Selbstbehalt 2

  • Sicherheitserwartung 5

  • Sicherheitsnorm 8

  • Sicherheitsvorschrift 8

  • Sicherheitsvorstellung 5

  • Solidarhaftung 10

  • Sonstige Ersatzansprüche 15

  • Übergangsbestimmung, Vollziehung 18

  • Übergangsrecht 19

  • Überlassung 6

  • Übermittlung 6

  • Übertragung 6

  • Unterhaltsentgang 1

  • Verbot 8

  • Verbraucherschaden 2

  • Verdienstentgang 1

  • Verkauf 6

  • Vermietung 6

  • Verordnung 8

  • Verschickung 6

  • Verschuldenshaftung 15

  • Vertragshaftung 15

  • Vertrieb 6

  • Verweisung 14

  • Vorsatz 8, 11

  • Ware 4

  • Warenzeichen 3

  • Wärme 4

  • Warnhinweis 5

  • Warnpflicht 5

  • Werbung 5

  • Wissensstand 8

  • Zivilrecht 14

  • Zivilsache 17

  • Zubehör 4

  • Zugehör 4

  • Zulieferer 3

  • Zuschläge 17

  • Zutat 3

  • Zweckbestimmung 5

2. PHG |
| 2. PHG

Haftung

§ 1. (1) Wird durch den Fehler eines Produkts ein Mensch getötet, am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt oder eine von dem Produkt verschiedene körperliche Sache beschädigt, so haftet für den Ersatz des Schadens

1.

der Unternehmer, der es hergestellt und in den Verkehr gebracht hat,

2.

der Unternehmer, der es zum Vertrieb in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt und hier in den Verkehr gebracht hat (Importeur).

(2) Kann der Hersteller oder - bei eingeführten Produkten - der Importeur (Abs. 1 Z 2) nicht festgestellt werden, so haftet jeder Unternehmer, der das Produkt in den Verkehr gebracht hat, nach Abs. 1, wenn er nicht dem Geschädigten in angemessener Frist den Hersteller beziehungsweise - bei eingeführten Produkten - den Importeur oder denjenigen nennt, der ihm das Produkt geliefert hat.

§ 2. Der Schaden durch die Beschädigung einer Sache ist nur zu ersetzen,

1.

wenn ihn nicht ein Unternehmer erlitten hat, der die Sache überwiegend in seinem Unternehmen verwendet hat, und

2.

überdies nur mit dem 500 Euro übersteigenden Teil.

Hersteller

§ 3. Hersteller (§ 1 Abs. 1 Z 1) ist derjenige, der das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt erzeugt hat, sowie jeder, der als Hersteller auftritt, indem er seinen Namen, seine Marke oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt.

Produkt

§ 4. Produkt ist jede bewegliche körperliche Sache, auch wenn sie ein Teil einer anderen beweglichen Sache oder mit einer unbeweglichen Sache verbunden worden ist, einschließlich Energie.

Fehler

§ 5. (1) Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist, besonders angesichts

1.

der Darbietung des Produkts,

2.

des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,

3.

des Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden ist.

(2) Ein Produkt kann nicht allein deshalb als fehlerhaft angesehen werden, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht worden ist.

Inverkehrbringen

§ 6. Ein Produkt ist in den Verkehr gebracht, sobald es der Unternehmer, gleich auf Grund welchen Titels, einem anderen in dessen Verfügungsmacht oder zu dessen Gebrauch übergeben hat. Die Versendung an den Abnehmer genügt.

Beweislastumkehr

§ 7. (1) Behauptet ein Hersteller oder ein Importeur, die Sache nicht in den Verkehr gebracht oder nicht als Unternehmer gehandelt zu haben, so obliegt ihm der Beweis.

(2) Behauptet ein in Anspruch Genommener, daß das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als er es in den Verkehr gebracht hat, so hat er dies als unter Berücksichtigung der Umstände wahrscheinlich darzutun.

Haftungsausschlüsse

§ 8. Die Haftung kann nicht durch den Mangel eines Verschuldens, sondern nur durch den Nachweis ausgeschlossen werden, daß

1.

der Fehler auf eine Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung zurückzuführen ist, der das Produkt zu entsprechen hatte,

2.

die Eigenschaften des Produkts nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem es der in Anspruch Genommene in den Verkehr gebracht hat, nicht als Fehler erkannt werden konnten oder

3.

- wenn der in Anspruch Genommene nur einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat - der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in welches der Grundstoff oder das Teilprodukt eingearbeitet worden ist, oder durch die Anleitungen des Herstellers dieses Produkts verursacht worden ist.

§ 9. Die Ersatzpflicht nach diesem Bundesgesetz kann im voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden.

Solidarhaftung

§ 10. Trifft die Haftpflicht mehrere, so haften sie zur ungeteilten Hand. Ihre Haftung wird nicht dadurch gemindert, daß auch andere nach anderen Bestimmungen für den Ersatz desselben Schadens haften.

Mitverschulden des Geschädigten

§ 11. Trifft den Geschädigten oder jemanden, dessen Verhalten er zu vertreten hat, ein Verschulden, so ist § 1304 ABGB sinngemäß anzuwenden.

Rückgriff

§ 12. (1) Hat ein Ersatzpflichtiger Schadenersatz geleistet und ist der Fehler des Produkts weder von ihm noch von einem seiner Leute verursacht worden, so kann er vom Hersteller des fehlerhaften Endprodukts, Grundstoffs oder Teilprodukts Rückersatz verlangen. Sind mehrere rückersatzpflichtig, so haften sie zur ungeteilten Hand.

(2) Haben mehrere Haftende den Fehler mitverursacht, so richtet sich das Ausmaß des Anspruchs desjenigen, der den Schaden ersetzt hat, auf Rückersatz gegen die übrigen nach den Umständen, besonders danach, wie weit der Schaden von dem einen oder dem anderen Beteiligten verschuldet oder durch die Herbeiführung eines Fehlers des Produkts verursacht worden ist.

(3) Kann ein nach Abs. 1 oder 2 Rückersatzpflichtiger nicht festgestellt werden, so ist jeder Unternehmer rückersatzpflichtig, der das Produkt vor dem Rückersatzberechtigten in den Verkehr gebracht hat, wenn er nicht diesem in angemessener Frist den Hersteller oder denjenigen nennt, der ihm das Produkt geliefert hat.

Erlöschung

§ 13. Sofern nach diesem Bundesgesetz bestehende Ersatzansprüche nicht früher verjähren, erlöschen sie zehn Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem der Ersatzpflichtige das Produkt in den Verkehr gebracht hat, es sei denn, der Geschädigte hat seinen Anspruch inzwischen gerichtlich geltend gemacht.

Anwendung des ABGB

§ 14. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist auf die darin vorgesehenen Ersatzansprüche das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch anzuwenden.

Sonstige Ersatzansprüche

§ 15. (1) Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzesbuchs und anderer Vorschriften, nach denen Schäden in weiterem Umfang oder von anderen Personen als nach diesem Bundesgesetz zu ersetzen sind, bleiben unberührt.

(2) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für Schäden durch ein nukleares Ereignis, die in einem von EFTA-Staaten und EG-Mitgliedstaaten ratifizierten internationalen Übereinkommen erfaßt sind.

Deckungsvorsorge

§ 16. Hersteller und Importeure von Produkten sind verpflichtet, in einer Art und in einem Ausmaß, wie sie im redlichen Geschäftsverkehr üblich sind, durch das Eingehen einer Versicherung oder in anderer geeigneter Weise dafür Vorsorge zu treffen, daß Schadenersatzpflichten nach diesem Bundesgesetz befriedigt werden können.

Zuschläge

§ 17. Als Importeur im Sinn des § 1 Abs. 1 Z 2 gilt überdies derjenige Unternehmer, der das Produkt zum Vertrieb von einem EFTA-Staat in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft oder von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in einen EFTA-Staat oder von einem EFTA-Staat in einen anderen EFTA-Staat eingeführt und hier in den Verkehr gebracht hat. Dies gilt ab dem Tag, an dem das Luganer Übereinkommen vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen für einen EG-Mitgliedstaat oder einen EFTA-Staat in Kraft tritt, nicht mehr für diejenigen Staaten, die das Übereinkommen ratifiziert haben, insoweit auf Grund dieser Ratifikationen ein zugunsten des Geschädigten erwirktes nationales Urteil gegen den Hersteller oder den Importeur im Sinn des § 1 Abs. 1 Z 2 vollstreckbar ist.

Übergangsbestimmung, Vollziehung

§ 18. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 1988 in Kraft.

§ 19. Dieses Bundesgesetz ist auf Schäden durch Produkte, die vor seinem Inkrafttreten in den Verkehr gebracht worden sind, nicht anzuwenden.

§ 19a. (1) § 1 Abs. 1 Z 2, § 2, § 9, § 13, § 15 Abs. 2 und § 17 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 95/1993 treten zu demselben Zeitpunkt in Kraft wie das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum *).

(2) Die Neufassung dieser Bestimmungen ist auf Schäden durch Produkte, die vor dem im Abs. 1 genannten Zeitpunkt in Verkehr gebracht worden sind, nicht anzuwenden.

(3) Die §§ 4 und 8 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 185/1999 treten mit 1. Jänner 2000 in Kraft. Die Neufassung dieser Bestimmungen ist auf Produkte, die vor dem 1. Jänner 2000 in Verkehr gebracht worden sind, nicht anzuwenden.

(3) Die §§ 2 und 19a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2001 treten mit 1. Jänner 2002 in Kraft. § 2 ist in dieser Fassung auf Schäden durch Produkte, die vor diesem Tag in Verkehr gebracht worden sind, nicht anzuwenden.

__________________

*) Die Kundmachung des Abkommens und seines Inkrafttretens wird zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

§ 20. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.

3. Jud
3. Jud

Judikatur

(Jud)

3. Jud
3. Jud
3.1. Schenkung - Erbe
3.1. Schenkung - Erbe

OGH 27.11.2020, 2Ob227/19z

OGH 27.11.2020, 2Ob227/19z (Schenkung - Erbe)

3.1. Schenkung - Erbe |
| 3.1. Schenkung - Erbe

Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

27.11.2020

Geschäftszahl

2Ob227/19z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** K*****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei C***** S*****, vertreten durch Mag. Thomas Stenitzer und Mag. Kurt Schick, Rechtsanwälte in Laa an der Thaya, wegen Auskunftserteilung (Streitwert: 30.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts
Wien als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2019, GZ 15 R 148/19y-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 22. Juli 2019, GZ 6 Cg 140/18z-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird in der Hauptsache mit der Maßgabe bestätigt, dass sie lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen Auskunft über Zeitpunkt, Gegenstand und Wert sämtlicher von der am ***** 2018 verstorbenen L***** M***** an die beklagte Partei gemachten Schenkungen zu geben sowie die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskunft eidlich zu bekräftigen, dies mit Ausnahme von Schenkungen geringen Werts, die aus den laufenden Einkünften erfolgten.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.883,16 EUR (darin enthalten 313,16 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]                  Die am ***** 2018 verstorbene Mutter der Streitteile setzte in einem Testament die Beklagte als Erbin ein und beschränkte die Klägerin auf den Pflichtteil. Das Verlassenschaftsgericht überließ der Beklagten den Nachlass an Zahlungs statt.

[2]                  Die Mutter hatte der Beklagten ungefähr im Jahr 2010 Geld geschenkt, mit welchem die Beklagte einen neuen PKW kaufte. Zu Weihnachten 2017 und an ihrem Sterbebett hatte sie ihr jeweils Schmuck geschenkt. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass die Mutter der Beklagten sonst etwas geschenkt hätte. Ebenso konnte es nicht feststellen, dass die Beklagte drei Sparbücher aus der Verlassenschaft nach dem vorverstorbenen Lebensgefährten der Mutter an sich genommen hätte und dass die Mutter auf Ersuchen der Beklagten gesagt hätte, die Beklagte dürfe diese Sparbücher behalten.

[3]                  Die Klägerin begehrte zuletzt, die Beklagte schuldig zu erkennen, binnen 14 Tagen Auskunft über Zeitpunkt, Gegenstand und Wert sämtlicher von der Verstorbenen an die Beklagte gemachten Schenkungen zu geben sowie die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskunft eidlich zu bekräftigen. Sie brachte vor, ihre Mutter habe nicht unbeträchtliche Mengen an Bargeld im Safe in ihrer Wohnung verwahrt gehabt. Weiters sei sie Eigentümerin von (vermutlich) Überbringersparbüchern gewesen. Darüber hinaus habe ihre Mutter beträchtlichen Goldschmuck besessen. Aus den Angaben der Beklagten, dass die Verlassenschaft vermögenslos sei, müsse zwingend abgeleitet werden, dass die Mutter zu Lebzeiten Schenkungen an die Beklagte getätigt habe, hinsichtlich derer der Klägerin ein Hinzurechnungsanspruch zustehe. Die Beklagte habe von der Mutter nicht bloß übliche Gelegenheitsgeschenke erhalten, vielmehr habe sie der Beklagten regelmäßig Geldbeträge zukommen lassen, so etwa 15.000 EUR zum Ankauf eines PKW. Zudem habe der Lebensgefährte der Mutter dieser den gesamten Hausrat, einen PKW und seine Ersparnisse vermacht. Das Schicksal dieser Vermögenswerte sei höchst aufklärungsbedürftig. Noch zu Lebzeiten habe der Lebensgefährte der Mutter erklärt, der Klägerin drei Überbringersparbücher von je knapp 15.000 EUR zukommen lassen zu wollen. Diese drei Sparbücher habe die Beklagte nach dem Tod der Mutter an sich genommen, die Mutter der Streitteile habe diese der Beklagten geschenkt.

[4]                  Die Beklagte wendete ein, die Mutter habe ihr wenige Tage vor dem Tod nur zwei Ketterl und einen Ring geschenkt, zwei weitere Ketterl habe sie von der Mutter zu Weihnachten 2017 geschenkt bekommen. Den PKW des 2016 verstorbenen Lebensgefährten habe die Mutter dem Ehemann der Beklagten verkauft. Etwa 2010 habe die Mutter beiden Parteien Geld für die Neuanschaffung eines PKW geschenkt, die Beklagte habe damals einen PKW erworben. Die drei von der Klägerin behaupteten Sparbücher des Lebensgefährten der Mutter seien der Beklagten nicht bekannt. Mit dem von ihm im Vermächtniswege erhaltenen Sparguthaben habe die Mutter dessen Begräbniskosten bezahlt und der Klägerin 11.000 EUR geschenkt. Über den Verbleib eines etwaigen Restbetrags sei der Beklagten nichts bekannt. Die Mutter habe lediglich über ein geringes Pensionseinkommen verfügt, mit dem sie ihre krankheitsbedingten Mehrkosten nicht decken habe können.

[5]                  Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen Auskunft a) über Gegenstand und Wert des Schmucks, den ihr die Mutter zu Weihnachten 2017 und kurz vor ihrem Tod geschenkt habe, und b) über den Wert des Geldbetrags, den sie ihr ca 2010 zum Kauf eines PKW geschenkt habe, und über den Zeitpunkt dieser Schenkung zu geben sowie die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskünfte eidlich zu bekräftigen. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wies es ab.

[6]                  Rechtlich folgerte das Erstgericht, die Klägerin habe nach § 786 ABGB Anspruch auf Auskunft über alle für die Beurteilung der Hinzurechnung nötigen Informationen. Diese habe ihr die Beklagte über die festgestellten Schenkungen nicht vollständig gegeben. Ein weitergehender Auskunftsanspruch bestehe nicht, weil keine Indizien dafür vorlägen, dass die Beklagte weitere Schenkungen erhalten hätte. Spekulationen, die sich darauf gründeten, dass Gegenstände nicht mehr da seien und die Beklagte Gelegenheit gehabt hätte, sich diese anzueignen, begründeten jeweils kein solches Indiz.

[7]                  Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren zur Gänze stattgab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

[8]                  Das Berufungsgericht führte aus, § 786 ABGB sei dahin auszulegen, dass der Hinzurechnungsberechtigte die Schenkung, über die er Auskunft verlange, nicht zuerst beweisen müsse. Es genüge, wenn er Umstände glaubhaft machen könne, die darauf schließen ließen, der Verstorbene habe eine Schenkung an die betreffende Person gemacht. Die Klägerin habe sogar bewiesen, dass die Beklagte von der Mutter bestimmte Schenkungen erhalten habe. Aus der Negativfeststellung folge nicht, dass die Beklagte keine weiteren Schenkungen erhalten hätte. Die Klägerin habe daher einen Auskunftsanspruch, der nicht nur die festgestellten Schenkungen, sondern auch die Bekanntgabe umfasse, in welchem darüber hinausgehenden Umfang Schenkungen stattgefunden hätten.

[9]                  Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zu den nicht präzise geregelten Voraussetzungen, nach denen der Auskunftsanspruch nach § 786 ABGB geltend gemacht werden könne, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

[10]       Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11]       Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12]       Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

[13]       Die Beklagte macht geltend, die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts sei mit dem Wortlaut des § 786 ABGB nicht in Einklang zu bringen, der nur von „bestimmten“ Schenkungen spreche. Die Auskunftspflicht der Klägerin könne sich daher nicht auf sämtliche Schenkungen schlechthin beziehen. Die Glaubhaftmachung weiterer konkreter Schenkungen, als die ohnehin festgestellten, sei der Klägerin aber nicht gelungen. Der Nachweis einer Schenkung reiche nicht aus, um weitere Schenkungen für wahrscheinlich zu halten.

[14]       Hiezu wurde erwogen:

[15]       1. Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015:

[16]       Schon bisher konnten Pflichtteilsberechtigte von der Verlassenschaft und den Erben auf materiell-rechtlicher Grundlage (§ 786 und §§ 784, 804 aF ABGB) Auskunft über Zuwendungen des Erblassers an andere Pflichtteilsberechtigte und Dritte verlangen (8 Ob 55/13s; 2 Ob 186/10g mwN; vgl Welser in Rummel/Lukas4 § 785 Rz 24; Eccher in Schwimann/Kodek4 § 786 Rz 6). Im Anwendungsbereich des Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO bestand der Anspruch schon bei konkret dargelegter begründeter Besorgnis des Pflichtteilsberechtigten, dass ihm nicht das gesamte Nachlassvermögen oder nicht alle für den Schenkungspflichtteil relevanten Verfügungen des Erblassers bekannt waren (2 Ob 142/19z; 2 Ob 213/17p; 2 Ob 186/10g). Der Anspruch war an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft und seine Ausübung nur durch das Schikaneverbot beschränkt (RS0012974). Er verpflichtete die Verlassenschaft oder die Erben, Auskunft über sämtliche pflichtteilsrelevanten Schenkungen zu geben (zuletzt 2 Ob 81/20f; 2 Ob 142/19z).

[17]                Ein entsprechender Anspruch gegen den Empfänger der Zuwendung wurde hingegen verneint; ihm gegenüber konnten die Pflichtteilsberechtigten nur nach Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO vorgehen, was ein aktives Verhalten des Empfängers voraussetzte (8 Ob 55/13s).

[18]       2. Auskunftsanspruch nach § 786 ABGB idF ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87):

[19]       2.1 Gemäß § 786 ABGB in der hier anzuwendenden Fassung des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) hat, wer berechtigt ist, die Hinzurechnung bestimmter Schenkungen zu verlangen, in Bezug auf diese einen Auskunftsanspruch gegen die Verlassenschaft, die Erben und den Geschenknehmer.

[20]                2.2 Diese durch das ErbRÄG 2015 neu eingeführte Bestimmung regelt nunmehr ausdrücklich den Auskunftsanspruch des Hinzurechnungsberechtigten, der nicht nur gegen die Verlassenschaft und die Erben, sondern auch gegen den Geschenknehmer besteht.

[21]                2.3 Nach ihrem Wortlaut gibt die Bestimmung den Auskunftsanspruch demjenigen, der „berechtigt ist, die Hinzurechnung bestimmter Schenkungen zu verlangen, [...] in Bezug auf diese“. Ob und gegebenenfalls von welchen weiteren Voraussetzungen der Anspruch abhängt, ist daraus nicht eindeutig zu entnehmen.

[22]                2.4 Die Gesetzesmaterialien verweisen lediglich darauf, dass nach bisherigem Recht unklar gewesen sei, ob der Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch auch gegenüber dem Geschenknehmer habe. Dies solle nun – und zwar für alle, die nach §§ 781 f ABGB die Hinzurechnung von Schenkungen verlangen können – klargestellt werden (ErläutRV 688 BlgNR XXV. GP 35). Den Materialien ist somit nicht zu entnehmen, dass der nach der bisherigen Rechtsprechung anerkannte Auskunftsanspruch (Punkt 1.) eine Einschränkung dahin erfahren sollte, dass er künftig lediglich hinsichtlich jener Schenkungen bestehe, die der Auskunftsberechtigte im Einzelnen konkret behaupten oder beweisen könne.

[23]                2.5 Müsste der Auskunftsberechtigte den Beweis einer bestimmten Schenkung erbringen, müsste er wesentliche Punkte, deren Klärung die Auskunft dienen soll, vorweg behaupten und beweisen. Dadurch wäre der neu geschaffene Anspruch regelmäßig aufgrund mangelnder Informationen von vornherein zum Scheitern verurteilt (vgl Till, Zum neuen Auskunftsanspruch im Erbrecht, iFamZ 2017, 274 [275]). Bei teleologischer Auslegung kann diese Wortfolge daher nicht bedeuten, dass der Auskunftswerber die Schenkungen, über die er Auskunft verlangt, zuerst beweisen müsste (Welser, Erbrechtskommentar § 786 Rz 4; Umlauft, Hinzu- und Anrechnung2 332; aM aufgrund des Wortlauts Rabl, Erbrechtsreform – Pflichtteilsrecht neu,

NZ 2015/107, 321 [342]). Allerdings sollen gänzlich unbeteiligte Personen nicht mit Auskunftsbegehren belangt werden können. Im Schrifttum wird vertreten, dass die Schenkung daher aufgrund objektiver Umstände glaubhaft gemacht, also bescheinigt werden müsse (Schauer in Barth/Pesendorfer, Praxishandbuch des neuen Erbrechts 222; Welser, Erbrechtskommentar § 786 ABGB Rz 4; Umlauft, Hinzu- und Anrechnung2 332; aM Hofmann, Der Anspruch auf Auskunft über Schenkungen nach dem ErbRÄG 2015, NZ 2019/112, 322 [325 f: Schikaneverbot ausreichend]).

[24]                2.6 Nach Auffassung des erkennenden Senats erfordert die Begründung des Auskunftsanspruchs, dass der Anspruchswerber Umstände behauptet und beweist, die auf pflichtteilsrelevante Zuwendungen des Erblassers schließen lassen. Ein Grund für ein bloßes Bescheinigungserfordernis (

§ 274 ZPO), wie es in der Lehre überwiegend vertreten wird, ist in Bezug auf die darzulegenden Umstände nicht erkennbar. Ob die festgestellten Umstände für die Annahme einer Auskunftspflicht ausreichen, ist dann eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Beim Anspruch gegen die Verlassenschaft oder die Erben ist etwa eine sonst nicht erklärbare Verminderung des Vermögens ausreichend, auch ohne Nennung bestimmter Empfänger. Beim Anspruch gegen einen (möglichen) Geschenknehmer sind Indizien erforderlich, dass der Erblasser die betreffende Person beschenkt hat (Nemeth/Niedermayr in Schwimann/Kodek5 § 786 ABGB Rz 4; Umlauft, Hinzu- und Anrechnung2 332).

[25]                2.7 Bei Auskunftsbegehren gegen mögliche Geschenknehmer innerhalb des engeren Familienkreises sind – insbesondere, wenn sie selbst pflichtteilsberechtigt sind – an diese Indizien keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl Umlauft, Hinzu- und Anrechnung2 332). Denn eine Gefahr, gänzlich „Unbeteiligte“ mit Auskunftspflichten zu belasten, besteht in solchen Fällen nicht. Dazu kommt, dass Zuwendungen im engen Familienkreis durchaus üblich sind (Umlauft, Hinzu- und Anrechnung2 332). Wurde etwa bewiesen, dass der Pflichtteilsberechtigte bereits hinzuzurechnende Schenkungen erhalten hat, liegt schon darin ein ausreichendes Indiz dafür, dass auch noch weitere solche Zuwendungen an diesen erfolgt sind.

[26]                3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

[27]                3.1 Beide Streitteile sind nach der Mutter pflichtteilsberechtigt, sodass die Klägerin, die nach § 783 ABGB die unbefristete Hinzurechnung von Schenkungen an die Beklagte verlangen kann, grundsätzlich auskunftsberechtigt ist.

[28]                3.2 Es steht fest, dass die Beklagte von der Mutter mehrere hinzuzurechnende Schenkungen erhalten hat. Bereits diese erwiesenen Schenkungen lassen in ausreichender Weise auf weitere Schenkungen an die Beklagte schließen, um eine Auskunftspflicht auch insoweit zu bejahen. Das Berufungsgericht hat die vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung zutreffend dahin ausgelegt, dass nicht feststeht, ob die Beklagte weitere Schenkungen erhalten hat, oder nicht. Dies gereicht der Klägerin jedoch nicht zum Nachteil. Nur wenn feststünde, dass die Beklagte keine weiteren Schenkungen erhalten hätte, bestünde insoweit kein Auskunftsanspruch.

[29]                4. Der Auskunftsanspruch erfasst jedenfalls alle Schenkungen, die nach § 783 ABGB hinzuzurechnen sind. Der Zweck der Norm schließt es dabei aus, dass der Belangte in zweifelhaften Fällen – etwa in der Frage, ob eine sittliche Pflicht iSd § 784 ABGB bestand – selbst entscheidet, ob eine Hinzurechnung zu erfolgen hat oder nicht. Eine Auskunftspflicht besteht hingegen nicht, wenn eine Hinzurechnung von vornherein ausgeschlossen werden kann. Das ist im gegebenen Zusammenhang der Fall, wenn Schenkungen geringen Werts – wie zwischen Eltern und Kindern üblich – aus den laufenden Einkünften gemacht wurden.

[30]       5. Ergebnis:

[31]                Zutreffend hat daher das Berufungsgericht erkannt, dass der Auskunftsanspruch der Klägerin nicht auf die festgestellten Schenkungen der Mutter an die Beklagte beschränkt ist. Vielmehr hat die Beklagte über alle ihr gemachten Schenkungen Auskunft zu geben. Ausgenommen sind nur Schenkungen geringen Werts, die aus den laufenden Einkünften erfolgten. Sowohl dem Vorbringen der Klägerin als auch den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, dass sich das Auskunftsbegehren der Klägerin und demgemäß auch die Auskunftsverpflichtung der Beklagten im Urteil ohnehin nicht auf solche üblichen Gelegenheitsgeschenke beziehen sollte. Insofern konnte daher eine Maßgabebestätigung erfolgen. Die Revision bleibt erfolglos.

[32]       6. Kosten:

[33]       Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00227.19Z.1127.000

4. Müsliriegel
4. Müsliriegel

OGH 04.11.2020, 3Ob107/20m

OGH 04.11.2020, 3Ob107/20m (Müsliriegel)

4. Müsliriegel |
| 4. Müsliriegel

Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

04.11.2020

Geschäftszahl

3Ob107/20m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr.

 Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Brehm & Sahinol Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Marwin Gschöpf, Rechtsanwalt in Velden, wegen 5.510 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. März 2020, GZ 1 R 210/19g-55, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 16. Mai 2019, GZ 7 C 445/17t-51, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (hierin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]           Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

[2]                  1. Grundvoraussetzung eines jeden Fehlers im Sinn des § 5 PHG ist die Enttäuschung einer „berechtigten Sicherheitserwartung“. Ausschlaggebend sind die berechtigten Sicherheitserwartungen, also ein objektiver Maßstab, dessen Konkretisierung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen ist (3 Ob 8/14v mwN; RIS-Justiz RS0107605).

[3]                  2. Die Ansicht der Vorinstanzen, es entspreche der allgemeinen Erfahrung des Konsumenten, dass in Müsliprodukten, denen eine gewisse Kernigkeit und Stückigkeit immanent sei (hier: einem Müsliriegel mit den Hauptzutaten „Apfel, Marille, Birne & Getreide“), Kern- und Schalenteile enthalten sein könnten, weil nicht völlig auszuschließen sei, dass beim Schälen von Nüssen oder Mandeln Teile der Schalen am geschälten Teil zurückbleiben könnten, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Es begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage, dass die Vorinstanzen das Bestehen einer Warnpflicht im Hinblick auf die (im vorliegenden Fall nach den Feststellungen verwirklichte) Gefahr, dass sich im Müsliriegel sehr kleine Teile von Mandelschalen befinden können, die geeignet sind, die Zähne des Konsumenten zu beschädigen, verneinten.

[4]           3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00107.20M.1104.000

5. Trauerschmerzengeld
5. Trauerschmerzengeld

OGH 24.11.2020, 10Ob41/20g

OGH 24.11.2020, 10Ob41/20g (Trauerschmerzengeld)

5. Trauerschmerzengeld |
| 5. Trauerschmerzengeld

Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

24.11.2020

Geschäftszahl

10Ob41/20g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 2.) Dr. S*****, Niederlande, und 3.) Dr. C*****, Niederlande, beide vertreten durch Tramposch & Partner, Rechtsanwälte KG in Innsbruck, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch König Ermacora Klotz & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen je 15.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. Juli 2020, GZ 10 R 16/20h-49, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 6. Februar 2020, GZ 41 Cg 11/19i-42, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der zweitklagenden und der drittklagenden Partei binnen 14 Tagen je die Hälfte der mit 2.071,22 EUR (darin enthalten 345,20 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]           Der 1983 geborene Bruder der Zweitklägerin und des Drittklägers kam am 16. 1. 2017 bei einem Lawinenunglück ums Leben. Das grob fahrlässige Verhalten des Beklagten ist nicht mehr strittig. Thema des Revisionsverfahrens ist nur mehr, ob die beiden erwachsenen Geschwister, die nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Verunglückten gelebt hatten, Anspruch auf Trauerschmerzengeld haben.

[2]           Die Vorinstanzen bejahten dies und sprachen ihnen einen Trauerschmerzengeldbetrag von je 15.000 EUR zu. Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zur Klärung dieser Frage zu.

[3]           Die – beantwortete – Revision des Beklagten ist entgegen dem Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[4]           1.1 Für die Zuerkennung von Trauerschmerzengeld ist nach der Rechtsprechung die intensive Gefühlsgemeinschaft maßgeblich, wie sie zwischen den nächsten Angehörigen innerhalb der Kernfamilie (Eltern/Kinder; Ehegatten oder Lebensgefährten) typischerweise besteht (2 Ob 90/05g, SZ 2005/59, RIS-Justiz RS0115189 [T2]; 10 Ob 81/08x; 6 Ob 103/19v, ZVR 2020/88, 181 [Steininger]; 4 Ob 176/19i).

[5]           1.2 Auch zwischen Geschwistern, die im gemeinsamen Haushalt leben, besteht typischerweise eine solche Gemeinschaft. Gegenteiliges hätte der Schädiger zu beweisen. Ohne Haushaltsgemeinschaft reicht das familiäre Naheverhältnis zwischen Geschwistern für sich alleine nicht aus, um einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld zu begründen. Vielmehr hat dann der Geschädigte das Bestehen einer intensiven Gefühlsgemeinschaft, die jener innerhalb der Kernfamilie annähernd entspricht, zu beweisen (2 Ob 90/05g, RS0115189 [T4]; 2 Ob 99/05f; vgl RS0123938). Diesen Beweis sah der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 90/05g als erbracht an: Der erwachsene Kläger hatte sich intensiv um seinen 2 Jahre jüngeren behinderten Bruder gekümmert. Zwischen den Geschwistern hatte sich über die Jahre eine intensive fürsorgliche Beziehung entwickelt, die über ein durchschnittliches geschwisterliches Verhältnis hinausging. Zu 10 Ob 81/08x bejahte der Oberste Gerichtshof den Anspruch auf Trauerschmerzengeld für nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit dem Getöteten lebende erwachsene Geschwister: Diese hatten sowohl untereinander als auch zu den Eltern eine enge Familien-/Gefühlsbeziehung. Die Brüder unternahmen häufig Freizeitaktivitäten miteinander.

[6]           2.1 Ob der Nachweis einer intensiven Gefühlsgemeinschaft gelungen ist, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen waren die drei (nach der Aktenlage damals 9, 11 und 13-jährigen) Geschwister nach dem Tod der Mutter im Jahr 1995 ein „eingeschworenes Team“. Die Zweitklägerin war die ältere Schwester, der Drittkläger war der jüngere Bruder des Verunglückten. Innerhalb der Familie bestand auch nach Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft regelmäßiger Kontakt, man telefonierte oder chattete miteinander und verbrachte gemeinsame Urlaube. Die Zweitklägerin hatte ein inniges Verhältnis zu ihrem getöteten Bruder, sie benannte ihre Tochter nach ihm und wählte ihn als Trauzeugen für die einige Monate nach dem Unglück geplante Hochzeit. Eine sehr herzliche und innige Beziehung bestand auch zwischen den beiden Brüdern, die gemeinsam studiert hatten, Mitglied in der selben Studentenvereinigung gewesen waren und viele gemeinsame Freunde und Hobbys teilten. Der Verunglückte hätte auch Trauzeuge seines jüngeren Bruders sein sollen. Dieser wurde von der Todesnachricht tief getroffen.

[7]           2.2 Diese innige Bindung der Geschwister, die durch den frühen Tod der Mutter zusammengeschweißt wurden, geht in ihrer Intensität über eine durchschnittliche, auch gute Beziehung zwischen erwachsenen Geschwistern, die Jahre nach dem Auszug aus dem Elternhaus und nach Gründung eigener Familien keinen intensiven Kontakt mehr zueinander haben und sich überwiegend nur mehr zu wichtigen Anlässen wie Familienfeiern treffen, hinaus. Es begründet daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht nicht nur eine intakte Geschwisterbeziehung, sondern eine intensive Gefühlsgemeinschaft, die jener in einer Kernfamilie annähernd entspricht, angenommen hat.

[8]           3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Zweitklägerin und der Drittkläger haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2020:0100OB00041.20G.1124.000

6. Geschäftsfähigkeit
6. Geschäftsfähigkeit

OGH 23.10.2020, 8Ob61/20h

OGH 23.10.2020, 8Ob61/20h (Geschäftsfähigkeit)

6. Geschäftsfähigkeit |
| 6. Geschäftsfähigkeit

Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

23.10.2020

Geschäftszahl

8Ob61/20h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Dr. R*****, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.143.609,63 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. März 2020, GZ 1 R 14/20s-64, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12. Mai 2020, GZ 1 R 14/20s-68, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. November 2019, GZ 47 Cg 34/17b-59, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei und dem Nebenintervenienten die jeweils mit 4.134,06 EUR (darin 689,01 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Alleinerbe nach seiner Tante, einer Kundin der beklagten Bank und Inhaberin mehrerer Sparbücher.

Die Tante litt an Demenz und war bereits seit August 2013 nicht mehr geschäftsfähig. Es gelang ihr allerdings noch im Frühherbst 2013 ihre Defizite so gut zu verbergen, dass sie von einem medizinischen Laien nicht leicht erkannt werden konnten.

Der Lebensgefährte der Tante behob von einem ihrer Sparbücher bei der Beklagten am 2. 8. 2013 170.000 EUR, am 12. 9. 2013 50.000 EUR und am 25. 9. 2013 351.778,10 EUR, und zwar jeweils unter Vorlage einer Vollmacht und nach telefonischer Rücksprache (von Mitarbeitern) der Beklagten mit der Tante. Von einem anderen Sparbuch behob die Tante am 14. 10. 2013 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten 571.831,53 EUR. Der Lebensgefährte verwendete sämtliche Beträge für eigene Zwecke. Die Mitarbeiter der Beklagten hatten bei den Auszahlungen keine Bedenken an der Geschäftsfähigkeit der Tante.

Der Nebenintervenient wurde mit Beschluss vom 12. 9. 2013, ihm zugestellt am 16. 9. 2013, zum einstweiligen Sachwalter für die Tante bestellt, unter anderem für die Vermögensverwaltung. Am 14. 10. 2013 erfolgte eine Umbestellung auf den nunmehrigen Klagevertreter. Weder der Nebenintervenient noch der Klagevertreter hatten Kenntnis von Vermögenswerten der Tante bei der Beklagten.

Weiters traf das Erstgericht folgende Feststellungen:

Die zwischen der Beklagten und der Tante vereinbarten AGB lauten auszugsweise:

Z 10. Der Kunde hat im Verkehr mit dem Kreditinstitut insbesondere die im Folgenden angeführten Mitwirkungspflichten zu beachten; deren Verletzung führt zu Schadenersatzpflichten des Kunden oder zur Minderung seiner Schadenersatzansprüche gegen das Kreditinstitut.[...]

Z 13. Jeder Verlust und jede Einschränkung der Geschäftsfähigkeit des Kunden sind dem Kreditinstitut unverzüglich schriftlich anzuzeigen. […]“

Hätte der Sachwalter unter Vorlage des Sachwalterbestellungsbeschlusses eine Anfrage zu den Vermögenswerten der Tante an den Österreichischen Bankenverband gestellt, hätte auch die Beklagte davon erfahren, eine Sperre über sämtliche bei ihr erliegenden Vermögenswerte der Tante veranlasst und die Beantwortung der Anfrage an das zuständige Pflegschaftsgericht weitergeleitet. Die Behebungen von 170.000 EUR am 2. 8. 2013 und von 50.000 EUR am 12. 9. 2013 erfolgten vor der ersten Sachwalterbestellung und hätten dadurch nicht verhindert werden können. Ob der Beklagten eine Anfrage des Sachwalters zum frühest denkbaren Zeitpunkt, also am 16. 9. 2013, vor der Behebung von 351.778,10 EUR am 25. 9. 2013 zugegangen wäre, konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls wäre die Anfrage, wenn sie zum ehestmöglichen Zeitpunkt am 16. 9. 2013 veranlasst worden wäre, der Beklagten vor dem 14. 10. 2013 zugegangen und hätte die Behebung von 571.831,53 EUR an diesem Tag verhindert.

Der Kläger und der Nebenintervenient haben in ihrer Berufungsbeantwortung (§ 468 Abs 2 ZPO) die Feststellung, dass die Anwendbarkeit der AGB vereinbart wurde, bekämpft, ebenso die Feststellung, dass die Behebung am 14. 10. 2013 durch eine umgehende Anfrage des Sachwalters beim Bankenverband verhindert worden wäre. Der Nebenintervenient hat sich darüber hinaus auch gegen die Negativfeststellung zur Behebung am 25. 9. 2013 gewandt. Diese Beweisrügen und damit im Zusammenhang stehende Verfahrensrügen wurden vom Berufungsgericht unerledigt gelassen.

Der Kläger begehrte von der Beklagten gemäß § 1424 ABGB die Zahlung von 1.143.609,63 EUR sA.

Die Beklagte bestritt und wandte insbesondere Gegenforderungen von 730.000 EUR und 923.609,63 EUR aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes ein. Der Kläger habe seiner Tante ein von ihm verwahrtes Sparbuch mit einem Einlagestand von ca 580.000 EUR herausgegeben und habe es verabsäumt, ein weiteres Sparbuch mit einem Einlagestand von 150.000 EUR an sich zu nehmen, obwohl er bereits gewusst oder vermutet habe, dass die Tante dement sei. Im Übrigen sei die Beklagte entgegen der Bestimmung Z 13 der AGB vom einstweiligen Sachwalter der Tante nicht umgehend über den Verlust der Geschäftsfähigkeit informiert worden, womit aber jedenfalls die Auszahlungen vom 25. 9. 2013 und vom 14. 10. 2013 unterblieben wären. Die Tante und der Kläger als ihr Erbe müssten sich dieses sorgfaltswidrige Verhalten des Sachwalters nach § 1313a ABGB zurechnen lassen.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung zu Recht, die bis zur Höhe der Klagsforderung eingewandten Gegenforderungen hingegen nicht zu Recht bestünden, und gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Da die trotz Geschäftsunfähigkeit der Tante ausgezahlten Beträge weder in deren Vermögen wirklich vorhanden noch zu deren Nutzen verwendet worden seien, müsse die Beklagte nach § 1424 ABGB nochmals leisten. Auszahlungen vor dem 14. 10. 2013 hätte der einstweilige Sachwalter nach den Feststellungen jedenfalls nicht verhindern können. Eine Haftung des Sachwalters für die Auszahlung am 14. 10. 2013 käme mangels Rechtswidrigkeitszusammenhang nicht in Betracht. Ein Fehlverhalten des Klägers liege nicht vor.

Das Berufungsgericht wies über Berufung der Beklagten ein Zinsenmehrbegehren ab, bestätigte im Übrigen aber die Entscheidung des Erstgerichts.

Dass die Tante Opfer einer (von ihrem Lebensgefährten begangenen) Straftat geworden sei, entbinde die Beklagte nicht von ihrer Zahlungspflicht nach § 1424 ABGB. Die von der Berufungswerberin zum Schutzzweck ins Treffen geführten Zitate aus der Lehre würden den Fall betreffen, dass der gesetzliche Vertreter die Betroffene schädige. Dem Argument, dass hier der Verkehrsschutz den Schutz der Geschäftsunfähigen überwiege, weil die Tante Schadenersatzansprüche gegen ihre Sachwalter habe, sei insbesondere zu erwidern, dass im Hinblick auf § 1424 ABGB gerade kein Schaden der Tante vorliege.

Dem Einwand der Beklagten, dass die in Z 13 der AGB festgelegte Informationspflicht durch die Tante selbst verletzt worden sei, die sich das Unterlassen ihres einstweiligen Sachwalters zuzurechnen lassen habe, sei die Nichtigkeit dieser Klausel nach § 879 Abs 3 ABGB entgegenzuhalten. Es liege zwar ein berechtigtes Interesse einer Vertragspartei daran vor, vom Verlust der Geschäftsfähigkeit des Vertragspartners zu erfahren. Auch habe die Beklagte hier entschuldbarer Weise keine Kenntnis vom Wegfall der Geschäftsfähigkeit der Tante gehabt. Jedoch führe die bloße Einleitung eines Pflegschaftsverfahrens noch nicht dazu, dass der einstweilige Sachwalter die Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen leicht erkennen könne, sei das ja Prüfungsgegenstand des Verfahrens. Eine nach Treu und Glauben bestehende nebenvertragliche Verpflichtung sogar des schon endgültigen Sachwalters, sämtliche Vertragspartner der Betroffenen über deren Geschäftsunfähigkeit zu informieren, scheide im Übrigen aus, weil diese Mitteilung sensible Gesundheitsdaten betreffe. Eine Verständigung werde nur im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände zumutbar sein, die die Beklagte nicht einmal behauptet habe.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Z 13 der AGB habe aufgefunden werden können. Auch die Frage nach nebenvertraglichen Informationspflichten bei Verlust der Geschäftsfähigkeit eines Bankkunden (oder anderer Personen in einem Dauerschuldverhältnis) nach dispositivem Recht habe über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

Die von dem Kläger und dem Nebenintervenienten beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Rechtsmittelzulässigkeit ist nur dann gegeben, wenn in der Revision zumindest eine erhebliche Rechtsfrage, von deren Lösung die Sachentscheidung abhängt, die also in diesem Sinn „präjudiziell“ ist, nachvollziehbar aufgezeigt wird (RIS-Justiz RS0088931 [T7]). Das ist hier nicht der Fall.

1.1 Die Revisionswerberin geht davon aus, dass ein Anspruch des Klägers nach § 1424 ABGB ausgeschlossen sei, ihm aber zumindest ein gravierendes Mitverschulden anzulasten sei, weil er die Abhebungen bzw die in Zusammenhang damit stehenden Straftaten des Lebensgefährten seiner Tante dadurch ermöglicht habe, dass er die beklagte Bank nicht über die Anregung auf Bestellung eines Sachwalters informiert habe, wodurch die Auszahlungen unterblieben wären. Der Schutzzweck des § 1424 Satz 2 ABGB bestehe nicht darin, den Erben der Geschäftsunfähigen zu bereichern, der den „Schaden“ selbst verursacht habe. In die gleiche Richtung zielt die Argumentation der Beklagten, der Vertrauensschutz des Geschäftspartners sei höher zu bewerten, als der Schutz des Geschäftsunfähigen, wenn der Schutz des Geschäftsunfähigen die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht erfordere, weil – wie hier – der „Erbe eines Millionenvermögens“ den „Schaden“ zu tragen habe, und die Geschäftsunfähigkeit für den Geschäftspartner nicht erkennbar gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

1.2.1 Gemäß § 1424 Satz 2 ABGB wirkt die Zahlung an eine Person, „die ihr Vermögen nicht selbst verwalten darf“, die also nicht geschäftsfähig ist, insofern nicht schuldbefreiend, als das Bezahlte nicht wirklich vorhanden oder zum Nutzen des Empfängers verwendet worden ist. Mangels Tilgungswirkung erlischt die Leistungspflicht des Schuldners nicht.

1.2.2 Klagsgegenständlich ist daher der sich aus den Sparguthaben ergebende Leistungsanspruch der Tante gegen die beklagte Bank, der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Kläger übergegangen ist (und kein Bereicherungs- oder Schadenersatzanspruch, wie die Beklagte in der Revision fälschlich meint). Dem originären Leistungsanspruch der Tante kann aber schlüssig weder die mangelnde Schutzwürdigkeit des späteren Gesamtrechtsnachfolgers noch dessen „Mitverschulden“ an den Auszahlungen entgegengesetzt werden. Von einer „Bereicherung“ des Klägers kann im Übrigen keine Rede sein, wird doch nicht einmal behauptet, dass ihm die bereits erfolgten Auszahlungen in irgendeiner Form zugute gekommen wären.

1.3 Eine auf das Verhalten des Klägers gegründete Schadenersatzforderung der Beklagten gegen den Kläger hat das Berufungsgericht mit dem Argument verworfen, dass außerhalb (vor-)vertraglicher Beziehungen die nur fahrlässige Zufügung reiner Vermögensschäden nicht rechtswidrig sei (RS0023122); ein vorsätzliches Verhalten des Klägers sei nicht zu erkennen.

Dem hält die Revisionswerberin nur entgegen, der Kläger habe durch den Antrag, ihn zum Sachwalter für seine Tante zu bestellen, Pflichten „wie ein Bergführer“ übernommen, selbst wenn er vom Gericht letztlich nicht zum Sachwalter bestellt worden sei; Vorsatz sei demnach nicht erforderlich.

Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung (RS0111144) ist jedoch weder einschlägig noch vergleichbar. Eine haftungsbegründende freiwillige Pflichtenübernahme des Einschreiters gegenüber der beklagten Bank wäre in der bloßen Anregung eines Sachwalterschaftsverfahrens für einen ihrer Kunden nicht zu erblicken. Im Übrigen steht entgegen der Behauptung der Beklagten nicht außer Streit, dass der Kläger bereits am 20. 8. 2013 beantragt hätte, ihn zum Sachwalter zu bestellen. Vielmehr datiert der im Akt erliegende Antrag erst vom 11. 10. 2013 (Beilage ./III).

1.4 Vor diesem Hintergrund sind Feststellungen darüber, dass der Kläger die Beklagte nicht über den Antrag auf Bestellung eines Sachwalters oder über die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters informiert hat, entbehrlich.

2. Die Ausführungen der Revisionswerberin, dass der Kläger und seine Tante einen Verwahrungsvertrag über ein Sparbuch geschlossen hätten und das Sparbuch (mit einem Einlagestand von 571.831,53 EUR) vom Kläger im Sommer 2013 nicht wirksam an seine schon geschäftsunfähige Tante hätte ausgehändigt werden können, er sich nicht auf seine eigene unwirksame Rückgabe berufen und aus dieser Rechte ableiten könne, weil dies rechtsmissbräuchlich sei, verstoßen gegen das Neuerungsverbot.

3.1 Auch im Revisionsverfahren vertritt die Beklagte den Standpunkt, dass die Geschäftsunfähige nicht entreichert sei, weil sie einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Sachwalter habe. Darauf kommt es aber nicht weiter an, weil – wie der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt hat – § 1424 Satz 2 ABGB nicht nur eine subsidiäre Haftung des Leistenden normiert (8 Ob 125/09d).

3.2 § 1424 Satz 2 ABGB stellt für eine Tilgungswirkung (allein) darauf ab, ob das Bezahlte wirklich vorhanden (in den Händen des Geschäftsunfähigen) oder zu seinem Nutzen verwendet worden ist (s auch 8 Ob 125/09d). Hier steht fest, dass der Lebensgefährte der Tante das abgehobene Geld „für eigene Zwecke“ verwendet hat. Die Behauptung, dass die Tante (auch ohne die ausgezahlten Sparguthaben) ihren Lebensabend luxuriös habe bestreiten können, ist daher nicht rechtserheblich. Schon deshalb begründet es keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, dass das Berufungsgericht dieses Vorbringen wegen des Neuerungsverbots nicht berücksichtigt hat.

3.3 Die Behauptung der Revisionswerberin, es sei eine nur geringe Beeinträchtigung der Einsichts- und Geschäftsfähigkeit der Tante vorgelegen, suggeriert, dass die Tante (partiell) geschäftsfähig gewesen sein könnte, und entfernt sich damit vom festgestellten Sachverhalt.

4.1 Die Beklagte leitet aus Z 13 ihrer AGB ab, dass sie unverzüglich und schriftlich vom Verlust der Geschäftsfähigkeit der Tante hätte verständigt werden müssen. Zwar räumt sie ein, dass die Verletzung dieser Informationspflicht der geschäftsunfähigen Tante selbst nicht vorwerfbar ist. Sie legt die Unterlassung aber dem (einstweiligen) Sachwalter zur Last, den sie gemäß § 1313a ABGB der Tante zurechnet.

4.2 Ein Schadenersatzanspruch der Beklagten gegen die Tante (bzw den Kläger als deren Erben) wegen Verstoß gegen eine (allfällige) Verständigungspflicht setzt voraus, dass die Unterlassung des einstweiligen Sachwalters der Tante gemäß § 1313a ABGB zuzurechnen und dass sie dem einstweiligen Sachwalter vorwerfbar ist. Darüber hinaus muss die Unterlassung für einen Schaden der Beklagten kausal sein. Die Beklagte vermag aber – soweit eine Kausalität zu bejahen ist – schon ein schuldhaftes Verhalten des einstweiligen Sachwalters nicht zur Darstellung zu bringen, sodass die Frage, inwieweit überhaupt eine Zurechnung vorzunehmen ist, dahingestellt bleiben kann.

4.3 Es steht fest, dass die Vermögenswerte der Tante bei der Beklagten dem Nebenintervenienten (und dem ohnehin erst am Tag der letzten Abhebung ins Amt bestellten Klagevertreter) nicht bekannt waren. Wenn der einstweilige Sachwalter eine Anfrage zu den Vermögenswerten der Tante an den Österreichischen Bankenverband gerichtet hätte, hätte sich nach den vom Erstgericht getroffenen – insoweit jedoch zu Lasten des Klägers und des Nebenintervenienten noch keine gesicherte Tatsachengrundlage bildenden – Feststellungen lediglich die letzte Behebung am 14. 10. 2013 (über 571.831,53 EUR) verhindern lassen.

Soweit die Beklagte in ihrer Revision meint, dass die Feststellung einer Bankverbindung nach § 4 Abs 4 KontRegG für den Sachwalter sehr viel einfacher zu bewerkstelligen sei, ist sie darauf zu verweisen, dass dieses Gesetz erst mit 15. 8. 2015, BGBl I 2015/116, in Kraft getreten ist. Bis dahin bestand nur die Möglichkeit einer Verbandsabfrage. Allerdings ergibt sich aus den Feststellungen, dass eine solche Anfrage durch den Sachwalter nicht als üblich anzusehen war. Damit in Einklang stehend hat der Nebenintervenient in seiner Einvernahme vor dem Erstgericht erklärt, in den zahlreichen ihm übertragenen Sachwalterschaftssachen immer nach dem gleichen Schema vorgegangen zu sein, nämlich – wie hier – nach Erhalt des Bestellungsbeschlusses zunächst einen Brief mit dem Ersuchen um Kontaktaufnahme an die betroffene Person geschickt zu haben.

Die Beklagte erklärt nun nicht, aus welchen Gründen der Nebenintervenient, und zwar bereits am Tag des Zugangs des Bestellungsbeschlusses, eine Anfrage an den Bankenverband hätte veranlassen müssen. Aus dem Bestellungsbeschluss ergibt sich nämlich kein Hinweis auf irgendwelche Sparbücher oder sonstige Vermögenswerte außer auf ein „Zinshaus“ der Tante (Beilage ./B). Der Nebenintervenient hatte (anders als der Klagevertreter) bei seiner Bestellung noch nie Kontakt zur Betroffenen oder deren Angehörigen gehabt, der vielleicht einen umgehenden Handlungsbedarf hätte vermuten lassen können. Es ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar, warum eine Verbandsabfrage noch am Tag der Zustellung des Bestellungsbeschlusses schuldhaft unterlassen worden sein sollte. Dass nicht feststeht, dass auch eine später als am 16. 9. 2013 in die Wege geleitete Anfrage des einstweiligen Sachwalters eine Behebung verhindert hätte, geht ebenso zu Lasten der für den hypothetischen Kausalverlauf beweispflichtigen Beklagten (vgl RS0022700), wie die Negativfeststellung zur Behebung am 25. 9. 2013, die von der Beklagten nicht bekämpft wurde.

4.4 Mangels eines nachvollziehbar dargestellten vorwerfbaren – schadenersatzbegründenden – Verhaltens des Nebenintervenienten (ein Unterlassen des Klagevertreters war nicht einmal für die letzte Behebung kausal) braucht auf die Frage nach der Wirksamkeit der Klausel 13 ebenso wenig eingegangen zu werden, wie auf das Bestehen nebenvertraglicher Informationspflichten.

5.1 Die Behauptung, dass die Tante ihrem Lebensgefährten (vor Verlust ihrer Geschäftsfähigkeit) eine Generalvollmacht erteilt hätte, verstößt – wie bereits das Berufungsgericht richtig bemerkt hat – teilweise gegen das Neuerungsverbot. Auch in dem von der Beklagten herangezogenen Punkt 7.1.5. der Klagebeantwortung finden sich keine konkreten Ausführungen, wann und wie konkret die Tante den Lebensgefährten vor Eintritt ihrer Geschäftsunfähigkeit zur Vornahme ihrer Bankgeschäfte bevollmächtigt hätte. Die Annahme einer Generalvollmacht widerspricht auch insofern den Feststellungen, als der Lebensgefährte bei den (von ihm allein getätigten) Behebungen jeweils an ihn ausgestellte Vollmachten vorlegte und die Mitarbeiter der Beklagten vor Durchführung jeder einzelnen Transaktion noch telefonisch mit der Tante Rücksprache hielten. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass diese Feststellungen auch der Annahme einer Anscheinsvollmacht entgegenstehen, ist nicht zu beanstanden, fehlte den Mitarbeitern der Beklagten doch schon der begründete Glaube (vgl RS0019609; RS0020145) an eine generelle Berechtigung des Lebensgefährten zur Durchführung von Bankgeschäften für die Tante.

5.2 Sekundäre Feststellungsmängel liegen in dem Zusammenhang nicht vor; ebenso wenig eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens.

6. Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, die die Revision zulässig machen würde, aufzuzeigen. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger und der Nebenintervenient haben auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten in ihren Revisionsbeantwortungen hingewiesen (RS0035979 [T16]).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00061.20H.1023.000